Landgericht Hamburg:
Urteil vom 20. August 2008
Aktenzeichen: 315 O 354/08

(LG Hamburg: Urteil v. 20.08.2008, Az.: 315 O 354/08)

Tenor

I. Die einstweilige Verfügung vom 21.07.2008 wird in Ziffer 1. b. aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Erlassverfahrens und die Kosten des Widerspruchsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1) Die Antragstellerin ist Kabelnetzbetreiberin und bietet über das Fernsehkabel auch schnelle Internetzugänge an.

Die Antragsgegnerin bietet ebenfalls Internetzugänge, unter anderem auf der Grundlage der DSL-Technik, an. Auf dem Markt der DSL-Anbieter hat sie deutschlandweit die meisten Kunden.

2) Die Antragsgegnerin schaltete die als Anlage ASt 1 vorliegende Werbung in der H. M.. Darin heißt es (auszugsweise):

Die Hotline Ihres DSL-Anbieters kostet Geld€ Dann sind Ihre Probleme ja ein prima Geschäft für ihn!

Weiter heißt es in der Anzeige:

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a) In der Fußzeile der Anzeige ist eine Telefonnummer angegeben, unter der interessierte Kunden einen DSL-Anschluss bei der Antragsgegnerin einrichten lassen können. Der Anruf bei dieser Nummer ist kostenlos. Andere Hotlines der Antragsgegnerin sind jedoch nicht kostenfrei. Ausweislich des als Anlage AS 2 vorgelegten Screenshots der Website www. <leer> kostet eine telefonische Beratung zu DSL und DSL via Satellit zwischen 0,14 und 1,24 EUR pro Minute.

b) Über die Antragsgegnerin wurden im Jahr 2008 mehrere Artikel in der Presse veröffentlicht:

Die Zeitschrift "C. B." veröffentlichte am 20.06.2008 unter der Überschrift "Erschreckend: So schlecht bewerten Kunden ihren DSL-Anbieter" eine Internetumfrage. In dieser Umfrage erreichte die Antragsgegnerin Platz 13 von 23. Die konkrete Fragestellung und die Bewertungskriterien sind allerdings nicht erkennbar. Es wird auf Anlage AS 3 Bezug genommen.

Im Angebot von S.-Online wurden im Juni 2008 Untersuchungen des Kölner Marktforschungsunternehmens "P." zitiert, wonach das Ansehen der Telekom"konstant schlechter ist als das ihrer Wettbewerber". Eine Allensbach-Umfrage habe laut S.-Online ergeben, dass"die Telekom das Schlusslicht im Wettbewerb um das beste Dienstleistungsangebot € noch hinter der Bahn"bilde. Es wird Bezug genommen auf den als Anlage AS 4 vorgelegten Internetausdruck von www. <leer>.de.

In einem Bericht der S. Zeitung vom 24.06.2008 über eine Studie des Deutschen Instituts für Servicequalität betreffend DSL-Anbieter wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin in der Kategorie "Anbieter mit dem besten Service" Rang 6 von 15 belegt. Es wird auf den Artikel aus der SZ € Anlage AS 5 € Bezug genommen.

Schließlich berichtete die S. Zeitung im Februar 2008, dass bei der Antragsgegnerin "zehntausende Kundenbeschwerden einfach nicht bearbeitet" würden. Es wird auf den Artikel (Anlage AS 6) Bezug genommen.

3) Mit einstweiliger Verfügung des LG Nürnberg-Fürth vom 16.07.2008 € Az. 3 O 6051/08 € wurde der Antragsgegnerin auf Antrag der Fa. "M... Telekommunikations GmbH" bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit folgender Angabe zu werben:

"Die Hotline Ihres DSL-Anbieters kostet Geld€ Da sind Ihre Probleme ja ein prima Geschäft für ihn", solange die Antragsgegnerin auch kostenpflichtige DSL-Hotlines unterhält.

Es wird auf den als Anlage B 16 vorgelegten Beschluss in Kopie Bezug genommen.

Der Antragsgegnerin ist die einstweilige Verfügung des LG Nürnberg-Fürth am 21.07.2008 zugestellt worden; am 30.07.2008 gab sie eine Abschlusserklärung ab. Es wird Bezug genommen auf Anlage B 17.

4) Die Antragstellerin erwirkte bei dem angerufenen Gericht die einstweilige Verfügung vom 21.07.2008, mit welcher der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde,

im Wettbewerb handelnd:

a. die Aussage aufzustellen und/oder zu verbreiten:

"Die Hotline Ihres DSL-Anbieters kostet Geld€ Dann sind Ihre Probleme ja ein prima Geschäft für Ihn (sic)"

b. die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, sie sei

"Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter"

wie in der Anlage AS 1.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.

Die Parteien haben vor dem Hintergrund der von der Antragsgegnerin im Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth abgegebenen Abschlusserklärung vom 30. Juni 2008 (Anlagen B 16, B 17) in der Widerspruchsverhandlung vom 20. August 2008 den Rechtsstreit hinsichtlich Ziffer 1 lit. a. der einstweiligen Verfügung bei wechselseitigen Kostenanträgen, übereinstimmend für erledigt erklärt.

5) Die Antragstellerin trägt vor:

Die Parteien seien Wettbewerber. Denn beide böten schnelle Internetzugänge an.

Die Werbeaussage lit. a. (insoweit erledigt) sei unzutreffend, denn die Antragsgegnerin biete auch kostenpflichtige Hotlines an.

Die Aussage lit. b. stelle eine unzutreffende Spitzenstellungsbehauptung dar. Diese sei nicht gerechtfertigt, denn hinsichtlich der Kriterien Kundenservice, Kundenfreundlichkeit und Serviceleistungen verfüge die Antragsgegnerin nicht über eine Spitzenstellung, im Gegenteil. Aus den vorgelegten Presseveröffentlichungen ergebe sich vielmehr, dass die Antragsgegnerin nicht "Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter" sein könne.

Im Übrigen stelle die Werbeaussage eine unzutreffende vergleichende Werbung dar. Angesichts des überschaubaren Kreises an Wettbewerbern sei die Antragstellerin jedenfalls "mitgemeint".

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 21.07.2008 hinsichtlich Ziffer 1. lit. b. aufrecht zu erhalten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung, soweit sie nicht für erledigt erklärt ist, aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor:

Die Antragstellerin sei nicht aktivlegitimiert. Denn sie biete im Gegensatz zu ihr, der Antragsgegnerin, keine DSL-Anschlüsse an. Dass beide Parteien Internetzugänge anböten, sei nicht ausreichend, denn die Zugangstechniken unterschieden sich € wie der Verkehr wisse € deutlich.

Die Antragsgegnerin meint, die mit lit. a. der einstweiligen Verfügung verbotene Werbeaussage sei nicht irreführend. Denn die konkrete Werbung beziehe sich ersichtlich nicht auf alle, sondern nur auf die in der Werbung genannte Hotline-Nummer. Diese sei jedoch € unstreitig € tatsächlich kostenlos.

Die Aussage "Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter" stelle keine irreführende Werbung dar. Es handele sich nicht um eine "Angabe" i. S. d. UWG. Denn die Aussage enthalte keinen Tatsachenkern. Unterstellt, dies sei doch der Fall, sei eine solche Angabe jedenfalls nicht irreführend. Ein Tatsachenkern könne allenfalls dergestalt vorliegen, dass der Verkehr davon ausgehe, dass es sich um das Unternehmen mit den im betreffenden Marksegment meisten Kunden handele. Dies sei der Fall. Die Antragsgegnerin verfüge € das ist unstreitig € über den mit Abstand größten Kundenkreis.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien und die Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2008.

Gründe

Die einstweilige Verfügung ist, soweit sie noch in Streit steht, nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

I.

Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin nicht verlangen es zu unterlassen, die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, sie sei "Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter", wie geschehen in der Anlage AS 1.

Ein solcher Anspruch lässt sich nicht auf §§ 3, 5, 8 UWG € irreführende Werbung € stützen. Nach §§ 3, 5, 8 UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer den Wettbewerb nicht nur unerheblich dadurch beeinträchtigt, dass er irreführend wirbt. Die angesprochenen Verkehrskreise werden in die Irre geführt, wenn ihre aufgrund der Werbung gebildete Vorstellung nicht der Wirklichkeit entspricht, und dies geeignet ist, Marktentscheidungen zu beeinflussen. Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 5 UWG ist das Verständnis des angesprochenen Verkehrs. Für das Verkehrsverständnis ist die durch die Werbung vermittelte Vorstellung eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittverbrauchers maßgebend, der die Werbung mit dem Wissen und den Erfahrungen eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers zur Kenntnis nimmt. Die streitgegenständliche Werbung wendet sich an die breite Öffentlichkeit, so dass auch die Mitglieder des erkennenden Gerichts als Adressaten der Werbung angesprochen sind und selbst beurteilen können, wie eine solche Werbung aufgefasst wird.

Die angegriffene Aussage ist nach dem Vorstehenden nicht irreführend.

Der Verkehr versteht die Aussage "Deutschlands beliebtester DSL-Anbieter" in der Weise, dass es sich bei dem so beworbenen Unternehmen um den DSL-Anbieter in Deutschland mit den meisten Kunden handelt. Welches Unternehmen in einem Markt am beliebtesten ist, zeigt sich anhand der für dieses Unternehmen getroffenen Kundenentscheidungen. Aus welchen Gründen sich die Kunden für einen Anbieter entschieden haben, ob diese Entscheidung gar objektiv unvernünftig ist, weil andere Anbieter möglicherweise bessere Qualität anbieten können, ist für die Frage der so verstandenen Beliebtheit unerheblich. Denn die Kunden zeigen durch ihre Entscheidung für ein Unternehmen, dass ihnen eben dieses Unternehmen am besten gefällt. Dies ist auch unabhängig von einem womöglich schlechten Image. Denn die Werbeaussage "beliebtester Anbieter" ist nicht etwa gleichzusetzen mit "bester Anbieter" oder "Anbieter mit dem besten Ruf". Denn die Qualität eines Anbieters hat mit der tatsächlich feststellbaren Beliebtheit allenfalls mittelbar etwas zu tun, und zwar dann, wenn sich aufgrund eines Images Kunden für ein bestimmtes Unternehmen entscheiden.

So verstanden ist die werbliche Aussage zutreffend. Denn unstreitig verfügt die Antragsgegnerin mit Abstand über die meisten Kunden in Deutschland.

Deshalb lässt ein schlechtes Image in der veröffentlichten Meinung keine Rückschlüsse auf die Beliebtheit eines Anbieters zu. Hinzu tritt, dass sich der Artikel unter S.-Online (Anlage AS 4) nicht mit DSL-Anbietern befasst, sondern allgemein das schlechte Image der Antragsgegnerin zum Thema hat. Gleiches gilt für den Artikel der S. Zeitung (Anlage AS 6), der ebenfalls keinen Zusammenhang zu DSL-Anschlüssen erkennen lässt.

Anderes könnte nur gelten, wenn die streitgegenständliche Werbeaussage den Eindruck erweckte, dass sich die Antragsgegnerin auf ein Meinungsforschungsgutachten betreffend die Beliebtheit berufen könne. Ein derartiges Verständnis wird durch die Werbeanzeige indes nicht nahe gelegt.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Die Entscheidung nach § 91 a ZPO hat zwar den bisherigen Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Sie ergeht aber nach billigem Ermessen. Die Kammer kann sich deshalb auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage beschränken und darauf verzichten, alle für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsamen Rechtsfragen zu überprüfen (BGHZ 67, 343, 345; 163, 195, 197 m. w. N.). Nach dieser summarischen Prüfung waren die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

Die Antragstellerin ist zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert gewesen. Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG stehen die in § 8 Abs. 1 UWG genannten Ansprüche jedem Mitbewerber zu. Mitbewerber ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG jeder Unternehmer, der mit einem anderen Unternehmen als Anbieter von Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Ein solches Wettbewerbsverhältnis ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Unternehmen aus Sicht des Verkehrs substituierbare Dienstleistungen anbieten. Das ist hier der Fall. Beide Parteien bieten Internetzugänge an. Dass diese technisch auf unterschiedliche Art und Weise realisiert werden, ist unerheblich. Dem angesprochenen Verkehr € dem die Mitglieder der Kammer angehören € wird es in der Regel nicht interessieren, ob ihm sein Internetzugang über das Fernseh- oder das Telefonkabel zur Verfügung gestellt wird. Die Aktivlegitimation entfällt auch nicht dadurch, dass die Antragstellerin eine Aussage angreift, die ein Geschäftsfeld € vorliegend DSL-Anschlüsse € betrifft, auf dem sie selbst nicht tätig ist. Denn entscheidend ist allein, ob die Parteien, wie vorliegend, Mitbewerber sind.

Die Aussage "Die Hotline Ihres DSL-Anbieters kostet Geld€ Dann sind Ihre Probleme ja ein prima Geschäft für ihn!" ist irreführend. Der durch die Werbung hervorgerufene Eindruck ist unzutreffend. Der Verkehr erwartet aufgrund der beanstandeten Werbeaussage, dass der Nutzer eines DSL-Anschlusses jederzeit auf eine kostenlose Hotline der Antragstellerin zurückgreifen kann, und dies nicht nur beim Abschluss eines Vertrags, sondern auch nach Vertragsschluss. Zwar ist in der Werbung eine unstreitig kostenfreie Hotline genannt. Eine ausdrückliche Beschränkung nur auf diese Hotline, unter welcher ein DSL-Anschluss der Antragsgegnerin erworben werden kann, erhält die Werbung nicht. Es ist auch fern liegend anzunehmen, dass der Kunde erwartet, dass nur diese Hotline kostenfrei ist. Denn dem Verkehr kommt es gerade darauf an, dass die Hotline insbesondere im Falle technischer Probleme kostenfrei zu erreichen ist. Genau auf diesen Fall ist auch die Werbung zugeschnitten. Denn die Werbung nimmt ausdrücklich Bezug auf die Probleme des Kunden. Probleme können aber erst auftreten, wenn bereits ein Internetzugang besteht.

Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung hatte die Kammer nicht zum Nachteil der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass sie schon vor der Widerspruchsverhandlung den Rechtsstreit schriftsätzlich hätte für erledigt erklären können mit der Folge, dass sich der Streitwert der Widerspruchsverhandlung reduziert hätte. Zwar ist nach Zöller (25. Aufl. § 91 a Rn. 25) auch der Zeitpunkt der Erledigterklärung zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich aber umgekehrt auch keine Pflicht zur unverzüglichen Erledigterklärung. Dies gilt im vorliegenden Fall jedenfalls deswegen, weil die Antragstellerin zunächst davon ausging, dass in der Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin bezüglich des Antrags zu lit. b. eine Berühmung lag. Von dieser Ansicht rückte sie erst nach Erörterung in der Widerspruchsverhandlung ab.

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, weil die Parteien aus dem Urteil nichts vollstrecken können.






LG Hamburg:
Urteil v. 20.08.2008
Az: 315 O 354/08


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