Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. August 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 57/01
(BPatG: Beschluss v. 07.08.2002, Az.: 28 W (pat) 57/01)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 14. Februar 2000 für eine Vielzahl von Waren der Klasse 29, darunter "Milch, Joghurt, Butter, Käse", eingetragene Wort-Bild-Markesiehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben aus der prioritätsälteren Wort-Bild-Marke 2 904 673 siehe Abb. 2 am Endedie seit dem 10. April 1995 für "Milch und Milcherzeugnisse; Brotaufstriche, insbesondere unter Verwendung von Gemüse und Würzmitteln" eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, die sich gegenüberstehenden Marken seien zwar teilweise zur Kennzeichnung identischer und wirtschaftlich nahestehender Waren bestimmt, so dass ein eher strenger Maßstab an den Markenabstand anzulegen sei. Dieser werde aber von den Marken in ihrer Gesamtheit ohne weiteres eingehalten. Eine Verwechslungsgefahr komme allenfalls dann in Betracht, wenn aus der Widerspruchsmarke der Wortbestandteil "Brunch" herausgegriffen und der schutzbegehrenden Marke gegenübergestellt würde, was sich allerdings aus Rechtsgründen verbiete, da dieser Bestandteil hinsichtlich der von beiden Marken beanspruchten Waren als glatt beschreibender Sachhinweis äußerst kennzeichnungsschwach sei und deshalb beide Marken nicht allein präge. Unter diesem Blickwinkel verbiete sich auch die Annahme einer gedanklichen Verwechslungsgefahr, da es an einem gemeinsamen Markenstamm fehle.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie vor allem die nach ihrer Auffassung unrichtige Beurteilung der Markenähnlichkeit rügt. Unstreitig stimmten die Marken im Bestandteil "Brunch" überein, der keinesfalls kennzeichnungsschwach sei und sich für die Widersprechende durch intensive Benutzung mit entsprechendem Bekanntheitsgrad auf dem Markt nicht nur zu einem Betriebshinweis entwickelt habe, sondern der Widerspruchsmarke sogar zu erhöhter Kennzeichnungskraft verhelfe und diese damit zwangsläufig auch in ihrer Gesamtheit präge. Das gelte in gleichem Maße für die angegriffene Marke, obwohl sogar schon bei der bloßen Gegenüberstellung mit der Wortfolge "Lunch&Brunch" eine unmittelbare klangliche Annäherung gegeben sei. Im übrigen bestände aber auch eine gedankliche Verbindung der Marken nach ihrem übereinstimmenden Aufbau und Sinngehalt, was ebenfalls zur Annahme einer Verwechslungsgefahr führe.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Demgegenüber beantragt die Markeninhaberin, die Beschwerde zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung hat die Markenstelle zurecht die Markenähnlichkeit nach dem Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen verneint. Der Bestandteil "Brunch" könne demgegenüber als reine Sach- bzw. Bestimmungsangabe nicht isoliert kollisionsbegründend herangezogen werden. Die behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke werde genauso bestritten wie die Behauptung der Widersprechende, die Markeninhaberin lehne sich im gesamten Zeichenaufbau eng an die Widerspruchsmarke an und versuche lediglich, deren guten Ruf auszunutzen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Gefahr von Verwechslungen iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt.
Was die beiderseitigen Waren betrifft, muss, da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, nach der Registerlage von sich gegenüberstehenden identischen bzw. hochgradig ähnlichen Waren ausgegangen werden, so dass an den von der jüngeren Marke zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr einzuhaltenden Abstand deutliche Anforderungen zu stellen sind, zumal es sich bei den Waren um Artikel des täglichen Bedarfs handelt, die vom Verkehr erfahrungsgemäß mit einer gewissen Flüchtigkeit gerade gegenüber den Kennzeichnungen erworben werden. Der danach erforderliche Abstand wird von der angegriffenen Marke jedoch gewahrt.
In ihrer Gesamtheit muss die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken wegen ihrer deutlich unterschiedlichen Bild- wie Wortbestandteile im registerrechtlichen Sinne als eher gering bewertet werden, da zahlreiche Elemente der beiden typischen Etikettenmarken in der jeweils anderen Marke keine Entsprechung haben. Das wird im übrigen auch von beiden Beteiligten nicht in Frage gestellt. Eine die Gefahr von Verwechslungen begründende Markenähnlichkeit kann deshalb, wie auch die Widersprechende einräumt, allenfalls dann in Betracht kommen, wenn man der jüngeren Marke den Wortbestandteil "Brunch" der Widerspruchsmarke gegenüberstellt und auch die jüngere Marke auf diesen gemeinsamen Bestandteil verkürzt. Das verbietet sich indes bereits aus Rechtsgründen.
Grundsätzlich ist bei der Beurteilung der Ähnlichkeit und zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken auf deren Gesamteindruck abzustellen. Denn der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elementes ist dem Markenrecht fremd, so dass es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Kollision lediglich aufgrund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elementes feststellen zu wollen, selbst wenn dieses in der jüngeren Marke identisch vorhanden ist. Allerdings kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise bei Vergleichszeichen, die nur in einem Bestandteil übereinstimmen, dann gegeben sein, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird, wobei eine bloße Mitprägung nicht ausreicht (BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Bei kombinierten Wort-Bild-Zeichen wie im vorliegenden Fall kann allerdings davon ausgegangen werden, dass der vom Verkehr nach der Lebenserfahrung zur einfachen Bezeichnung der Marke in der Regel herangezogene Wortbestandteil auch die Gesamtmarke prägt, sofern dieser selbständig kennzeichnungs- und markenschutzfähig ist (vgl zB BGH GRUR 2000, 883 "Papagallo"). Fehlt dem Wortteil hingegen die Kennzeichnungskraft, so verbietet es sich aus Rechtsgründen, ihn bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit und Verwechslungsgefahr heranzuziehen, da aus schutzunfähigen Bestandteilen keine Rechte hergeleitet werden können.
Ob es sich vor diesem Hintergrund bei dem Bestandteil "Brunch" in der Widerspruchsmarke um ein schutzunfähiges Element handelt, das in Bezug auf die vorliegend beanspruchten Waren lediglich einen Sachhinweis betr. die Bestimmung der Ware gibt (zum Verzehr beim Brunch geeignet, vgl BPatG Beschl. vom 16.9.1998, 32 W (pat) 115/97, PAVIS-CD-ROM), kann allerdings genauso dahingestellt bleiben wie die Frage einer erhöhten Bekanntheit der Widerspruchsmarke und einer sich daraus ggf. ergebenden Stärkung des zumindest graphisch dominanten Wortteiles "Brunch", da selbst in diesem Fall auf Seiten der jüngeren Marke nur auf den dort zur mündlichen Benennung herausgestellten Wortteil "lunch&brunch" als Ganzes abgestellt werden kann. Diese Wortfolge unterscheidet sich schon von ihrer Länge her deutlich in Klang, Bild und Begriff von dem bloßen Wort "brunch", so dass eine zur Verwechslungsgefahr führende Ähnlichkeit der Marken auch bei dieser Konstellation verneint werden kann. Eine weitere Verkürzung der jüngeren Marke auf den Begriff "brunch" ist hingegen nicht möglich, da keinerlei Veranlassung besteht, hierin ein für den Gesamteindruck ausschließlich maßgebliches und prägendes Element zu sehen und dahinter alle übrigen Zeichenteile zurücktreten zu lassen, zumal es sich wie ausgeführt bei diesem Wort in Bezug auf die beanspruchten Waren eher um einen beschreibenden Sachhinweis handelt, bei dem zweifelhaft ist, ob er überhaupt einem selbständigen Markenschutz zugänglich ist.
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheidet damit mangels Vorliegen einer relevanten Markenähnlichkeit aus.
Entgegen der Ansicht der Widersprechenden besteht auch nicht die Gefahr, dass die Zeichen miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden (§ 9 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 MarkenG). Ohnehin fällt hierunter nicht jede wie immer geartete gedankliche Assoziation (BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont -; EuGH Mitt 1997, 395 - Sabel/Puma). Die Rechtsprechung greift vielmehr vorrangig auf die Grundsätze der zum Warenzeichengesetz entwickelten mittelbaren Verwechslungsgefahr sowie zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne zurück (Althammer/Ströbele; MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 203 ff).
Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist anzunehmen, wenn der Verkehr in Kenntnis beider Marken deren Unterschiede erkennt, jedoch aufgrund gemeinsamer Stammbestandteile oder sonstiger Übereinstimmungen einem Irrtum über die betriebliche Herkunft bzw. Ursprungsidentität der mit den Marken gekennzeichneten Waren unterliegen kann (vgl EuGH - Sabel/Puma, aaO; BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; 1998, 932 - MEISTERBRAND -). Von einer irrtümlichen Zuordnung der angegriffenen Marke zu dem Geschäftsbetrieb der Inhaberin der Widerspruchsmarke aufgrund des Bestandteils "Brunch" kann hier nicht ausgegangen werden, weil dieser Bestandteil für sich allein keine Hinweiswirkung auf die Widersprechende hat, da er wie ausgeführt von Haus aus eher kennzeichnungsschwach ist und im zweckbestimmenden Bereich der in Anspruch genommenen Waren liegt. Es ist daher nicht als Stammzeichen geeignet und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Widerspruchsmarke als ganzes nach dem - allerdings bestrittenen - Vortrag der Widersprechenden inzwischen einen gewissen Bekanntheitsgrad im Verkehr erlangt hat.
Der Senat stimmt mit der Widersprechenden allerdings überein, dass sich das "gedankliche in Verbindung bringen" nicht in den genannten Verwechslungskategorien erschöpfen muss. Denn insbesondere werden damit die Fälle, in denen die zu vergleichenden Zeichen aufgrund ihres atmosphärischen Gesamteindrucks und ihres spezifischen Zeichenaufbaus vom Publikum gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, nicht erfasst, obwohl hierfür im Einzelfall auch registerrechtlich ein Bedürfnis bestehen kann und sich dies in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts widerspiegelt (vgl BPatGE 36, 8 - OKLAHOMA SOUND/ MISSISSIPPI SOUND mwN; BPatGE 40, 26 - KIMBOYS/KIMLADY). Ein solches erweitertes Verständnis der assoziativen Verwechslungsgefahr als komplexe mittelbare Verwechslungsgefahr muss jedoch auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben und findet nach wie vor seine Grenze an der Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen der Verwechslungsgefahr (EuGH WRP 1998, 39, 41 - Sabel/Puma -). Das bedeutet, dass sie allein ausgehend vom Gesamteindruck und vom Aufbau der Zeichen, an ihrer Originalität aufgrund der Typizität der Zeichen nach Wort, Bild und Grafik sowie dem aufgrund dieser Faktoren vermittelten übereinstimmenden "gefühlsmäßigen Hintergrund", dem sog. "Flair", zu beurteilen ist. In Erweiterung der bisherigen Annahme der "komplexen Ähnlichkeit", die sich auf einander gegenüberstehende Wortzeichen bezieht, sind damit die Fälle der komplexen Ähnlichkeit von Marken unterschiedlicher Kombinationen einbezogen. Diese "erweiterte komplexe mittelbare Verwechslungsgefahr" ist jedoch aufgrund ihres Ausnahmecharakters restriktiv zu handhaben und lässt den Rückgriff auf die Grundsätze der Prüfung der begrifflichen, klanglichen oder schriftbildlichen sowie der kollisionsprägenden Wirkung von Zeichenbestandteilen im Hinblick auf Einzelelemente der Zeichen nicht zu. Bei ihrer Prüfung ist allein vom Gesamteindruck und -aufbau der Zeichen auszugehen, um dem Ausgangsgedanken, nämlich der Ähnlichkeit in der Typizität und damit im "Gesamtflair", gerecht werden zu können.
An einer solchen Gemeinsamkeit in Typus und Originalität fehlt es vorliegend aber schon deshalb, weil sich die Annäherung der Marken auf Elemente stützt, die bei der registerrechtlichen Prüfung unberücksichtigt bleiben müssen. Das gilt in erster Linie für das Wort "neu" in der jüngeren Marke, mit dem dem Verkehr suggeriert werden könnte, es mit einem neuen Produkt aus dem Hause der Weidersprechenden zu tun zu haben. Erst auf Grund dieser Überlegung könnte der Verkehr veranlasst sein, die beiden Marken unter diesem Blickwinkel zu vergleichen und sich dabei dann auf Übereinstimmungen in Aufmachung und Wortwahl konzentrieren, um so ggf. zu falschen Schlussfolgerungen über den Hersteller bzw. in der wirtschaftlichen Zuordnung der Produkte zu gelangen. Ein solcher Sachverhalt ist hingegen der registerrechtlichen Beurteilung nicht zugänglich, sondern nur im Wettbewerbsverfahren zu klären, da andernfalls auf diesem Wege nicht kennzeichnungsfähige oder lediglich kennzeichnungsschwache Elemente wieder zum Tragen kämen, obwohl sie nicht geeignet sind, den atmosphärischen Gesamteindruck der Marken dem Typ und der Originalität nach zum Tragen zu bringen. Nach alledem kann vorliegend zumindest im registerrechtlichen Sinne nicht von einem übereinstimmenden und gleichartigen Markentypus in Aufbau und Originalität an atmosphärischen Ausstrahlung ausgegangen werden, der Anlass gibt, eine erweiterte komplexe assoziative Verwechslungsgefahr zu bejahen. Das Publikum wird vielmehr die anhand des Gesamteindrucks der Zeichen erkennbaren Unterschiede zwischen den Marken durch die Art ihres jeweiligen Aufbaus erkennen und die Waren in ihrer betrieblichen Herkunft nicht verwechseln.
Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.
Anlass für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bestand indes nicht (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Stoppel Richter Paetzold hat Urlaub und kann daher nicht selbst unterschreiben Stoppel Voit Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D64463.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/D64464.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 07.08.2002
Az: 28 W (pat) 57/01
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