Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Dezember 2005
Aktenzeichen: 24 W (pat) 104/04

(BPatG: Beschluss v. 13.12.2005, Az.: 24 W (pat) 104/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die nach einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Präzisierung mitkonturlose Farbmarkehelles orange Farbton HKS 6N 20-0 laut Muster:

bezeichnete Marke, soll für die Waren

"Platten und Elemente zur Wärme- und Schalldämmung, soweit in Klasse 17 enthalten; Verpackungspolster und Formteile aus Kunststoffen und Schaumstoffen; Baumaterialien, nicht aus Metall, auch aus Kunststoff und Schaumstoff, insbesondere Platten und Bauelemente sowie Verbundsysteme zur Wärme- und Schalldämmung von Gebäuden, soweit in Klasse 19 enthalten; Fassaden und Fassadenelemente aus mineralischen Stoffen; Zubehör zu vorgenannten Waren, nämlich Rohre für Bauzwecke, nicht aus Metall"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 17 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Angestellten im gehobenen Dienst, hat die Anmeldung mit Beschluss vom 4. März 2004 zurückgewiesen. Die angemeldete Marke sei zwar markenfähig und grafisch darstellbar. Jedoch fehle Farben die Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Der Verkehr sei es nicht gewöhnt, aus Farben von Produkten oder deren Verpackung ohne zusätzliche grafische Elemente oder Wörter auf die Herkunft der Waren zu schließen. Dies gelte auch, weil derzeit Farben nach den Gepflogenheiten des Handels grundsätzlich nicht als Mittel der betrieblichen Identifizierung verwendet würden. Außerdem sei ein Allgemeininteresse an der freien Verfügbarkeit von Farben, die nur in geringer Anzahl existierten, zu berücksichtigen. Auf dem Sektor der Baumaterialien verwendeten zahlreiche Anbieter für ihre Produkte unterschiedliche Farben. Die Farben ließen sich aber nicht bestimmten Herstellern zuordnen, weil die Sortimente der Anbieter jeweils Waren mit unterschiedlichen Farben enthielten. Aus diesen Gründen werde die angemeldete "konturlose Farbmarke" von den Abnehmern nicht als betriebliche Herkunftskennzeichnung verstanden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die der Ansicht ist, konturlosen Farbkombinationen könne nicht von Haus aus jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Insbesondere auf dem vorliegenden sehr spezifischen Warensektor sei zu beachten, dass die Zahl der Anbieter beschränkt und die Anzahl der angebotenen Produkte überschaubar sei. Auch wendeten sich die angemeldeten Waren, bei denen es allein auf die technischen Eigenschaften ankomme, vorwiegend an ein besonderes Fachpublikum der technischen Branche. Auf dem Gebiet der Bau- und Isoliermaterialien würden Farben üblicherweise nicht eingesetzt, um die Produkte besonders dekorativ zu gestalten, zumal die Waren nach deren Einbau nicht sichtbar seien und keinen ästhetischen Anforderungen genügen müssten. Die farbliche Gestaltung erfolge vielmehr in den ganz spezifischen Hausfarben bzw. Farbfamilien der betreffenden Unternehmen und diene damit als Herkunftskennzeichnung. Die angemeldete oder eine vergleichbare Farbe werde von keinem anderen Unternehmen in den Warenklassen 17 und 19 oder ähnlichen Klassen verwendet.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ergebnisse einer Recherche des Senats zur Verwendung von Farben auf den einschlägigen Warengebieten, die der Anmelderin übersandt worden ist, und auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gem. § 165 Abs. 4 MarkenG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der angemeldeten Marke fehlt nach Auffassung des Senats die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Die vorliegende konturlose (konturunbestimmte) Farbmarke ist markenfähig i. S. v. § 3 Abs. 1 MarkenG (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 - Nr. 41 f. - "Libertel"). Sie ist auch grafisch darstellbar (§ 8 Abs. 1 MarkenG), da die Darstellung nach einer im Beschwerdeverfahren erfolgten Präzisierung hinsichtlich der Einordnung des Farbtons in das HKS-System klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist (vgl. EuGH a. a. O. - Nr. 27 ff., 37 - "Libertel"; EuGH GRUR 2004, 858, 859, 860 - Nr. 25, 42 -"Heidelberger Bauchemie GmbH"; vgl. auch BGH GRUR 2005, 1044, 1046 "Dentale Abformmasse").

Der angemeldeten Marke fehlt jedoch die gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2002, 804, 806 - Nr. 35 - "Philips"; GRUR 2003, 514, 517 - Nr. 40 - "Linde u. a."; GRUR 2004, 428, 431 - Nr. 48 - "Henkel"; GRUR 2004, 1027, 1029 - Nr. 33, 42 - "DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT"). Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit sind alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (EuGH a. a. O. - Nr. 76 - "Libertel"; EuGH a. a. O. - Nr. 41 - "Heidelberger Bauchemie").

Diese Grundsätze gelten auch für Farbmarken (vgl. EuGH a. a. O. - Nr. 65 - "Libertel"; EuGH a. a. O. - Nr. 37 - "Heidelberger Bauchchemie"; EuGH GRUR Int. 2005, 227, 231 - Nr. 78 - "Farbe Orange"). Dabei ist auch dem Allgemeininteresse daran Rechnung zu tragen, dass die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt wird (EuGH a. a. O. - Nr. 52 bis 56 - "Libertel"; EuGH a. a. O. "Heidelberger Bauchemie").

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass Farben zwar bestimmte gedankliche Verbindungen vermitteln und Gefühle hervorrufen können, sie aber ihrer Natur nach kaum geeignet sind, eindeutige Informationen zu übermitteln. Farben werden in der Werbung und bei der Vermarktung von Waren und Dienstleistungen wegen ihrer Anziehungskraft gewöhnlich ohne eindeutigen Inhalt verwendet. Ihnen kommt daher - von außergewöhnlichen Umständen abgesehen - nicht von vornherein Unterscheidungskraft zu, denn die Verbraucher sind es nicht gewöhnt, aus der Farbe von Waren oder deren Verpackung ohne Beifügung von grafischen oder Wortelementen auf die Herkunft der Waren zu schließen, da eine Farbe als solche nach den gegenwärtigen Gepflogenheiten grundsätzlich nicht als Mittel zur Identifizierung der betrieblichen Herkunft verwendet wird. Ausnahmsweise kann eine Farbe aber dann unterscheidungskräftig sein, wenn die Gegebenheiten auf dem betreffenden Warengebiet und die betreffende Farbgebung vom Normalfall abweichen (vgl. EuGH a. a. O. - Nr. 40, 41, 65 bis 67 - "Libertel"; EuGH a. a. O. - Nr. 38 - "Heidelberger Bauchemie" in Verbindung mit Baumaterialien; vgl. auch BGH GRUR 2005, 427, 428 "Lila Schokolade"; BGH GRUR 2005, 1044, 1047 "Dentale Abformmasse" zur Frage des kennzeichnungsmäßigen Gebrauchs). Danach lässt sich bei einer Farbe als solcher eine Unterscheidungskraft nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellen, insbesondere, wenn die Zahl der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke angemeldet ist, sehr gering und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (vgl. EuGH a. a. O. - Nr. 66, 67 - "Libertel"; EuGH - a. a. O. - Nr. 79 - "Farbe Orange").

Im vorliegenden Fall gibt es keine derartigen Anhaltspunkte. Wie die der Anmelderin übermittelten Recherchen des Senats gezeigt haben, werden auf dem vom Warenverzeichnis erfassten relativ breiten Warensektor von unterschiedlichen Herstellern Isoliermaterialien und andere Baustoffe in verschiedenen Farben angeboten, die zum Teil schon aus der Beschaffenheit der Materialien resultieren, aber auch in der Farbe der zu isolierenden Wand bzw. Fassade oder nach sonstigen Vorlieben des Anbieters oder des Kunden eingefärbt werden können. Dabei lassen sich den einzelnen Herstellern keine bestimmten Farbgebungen zuordnen (vgl. auch BPatG GRUR 2000, 147, 149 "rosa Isoliermaterial").

So gibt es Dämmstoffe (Isoliermaterial) in Matten- (Filz-) oder Plattenform aus den Materialien Mineralwolle, Glaswolle, Steinwolle und extrudiertem Polystyrol-Hartschaum von verschiedenen Herstellern in den Farben (kräftig)gelb, grün, hellgrün, blau, hellblau, rosa, violett, rosaviolett (vgl. BPatG a. a. O. "rosa Isoliermaterial). Die Firma "L..." bietet "Sillacol"-Dämmplatten in den Farben "hellgrau, dunkelgrau, hellblau, dunkelblau, grün" an. Isolierglas dieses Herstellers ist in den Farben "grau, bräunlich, grünlich, silber, gold, bronce, rot" erhältlich. Die Firma "C..." wirbt unter der Überschrift "Fassaden dämmen lohnt sich!" für Dämmmaterialien in einer großen Anzahl verschiedener attraktiver Putz-Strukturen und -Farben. Auf der Internetseite "Materialien Hier gibt's die Dämmstoffe im Überblick" wird eine große Palette natürlicher und künstlicher Dämmstoffe verschiedener Hersteller aufgeführt, die zum Teil in Naturfarben und zum Teil in unterschiedlichen Einfärbungen gehalten sind. Der Dämmstoff "Flexipor" ist in den Farben "weiß, beige" oder "braun" im Handel. Die "RIGIPS" Außenwand/Perimeterdämmplatte "PERI-TOP" ist rötlich eingefärbt. Die hier angemeldete Farbe entspricht diesen einschlägig verwendeten Farbtönen, so dass nicht von einer branchenbedingten Ungewöhnlichkeit der Farbe auszugehen ist, welche in Ausnahmefällen deren Herkunftsfunktion begründen könnte (vgl. hierzu BPatG GRUR 2005, 1056, 1058 "zweifarbige Kombination Dunkelblau/Hellblau").

Angesichts dieser Feststellungen bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass auf dem betreffenden Warengebiet von einzelnen Herstellern vergleichbare Farben oder Farbfamilien als Hinweise auf eine bestimmte betriebliche Herkunftsstätte verwendet und vom Verkehr als betriebliches Herkunftskennzeichen verstanden würden. Dies liegt insbesondere auch deshalb fern, weil unter die hier beanspruchten breiten Warenbegriffe überwiegend Materialien fallen, die nach ihrem Einbau bzw. bei ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung sichtbar bleiben und auf deren ansprechendes, zur Umgebung passendes Aussehen in Struktur und Farbe häufig von den Benutzern aus ästhetischen Gründen Wert gelegt wird.

Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit Sinn und Zweck des Schutzversagungsgrundes des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Nur soweit ein Zeichen zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignet ist, besteht eine Rechtfertigung dafür, die allgemeine Wettbewerbsfreiheit dadurch einzuschränken, dass die betreffende Angabe der ungehinderten Verwendung vorenthalten und zugunsten eines einzelnen monopolisiert wird (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634 - Nr. 44 - 48 - "Dreidimensionale Tablettenform I"; Hacker, GRUR 2001, 630, 632 ff.). Was die Eintragung von Farben als solchen ohne räumliche Begrenzung als Marke angeht, so hat die geringe Zahl der jeweils tatsächlich verfügbaren Farben zur Folge, dass mit wenigen Eintragungen als Marken für bestimmte Dienstleistungen oder Waren der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte. Ein derart weites Monopol wäre mit dem System eines unverfälschten Wettbewerbs unvereinbar, insbesondere weil es einem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnte. Es wäre auch für die wirtschaftliche Entwicklung und die unternehmerische Initiative nicht förderlich, wenn bereits etablierte Wirtschaftsteilnehmer alle tatsächlich verfügbaren Farben zum Nachteil neuer Wirtschaftsteilnehmer für sich eintragen lassen könnten. Daher ist im Bereich des gemeinschaftlichen Markenrechts ein Allgemeininteresse anzuerkennen, dass die Verfügbarkeit der Farben für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt wird (EuGH a. a. O. - Nr. 54 - 56 - "Libertel").

Dr. Ströbele Kirschneck Guth Bb






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Az: 24 W (pat) 104/04


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