StGH des Landes Hessen:
Beschluss vom 11. November 2009
Aktenzeichen: P.St. 2252

(StGH des Landes Hessen: Beschluss v. 11.11.2009, Az.: P.St. 2252)

1. Im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof kann Bevollmächtigter grundsätzlich nur ein Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule sein. Das gilt auch für Unterbevollmächtigte.

2. Wird die Grundrechtsklage durch einen nicht postulationsfähigen Bevollmächtigten eingereicht, muss die Genehmigung durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten oder den Vertretenen selbst innerhalb der Monatsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StGHG erfolgen.

3. Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen auch im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof nach einem allgemeinen Grundsatz für Fälle der Interessenwahrnehmung durch einen Vertreter zuzurechnen.

4. Die nachträgliche Zulassung als Beistand macht eine fristgebundene Prozesshandlung dieses Beistands allenfalls dann wirksam, wenn der Zulassungsantrag innerhalb der Frist gestellt worden ist.

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einreichung der Grundrechtsklage wird abgelehnt.

Die Grundrechtsklage wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Gründe

A

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Grundrechtsklage gegen mehrere Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main.

Die Antragstellerin und ihre Schwester betrieben als Erbinnen ihres Vaters im April 2007 die Vollziehung eines gegen die Drittbegünstigten in Italien erwirkten Arrestbefehls. Nach dessen Aufhebung nahmen diese die Antragstellerin und ihre Schwester vor dem Landgericht Hanau auf Schadensersatz in Anspruch. Die Antragstellerin und ihre Schwester, beide in Italien lebend, bestritten die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Das Landgericht Hanau stellte demgegenüber mit Beschluss vom 8. November 2007 - 7 O 568/07 - fest, dass es örtlich zuständig sei. Die Antragstellerin und ihre Schwester erhoben daraufhin sofortige Beschwerde. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main behandelte diese als Berufung und wies sie mit Urteil vom 6. November 2008 - 26 U 18/08 - zurück. Dabei traf es eine Kostenentscheidung zu Lasten der Antragstellerin und ihrer Schwester. Den Streitwert setzte es auf 2.000.000 Euro fest.

Mit Schriftsatz vom 21. November 2008 beantragten die Antragstellerin und ihre Schwester u.a. die Berichtigung des Urteils nach § 319 ZPO und eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO; zugleich erhoben sie eine Streitwertbeschwerde und beantragten die Niederschlagung der Gerichtskosten des Rechtsmittelverfahrens. Die Anträge blieben erfolglos. Mit Beschluss vom 7. Mai 2009 wies das Oberlandesgericht den Berichtigungsantrag zurück und mit Urteil vom gleichen Tage den Antrag auf Urteilsergänzung. Mit weiterem Beschluss gleichfalls vom 7. Mai 2009 wies das Gericht schließlich die als Gegenvorstellung verstandene Streitwertbeschwerde und den Antrag auf Niederschlagung der Kosten zurück.

Im Namen der Antragstellerin hat daraufhin der Verfahrensbevollmächtigte zu 1 mit Schriftsatz vom 22. Mai 2009, eingegangen beim Staatsgerichtshof am 27. Mai 2009, gegen diese ihr am 18. Mai 2009 zugestellten Entscheidungen Grundrechtsklage erhoben.

Zur Begründung hat die Antragstellerin im Wesentlichen vortragen lassen, die Kostenentscheidung zu ihren Lasten hätte bei richtiger Anwendung des einfachen Rechts und bei richtigem Verständnis der Verfassung und der Grundrechte unterbleiben oder am 7. Mai 2009 durch Ergänzungsurteil korrigiert werden müssen. Insbesondere sei die Entscheidung willkürlich. Die Entscheidung des Erstgerichts habe nicht durch Beschluss ergehen dürfen. Da das Oberlandesgericht dies erkannt habe, habe es das Rechtsmittel nicht zurückweisen und den Drittbegünstigten mit einer Kostenentscheidung zu ihren Gunsten nicht mehr geben dürfen, als diese beantragt hätten. Dies stelle eine Verletzung fundamentaler Gerechtigkeitsgedanken dar. Weiter habe das Oberlandesgericht gegen das Grundrecht auf rechtliches Gehör verstoßen, da es ohne vorherigen Hinweis von einer zuvor erkennbar vertretenen Rechtsansicht abgewichen sei.

Bezüglich des mit dem Urteilsergänzungsantrag angestrebten Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung sei das Oberlandesgericht auf den wesentlichen Kern des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Antragstellerin nicht eingegangen. Auch wirkten dessen Ausführungen sachfremd, namentlich da nicht beachtet worden sei, dass sie und ihre Schwester die Erbschaft nach ihrem Vater nur unter dem Vorbehalt der Rechtswohltat der Inventarerrichtung im Sinne von Art. 490 des italienischen Codice Civile angenommen hätten.

Den Streitwert habe das Oberlandesgericht mit 2.000.000 Euro weit überhöht festgesetzt; tatsächlich sei von einem Streitwert von nur 10.000 Euro auszugehen. Insbesondere erschwere die Wertfestsetzung angesichts einer dadurch drohenden Kostenlast von 66.000 Euro und zusätzlich eines Kostenfestsetzungsantrags der Drittbegünstigten über 27.823,19 Euro den Zugang zu Gericht in verfassungswidriger Weise.

Nach einer entsprechenden Rüge durch den Prozessbevollmächtigten der Drittbegünstigten und ergänzendem Hinweis des Berichterstatters hat der Verfahrensbevollmächtigte zu 1 hinsichtlich seiner möglicherweise fehlenden Postulationsfähigkeit mit Schriftsatz vom 24. Juli 2009, eingegangen am 30. Juli 2009, ausgeführt, er habe einen Hinweis auf der Homepage des Staatsgerichtshofes missverstanden und sei davon ausgegangen, über die Verweisung in § 16 Abs. 1 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof - StGHG - gälten die Regeln des Parteiprozesses im Sinne von § 90 ZPO. Er hat im Rahmen dieses im Übrigen nicht unterzeichneten Schriftsatzes weiter an Eides Statt versichert, dass die etwa mangelhafte Vertretung ausschließlich darauf beruhe, dass er wegen des Hinweises auf der Homepage des Staatsgerichtshofs davon ausgegangen sei, dass die ordnungsgemäße Vertretung hier anders beurteilt werde als beim Bundesverfassungsgericht nach § 22 BVerfGG und die Kommentierung von Günther, Verfassungsgerichtsbarkeit in Hessen, § 20, Rdnr. 4 nicht mehr mit der offiziellen Meinung des Staatsgerichtshofes übereinstimme.

Der Verfahrensbevollmächtigte zu 1 hat vor diesem Hintergrund Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und für den Fall der Wiedereinsetzung die Zulassung als Beistand im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 4 StGHG beantragt. Weiter hat er eine unter dem 24. Juli 2009 gezeichnete und auf ihn und den Verfahrensbevollmächtigten zu 2 lautende Vollmacht zur Vertretung im hiesigen Verfahren vorgelegt. Darin heißt es, die Vollmacht für den Verfahrensbevollmächtigten zu 1 habe bereits am 22. Mai 2009 bestanden. Mit Schriftsatz vom 3. August 2009, eingegangen beim Staatsgerichtshof am 4. August 2009, hat sich der Verfahrensbevollmächtigte zu 2 für die Antragstellerin gemeldet und alle Schriftsätze, Anträge und Einlassungen des Verfahrensbevollmächtigten zu 1 genehmigt.

Nach einem Hinweis des Berichterstatters auf fortbestehende Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Grundrechtsklage hat der Verfahrensbevollmächtigte zu 2 mit Schriftsatz vom 8. September 2009 vorgetragen, er sei bereits bei der Einreichung der Grundrechtsklage mit der Vertretung der Antragstellerin betraut gewesen. Die Vollmacht sei ihm durch den Verfahrensbevollmächtigten zu 1 auf Grund von dessen Generalvollmacht bereits mit Schreiben vom 20. Mai 2009 erteilt worden. Er wiederum habe dem Verfahrensbevollmächtigten zu 1 mit Untervollmacht ausgestattet, da er aus zeitlichen Gründen seine Tätigkeit nicht vor dem 15. Juni 2009 habe aufnehmen können. Dies habe er anlässlich der von ihm unter dem 3. August 2009 ausgesprochenen Genehmigung nicht mehr in Erinnerung gehabt.

Die Antragstellerin beantragt zu erkennen:

1. Die Urteile des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main vom 7. Mai 2009 und 6. November 2008 - 26 U 18/08 - verletzen das Recht der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs, auf Gleichbehandlung, auf allgemeine Handlungsfreiheit und wirkungsvollen Rechtsschutz gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt.

2. Der Beschluss des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main vom 7. Mai 2009 - 26 U 18/08 - über die Zurückweisung der Streitwertbeschwerde und des Kostenniederschlagungsantrags und dessen Beschluss vom 7. Mai 2009 - 26 U 18/08 - über die Zurückweisung des Berichtigungsantrags bezüglich der Kostenentscheidung verletzen das Recht der Antragstellerin auf Gleichbehandlung, auf allgemeine Handlungsfreiheit und auf wirkungsvollen Rechtsschutz gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt.

3. Das Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main vom 7. Mai 2009 - 26 U 18/08 - wird für kraftlos erklärt, soweit der Antrag auf Ergänzung des Urteils vom 6. November 2008 - 26 U 18/08 - im Kostenpunkt zurückgewiesen worden ist, dessen Urteil vom 6. November 2008 - 26 U 18/08 - insoweit, als der Antragstellerin und ihrer Schwester die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind und der Streitwert auf 2.000.000 Euro festgesetzt worden ist.

4. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main vom 7. Mai 2009 - 26 U 18/08 - über die Zurückweisung einer Streitwertbeschwerde und eines Kostenniederschlagungsantrags sowie über die Zurückweisung des Berichtigungsantrags bezüglich der Kostenentscheidung werden für kraftlos erklärt.

5. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

II.

Der Antragsgegner und die Landesanwaltschaft bei dem Staatsgerichtshof des Landes Hessen hatten Gelegenheit zur Äußerung.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens als Drittbegünstigte im Sinne von § 43 Abs. 4 Satz 1 StGHG beantragen,

die Grundrechtsklage als offensichtlich unzulässig, hilfsweise als offensichtlich unbegründet gemäß § 43a StGHG abzulehnen.

B

I.

Die Grundrechtsklage ist unzulässig.

Sie ist wegen fehlender Postulationsfähigkeit des Verfahrensbevollmächtigten zu 1 nicht wirksam innerhalb der Antragsfrist erhoben. Dieser Mangel wird durch die seitens des Verfahrensbevollmächtigten zu 2 erteilte Genehmigung der vom Verfahrensbevollmächtigten zu 1 vorgenommenen Prozesshandlungen nicht geheilt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Antragsfrist liegen nicht vor.

1. Im Namen und mit Vollmacht der Antragstellerin hat der Verfahrensbevollmächtigte zu 1 am 27. Mai 2009 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StGHG Grundrechtsklage gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichtes vom 7. Mai 2009 eingereicht. Die Antragstellung war jedoch nicht wirksam, da der Verfahrensbevollmächtigte zu 1 nicht postulationsfähig war.

Das Staatsgerichtshofsgesetz sieht für das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof keinen Anwaltszwang vor. Es besteht daher kein Hindernis, seine Sache vor dem Staatsgerichtshof in eigener Person zu führen. Möchte ein Beteiligter sich aber vertreten lassen, so ist der Kreis der dazu Befugten beschränkt. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 StGHG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht - BVerfGG - ist eine Vertretung nur durch einen Rechtsanwalt oder durch einen Lehrer des Rechts an einer deutschen Hochschule möglich (vgl. dazu auch Günther, a.a.O., 2004, § 20, Rdnr. 4). Stellt ein Bevollmächtigter, der nicht Rechtsanwalt oder Rechtslehrer ist, einen Antrag, so ist dieser grundsätzlich unwirksam (vgl. für die entsprechende Problematik im Rahmen von § 22 BVerfGG die Entscheidungen des BVerfG vom 22.07.1959, BVerfGE 8, 92 [94], und vom 23.04.1970 - 1 BvR 201/70 - sowie Speckmaier, in: Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Mitarbeiterkommentar, 2. Aufl., 2005, § 22, Rdnr. 7).

Der Verfahrensbevollmächtigte zu 1 konnte aus diesem Grunde Prozesshandlungen nicht wirksam vornehmen. Eine aktuelle Zulassung als Rechtsanwalt wird von ihm nicht geltend gemacht. Seine Lehrtätigkeit an einer deutschen Hochschule hat er nach eigenen Angaben bereits vor Jahren aufgegeben.

An der Unwirksamkeit der Klageerhebung wegen der fehlenden Postulationsfähigkeit des Verfahrensbevollmächtigten zu 1 kann auch die erstmals im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten zu 2 vom 8. September 2009 behauptete Untervollmacht für den Verfahrensbevollmächtigten zu 1 nichts ändern. Zwar kann sich ein postulationsfähiger Rechtsanwalt mittels Erteilung einer Untervollmacht eines Untervertreters bedienen. Dieser kann indes wirksame Prozesshandlungen nur vornehmen, wenn er selbst postulationsfähig ist (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 78 Rdnr. 8; so auch die ausdrückliche gesetzliche Regelung in § 52 Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO - in der bis 30. Juni 2008 geltenden Fassung, die wegen ihrer Selbstverständlichkeit durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 [BGBl I S. 2840] aufgehoben wurde, vgl. die Begründung des Rechtsausschusses des Bundestages, auf den die Änderung zurückgeht, BT-Drs. 16/6634, S. 54).

2. Auch die durch den Verfahrensbevollmächtigten zu 2 ausgesprochene Genehmigung aller durch den Verfahrensbevollmächtigten zu 1 vorgenommenen Prozesshandlungen führt nicht dazu, dass die Grundrechtsklage als fristgemäß erhoben angesehen werden könnte.

Das Handeln eines nicht postulationsfähigen Vertreters kann nur innerhalb der jeweiligen Antragsfrist vom Vertretenen selbst oder durch einen postulationsfähigen Vertreter fristwahrend genehmigt werden (vgl. BVerfGE 8, 92 [94]; BGHZ 111, 339 [343f.]; BVerwG NVwZ-RR 2002, S. 390 [391]; BSG MDR 1985, S. 963 [963f.]; BFH, Beschluss vom 07.02.1977 - IV B 62/76 -; BAG NJW 1975, S. 1798 [1799]; Günther, a.a.O, § 20, Rdnr. 20; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 78, Rdnr. 20; Urbanczyk, Probleme der Postulationsfähigkeit und Stellvertretung, ZZP 95 [1982], 339 [355ff.]). Maßgeblich hierfür ist, dass die Begrenzung des Kreises postulationsfähiger Vertreter nicht nur den Interessen des Vertretenen, sondern auch der Sicherung eines ordnungsgemäßen und effektiven Prozessbetriebs dient. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn man einer Genehmigung in diesem Zusammenhang rückwirkende Kraft zumessen würde (vgl. dazu im Zusammenhang im Rahmen von § 78 ZPO: Urbanczyk, a.a.O, 355ff. und Klimke, Die Folgen fehlender Postulationsfähigkeit des Klägers, ZZP 122 [2009], S. 107 [117f.], außerdem BAG NJW 1991, S. 1252 [1253], und BSG NJW 1960, S. 1493). Hinzu kommt wiederum, dass bei fristgebundenen Prozesshandlungen nach Ablauf der Frist für alle Beteiligten und das Gericht grundsätzlich feststehen muss, ob die entsprechende Handlung wirksam vorgenommen wurde.

Bei Einreichung einer Grundrechtsklage durch einen nicht postulationsfähigen Bevollmächtigten hat dies zur Folge, dass die Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StGHG nur gewahrt werden kann, wenn die Genehmigung der Antragstellung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung erfolgt. Das ist hier nicht geschehen, da der Verfahrensbevollmächtigte zu 2 die Genehmigung erst im Rahmen eines Schriftsatzes vom 3. August 2009 erklärt hat, während die angefochtenen Entscheidungen der Antragstellerin bereits am 18. Mai 2009 zugestellt worden sind.

3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Antragsfrist kann auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Schriftsatz vom 24. Juli 2009 nicht gewährt werden.

§ 25 Abs. 2 Satz 1 StGHG ermöglicht die Wiedereinsetzung nur, wenn ein Grundrechtskläger glaubhaft macht, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, die Klagefrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StGHG einzuhalten. Verschuldet ist die Fristversäumung, wenn ein Antragsteller die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten und nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zumutbar ist (vgl. StGH, Beschluss vom 11.01.2000 - P.St. 1331 - und die Beschlüsse vom 16.01.2003 - P.St. 1537, StAnz. 2001, Seite 871 [872]; P.St. 1585 und P.St. 1769 -).

Der Irrtum des Verfahrensbevollmächtigten zu 1 über seine fehlende Postulationsfähigkeit kann nicht als in diesem Sinne unverschuldet angesehen werden. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte darauf verweist, er habe einen Hinweis auf der Internetseite des Staatsgerichtshofes bezüglich der Vertretung bei Grundrechtsklagen missverstanden, wäre ein so entstandener Irrtum jedenfalls bei Anwendung der notwendigen Sorgfalt zu vermeiden gewesen. Denn aus § 22 BVerfGG, auf den § 20 Abs. 1 Satz 1 StGHG verweist, ergibt sich eindeutig, dass sich Beteiligte an einem Grundrechtsklageverfahren nur durch einen Rechtsanwalt oder durch einen Lehrer des Rechts an einer deutschen Hochschule vertreten lassen können. Der Wortlaut des Hinweises auf der Homepage des Staatsgerichtshofes (€Eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt benötigt man nicht. Es ist jedoch möglich, sich anwaltlich vertreten zu lassen.€) bringt die Beschränkung des Kreises der Vertretungsbefugten hinreichend deutlich zum Ausdruck. Die Annahme, nach dem Staatsgerichtshofsgesetz sei die Postulationsfähigkeit großzügiger zu beurteilen als nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz, erweist sich daher bei Beachtung einer sorgfältigen und gewissenhaften Prozessführung als nicht tragfähig.

Diesen Irrtum des von ihr zunächst Bevollmächtigten muss sich die Antragstellerin zurechnen lassen. Die Zurechnung des Verschuldens eines Vertreters ist im Gesetz über den Staatsgerichtshof zwar nicht ausdrücklich geregelt, entspricht aber einem allgemeinen und beispielsweise in § 85 ZPO kodifizierten Grundsatz für alle Fälle der Interessenwahrnehmung durch einen Verfahrensbevollmächtigten außerhalb der Strafverteidigung (vgl. Günther, a.a.O., § 25, Rdnr. 14; Urbanczyk, a.a.O., S. 344 und 350f.; auch der BGH zählt die Prüfung der eigenen Postulationsfähigkeit zu den zentralen Pflichten eines Anwalts und versagt die Wiedereinsetzung, falls der Bevollmächtigte dies unterlassen hat, vgl. für viele Beschluss vom 31.10.2006 - VI ZB 20/06 -, NJW-RR 2007, S. 278 [279]).). Ein Grund, hiervon abzuweichen, besteht für das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof nicht. Die Fehlbeurteilung der Postulationsfähigkeit durch ihren Verfahrensbevollmächtigten zu 1 ist dementsprechend der Antragstellerin zuzurechnen und schließt, weil sie nicht unverschuldet ist, die Wiedereinsetzung aus.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 28 StGHG.

Dem Antrag der im Sinne von § 43 Abs. 4 Satz 1 StGHG Drittbegünstigten, die Antragstellerin zu verpflichten, die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten, kann nicht entsprochen werden. Eine Rechtsgrundlage für eine Kostenentscheidung zu Gunsten der Drittbegünstigten sieht das Gesetz über den Staatsgerichtshof nicht vor (StGH, Beschluss vom 9. Dezember 2008 - P.St. 2142 -). Daher kommt die Anordnung einer Kostenerstattungspflicht zu ihren Gunsten auch dann nicht in Betracht, wenn sie € wie vorliegend € in der Sache mit der Zurückweisung des Antrags ihr Ziel erreicht haben.

III.

Der Antrag des Verfahrensbevollmächtigten zu 1 auf Zulassung als Beistand der Antragstellerin bedarf, weil er unter der prozessualen Bedingung der Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden ist, keiner Entscheidung. Der Antrag hätte sich im Übrigen mit der Entscheidung in der Sache erledigt, weil danach ein relevantes rechtliches Interesse an einer Zulassung nicht mehr ersichtlich ist (vgl. auch Beschluss des BVerfG vom 23.09.1987 - 2 BvR 814/87 -).

Auch eine Zulassung als Beistand könnte im Übrigen nicht zur Zulässigkeit der Grundrechtsklage führen. Denn sie verhilft einer vom Beistand vorgenommenen fristgebundenen Prozesshandlung allenfalls dann nachträglich zur Wirksamkeit, wenn der Zulassungsantrag in der für die jeweilige Prozesshandlung geltenden Frist gestellt worden ist (BVerfG, Beschluss vom 25.06.1974 - 1 BvR 187/73 -, BVerfGE 37, 361).






StGH des Landes Hessen:
Beschluss v. 11.11.2009
Az: P.St. 2252


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