Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 12. September 2005
Aktenzeichen: 13 A 1453/05
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 12.09.2005, Az.: 13 A 1453/05)
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. März 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 221.830,- EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, weil die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe teilweise dem Darlegungsgebot aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügen, jedenfalls aber nicht vorliegen.
I. Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Insoweit kommt es auf das erstinstanzliche Entscheidungsergebnis und die Wahrscheinlichkeit seines Fortbestandes oder seiner Abänderung vor dem Hintergrund der Darlegungen des Rechtsmittelführers an. Es spricht jedoch alles dafür, dass das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren die Richtigkeit des erstinstanzlichen Ergebnisses nicht erschüttert.
1. Soweit die Klägerin das erstinstanzliche Urteil für unrichtig hält, weil das Verwaltungsgericht wie die Regulierungsbehörde von wahrheitswidrigen Rechtskonformitätserklärungen und von identischen Wirkungsweisen aller von der Rücknahmeentscheidung betroffener Dialer ausgegangen ist sowie nicht festgestellt hat, dass all diese Dialer die Mindestanforderungen der Verfügung 54/2003 (Vfg) nicht erfüllen, greift das nicht durch. Die Regulierungsbehörde, der das Verwaltungsgericht gefolgt ist, durfte davon ausgehen, dass bezüglich aller betroffener Dialer die Mindestanforderungen jedenfalls im Entscheidungszeitpunkt der Behörde nicht - mehr - vorlagen. Das ergibt sich aus Folgendem:
§ 43b Abs. 5 TKG a. F. und die Verfügung 54/2003 - jetzt in der Fassung der Verfügung 4/2005 - dienen insbesondere dem Verbraucherschutz, aber auch dem Schutz der seriösen Dialer-Hersteller und Mehrwertdienste-Anbieter. Das Verfahren der Registrierung, das eine eigene Überprüfung der Dialer durch den Hersteller bezüglich der Mindestanforderungen der o. g. Verfügung und eine darauf beruhende Erklärung der Rechtskonformität der Dialer sowie auf Behördenseite lediglich eine Plausibilitäts- und Vollständigkeitskontrolle der Unterlagen, nicht aber eine Prüfung der Rechtskonformität des Programms vorsieht (C. XI. und D. I V Abs. 3 Vfg), beruht auf dem Prinzip der Selbstkontrolle und Selbstdisziplinierung der Branche sowie des Vertrauens der Behörde in pflichtgemäß richtige Rechtskonformitätserklärungen der Hersteller. Ermöglicht wird so dem Hersteller eine problemlose und sogar gesammelte Registrierungsantragsstellung für Dialer mit identischer Wirkungsweise. Der Regulierungsbehörde als Registrierungsbehörde ist es unbenommen, einen Dialer nach Registrierung ggf. auf Beschwerde von Kunden hin auf seine Übereinstimmung mit den Anforderungen der o. g. Verfügung zu überprüfen und ggf. dessen Registrierung aufzuheben (D. IV. Abs. 4 Vfg). Die Regulierungsbehörde kann aber auch bei einer großen Zahl von vom Hersteller mit identischer Wirkungsweise beschriebenen Dialern nach stichprobenhaften Überprüfungen, die eine Gesetzesinkonformität dieser Dialer aufgezeigt hat, auf die gesamte Zahl der Dialer mit beschriebener identischer Wirkungsweise schließen und ohne weitergehende Prüfung sämtlicher übriger Dialer alle Registrierungen widerrufen oder zurücknehmen. Das beschriebene Verfahren ermöglicht einerseits dem Hersteller eine relativ problemlose Registrierung selbst einer Vielzahl von Dialern, hat andererseits aber auch Konsequenzen hinsichtlich der Rückgängigmachung der Registrierung. Auch für das vorliegende Rechtsgebiet gilt grundsätzlich, dass sich die Anforderungen an die Feststellung der zum Eingriff in eine bestehende Rechtsposition berechtigenden Umstände aus dem materiellen Recht ergeben, welches hier aus § 43b Abs. 5 TKG a. F. und der über Art. 3 GG zu Gunsten und zu Lasten auch der Klägerin geltenden Verfügung 54/2003 folgt.
Vgl. hierzu auch BverwG, Urteil vom 26. Januar 1979 - 4 C 52.76 -, DÖV 1979, 602.
Ergibt, wie hier, die Überprüfung einer hinreichenden Zahl von Dialern, dass die für sie abgegebenen Rechtskonformitätserklärungen von Anfang an oder jedenfalls nicht mehr zutreffend waren bzw. sind und liegen für weitere Dialer des Herstellers hinsichtlich ihrer Wirkungsweise identische Erklärungen vor, drängt sich die Annahme auf, dass alle Dialer an den gleichen festgestellten Mängeln leiden, selbst wenn sie möglicherweise unterschiedliche technische Ausprägungen" aufweisen. Für diesen Fall ist das als Grundlage der Registrierung dienende Vertrauen der Behörde in die Richtigkeit der jeweiligen Rechtskonformitätserklärungen derart erschüttert, dass die an diese Erklärung gemäß § 43b Abs. 5 TKG a. F. i. V. m. der Verfügung 54/2003 geknüpfte Rechtsfolge nicht mehr gerechtfertigt ist, d. h. von einer vom Anbieter nicht mehr nachgewiesenen Rechtskonformität und damit vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rücknahme der Registrierungen ausgegangen werden kann. Dies ist gleichsam die "Kehrseite der Medaille" des auf dem Prinzip der Selbstdisziplinierung und Selbstkontrolle der Hersteller und des behördlichen Vertrauens in die Richtigkeit der Rechtskonformitätserklärungen der Hersteller beruhenden Registrierungsverfahrens nach der o. g. Verfügung und erlaubt der Behörde eine wirksame schnelle Reaktion bevor - ggf. weitere - Schadensfälle durch Benutzung nicht rechtskonformer Dialer eintreten. Für einen solchen Fall kommt es nicht darauf an, dass die Behörde und im Anfechtungsrechtsstreit das Gericht nachweisen, dass bezüglich aller nach der Herstellererklärung mit gleicher Wirkungsweise beschriebenen Dialer die Rechtskonformität nicht - mehr - gegeben ist. Denn die Behörde hat die Programme nicht inhaltlich zu prüfen; dies hat vielmehr der Hersteller zu tun und er muss in der Lage sein, die Rechtskonformität in den bemängelten Punkten bei allen Dialern nachzuweisen, wie das dem Normalfall eines Antrags auf einen an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen geknüpften rechtserweiternden Bescheid entspricht. Zu keinem anderen Ergebnis führen die vom Verwaltungsgericht angezogenen Grundsätze der Beweiswürdigung und Beweislastverteilung.
2. Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, ein Rückschluss von dem Ergebnis der Stichproben auf die übrigen nicht geprüften Dialer verbiete sich, weil ihre Programme ständig überarbeitet würden und demnach nicht in der technischen Wirkungsweise identisch seien. Denn ein überarbeitetes Programm wäre eine Programmänderung und unterläge der Pflicht zur neuen Registrierung (§ 43b Abs. 5 Satz 2 TKG a. F.), womit das "alte" Programm nach wie vor nicht nachgebessert wäre und rechtsinkonform bliebe.
Sie kann dem auch nicht entgegenhalten, eine Registrierungsrücknahme für alle nicht geprüften Programme sei unzulässig, wenn ihr nicht zuvor die Möglichkeit gegeben worden sei, nach Beanstandung einzelner nicht erfüllter Mindestanforderungen diese Mängel abzustellen. Denn das ändert nichts daran, dass die auf der Rechtskonformitätserklärung aufbauende Vermutung des Nichtvorhandenseins der erkannten Mängel bei den nicht geprüften Programmen entfallen war und ist. Im übrigen hat der allenfalls auf der Ermessensseite relevante Vorhalt der Klägerin kein durchschlagendes Gewicht, weil die Regulierungsbehörde zum Schutz der Verbraucher schnell zu reagieren hat und sie eine eventuell erforderliche Nachbesserung der nicht geprüften Programme nicht "flächendeckend" kontrollieren kann.
3. Die Kritik der Klägerin an den Urteilsgründen, die die von der Behörde beanstandeten Mängel bestätigen, greift nicht durch. Die Klägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren in ihrer Klagebegründung hinsichtlich aller beanstandeten Mängel eingeräumt, dass diese im Einzelfall vorgelegen haben. Hieran muss sie sich festhalten lassen, zumal sie auch im Zulassungsverfahren keinen einzigen tatsächlich rechtskonformen Dialer benannt hat. Überdies bestätigt die Durchsicht der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, dass nach Beanstandungen von Nutzern nicht wenige Dialer der Klägerin die zur Grundlage des Rücknahmebescheids gemachten Mängel tatsächlich aufwiesen. Im Übrigen kann dem diesbezüglichen bestreitenden Vorbringen der Klägerin nicht gefolgt werden:
Die Anforderungen an eine "Wegsurfsperre" sind unter B. IV. Satz 4 Vfg eindeutig beschrieben und ergeben sich zudem problemlos aus dem Begriff Sperre". Dazu reicht der von der Klägerin angeführte bloße Hinweis in ihren Dialern auf unentgeltliche oder billigere Angebote und die dem Nutzer überlassene Entscheidung des Übergangs in jenen Angebotsbereich oder des Abbruchs oder Rückgangs nicht aus. Es ist erkennbar die hinter der o. g. Verfügung stehende Absicht, den Nutzer durch sofort wirksame Unterbrechung vor unbedachten, aber kostenträchtigen Surf-Aktionen zu schützen.
Soweit die Klägerin nunmehr im Zulassungsantrag behauptet, dem Nutzer werde ohne Aufforderung beim Herunterladen des Dialers der Hashwert, die Versionsnummer und Mehrwertdienste-Rufnummer angezeigt, so dass ein Verstoß gegen B. II. Nr. 3 bis 5 Vfg nicht vorliege, ist das mit ihrer Einlassung im erstinstanzlichen Verfahren unvereinbar und nicht nachvollziehbar. Nur bei einem der in den Verwaltungsvorgängen bildlich dargestellten Programme ist dies beanstandungsfrei feststellbar, bei den übrigen überprüften Programmen nicht.
Das Fehlen des - wenn auch nicht durch die o. a. Verfügung, so doch kraft Gesetzes gemäß § 43b Abs. 1 TKG a. F. - zwingend erforderlichen Zusatzes bei den Preisangaben "aus dem deutschen Festnetz" bestreitet die Klägerin auch im Zulassungsantrag nicht; sie vermisst nur die Angabe des betreffenden Auswahlprogramms. Die in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Ausdrucke verschiedener - für die Klägerin leicht identifizierbarer - Programme bestätigen das Fehlen der o. g. Anforderung.
Der Klägerin kommt auch kein Vertrauensschutz gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG zu. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke ist hier im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, weil ein direkt unter diese Regelung fallender Verwaltungsakt nicht vorliegt. Ein eventuelles Vertrauen der Klägerin auf einen Fortbestand der betroffenen Registrierungen ist aber schon deshalb nicht schutzwürdig, weil nach D. IV. Abs. 4 Vfg die Registrierung aufzuheben ist, wenn das registrierte Programm die gesetzlichen Mindestanforderungen - das sind auf Grund des § 43b Abs. 5 TKG a. F. diejenigen der o. g. Verfügung - nicht einhält, dies der Klägerin bekannt gewesen sein musste und es in ihrer Sphäre lag zu erkennen, welche Programme die Mindestanforderungen nicht erfüllten. Überdies kann die Klägerin nach Überprüfung und ggf. Nachbesserung ihrer Dialer problemlos deren neue Registrierung unter Vorlage einer der Verfügung 4/2005 Rechnung tragenden Rechtskonformitätserklärung beantragen. Die Verwendung der von der Rücknahme betroffenen Dialer ist ihr nach II. 3. der Verfügung 4/2005 zwischenzeitlich ohnehin nicht mehr erlaubt.
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die Regulierungsbehörde auch aus Sicht des Senats ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie hat sich ausweislich ihrer Ausführungen im Widerspruchsbescheid erkennbar für einen sofort wirksamen Verbraucherschutz entschieden und die von der Klägerin aufgezeigten Reaktionsmöglichkeiten aus sachlichen Gründen verworfen. Das ist vertretbar und lässt Ermessensfehler nicht erkennen.
Soweit die Klägerin die vom Verwaltungsgericht angenommene Heilung der unterbliebenen Anhörung zur beabsichtigten Registrierungsrücknahme angreift, die nicht zu verwechseln ist mit der von der Klägerin vermissten - den Ermessensbereich betreffenden - Aufforderung zur Änderung der Auswahlprogramme, entspricht das erstinstanzliche Urteil höchstrichterlicher Rechtsprechung und ist nicht zu beanstanden.
II. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin weist die Rechtsache keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Rechtserhebliche Fragen tatsächlicher Art stellen sich nach den obigen Ausführungen nicht. Die aufgezeigten Rechtsfragen sind aus dem Gesetz sowie der angeführten Verfügung ohne weiteres beantwortbar. Der Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils ist auch nicht das Normalmaß überschreitend umfangreich kompliziert. Es kann zudem nicht von einem ergebnisoffenen Verfahren die Rede sein.
III. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat die Klägerin bereits nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügend dargelegt. Sie zeigt keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende, verallgemeinerungsfähige Frage tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, die der Rechtsfortbildung und/oder Rechtsvereinheitlichung dienlich sowie in der Berufung klärungsbedürftig und klärungsfähig ist. Wollte man die Frage annehmen, ob die Regulierungsbehörde von Stichproben ausgehend auf die Richtigkeit von Rechtskonformitätserklärungen einer ganzen Serie erklärtermaßen gleichwirkender Dialer schießen kann, ist dies aus den oben ausgeführten Gründen ohne weiteres zu bejahen; der Durchführung einer Berufung bedarf es insoweit nicht.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 12.09.2005
Az: 13 A 1453/05
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