Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 8. März 2002
Aktenzeichen: 6 U 165/01

(OLG Köln: Urteil v. 08.03.2002, Az.: 6 U 165/01)

Tenor

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 05.07.2001 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 571/00 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Unterlassungsausspruch der genannten Entscheidung die nachfolgende Neufassung erhält:Unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung durch das Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten wird die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, zu Gewerbetreibenden, die mit einer Telefongesellschaft einen der nachfolgend beispielhaft wiedergegebenen Verträge über die Aufnahme in ein Branchenverzeichnis geschlossen haben:ohne deren vorher erklärtes Einverständnis telefonischen Kontakt aufzunehmen, um diesen den Abschluss eines Auftrags über entgeltpflichtige Zusätze und/oder Erweiterungen des Grundeintrags und/oder Anzeigen anzubieten. II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des nachstehend jeweils bestimmten Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die zu leistende Sicherheit beträgt bei Vollstreckung des- Unterlassungsausspruchs 55.000,00 EUR,- des Kostenausspruchs 10.000,00 EUR. IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte, ein sich u.a. mit der Herausgabe diverser Fernsprech- und Adressenverzeichnisse befassender Verlag, gibt gemeinsam mit der D.T.M. GmbH, einer 100%-igen Tochtergesellschaft der De.T. AG, im Großraum K. deren Telefonbuch sowie daneben das unter der Bezeichnung "G. S." vertriebene Branchenfernsprechbuch heraus. Aufgrund einer jeweils zwischen der De.T. AG und allen konkurrierenden Telefongesellschaften bestehenden Servicevereinbarung (Anlage B 4) werden in die erwähnten Telefonverzeichnisse neben Kunden der De.T. AG auch die der anderen Telefongesellschaften aufgenommen. Die Kunden erteilen dabei ihrer Telefongesellschaft jeweils gesondert den Auftrag zur Aufnahme eines Eintrags in die genannten Telefonverzeichnisse. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten insoweit wird auf die als Anlagen B 5 bis B 7 zu den Akten gereichten Auftragsformulare Bezug genommen. Die Aufnahme eines sog. Grund- bzw. Standardeintrags in das Telefonbuch und/oder die "G. S." erfolgt unentgeltlich. Daneben besteht für die Telefonkunden die Möglichkeit, den u.a. für die Veröffentlichung in den "G. S." vorgesehenen kostenlosen Grund- bzw. Standardeintrag um entgeltpflichtige Zusätze, sonstige Ergänzungen oder Anzeigen zu erweitern. Die Beklagte nimmt zu diesem Zweck telefonischen Kontakt mit gewerblichen Kunden der De.T. AG und der sonstigen Telefongesellschaften auf und bietet den Angerufenen derartige kostenpflichtige Erweiterungen des Grund- bzw. Standardeintrags an.

Die Klägerin, die sich ebenfalls mit der Herausgabe eines auf den K.er Raum bezogenen Branchenfernsprechverzeichnisses ("D. K. B.") befasst, beanstandet die dargestellte, auf die Erteilung entgeltlicher Einträge in die "G. S." gerichtete Telefonakquise der Beklagten als i.S. von § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Belästigung unlauteres Wettbewerbsverhalten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung eines vom Gericht

für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken zur Förderung eines Auftrages zur Veröffentlichung einer Anzeige in einem Branchenfernsprechverzeichnis außerhalb bestehender Geschäftsbeziehungen unaufgefordert telefonischen Kontakt zu gewerblichen und/oder selbständigen Interessenten oder deren Angestellten aufzunehmen und/oder aufnehmen zu lassen, es sei denn, dass der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufen erklärt hat oder aber aufgrund eines tatsächlichen Umstandes ein sachliches Interesse des Angerufenen an einem solchen Anruf vermutet werden kann.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Voraussetzungen einer als wettbewerbswidrig zu erachtenden Telefonwerbung nicht für gegeben erachtet. Sie bewege sich aus von ihr näher erläuterten Gründen innerhalb einer zwischen den angerufenen Telefonkunden und den Telefongesellschaften bestehenden Vertragsbeziehung, die den von der Klägerin monierten Unlauterkeitstatbestand der "Belästigung" ausschließe. Die erwähnte Vertragsbeziehung werde ihr, der Beklagten, im Rahmen der bestehenden Verleger- und Herausgebergemeinschaft mit der D.T.M. GmbH, deren sich die De.T. zur Erfüllung des Auftrags, Kundeneinträge in Teilnehmerverzeichnissen zu veröffentlichen, bediene, "vermittelt". Der von ihr, der Beklagten, unternommene Telefonkontakt bezwecke im Rahmen dieser Geschäftsverbindung vornehmlich die Datenpflege, d.h. die Kontrolle und Aktualisierung der Datensätze der angerufenen Telefonkunden. Erst bei dieser Gelegenheit und in diesem Zusammenhang werde angeboten und erörtert, ob im Interesse optimaler werblicher Präsentation der Angerufenen Erweiterungen und Zusätze des Standardeintrags oder Anzeigen aufgenommen werden sollen. Von einer die Angerufenen unangemessen belästigenden Störung der beruflichen Tätigkeit könne in dieser Situation keine Rede sein. Dabei bestehe auch ein sachliches Interesse der Kunden gerade an einer telefonischen Kontaktaufnahme. Denn sie, die Beklagte, betreibe die vorbeschriebene Telefonakquise nur und erst dann, wenn andere Werbemaßnahmen versagt hätten oder - was insbesondere bei den sog. Kammerberufen aus von der Beklagten im einzelnen dargestellten Erwägungen zutreffe - nicht möglich seien.

Mit Urteil vom 05.07.2001, auf welches zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte entsprechend dem Klageantrag aus § 1 UWG zur Unterlassung verurteilt. Eine Geschäftsbeziehung, welche die Telefonwerbung und die damit zwangsläufig einhergehenden Belästigungen und Störungen rechtfertigen könnte, bestehe zwischen der Beklagten und den angerufenen Telefonkunden nicht. Der Umstand, dass die Beklagte eingeschaltet werde, um die nach den Verträgen zwischen den Telefonkunden und den Telefongesellschaften geschuldete Aufnahme eines Eintrags in ein Fernsprechverzeichnis zu bewerkstelligen, bzw. die darin vorformulierte Einwilligung der Kunden zur Veröffentlichung ihrer Daten in dem Branchenverzeichnis "G. S." könne die streitbefangene Telefonakquise nicht rechtfertigen. Es liege vielmehr weder ein Einverständnis der Telefonkunden mit der streitbefangenen Telefonwerbung vor noch seien konkrete tatsächliche Gründe ersichtlich, die ein sachliches Interesse der angerufenen Gewerbetreibenden an einer solchen Telefonakquise vermuten lassen.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung macht die ihr erstinstanzliches Vorbringen im übrigen wiederholende und vertiefende Beklagte geltend, dass das Landgericht zu Unrecht der zwischen den Telefonkunden und den Telefongesellschaften bestehenden Geschäftsverbindung einen die hier zu beurteilende Telefonakquise rechtfertigen Grund nicht entnommen habe. Sie, die Beklagte, werde als Erfüllungsgehilfin zur Wahrnehmung der auf Seiten der Telefongesellschaften bzw. der De.T. AG bestehenden Verpflichtung zur Aufnahme eines Eintrags der Telefonkunden in ein Telefonverzeichnis tätig. Der Umstand, dass die De.T. AG die Erfüllung dieser Verpflichtung auf sie, die Beklagte, delegiert habe, führe zu keiner Vermehrung der Anrufe der Telefonkunden oder zu einer Ausuferung der betrieblichen Störungen. Es verhalte sich vielmehr so, dass die Telefongesellschaften auf eine eigene Werbeaktivität verzichteten und diese stattdessen von ihr, der Beklagten, wahrgenommen werde. Jedenfalls komme aus von der Beklagten näher erläuterten Gründen aber auch unmittelbar zwischen ihr und den Telefonkunden eine individuelle Geschäftsbeziehung zustande. Schließlich lägen auch besondere Umstände vor, die ein mutmaßliches Interesse der gewerblichen Telefonkunden an einem werblichen Anruf der Beklagten begründeten. Das gelte zum einen mit Blick auf den Aspekt der Datenpflege, die der möglichst korrekten und aktuellen Fassung des jeweiligen Kundeneintrags diene. Zum anderen werde erst dann zum Mittel der telefonischen Kontaktaufnahme gegriffen, wenn andere Akquisemaßnahmen versagt hätten und der Redaktionsschluss nahe, um auf diese Weise noch die Aufnahme des betroffenen Kundeneintrags in dem ein erhebliches Verbreitungsgebiet und eine hohe Werbewirksamkeit entfaltenden Branchenverzeichnis "G. S." sicherzustellen. Schließlich sei insgesamt zu berücksichtigen, dass die Aufnahme eines werbewirksamen Eintrags in die "G. S." für die Angerufenen von hoher objektiver Nützlichkeit sei und dass gerade bei den diversen Werbebeschränkungen unterfallenden Angehörigen der Kammerberufe eine intensive Beratung durch besonders geschultes Personal erforderlich werde, die nur im Rahmen des Telefonkontakts optimal gewährleistet werden könne.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es im Klageantrag wie folgt heißt::

Die Beklagte wird bei Androhung der bereits in den erstinstanzlich formulierten Unterlassungsantrag aufgenommenen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen,

zu Gewerbetreibenden, die mit einer Telefongesellschaft einen der nachfolgend beispielhaft wiedergegebenen Verträge über die Aufnahme in ein Branchenverzeichnis geschlossen haben:

es folgen nunmehr die Fotokopien der in den Urteilstenor aufgenommene Auftragsformulare -

ohne deren vorher erklärtes Einverständnis telefonischen Kontakt aufzunehmen, um diesen den Abschluss eines Auftrags über entgeltpflichtige Zusätze und/oder Erweiterungen des Grundeintrags und/oder Anzeigen anzubieten.

Auch die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und hält insbesondere an dem in der Berufung noch näher ausgeführten Standpunkt fest, dass die von der Beklagten angeführte vermeintliche Interessenlage der Angerufenen es nicht rechtfertigen könne, die streitbefangene Telefonakquise zu betreiben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf ihre in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Die Akte des dem vorliegenden Rechtsstreit vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren 31 O 180/00 (LG Köln) lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat es der Beklagten in der Sache zu Recht aus § 1 UWG verboten, wie geschehen bei Gewerbetreibenden (zum Begriff: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, UWG Einl. Rdn. 200 - 202) telefonisch einen kostenpflichtigen Eintrag in das von ihr verlegte Branchenverzeichnis "G. S." zu akquirieren. Soweit der Senat - entsprechend dem in der Berufung formulierten Antrag der Klägerin - den Verbotsausspruch neu gefasst hat, bringt dies gegenüber dem landgerichtlichen Unterlassungstenor keine materiell abweichende Sichtweise oder eine inhaltliche Beschränkung der Reichweite des Verbots zum Ausdruck. Es handelt sich dabei vielmehr um die Anpassung des Antrags und des auf ihm beruhenden Unterlassungsausspruchs an die beanstandete und allein zu beurteilende konkrete Verletzungshandlung, deren Wiederholung der Beklagten künftig zu untersagen ist. Entgegen der im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht der Beklagten bedarf es der Aufnahme weiterer Zusätze, insbesondere eines Hinweises nicht, dass (auch) solche telefonischen Kontaktaufnahmen von dem Verbot ausgenommen sind, die auf der Grundlage eines konkludent erklärten oder nach den Umständen anzunehmenden mutmaßlichen Einverständnisses des angerufenen Gewerbetreibenden vorgenommen werden. Ungeachtet der Frage, ob ein solcher Art formulierter Unterlassungstenor, der die materielle Subsumtion einer Reihe von das Verbot erst definierender Rechtsbegriffe in das Vollstreckungsverfahren verlagerte, überhaupt einer Vollstreckung zugänglich wäre, liegt nach der den Inhalt des Verbots und dessen Vollstreckungsmöglichkeiten definierenden konkreten Verletzungshandlung, deren Unterlassung der Beklagten aufgegeben ist, aus den nachfolgend dargestellten Gründen weder ein ausdrücklich erklärten Einverständnis mit der telefonischen Kontaktaufnahme vor, noch sind die Voraussetzungen einer die streitbefangene Telefonwerbung wettbewerblich legitimierenden konkludenten oder einer mutmaßlichen Einwilligung zu bejahen. Ist der Beklagten nach dem vorliegenden Verbotsausspruch aber nur und gerade ein Verhalten untersagt, welches ein ausdrücklich oder konkludent erklärtes Einverständnis oder die Voraussetzungen einer mutmaßlichen Einwilligung der Angerufen mit der telefonischen Akquise vermissen lässt, so ergibt sich daraus zwanglos und ohne dass es der Erwähnung im Tenor bedarf, dass solche künftigen Verhaltensweisen der Beklagten von dem Verbot nicht erfasst werden, bei denen die Gewerbetreibenden der streitbefangenen telefonischen Kontaktaufnahme ausdrücklich oder konkludent oder jedenfalls mutmaßlich zugestimmt haben.

I.

Zu Recht beanstandet die Klägerin die im Streitfall zu beurteilende Telefonakquise der Beklagten als mit den Grundsätzen des § 1 UWG nicht zu vereinbarende unlautere, mithin wettbewerbswidrige Telefonwerbung.

Telefonwerbung im geschäftlichen Bereich mit dem Ziel, Neukunden zu gewinnen, ist grundsätzlich gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der Belästigung unzulässig, solange der Angerufene weder ausdrücklich noch konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufen erklärt hat und ein solches vom Anrufer auf Grund konkreter tatsächlicher Umstände auch nicht vermutet werden kann. Denn es muss berücksichtigt werden, dass unerbetene Telefonanrufe bei Gewerbetreibenden - wenn auch auf andere Weise und mit anderer Richtung als im privaten Bereich - ebenfalls zu Beeinträchtigungen des Angerufenen führen können, nämlich zu belästigenden oder sonst unerwünschten Störungen in dessen beruflicher Tätigkeit und zu einer den Geschäftsgang störenden Belegung des Telefonanschlusses für die Dauer des Anrufs. Ob und inwieweit der gewerbliche Anschlussinhaber trotz derartiger Beeinträchtigungen bereit ist, telefonische Werbemaßnahmen hinzunehmen mit der Folge, dass die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Werbeform zu bejahen ist, hängt daher grundsätzlich von dem Grad des Interesses ab, das der anzurufende Gewerbetreibende der jeweiligen Werbung entgegenbringt. Ein bloßer allgemeiner Sachbezug zu seinem Geschäftsbetrieb reicht dabei für sich allein regelmäßig nicht aus, um ein ausreichend großes Interesse an der Telefonwerbung zu begründen. Um diese im geschäftlichen Bereich als i.S. von § 1 UWG wettbewerbsgemäß ansehen zu können, muss vielmehr ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund hinzukommen, der diese Art der Werbung rechtfertigt und der regelmäßig nur dann in Betracht gezogen werden kann, wenn der Anzurufende ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit derartigen Anrufen erklärt hat oder wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden daran vom Anrufer vermutet werden kann (BGH WRP 2001, 1068/1070 - "Telefonwerbung für Blindenwaren"-; BGH GRUR 1991, 764/765 -"Telefonwerbung IV"-; OLG Köln CR 1999, 160 f; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. § 1 UWG Rdn. 68 - jeweils m.w.N.). Derartige Gründe, die ein die Telefonwerbung rechtfertigendes sachliches Interesse des Anzurufenden vermuten lassen, werden bei Bestehen einer Geschäftsverbindung häufig gegeben sein (vgl. BGH a.a.O. - "Telefonwerbung IV"-), jedoch vermag eine bestehende Geschäftsverbindung für sich allein nicht das Interesse des Anzurufenden, sich gerade einer Werbemaßnahme auf telefonischem Wege ausgesetzt zu sehen, zu begründen. Entscheidend ist allein, ob nach den Umständen des Einzelfalls die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Anzurufende den Anruf erwartet oder ihm jedenfalls positiv gegenübersteht (vgl. BGH a.a.O., -"Telefonwerbung IV"-). Nach diesen Grundsätzen stellt sich die in Frage stehende Telefonakquise der Beklagten als wettbewerbswidrig dar.

1.

Ein ausdrücklich oder konkludent erklärtes Einverständnis der angerufenen Gewerbetreibenden liegt nicht vor.

a)

Der zwischen den Telefongesellschaften und den jeweiligen Gewerbetreibenden begründeten Vertragsbeziehung lässt sich ein solches Einverständnis nicht entnehmen.

Das Unterlassungspetitum der Klägerin richtet sich gegen den Anruf gewerblich tätiger Personen durch die Beklagte, die ihrer jeweiligen Telefongesellschaft als Anlage zum Auftrag für die Einrichtung eines Telefonanschlusses nach Maßgabe der beispielhaft in der Urteilsformel wiedergegebenen Auftragsformulare auch einen Auftrag für einen Eintrag ins "normale" Telefonverzeichnis (früher: "amtliches" Telefonbuch; jetzt: sog. "weißes" Telefonbuch) erteilt haben und dabei darauf hingewiesen worden sind, dass sie - bei Angabe der Branche/des Berufs - ferner in das Branchenbuch bzw. die "G. S." eingetragen werden. Bei diesen Einträgen handelt es sich um die sog. Standard- bzw. Grundeinträge, die für den Telefonkunden unentgeltlich sind. Sowohl der Eintrag in das "weiße" Telefonbuch als auch derjenige in die "G. S." wird dabei durch die T. bzw. deren 100%-ige Tochtergesellschaft D.T.M.Verlag bewerkstelligt, die wiederum in Zusammenarbeit mit verschiedenen Drittverlagen die Telefonverzeichnisse herausgibt. Im Großraum K. arbeitet die D.T.M.GmbH in GbR ("Herausgeber- und Verlegergemeinschaft") mit der Beklagten zusammen. Da die De.T. AG mit sämtlichen sonstigen Telefongesellschaften in Deutschland Verträge abgeschlossen hat, nach denen sie verpflichtet ist, auch die Teilnehmerdaten ihrer Konkurrenten in einem von ihr, der T., herausgegebenen Kommunikationsverzeichnis zu veröffentlichen, gilt die dargestellte Arbeitsweise auch dann, wenn der Telefonanschluss selbst nicht bei der De.T. AG, sondern bei einer konkurrierenden Telefongesellschaft eingerichtet wird, die - ebenso wie die De.T. AG - gemäß § 21 TKV dazu verpflichtet ist, auf Verlangen des Kunden einen unentgeltlichen Eintrag in ein allgemein zugängliches (nicht notwendigerweise anbietereigenes) Teilnehmerverzeichnis vorzunehmen.

Ein - ausdrücklich oder konkludent erklärtes - Einverständnis der angerufenen Gewerbetreibenden mit der streitbefangenen Telefonakquise der Beklagten, die darauf abzielt, den Angerufenen entgeltpflichtige Erweiterungen und Zusätze der als solche unentgeltlichen Standard-/Grundeinträge und/oder Anzeigen zu "verkaufen", lässt sich der zwischen einerseits den Telefonkunden und andererseits den Telefongesellschaften bestehenden, auf die Aufnahme des Eintrags in ein Teilnehmerverzeichnis gerichteten Auftragsbeziehung nicht entnehmen. Dabei kann es unterstellt werden, dass die in diesen Verträgen formularmäßig aufgenommenen Hinweise, wonach bei Angabe der Branche bzw. des Geschäftsbetriebs eine Aufnahme des (Standard-)Eintrags ebenfalls in die jeweiligen Branchenverzeichnisse/"G. S." erfolge, gleichermaßen von allen Telefongesellschaften verwendet wird und dass hierdurch wirksam auch insoweit eine vertragliche Beziehung begründet wird. Denn ein Einverständnis damit, dass sich die Beklagte sodann telefonisch an die Telefonkunden wendet, um diese für entgeltpflichtige Erweiterung/Zusätze des kostenlosen Standardeintrags oder für die Schaltung von Anzeigen zu gewinnen, lässt sich einer derartigen Vertragsbeziehung weder ausdrücklich noch konkludent entnehmen. Die von der Beklagten beispielhaft vorgelegten Vertrags- bzw. Auftragsformulare bieten den betroffenen Kunden überwiegend keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass - um den Eintrag auch in das Branchenverzeichnis/die "G. S." zu bewerkstelligen - überhaupt ein weiterer geschäftlicher Schritt erforderlich ist. Vielmehr finden sich lediglich Hinweise auf die Weitergabe der Daten an den Verleger der "G. S.", was aus der Sicht der betroffenen Telefonkunden suggeriert, der Eintrag werde - ebenso wie derjenige in das "weiße" Telefonbuch - "automatisch" auf der Grundlage der mitgeteilten Daten erfolgen. Einzig das von N.C. verwendete Formular (Bl. 49 d.A.) enthält einen Hinweis darauf, dass im Zusammenhang mit dem "automatischen und kostenlosen" Eintrag in das Branchenbuch eine weitere Kontaktaufnahme des D.T.M. Verlags stattfinden wird. Dass diese Kontaktaufnahme indessen gerade auf telefonischem Wege erfolgen wird und zudem nicht etwa dazu dienen soll, etwaige Einzelheiten des kostenlosen Standard- bzw. Grundeintrags zu klären, sondern einen entgeltpflichtigen Auftrag zu akquirieren, lässt sich dem jedoch nicht entnehmen. Lässt sich der zwischen den Telefongesellschaften und den Telefonkunden bestehenden Vertragsbeziehung aus den dargestellten Gründen aber ein ausdrücklich oder konkludent erklärtes Einverständnis mit den hier zu beurteilenden Werbeanrufen nicht entnehmen, ist es weiter nicht von streitentscheidender Bedeutung, ob die Beklagte als Erfüllungsgehilfin in diese Vertragsbeziehung eingeschaltet ist. Nur am Rande sei daher ausgeführt, dass dies zwar zu bejahen ist, soweit die Beklagte als Verlegerin den den Telefongesellschaften erteilten Auftrag ausführt, den kostenlosen Grund- und Standardeintrag (auch) in den "G. S." zu veröffentlichen. Das gilt jedoch nicht, soweit sie bei dieser Gelegenheit in eigenem Interesse und auf eigene Rechnung entgeltpflichtige (Zusatz-)Aufträge werben will und/oder einholt.

b)

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist weiter aber auch unmittelbar zwischen ihr selbst und den Telefonkunden keine Geschäftsverbindung begründet worden, der sich ein Einverständnis mit der streitbefangenen Telefonakquise entnehmen lässt. Die Beklagte will ein durch "sozialtypisches Verhalten" begründetes Vertragsverhältnis annehmen, weil - wie sich dem Verhalten von Gewerbetreibenden entnehmen lasse, die sich mit Reklamationen betreffend Einträge in die "G. S." an sie, die Beklagte, wenden - den betroffenen Kunden nicht nur bekannt sei, dass das Branchenverzeichnis "G. S." von ihr verlegt werde, sondern auch, dass die Inanspruchnahme dieser Leistung nur gegen Entgelt zu erwarten ist. Es kann dahinstehen, ob die in Ablösung der Lehre vom "faktischen Vertrag" hauptsächlich für den Massenverkehr und Leistungen der Daseinsvorsorge entwickelten Grundsätze, wonach durch sozialtypisches Verhalten angenommene "Realofferten" ein Vertragsverhältnis begründen können, im Streitfall einschlägig sind und greifen. Denn jedenfalls trägt diese Argumentation kein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis der Gewerbetreibenden mit der hier in Frage stehenden Telefonakquise. Selbst wenn - was nach der Gestaltung der oben erwähnten Formulare der Telefongesellschaften eher fernliegt - die betroffenen Gewerbetreibenden davon ausgehen sollten, dass der Eintrag in die "G. S." nur gegen Entgelt bei der Beklagten zu erhalten ist, begründet dies weder die Erwartung noch die Billigung einer telefonischen Kontaktaufnahme. Darüber hinaus spricht aber auch alles gegen eine Geschäftsbeziehung unmittelbar zwischen der Beklagten und den Anzurufenden. Denn die Anzurufenden stehen - auch aus ihrer Sicht - allein in Kontakt mir ihrer jeweiligen Telefongesellschaft, ggf. dem D.T.M. Verlag. Dass aus der Sicht der Kunden überhaupt eine eigenständige Beziehung mit der Beklagten eingegangen wird, liegt fern. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich in die "G. S." eingetragene Gewerbetreibende mit Reklamationen betreffend den Eintrag unmittelbar an die Beklagte wenden. Denn es ist naheliegend, sich mit Reklamationen betreffend eine Druckschrift unmittelbar an das dort genannte Unternehmen zu wenden, welches den Druck zu verantworten hat. Den Rückschluss darauf, dass dieses Unternehmen dann auch als der - originäre - Vertragspartner angesehen wird, lässt dieser Umstand nicht zu.

2)

Es sind weiter aber auch keine konkreten Umstände ersichtlich, die ein sachliches Interesse der Gewerbetreibenden an der streitbefangenen Telefonakquise vermuten und auf ein mutmaßliches Einverständnis der Angerufenen schließen lassen.

a)

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang vorbringt, ihre Anrufe dienten hauptsächlich der "Datenpflege", um zu überprüfen, ob die zu veröffentlichenden Angaben korrekt oder noch aktuell sind, lässt das auch aus ihrer Sicht ein mutmaßliches Interesse der Gewerbetreibenden an der hier zu beurteilenden Telefonwerbung nicht erkennen. Schon ein sachliches Interesse der Gewerbetreibenden, im Rahmen der "Datenpflege" gerade auf telefonischem Wege angesprochen zu werden, ist nicht ersichtlich. Denn diese Datenpflege, die der Überprüfung, ggf. Aktualisierung der Standardeinträge dient, kann ebensogut, wenn nicht sogar besser auf schriftlichem Wege erfolgen, weil dieser einen einfachen und effektiven Datenabgleich und insbesondere die Beseitigung etwaiger Unklarheiten oder Unsicherheiten betreffend die Schreibweise ermöglicht. Vermag daher schon der Aspekt der "Datenpflege" betreffend den Standardeintrag die telefonische Kontaktaufnahme bzw. den Schluss auf eine mutmaßliche Einwilligung des angerufenen Gewerbetreibenden nicht zu rechtfertigen, gilt dies erst Recht, soweit diese Datenpflege als Gelegenheit und als "Eintrittspforte" für die Akquise entgeltlicher Zusätze und Erweiterungen des Standardeintrags genutzt wird. Auch dort, wo Gestaltungsmöglichkeiten des Eintrags in Rede stehen, die sich - wie beispielsweise ein bestimmter Schrifttyp, Fettdruck oder eine Umrandung - nur graphisch auswirken und deren Angebot allein bei optischer Wahrnehmung zuverlässig beurteilt werden kann, stellt sich der Schriftverkehr aus der Sicht des Kunden gegenüber dem Telefonkontakt als vorzugswürdig dar, so dass nicht auf ein mutmaßliches Einverständnis gerade mit der telefonischen Kontaktaufnahme geschlossen werden kann. Aus den dargestellten Erwägungen vermag auch das Argument der Beklagten keine dem maßgeblichen Unlauterkeitsaspekt der "Belästigung" entgegenstehende Überzeugungskraft zu entfalten, sie nehme im Verhältnis gegenüber den angerufenen Gewerbetreibenden lediglich an Stelle der De.T. AG deren auf sie delegierte Aufgaben wahr und vervielfältige durch die Telefonwerbung weder die Anzahl der Telefonanrufe, noch erhöhe sie die damit verbundene Beeinträchtigung der betrieblichen Abläufe. Dieser argumentative Ansatz könnte nur dort greifen, wo die Beklagte in der Tat lediglich einen solchen Telefonkontakt aufnimmt, der - würde ihn die De.T. AG oder eine andere Telefongesellschaft selbst betreiben - nicht zu beanstanden wäre. So liegt der Fall indessen nicht. Nach den obigen Ausführungen wäre es vielmehr auch den Telefongesellschaften selbst zu untersagen, sich unter dem Aspekt der "Datenpflege" betreffend die Standardeinträge telefonisch an ihre Kunden zu wenden und bei dieser Gelegenheit eine Telefonakquise der streitbefangenen Art zu betreiben bzw. die Pflege eines bestehenden unentgeltlichen Auftrags - wie die Beklagte - als Einstieg in Verhandlungen über entgeltliche Zusatzaufträge zu nutzen.

b)

Auch der Einwand der Beklagten, zu dem Mittel der Telefonwerbung werde erst dann gegriffen, wenn andere Akquisemaßnahmen versagt hätten, lässt nicht den Schluss auf das mutmaßliche Einverständnis der angerufenen Gewerbetreibenden zu. Dieses "ultima ratio" -Argument ist nicht geeignet die Annahme zu begründen, dass die anzurufenden Gewerbetreibenden den Anruf erwarten oder ihm jedenfalls positiv gegenüberstehen. Vielmehr lässt der Umstand, dass Gewerbetreibende auf andere Akquise- und Werbemaßnahmen bisher nicht reagiert haben, darauf schließen, dass sie dem beworbenen Angebot nicht näher treten wollen und weiteren Werbemaßnahmen, insbesondere aber einer den persönlichen Kontakt herstellenden Telefonwerbung ablehnend gegenüberstehen.

c)

Der von der Beklagten weiter angeführte Aspekt der Eilbedürftigkeit, nämlich der telefonischen Kontaktaufnahme erst kurz vor drohendem Redaktionsschluss, geht schon deshalb fehl, weil dies ein von der Beklagten selbst geschaffener Umstand ist, der ein mutmaßliches Einverständnis der Anzurufenden mit der Telefonakquise als regelmäßig praktizierte Werbemaßnahme nicht zu rechtfertigen vermag. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Beklagte ihre betrieblichen Planung nicht so ausrichten kann, dass sie sich in einem solchen Zeitabstand zum Redaktionsschluss schriftlich an die Gewerbetreibenden wendet, dass diesen eine rechtzeitige Überprüfung/Aktualisierung, ggf. Erweiterung des Standardeintrags möglich wird.

d)

Soweit die Beklagte schließlich die objektive Nützlichkeit ihrer Tätigkeit, insbesondere für die kammerzugehörigen Berufe (Ärzte, Rechtsanwälte u.s.w.) anführt, die mit Blick auf standesrechtliche Werbebeschränkungen einer besonderen, durch Handelsvertreter angeblich nicht zu bewerkstelligenden Beratung bedürften, stellt dies ebenfalls keinen Umstand dar, der ein mutmaßliches Interesse der Anzurufenden gerade an der streitgegenständlichen telefonischen Kontaktaufnahme zu begründen vermag. Denn dass die Einzelheiten der Gestaltung der von der Beklagten beworbenen Zusätze/Erweiterungen des Standardeintrags und/oder von Anzeigen in den "G. S." gerade im Telefonverkehr besser besprochen/ausgehandelt werden könnten, als dies im Schriftverkehr der Fall ist, der beispielsweise die graphische Aufmachung eines Eintrags und seine Platzierung auf einer Seite viel deutlicher vor Augen führen kann, lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass die anzurufenden - kammerzugehörigen - Gewerbetreibenden daher einem Anruf positiv gegenüberstehen oder diesen sogar erwarten, liegen daher nicht vor.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO. Soweit die Klägerin den Unterlassungsantrag in der Berufung neu formuliert hat, rechtfertigt das keine abweichende, die Klägerin teilweise belastende Kostenverteilung. Denn eine sachliche Beschränkung des Unterlassungspetitums ist mit dieser Neufassung des Antrags nicht verbunden. Die Neuformulierung dient vielmehr lediglich der Anpassung des Antrags an die konkret zur Unterlassung begehrte Verletzungshandlung, deren Verbot allein die Klägerin von Anfang schon nach den Ausführungen in der Klageschrift verfolgt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr.10, 711, 108 ZPO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 543 ZPO i.V. mit § 26 Nr. 7 EG ZPO. Angesichts des Umstandes, dass sich die zur wettbewerblichen Zulässigkeit von Telefonwerbung gegenüber Gewerbetreibenden bisher ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht mit der hier in Frage stehenden Fallkonstellation, nämlich der Akquise entgeltlicher Auftragserweiterungen anlässlich der Kontaktaufnahme betreffend einen bestehenden Auftrag, befasst hat, die Frage der wettbewerblichen Zulässigkeit einer solchen Telefonwerbung sich mit Blick auf den Umfang der Einträge in Branchenbücher und deren Verbreitung künftig jedoch wiederholt stellen wird, bejaht der erkennende Senat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Streitwert für das Berufungsverfahren:100.000,00 DM.






OLG Köln:
Urteil v. 08.03.2002
Az: 6 U 165/01


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