Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. März 2010
Aktenzeichen: 25 W (pat) 208/09

(BPatG: Beschluss v. 05.03.2010, Az.: 25 W (pat) 208/09)

Tenor

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 11. Juli 2006 angemeldete Wortmarke Tinisaist am 6. November 2006 für die Waren

"pharmazeutische Erzeugnisse, Präparate für die Gesundheitspflege" in das Markenregister unter der Nummer 306 42 937 eingetragen worden. Dagegen hat die Inhaberin der älteren, seit dem 8. September 2005 unter der Nummer 305 19 487 für die Waren "pharmazeutische Präparate und Substanzen"

eingetragenen Wortmarke RINIVA Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken bejaht und die angegriffene Marke 306 42 937 gelöscht.

Ausgehend von einer nach der Registerlage teilweise möglichen Warenidentität, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Berücksichtigung allgemeiner Verkehrskreise könne bereits eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht nicht verneint werden, selbst wenn man die grundsätzlich zu stellenden strengen Anforderungen an den Markenabstand aufgrund des Umstands, dass auch allgemeine Verbraucher beim Erwerb der hier maßgeblichen Waren aufmerksamer seien, etwas abmildere.

Beide Marken stimmten in Silbenzahl, Sprechund Betonungsthythmus, der Vokalabfolge sowie in dem Mittelkonsonanten "n/N" überein, wobei gerade die übereinstimmende Vokalfolge mit den hellklingenden Vokalen "i/I" sowie dem dunkelklingenden Endvokal "a/A" das Klangbild beider Marken präge. Die Betonung liege zudem auf der identischen Wortmitte "ni". Angesichts dieser Übereinstimmungen wirkten die Unterschiede in den ohnehin klangschwachen Vokalen "s/V" in der jeweils letzten Silbe sowie in den Anfangskonsonanten "T/R" einer klanglichen Verwechslungsgefahr nicht hinreichend entgegen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie sinngemäß beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse der Markestelle für Klasse 05 des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Dezember 2008 und 17. Juli 2009 den Widerspruch aus der Marke 305 19 487 zurückzuweisen.

Die Vergleichszeichen seien nicht verwechselbar. Die deutlich voneinander abweichenden Konsonanten "R"/"T" am ohnehin stärker beachteten Wortanfang beider Markenwörter sowie der deutlich wahrnehmbare Unterschied zwischen dem klangschwachen Konsonanten "V" und dem hart und scharf ausgesprochenen "s" in den jeweiligen Endsilben sorgten in Anbetracht der erhöhten Aufmerksamkeit, die auch der allgemeine Verbraucher den hier maßgeblichen Waren entgegenbringe, für eine hinreichend sichere Unterscheidung beider Markenwörter, zumal von einer seitens der Markenstelle angenommenen Betonung der Marken auf der übereinstimmenden Mittelsilbe "ni" nicht ausgegangen werden könne. Zur Unterscheidung trage ferner der begriffliche Anklang der angegriffenen Marke "Tinisa" auf ein Tinnitus-Präparat bei. Auch in ihrer schriftbildlichen Ausgestaltung könnten beide Marken aufgrund der deutlichen Abweichungen zwischen den insoweit relevanten Markenbestandtielen "Ti" und "sa" bei der angegrifenen Marke und "RI" und "VA" bei der Widerspruchsmarke nicht miteinander verwechselt werden.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ausgehend von einer Warenidentität könne auch unter Berücksichtigung eines erhöhten Aufmerksamkeitsgrades eine Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden, dass der Verkehr beide Marken angesichts der identischen Buchstabenund Silbenzahl sowie vor allem einer übereinstimmenden Vokalabfolge miteinander vermenge und nicht mehr sicher auseinanderhalte. Der angegriffenen Marke könne auch kein zur Unterscheidung beitragender begrifflicher Anklang auf ein "Tinnitus-Präparat" entnommen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse, die Schriftsätze der Beteiligten und den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung der Markenstelle, dass zwischen beiden Marken die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2006, 237, 238 -PICASSO; GRUR 1998, 387, 389 f. -Sabèl/Puma). Ihre Beurteilung bemisst sich insbesondere nach der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, der Identität oder Ähnlichkeit der Marken und dem Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr, wobei ein geringerer Grad eines Faktors durch einen höheren Grad eines anderen ausgeglichen werden kann (st. Rspr., vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdn. 32 m. w. Nachw.).

Der Senat geht von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist für die Beurteilung der Warenund Dienstleistungsähnlichkeit die Registerlage maßgebend. Danach können sich beide Marken auf identischen bzw. im engen Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren begegnen. Da eine Beschränkung auf rezeptpflichtige Arzneimittel in den Warenverzeichnissen nicht gegeben ist, sind neben dem Fachverkehr ferner auch Endverbraucher als maßgebliche Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen, wobei jedoch nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 -SAT.2), der zudem allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, mehr Aufmerksamkeit widmet als vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (vgl. BGH GRUR 1995, 50 -INDOREKTAL / INDOHEXAL).

Insgesamt ist daher ist zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ein deutlicher Markenabstand erforderlich, den die angegriffene Marke jedoch nicht einhält.

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 111). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs-(Sinn)Gehalt zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (BGHZ 139, 340, 347 -Lions; BGH MarkenR 2008, 393, 395 Tz. 21 -HEITEC).

Davon ausgehend sind nach Auffassung des Senats beide Marken bereits im klanglichen Gesamteindruck so stark angenähert, dass eine Verwechslungsgefahr in einem markenrechtlich relevantem Umfang zu bejahen ist.

Die die sich gegenüberstehenden Wörter "Tinisa" und "RINIVA" besitzen eine identische, das Gesamtklangbild maßgeblich beeinflussende Vokalfolge (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9 Rdnr. 193); sie stimmen weiterhin in Silbenzahl, Silbengliederung, Betonungsbzw. Sprechrhythmus sowie in dem Mittelkonsonanten "n" überein. Im Verhältnis zu diesen erheblichen Übereinstimmungen stellen die konsonantischen Abweichungen am Wortanfang und in der Endsilbe kein ausreichendes Gegengewicht dar, um auch dem Durchschnittsverbraucher trotz der anzunehmenden größeren Aufmerksamkeit ein sicheres Auseinanderhalten der Markenwörter in klanglicher Hinsicht zu ermöglichen. Der Unterschied in den Anlauten der ersten Silbe "T" gegenüber "R" am stärker beachteten Wortanfang ist zwar grundsätzlich von Gewicht, tritt vorliegend im Gesamtklangbild beider Marken vor dem in der ersten Silbe betonten und gedehnt gesprochenen Vokal "i" gleichwohl nicht hinreichend deutlich hervor, um den vorhandenen klanglichen Übereinstimmungen in beiden Markenwörtern maßgebend entgegenzuwirken. Auch die Abweichung zwischen den ohnehin klangverwandten und zudem zwischen zwei Vokalen eingebetteten Konsonanten "s" und "V" wird insbesondere durch den gemeinsamen Endvokal "a" überlagert, welcher aufgrund seiner gedehnten Aussprache das Klangbild der Endsilbe maßgeblich beeinflusst. Da der Verkehr die Marken zudem in aller Regel nicht zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrnimmt und seine Auffassung daher erfahrungsgemäß von einem eher undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (vgl. EuGH, MarkenR 1999, 236, 239 -Lloyd/Loints), kann eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.

Die angegriffene Marke weist auch keinen hinreichend deutlichen, die Unterscheidbarkeit beider Marken in relevantem Umfang erleichternden begrifflichen Anklang auf "Tinnitus" auf. Denn abgesehen von seiner abweichenden Schreibweise ist der Wortanfang "Tini" mit der Endsilbe "sa" zu einem einheitlichen Markenwort verschmolzen. Unabhängig davon vermag auch ein möglicher begrifflicher Anklang der angegriffenen Marke angesichts der dominanten klanglichen Übereinstimmungen sich nicht kollisionsausschließend auszuwirken.

Da bereits die klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen ist, kann dahinstehen, ob Verwechslungsgefahr auch in schriftbildlicher Hinsicht besteht.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Knoll Metternich Merzbach Hu






BPatG:
Beschluss v. 05.03.2010
Az: 25 W (pat) 208/09


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