Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 13. August 2009
Aktenzeichen: 10 Ta 425/09

(LAG Hamm: Beschluss v. 13.08.2009, Az.: 10 Ta 425/09)

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 28.05.2008 - 2 BVGa 8/08 - wird zurückgewiesen.

Die Arbeitgeberin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer Gebühr von 40,00 € zu tragen.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren hat die Arbeitgeberin, ein Luftfrachttransportunternehmen, das zum Zeitpunkt der Antragstellung über 400 Mitarbeiter beschäftigte, im Wege der einstweiligen Verfügung von dem angeblich auf einer Betriebsversammlung vom 14.12.2008 gewählten Wahlvorstand, bestehend aus fünf Personen, die Unterlassung verlangt, die laufende Betriebsratswahl im Betrieb der Arbeitgeberin fortzusetzen. Auf der Betriebsversammlung vom 14.12.2008 waren ca. 90 Mitarbeiter der Arbeitgeberin erschienen, von denen sich 21 Anwesende für die Einrichtung eines Wahlvorstandes mit fünf Kandidaten ausgesprochen hatten. Aufgrund einer eintretenden Unruhe im Versammlungsraum wurde anschließend entschieden, dass diejenigen Teilnehmer, welche den Wahlvorstand wählen wollten, im Raum verblieben; daraufhin verließen 71 Mitarbeiter den Versammlungsraum, die Betriebsversammlung wurde anschließend für beendet erklärt.

In dem Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht vom 06.01.2009 erklärten die angeblich zum Wahlvorstand gewählten fünf Mitarbeiter, sie fühlten sich bislang nicht als Wahlvorstand gewählt und würden auch deshalb keinerlei Aktivitäten als Wahlvorstand entfalten. Die Arbeitgeberin nahm daraufhin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Wahlvorstands ist der Gegenstandswert für das Ausgangsverfahren vom Arbeitsgericht durch Beschluss vom 28.05.2009 auf 20.800,00 € festgesetzt worden.

Gegen diesen Beschluss, der der Arbeitgeberin am 22.06.2009 zugestellt wurde und auf dessen Gründe Bezug genommen wird, wendet sich die Arbeitgeberin mit der am 03.07.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht den Streitwert für das vorliegenden Beschlussverfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu hoch angesetzt habe. Offensichtlich sei außer Acht gelassen worden, dass der Streitwert im einstweiligen Verfügungsverfahren nur mit einem Bruchteil des Wertes der Hauptsache anzusetzen sei; üblicherweise werde ein Abschlag von 1/3 bis 1/2 des Streitwertes vorgenommen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren auf 20.800,00 € festgesetzt, § 23 Abs. 3 RVG.

1. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für ein Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl angefochten wird, richtet sich regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebes bestimmt wird. Dies entspricht der ganz überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin, 17.12.1991 - NZA 1992, 327; LAG Thüringen, 13.11.1998 - AuR 1999, 146; LAG Brandenburg, 26.04.1995 - 6 Ta 23/94 -; LAG Köln, 10.10.2002 - NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein, 09.07.2003 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 55). Die zuständigen Kammern des Beschwerdegerichts haben sich dieser Auffassung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (LAG Hamm, 09.03.2001 - 13 TaBV 7/01 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 48 a = NZA-RR 2002, 104; LAG Hamm, 28.04.2005 - 10 TaBV 55/05 - NZA-RR 2005, 435; GK/Wenzel, ArbGG, § 12 Rn. 461, 464).

Bei der Wahl eines elfköpfigen Betriebsrats würde sich hiernach für ein etwaiges Anfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG ein Gegenstandswert von 26.000,00 € ergeben. Hiervon ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch zu Recht ausgegangen.

An der oben genannten Rechtsprechung ist im Interesse der Rechtssicherheit und einer einheitlichen Wertfestsetzung im Gebiet des Beschwerdegerichts festzuhalten. Auch nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln (Beschluss vom 20.01.2003 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 52 a) ist bei der Wertfestsetzung für ein Wahlanfechtungsverfahren die Größe des Betriebsrats zu berücksichtigen. Allenfalls können im Einzelfall konkrete Umstände zu einer Abweichung von der regelmäßigen Berechnung des Gegenstandswerts und damit unter Umständen zu einer Herabsetzung des Gegenstandswerts führen. Insoweit hat das Arbeitsgericht von dem sich grundsätzlich ergebenden Gegenstandswert von 26.000,00 € einen Abschlag von 20 % gemacht, weil es sich im vorliegenden Fall lediglich um eine die Betriebsratswahl vorbereitende Maßnahme gehandelt hat.

2. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin waren keine weiteren Abschläge gegenüber einem entsprechenden Hauptsacheverfahren vorzunehmen.

Eine Ermäßigung des Gegenstandswertes von 20.800,00 € kam auch nicht allein deshalb in Betracht, weil es sich bei dem vorliegenden Ausgangsverfahren um ein Verfahren im Wege der einstweiligen Verfügung gehandelt hat.

Zwar wird vielfach im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Abschlag gegenüber dem Hauptsacheverfahren vorgenommen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem einstweiligen Verfügungsverfahren auch der Sache nach lediglich um eine vorläufige Regelung handelt (LAG Hamm, 15.04.1993 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 22; LAG Hamm, 27.10.2006 - 10 Ta 675/06 - NZA-RR 2007, 153; Wenzel, a.a.O., § 12 Rn. 473, 280 m.w.N.). Sichert jedoch ein einstweiliges Verfügungsverfahren bei Erfolg des Antragstellers den geltend gemachten Anspruch, handelt es sich um eine Befriedigungs- bzw. Erfüllungsverfügung, erscheint ein Wertabzug in Höhe von einem Viertel oder gar einem oder zwei Dritteln des Hauptsacheverfahrens nicht gerechtfertigt. Es wird in derartigen Fällen nämlich nicht nur eine vorläufige Regelung getroffen. Die Streitigkeit ist vielmehr mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung beendet (LAG Bremen, 15.02.1990 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 40; LAG Köln, 09.06.1999 - 12 Ta 144/99 - NZA-RR 1999, 608; LAG Hamm, 12.06.2001 - 10 TaBV 50/01 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50 = NZA-RR 202, 472; LAG Hamm, 28.04.2005 - 10 TaBV 55/05 - NZA-RR 2005, 435; vgl. auch: LAG Hamm, 27.10.2006 - 10 Ta 675/06 - NZA-RR 2007, 153; Wenzel, a.a.O., § 12 Rn. 280, 473). So liegt der vorliegende Fall. Die Arbeitgeberin hat mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung den vollständigen Abbruch der Betriebsratswahl geltend gemacht. Wäre dem Antrag der Arbeitgeberin in vollem Umfange stattgegeben worden, hätte sich ein Anfechtungsverfahren in vollem Umfang erübrigt. Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch keine vorläufige Regelung begehrt worden. Dies ergibt sich bereits aus dem in der Antragsschrift vom 18.12.2008 enthaltenen Antrag, mit dem die Unterlassung der Fortsetzung der Betriebsratswahl begehrt wurde. In diesem Antrag ist weder eine zeitliche noch eine inhaltliche Einschränkung enthalten.

III.

Die Entscheidung über die Auferlegung einer Gebühr in Höhe von 40,00 € beruht auf § 1 Satz 2 i.V.m. Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG (LAG Hamm, 19.03.2007 - 10 Ta 97/07 - NZA-RR 2007, 491).






LAG Hamm:
Beschluss v. 13.08.2009
Az: 10 Ta 425/09


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