Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 1. Juli 2004
Aktenzeichen: 2 U 19/04
(OLG Stuttgart: Urteil v. 01.07.2004, Az.: 2 U 19/04)
Tenor
1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerinnen wird das Urteil des Vorsitzenden der 41. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 27.1.2004 geändert.2. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Verfügungsbeklagten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie in den nachfolgenden - verkleinert wiedergegebenen - Anlagen (Ast 1) zu werben.3. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.Gegenstandwert des Berufungsverfahrens: 250.000 Euro.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, der Sache nach von Erfolg.
A. Der Senat verweist auf die Feststellungen der angegriffenen Entscheidung (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Verfügungsklägerinnen, welche an ihrer Wertung festhalten, es liege eine Markenrechtsverletzung, jedenfalls aber ein Verstoß gegen § 1 UWG vor, weil ihre seit Jahrzehnten eingesetzte Werbeaufmachung wettbewerbsrechtliche Eigenart besitze, welche die Verfügungsbeklagte nachschaffend übernehme und der sie sich durch Rufausbeutung anhänge, was zudem die Gefahr schaffe, dass dieses bekannte Werbekonzept verwässert werde.
Die Verfügungsklägerinnen beantragen, unter Abänderung des Urteils des LG Stuttgart vom 27.1.2004 (41 O 2/04 KfH) im Wege der einstweiligen Verfügung die Anordnung zu treffen, der Beklagten und Berufungsbeklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs wie in der Anlage ASt 1 wiedergegeben zu werben.
Die Verfügungsbeklagte beantragt:
Die Berufung gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 27.1.2001 - Az.: 41 O 2/04 - wird zurückgewiesen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen.
B.1. Der auch von Amts wegen zu beachtende Einwand mangelnder Bestimmtheit der Antragsfassung verfängt nicht. Ein Unterlassungsantrag, der lediglich die konkrete Verletzungsform aufnimmt, ist hinreichend bestimmt, wenn sich aus ihm oder der Antragsbegründung das dafür Charakteristische ergibt (BGH WRP 2001, 28 [29] - Dentalästhetika; WRP 1998, 42 [46] - Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Das ist vorliegend der Fall. Die Begründung bezeichnet die behaupteten Verstöße (angebliche Markenrechtsverletzung einerseits und Verstoß gegen § 1 UWG durch vorgebliche Anlehnung an die näher bestimmten [Antragsschrift Ziff. 3.2] maßgeblichen Gestaltungsmerkmale der Antragstellerwerbung). Die Verfügungsbeklagte hat in der Gliederung ihrer Antragserwiderung eben diese Begründungsstruktur aufgenommen und auch damit zu erkennen gegeben, dass sie die konkreten Vorwürfe genau erkannt hat und daran auch ihre Verteidigung auszurichten vermochte. Für die sich später möglicherweise stellende Frage, ob die Verfügungsbeklagte bei abgewandelter Präsentation den Verbotsbereich verlassen hat, bietet die Kerntheorie das maßgebliche Instrumentarium an.
2. Das LG hat die Frage der Aktivlegitimation zutreffend behandelt. Die Berufungserwiderung zeigt denn auch folgerichtig insoweit keine Bedenken mehr auf.
3. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (ALDI informiert - Wir informieren).
a) Entgegen den Ausführungen in der Berufungserwiderung (Bl. 70 und 72) handelt es sich bei der Klagemarke nicht um eine Wort-/Bildmarke, welche auch ein Rechteck mit blauem Hintergrund einschlösse, sondern um die (bloße) Wortmarke: ALDI informiert. So haben es die Verfügungsklägerinnen vorgetragen (vgl. auch Bl. 75), so weist es die Bescheinigung des Deutschen Patent- und Markenamtes aus (ASt 3 = Bl. 14 - Anl.), so hat es das LG in seinem Urteil festgestellt (US 3 = Bl. 31) und so hat es die Verfügungsbeklagte gelegentlich selbst gesehen (Bl. 21 und ASt 15).
b) Die Verfügungsklägerinnen haben zwar die Bewertungsgrundsätze für die Prüfung der Verwechslungsgefahr zutreffend wiedergegeben. Der Umsetzung durch die Verfügungsklägerinnen kann jedoch nicht gefolgt werden.
aa) Unbeachtlich ist allerdings der Einwand der Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerinnen träten mit ihrer Marke nicht im Dienstleistungssegment der Verfügungsbeklagten am Markt auf. Die Marke ist auch für diese konkurrierenden Dienstleistungen eingetragen. Auch ohne Benutzung insoweit und allemal vor Ablauf der Schonfrist gem. § 25 Abs. 1 MarkenG genießt die Marke auch insofern Schutz.
bb) ALDI informiert ist von nur schwacher Kennzeichnungskraft, ALDI als Marke oder Unternehmenskennzeichen ist bekannt und damit stark, informiert als beschreibender Zusatz im Wortmarkenverbund schwach. Ohnehin gibt die Regel, dass eine beschreibende Angabe innerhalb einer mehrgliedrigen Wortmarke vom Verkehr nicht als Produktkennzeichnung angesehen wird, sodass der andere Bestandteil den Gesamteindruck der Marke prägt (BGH GRUR 1995, 997 - HONKA), eine gleichgerichtete Wertung vor. Ferner tritt hinzu, dass, wie ausgeführt, der nicht beschreibende Markenbestandteil ALDI einen hohen Bekanntheitsgrad besitzt und er damit Beifügungen auch nicht beschreibender Art prägend überstrahlen würde, weshalb vorliegend das eingetragene Zeichen in seinem Wahrnehmungsgehalt reduziert wird auf die Marke oder das Unternehmenskennzeichen ALDI. Eine andere Bewertung ist auch nicht im Hinblick auf die Entscheidung BGH NJW-RR 2002, 1617 [Ls] = GRUR 2002, 809 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I gefordert, auf welche die Verfügungsklägerinnen abstellen. Dort ging es um die Gesamtwortmarke Dietz FRÜHSTÜCKS-DRINK. Gerade der Nicht-Herstellerangabe maß der BGH Unterscheidungskraft zu, da sie nicht rein beschreibend sei, sondern, zumal in Teilen aus der englischen Sprache stammend, einen Fantasiegehalt aufweise. Dies alles geht dem glatt beschreibenden Markenbestandteil: informiert ab. Geprägt wird die Marke von dem bekannten Zeichen ALDI. Das sehen die Verfügungsklägerinnen erstmals im Berufungsrechtszug anders. In erster Instanz hielten sie es für möglich, dass informiert über originäre Kennzeichnungsschwäche (Bl. 12) verfüge oder gar freihaltebedürftig (Bl. 13) sei. Die Marke ALDI informiert transportiert hauptsächlich den bloßen Verweis auf die Handelskette und erlangt in ihrer Gesamterscheinung keine nennenswerte eigenständige Prägekraft, bleibt danach von nur unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft und tritt dem Verkehr in seiner Merkhaftigkeit ALDI entgegen.
cc) Wir informieren ist demgegenüber eine solche Allerweltswortbildung und geradezu die bloße Zusammenfassung einer maßgeblichen Werbefunktion, dass das relevante Verkehrsverständnis keinen Bezug zur Klagmarke herstellt.
c) Dass die Klagmarke insgesamt, also nicht nur der Bestandteil ALDI, eine bekannte Marke sei, behaupten die Verfügungsklägerinnen selbst nicht.
4. § 1 UWG (wettbewerblicher Leistungsschutz).
a) Von der Aktivlegitimation ist mit dem LG auszugehen, was im Übrigen nach Vorlage der eidesstattlichen Versicherung vom 13.1.2004 (Bl. 26) weder in erster Instanz noch im Berufungsrechtszug weitere Einwendungen der Antragsgegner erfahren hat.
b) Auch ein Werbekonzept, eine bestimmte werbliche Aufmachung, kann als unternehmerische Leistung wettbewerblichen Leistungsschutz erlangen (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rz. 603), so etwa bestimmte Farbgebungen (Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rz. 609; BGH v. 20.3.1997 - I ZR 246/94, MDR 1997, 1048 = GRUR 1997, 754 [755] - grau/magenta; dort zum unter Umständen gegebenen markenrechtlichen Schutz; Beater, Unlauterer Wettbewerb [2002], § 22 Rz. 32; § 19 Rz. 46-48; Schmidt-Diemitz/Eck in Gloy, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 43 Rz. 35; Sambuc, Der UWG-Nachahmungsschutz [1996], Rz. 696 m.N., i.E. krit.).
c) aa) Der werblichen Aufbereitung der wöchentlich mehrfach in Filialen ausliegenden Faltblattauflage kann wettbewerbliche Eigenart, welche Herkunftsfunktion besitzt, zuerkannt werden. Dabei verfängt das Argument der Verfügungsbeklagten nicht, diese Werbung schöpfe nur aus dem vorbekannten Formenschatz, weshalb ihr die beanspruchte Eigenart abgehe. Denn jede grafisch-bildliche Gestaltung, selbst ein Werk, das die Schöpfungshöhe eines Kunstwerks erlangt, kann letztlich nur auf eben diesen Formenschatz zurückgreifen. In der besonderen Zusammenstellung dieser vorgefundenen Elemente kann aber die schutzwürdige Eigentümlichkeit eines Werbeproduktes bestehen. So liegt es hier. Die zur Feststellung des mit dem Tenor geschaffenen Schutzbereiches der Werbung heranzuziehende Anspruchsbegründung und die dortige Auflistung der Gestaltungsmerkmale geben die spezielle werbliche Eigenart zutreffend wieder, die jenseits einer bloßen Farbbenennung oder dem bloßen Verweis auf gerundete Rahmen um die Einzelangebote im Faltblatt in der Art der Gesamtzusammenstellung der bezeichneten Gestaltungselemente für eine einprägsame und typische Warenpräsentation von ALDI steht. Diese einzelnen Merkmale sind auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführlich erörtert worden. Die Merkhaftigkeit des Werbekonzeptes wird durch seine hohe Bekanntheit, die durch seine stetige Wiederholung geschaffen wurde, gefestigt und erhöht. Zwar hat die Verfügungsbeklagte die von den Verfügungsklägerinnen behauptete Auflage und Erscheinungsdauer bestritten. Sie sind jedoch zum einen glaubhaft gemacht (ASt 9 = Bl. 14 - Anl.), zum anderen weiß der Senat, dessen Mitglieder ebenfalls zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, selbst aufgrund eigener Anschauung, dass diese Angaben nicht erfahrungswidrig sind. Danach verfügt die grafisch-bildliche Gestaltung, die in Ziff. 3.2 der Anspruchsbegründung gekennzeichnet und durch die hohe Intensität des Werbeeinsatzes gesteigert ist, in hohem Maße über die Qualität, auf das Unternehmen selbst hinzuweisen und damit mit ihrem solchermaßen geschaffenen Wiedererkennungseffekt Herkunftsfunktion auszuüben.
bb) Zwar hat auch der Senat in der mündlichen Verhandlung von sich aus und ergänzt durch eigenes Anschauungsmaterial der Verfügungsbeklagten erwogen, ob die Einprägsamkeit dieses werblichen Kommunikationsmittels nicht selbst dadurch leidet, dass ALDI für eben diese nämlichen Werbeaktionen parallel in Zeitungen Anzeigen schaltet, welche dort nicht lückenlos diese Gestaltungselemente aufnehmen, die das in den Filialen ausliegende Faltblatt prägen und ihm seine Eindrücklichkeit verleihen. Der Senat erachtet diesen Gesichtspunkt aber letztlich nicht für durchgreifend. Denn das Faltblatt stellt ein eigenes Medium mit hoher Auflage und damit hoher Verbreitungsdichte bei solchen Personen dar, welche an der Filiale vorbeigehen (dort Aushang an den Schaufenstern) oder sie aufsuchen. Es erreicht damit ein breites und eigenständiges Publikum, dass nach seinem Zuschnitt auch nur zum Teil Abonnement oder Käufer von Tageszeitungen ist. Danach misst der Senat den in den Anzeigen leicht abgewandelten Erscheinungsformen nicht die durchgreifende Wirkung zu, die Prägeelemente des streitbetroffenen Mediums zu schwächen, weshalb diese Parallelwerbung nicht geeignet ist, die herkunftshinweisende Kraft des Faltblattes entscheidend aufzuheben oder auch nur zu schwächen.
d) aa) Eine unmittelbare Übernahme ist nicht erfolgt. Die Unterschiede in der Gestaltung sind von den Parteien selbst aufgezeigt. Die Verfügungsklägerinnen sprechen denn auch selbst in der Berufung nur von nachschaffender Übernahme (Bl. 58).
bb) Die Annäherung ist jedoch ausgeprägt. Die Begründung Ziff. 3.2 zeigt zugleich den Nachahmungsgrad auf. Damit hat die Verfügungsbeklagte eine große Annäherung an das Unternehmen ALDI gewählt, was angesichts des großen Gestaltungsrepertoires aus dem vorbekannten Formenschatz und damit der leichten Vermeidbarkeit einer Anspielung für eine bewusste und zielgerichtete Anlehnung steht.
cc) Diese Art der Anlehnung an den durch Bekanntheit und Investition geschaffenen hohen Werbewert des Werbeerzeugnisses des Unternehmens ALDI ist unlauter. Aus ökonomischer Sicht ist das Nachahmen von Werbung für das betroffene Unternehmen in der Regel besonderes schädigend. Grundsätzlich muss nämlich jedem Unternehmen an einer eigenständigen Positionierung seiner Produkte, also daran gelegen sein, in der Wahrnehmung etwaiger Käufer möglichst eigenständig registriert zu werden. Werbung, die infolge ihrer äußeren Gestaltung oder ihrer informativen oder emotionalen Werbebotschaft mit der Werbung des Konkurrenten austauschbar ist, ist ineffektiv. Daraus ergibt sich zugleich eine besondere Schutzbedürftigkeit des Unternehmens, seine durch Investitionen geschaffene besondere Wahrnehmung bei den Verbrauchern zu erhalten und seine Werbepersönlichkeit durch Anlehnung nicht verwässert zu bekommen (zutreffend Beater, Unlauterer Wettbewerb [2002], § 19 Rz. 47). Zwar ist vorliegend angesichts der Branchenferne eine Gefahr, im Waren- oder Dienstleistungsbereich für austauschbar gehalten zu werden, eher gering. Zum einen verwässert jedoch diese Anlehnung die Merkhaftigkeit und damit Eigentümlichkeit des Werbekonzeptes der Verfügungsklägerinnen und nimmt durch sein nachahmendes Parallelerscheinen den vom Unternehmen ALDI gewählten Medium die Einmaligkeit. Dies hat dieses Unternehmen nicht hinzunehmen. Zudem geschieht nicht nur die bezeichnete Verwässerung eines eigenständigen Werbeprofils, vielmehr versucht die Verfügungsbeklagte durch die bewusste Anlehnung auch einen Imagetransfer vorzunehmen. Denn, wie unwidersprochen geblieben und nicht erfahrungswidrig ist, genießt die Firma ALDI hinsichtlich ihrer Produkte den Ruf von Qualität und Günstigkeit. An diesen Gütevorstellungen versucht die Verfügungsbeklagte mit ihrer Art der nachschaffenden Werbung teilzuhaben, zumal sie sich nach dem Inhalt ihrer streitbetroffenen Werbung augenscheinlich an ein breiteres Publikum wendet und damit an weite Teile der Kunden, welche typischerweise auch von ALDI und dieser werblichen Selbstdarstellung erreicht werden. Dies macht das streitgegenständliche Marktauftreten der Verfügungsbeklagten wettbewerbsrechtlich anstößig und rechtfertigt das beantragte Unterlassungsbegehren.
II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 542 Abs. 2 i.V.m. § 3 ZPO.
Der Umstand, dass die Verfügungsklägerinnen ihr Unterlassungsbegehren sowohl auf marken- wie wettbewerbsrechtliche Ansprüche gestützt haben und nur mit letzteren durchdringen, stellt kein Teilunterliegen dar, da die genannten Anspruchsgrundlagen ein einheitliches Anliegen mit nur unterschiedlichen Rechtserwägungen stützen sollten.
OLG Stuttgart:
Urteil v. 01.07.2004
Az: 2 U 19/04
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