Bundespatentgericht:
Urteil vom 28. Juli 2009
Aktenzeichen: 4 Ni 59/07
(BPatG: Urteil v. 28.07.2009, Az.: 4 Ni 59/07)
Tenor
I. Das deutsche Patent 100 31 685 wird für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 100 31 685 (Streitpatent), das am 29. Juni 2000 unter Inanspruchnahme der Prioritäten der Patentanmeldungen DE 100 28 264 vom 9. Juni 2000 und DE 100 29 707 vom 16. Juni 2000 angemeldet worden ist. Es betrifft eine Lupe mit Beleuchtungseinrichtung für die Verwendung im medizinischen Bereich sowie eine Beleuchtungseinrichtung und umfasst 17 Ansprüche, die vollständig angegriffen sind. Die Ansprüche 1 und 9 lauten wie folgt:
Wegen der weiter angegriffenen und unmittelbar oder mittelbar auf die Ansprüche 1 und 9 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 und 10 bis 17 wird auf die Streitpatentschrift DE 100 31 685 C2 Bezug genommen.
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu, noch beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zudem sei das Streitpatent unzulässig erweitert worden. Zur Begründung trägt sie vor, Lupenbrillen oder Lupen mit Kopfbandbefestigung seien ebenso wie Beleuchtungseinrichtungen mit den Merkmalen des Patentgegenstandes im Stand der Technik zu den Prioritätszeitpunkten bereits bekannt gewesen. Hierzu beruft sie sich insbesondere auf folgende Druckschriften:
K6 WO 97/36552 A1 K7 WO 96/25873 A1 K8 US 5 841509A K9 US 5 420768A K10 WO 00/13608 A1 K11 DE 199 53 160 A1 K12 EP 0879 582 A2 K13 WO 99/16136 A1 und K14 WO 98/53646 A1.
Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 100 31 685 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent folgende -korrigierte -Fassung erhält (ohne Bezugszeichen):
1. Lupe für die Verwendung im medizinischen Bereich mit einer an einem Trageelement am Kopf des Benutzers befestigbaren Lupenoptik mit wenigstens einer an der Lupe vorgesehenen Beleuchtungseinrichtung und einer elektrisch betriebenen Lichtquelle, dadurch gekennzeichnet, dassdie Lichtquelle von mehreren räumlich gegeneinander versetzten LEDs gebildet ist, dass für jede LED oder jede Gruppe von mehreren LEDs ein optisches Fokussierelement vorgesehen ist, mit dem die Lichtstrahlen der LEDs in einem Fokus fokussiert werden, und dass eine tragbare Versorgungseinheit mit wenigstens einer Batterie für den Betrieb der LEDs räumlich getrennt von der Lichtquelle angeordnet und mit dieser über ein Versorgungskabel verbunden ist, wobei die Lichtquelle von wenigstens einer Mehrfach-LED gebildet ist, die an einem gemeinsamen Halbleiterchip oder barren wenigstens zwei lichtemittierende Bereiche besitzt.
2. Lupe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dassdie wenigstens eine als Lichtquelle verwendete LED weißes oder annähernd weißes Licht aussendet.
3. Lupe nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dassdie die Lichtquelle bildende wenigstens eine LED eine Leuchtstärke von wenigstens 2000 mcd, beispielsweise eine Leuchtstärke von wenigstens 3000 mcd aufweist.
4. Lupe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dassdie Lichtquelle verstellbar an der Lupenoptik oder an einem dortigen Adapter vorgesehen ist.
5. Lupe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durcheine Linsenanordnung, die aus mehreren Fokussier-Linsen besteht, oder monolithisch mit mehreren, als Fokussierlinsen wirkenden Linsenelementen oder Bereichen ausgebildet ist.
6. Lupe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durchein getrennt von der Beleuchtungseinrichtung angeordnetes Betätigungselement, welches durch Berühren und/oder Annähern die Beleuchtungseinrichtung steuert, insbesondereeinund ausschaltet.
7. Lupe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dassdie Beleuchtungseinrichtung mehrere LEDs aufweist, und dass das Licht dieser LEDs durch optische Elemente, beispielsweise durch Lichtleitfasern im Brennpunkt einer gemeinsamen Linse oder Fokussier-Optik konzentriert wird.
hilfsweise mit der Maßgabe, dass das Streitpatent mit folgenden 6 Ansprüchen in der Fassung gemäß Hilfsantrag I, überreicht in der mündlichen Verhandlung, verteidigt wird.
1. Lupe für die Verwendung im medizinischen Bereich mit einer an einem Trageelement (4, 5) am Kopf des Benutzers befestigbaren Lupenoptik (2) mit wenigstens einer an der Lupe (1) vorgesehenen Beleuchtungseinrichtung (6) mit einer elektrisch betriebenen Lichtquelle, dadurch gekennzeichnet, dassdie Lichtquelle von mehreren räumlich gegeneinander versetzten LEDs (12, 12a) gebildet ist, dass für jede LED oder jede Gruppe von mehreren LEDs ein optisches Fokussierelement (9) vorgesehen ist, mit dem die Lichtstrahlen der LEDs in einem Fokus fokussiert werden, und dass eine tragbare Versorgungseinheit (13) mit wenigstens einer Batterie für den Betrieb der LEDs räumlich getrennt von der Lichtquelle (6, 6a) angeordnet und mit dieser über ein Versorgungskabel (19) verbunden ist, wobei die Lichtquelle von wenigstens einer Mehrfach-LED gebildet ist, die an einem gemeinsamen Halbleiterchip oder -barren wenigstens zwei lichtemittierende Bereiche besitzt und wobei die Lichtquelle verstellbar an der Lupenoptik oder an einem dortigen Adapter (3) vorgesehen ist.
2. Lupe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dassdie wenigstens eine als Lichtquelle verwendete LED weißes oder annähern weißes Licht aussendet.
3. Lupe nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dassdie die Lichtquelle bildende wenigstens eine LED eine Leuchtstärke von wenigstens 2000 mcd, beispielsweise eine Leuchtstärke von wenigstens 3000 mcd aufweist.
4. Lupe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durcheine Linsenanordnung (10), die aus mehreren Fokussier-Linsen besteht oder monolithisch mit mehreren, als Fokussierlinsen wirkenden Linsenelementen oder Bereichen ausgebildet ist.
5. Lupe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, gekennzeichnet durchein getrennt von der Beleuchtungseinrichtung (6, 6a) angeordnetes Betätigungselement (22), welches durch Berühren und/oder Annähern die Beleuchtungseinrichtung steuert, insbesondere einund ausschaltet.
6. Lupe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dassdie Beleuchtungseinrichtung (6, 6a) mehrere LEDs (12, 12a) aufweist und dass das Licht dieser LEDs durch optische Elemente, beispielsweise durch Lichtleitfasern im Brennpunkt einer gemeinsamen Linse oder Fokussier-Optik konzentriert wird.
Die Klägerin beantragt auch insoweit die Nichtigerklärung des Streitpatents.
Gründe
I.
Die zulässige Klage ist begründet, denn der Gegenstand des Streitpatents beruht weder in der nach dem Hauptantrag verteidigten, noch in der Fassung gemäß Hilfsantrag I, auf einer erfinderischen Tätigkeit, §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG. Die Frage des Hinausgehens über den Inhalt der Ursprungsanmeldung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) kann daher dahinstehen.
II.
1.
Das Streitpatent betrifft eine Lupe zur Verwendung im medizinischen Bereich mit einer oder mehreren Leuchtdioden als Beleuchtungseinrichtung.
2.
Derartige Lupen, etwa in der Form von Lupenbrillen oder aber auch als Lupen mit Kopfbandbefestigung, sind im medizinischen Bereich seit längerem bekannt. Ebenso sind im Stand der Technik Beleuchtungseinrichtungen für derartige Lupen, mit denen eine Ausleuchtung des Betrachtungsoder Operationsfeldes erreicht wird, bekannt (Abs. [0002]). Zur Beleuchtung sollen im Stand der Technik Halogenlampen mit entsprechender Optik Verwendung finden, die den Nachteil einer hohen Wärmeentwicklung, relativ großer Abmessungen und eines hohen Strombedarfes aufwiesen, so dass sie nur stationär verwendbar seien oder aber ein hohes Gewicht aufwiesen (Abs. [0003]). So erwähnt die Streitpatentschrift die Druckschrift K7 als Stand der Technik, die aber den Nachteil aufweise, dass der dort vorgesehene Lichtleiter bei der Verwendung der Binokularlupe störend sei und die Bewegungsfreiheit beeinträchtige (Abs. [0004]). Auch sei aus der Druckschrift K8 ein Binokular-Ophtalmoskop bekannt, dessen Lichtquelle aber nur eine sehr geringe Leistung aufweise und das daher allgemein als Lupe zum Betrachten eines Arbeitsoder Organisationsfeldes weder bestimmt, noch geeignet sei (Abs. [0005]).
3.
Aufgabe der Erfindung ist es, diese Nachteile zu vermeiden (siehe Absatz [0006]). Zur Lösung dieser Aufgabe umfasst der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag folgende Merkmale:
M1 Lupe für die Verwendung im medizinischen Bereich M2 mit einer an einem Trageelement (4, 5) am Kopf des Benutzers befestigbaren Lupenoptik (2)
M3 mit wenigstens einer an der Lupe (1) vorgesehenen Beleuchtungseinrichtung (6) mit einer elektrisch betriebenen Lichtquelle, dadurch gekennzeichnet, M4 dass die Lichtquelle von mehreren räumlich gegeneinanderversetzten LEDs (12, 12a) gebildet ist, M5 dass für jede LED oder jede Gruppe von mehreren LEDsein optisches Fokussierelement (9) vorgesehen ist, mit demdie Lichtstrahlen der LEDs in einem Fokus fokussiert werden, M6 und dass eine tragbare Versorgungseinheit (13) mit wenigstens einer Batterie für den Betrieb der LEDs räumlich getrennt von der Lichtquelle (6, 6a) angeordnet und mit dieserüber ein Versorgungskabel (19) verbunden ist, M7 wobei die Lichtquelle von wenigstens einer Mehrfach-LED gebildet ist, die an einem gemeinsamen Halbleiterchip oder -barren wenigstens zwei Licht emittierende Bereiche besitzt.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag weist zusätzlich noch folgendes Merkmal auf:
M8 und wobei die Lichtquelle verstellbar an der Lupenoptik oder an einem dortigen Adapter (3) vorgesehen ist.
III.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beruht für den Fachmann, einem mit der Entwicklung entsprechender optischer Instrumente betrauten Dipl.-Physiker, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Aus der Druckschrift K7 (siehe insbesondere die Fig. 1 mit zugehöriger Beschreibung) ist eine Lupe (Binokularlupe 6) für die Verwendung im medizinischen Bereich (siehe Titel) bekannt (M1), mit einer an einem Tragelement (Kopfband bzw. Kopfhalter 4) am Kopf des Benutzers befestigbaren Lupenoptik 6 (M2) und mit einer an der Lupe vorgesehenen Beleuchtungseinrichtung 8 mit einer elektrisch betriebenen Lichtquelle (siehe Anspruch 14 und 16) (M3).
Die Beleuchtungseinrichtung 8 ist mit einer Kondensorlinse versehen und über einen Lichtleiter 10 mit einer Lichtquelle verbunden (siehe Seite 15, Absatz 2, 3 und Anspruch 16).
Der Fachmann, der sich gemäß dem Streitpatent die Aufgabe gestellt hat, den bei diesem Stand der Technik vorhandenen Nachteil der störenden und die Bewegungsfreiheit des Benutzers beeinträchtigenden Lichtleiter zu vermeiden (siehe Streitpatent Absätze [0004, 0006]), wird sich nach geeigneten Beleuchtungseinrichtungen für den medizinischen Bereich umsehen, die außerdem eine möglichst geringe Wärmeentwicklung aufweisen (siehe Streitpatent, Absatz [0003]). Aus der Druckschrift K14 ist dem Fachmann dazu eine Beleuchtungseinrichtung für die Verwendung im medizinischen Bereich bekannt (siehe Seite 11, Absatz 3: "One embodiment may be used as an improved light source for portable opticalbased instruments,..."; Seite 4, Zeile 9 "... for use in surgical applications ..."), die wenig Wärme entwickelt und den Nachteil der mangelnden Flexibilität von Lichtleitern vermeidet (siehe Seite 1, Zeilen 12 bis 15: "However, problems with illumination devices such as fiber bundles remain because of their bulk and lack of flexibility."; Seite 2, Absatz 2: "Accordingly, the inventor has determined that it would be desirable to have an illumination device which is miniature, cool operating, and convenient to use, and which provides ergonomically correct lighting of scenes which are viewed directly.") Der Fachmann wird daher zur Lösung der gestellten Aufgabe die Beleuchtungseinrichtung aus der Druckschrift K14 aufgreifen und bei einer Lupe mit Tragelement gemäß der Druckschrift K7 einsetzen.
Er gelangt somit in nahe liegender Weise zu einer elektrisch betriebenen Lichtquelle bei einer Beleuchtungseinrichtung für eine Lupe mit einem Tragelement (siehe insbesondere die Fig. 1A mit zugehöriger Beschreibung), dievon mehreren räumlich gegeneinander versetzten LEDs gebildet ist (siehe Fig. 1B, sieben LEDs 150) (M4), wobei für die LEDs ein optisches Fokussierelement 120 (cover lens) vorgesehen ist, mit dem die Lichtstrahlen der LEDs in einem Fokus fokussiert werden (siehe Seite 4, Zeile 23 bis Seite 5, Zeile 2) (M5), und wobei eine tragbare Versorgungseinheit mit wenigstens einer üblichen Batterie für den Betrieb der LEDs räumlich getrennt von der Lichtquelle angeordnet (external power source, siehe Seite 5, Absatz 3) und mit dieser über ein Versorgungskabel 130 (power connection) verbunden ist (M6), wobei die Lichtquelle von einer Mehrfach-LED gebildet ist, die an einem gemeinsamen Halbleiterchip 155 (mounting) sieben Licht emittierende Bereiche besitzt (siehe Fig. 1B) (M7).
IV.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht für den Fachmann ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag weist zusätzlich zum Anspruch 1 nach Hauptantrag noch das Merkmal M8 auf, wonach die Lichtquelle verstellbar an der Lupenoptik oder an einem dortigen Adapter vorgesehen ist. Gemäß der Druckschrift K7 ist die Beleuchtungseinrichtung 8 (siehe Fig. 1) an einem Kopfband 4 (siehe Seite 15, Absatz 2 und Anspruch 14) bzw. an der Lupenoptik angebracht (siehe Anspruch 15). Die Lupe 6 ist ebenfalls am Kopfband 4 angebracht, "mit den üblichen Einstellmöglichkeiten für Neigung, Pupillenabstand und gegebenenfalls Fokussierung" (siehe Seite 14, Absatz 5). Für den Fachmann ist es platt selbstverständlich, dass die Beleuchtungseinrichtung bzw. eine dafür eingesetzte LED-Lichtquelle ebenso wie die Lupe zur Einstellung und Beleuchtung eines zu untersuchenden Bereichs für den Benutzer verstellbar vorgesehen sein muss.
V.
Die ebenfalls angegriffenen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 7 gemäß Hauptantrag und 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag teilen das Schicksal der jeweiligen Patentansprüche 1, da sich deren Gegenstände entweder in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben oder lediglich auf fachmännischem Handeln beruhen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.
Voit Friehe Dr. Morawek Bernhart Dr. Müller Pr
BPatG:
Urteil v. 28.07.2009
Az: 4 Ni 59/07
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