Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Mai 2002
Aktenzeichen: 26 W (pat) 215/00

(BPatG: Beschluss v. 08.05.2002, Az.: 26 W (pat) 215/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Marken-

stelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Juni 2000 aufgehoben.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diefür die Ware

"Kantenprofil für Möbel und Tischplatten, insbesondere aus Gummi und Kunststoff"

angemeldete Wortmarke

"ergoedge"

gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen, weil sie in ihrer Bedeutung "ergonomische Kante" lediglich die Beschaffenheit der beanspruchten Ware beschreibe. Vorstellbar seien beispielsweise an Schreibtische anzubringende Kantenprofile, die so ausgeformt seien, dass sie ein körpergerechteres und -schonenderes Arbeiten ermöglichten. Der von der Anmelderin aufgezeigte Unterschied zwischen Kanten und Kantenprofilen sei unbeachtlich, weil es sich bei einem Profil nur ein vorgeformtes Bauteil handele, d.h. auch ein Kantenprofil sei eine Kante. Ein Freihaltungsbedürfnis bestehe bereits deshalb, weil die angemeldete Bezeichnung vom deutschen Verkehr ohne weiteres in seiner beschreibenden Bedeutung verstanden werde. Der Zeichenbestandteil "edge" befinde sich zwar am Rande des englischen Grundwortschatzes. Der deutsche Verkehr verfüge jedoch über gute englische Grundkenntnisse und kenne deshalb auch die Bedeutung dieses englischen Begriffs. Zwar sei die Gesamtbezeichnung "ergoedge" weder lexikalisch noch anderweitig nachweisbar. Auch an Wortneubildungen bestehe jedoch dann ein Freihaltungsbedürfnis, wenn sich ihre Sinngehalte in einer warenbeschreibenden Aussage erschöpften. Es liege auch keine schutzbegründende Mehrdeutigkeit vor, weil mit Blick auf die beanspruchte Ware ein Verständnis von "ergoedge" i.S.v. "ergonomisch geformte Kante" das einzig naheliegende sei. Ein Verständnis von "ergo" i.S.v. "also, folglich" mache demgegenüber keinen Sinn. Der Bezeichnung "ergoedge" fehle auch jede Unterscheidungskraft, weil sie eine rein beschreibende Angabe ohne jeglichen Phantasiegehalt sei.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die angemeldete Bezeichnung sei für die beanspruchte Ware keine beschreibende Angabe. Voraussetzung für eine ergonomische Sitzhaltung sowie ein körpergerechtes Arbeiten seien nicht die von der Anmelderin beanspruchten Kantenprofile, sondern ein ergonomisch ausgebildeter Arbeitstisch bzw. eine ergonomisch ausgebildete Tischplatte. Kantenprofile könnten nicht ergonomisch sein. Der Markenbestandteil "ergo" sei auf dem Gebiet der beanspruchten Ware keine gebräuchliche Abkürzung für den Begriff "ergonomisch". Es sei von der Markenstelle auch nicht festgestellt worden, dass die angemeldete Bezeichnung in Deutschland bekannt sei oder für Kantenprofile benutzt werde. Die Bezeichnung "ergoedge" sei sowohl in der deutschen als auch in der englischen Sprache unbekannt und deshalb auch nicht freihaltungsbedürftig. Ihre Bedeutung sei für den deutschen Verkehr unklar, weil sowohl "ergo" als auch "edge" verschiedene Begriffsinhalte aufwiesen. Es bedürfe einer begrifflichen Analyse, um zu der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung zu gelangen. Eine solche Analyse nehme der Verkehr jedoch nicht vor. Deshalb könne auch nicht von dem Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft gesprochen werden. Allenfalls handele es sich um eine sprechende Marke. Die angemeldete Marke sei für die beanspruchte Ware sowohl beim HABM als auch in Großbritannien eingetragen worden.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Juni 2000 aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung als Marke für die beanspruchte Ware stehen die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht entgegen.

Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung u.a. der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Zu den insoweit nicht eintragbaren Angaben zählen nicht nur die dort ausdrücklich aufgeführten, sondern auch solche, die für den Warenverkehr oder die Erbringung von Dienstleistungen wichtige und die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame Umstände mit konkretem Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben (BGH GRUR 1998, 813, 814 - CHANGE; BlPMZ 1999, 410, 411 - FOR YOU), sofern sie entweder bereits als Sachaussage benutzt werden oder ihre Benutzung als Sachaussage auf Grund konkret feststellbarer tatsächlicher Umstände in Zukunft zu erwarten ist (BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH). Der Beurteilung ist dabei die angemeldete Bezeichnung in ihrer Gesamtheit zugrunde zu legen und keine zergliedernde Betrachtungsweise vorzunehmen (BGH MarkenR 2000, 420 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Um eine solche konkret und unmittelbar warenbeschreibende Angabe handelt es sich bei der Bezeichnung "ergoedge" im Hinblick auf die beanspruchte Ware nicht. Die Markenstelle hat in dem von der Anmelderin angefochtenen Beschluss keine Feststellungen dahingehend getroffen, dass die angemeldete Wortmarke lexikalisch als Fachbegriff verzeichnet ist oder im Verkehr bereits als beschreibende Sachaussage für Kantenprofile für Möbel und Tischplatten verwendet wird. Auch der Senat hat bei seinen ergänzenden Ermittlungen keine dahingehenden tatsächlichen Anhaltspunkte gefunden, so dass ein auf gegenwärtiger Benutzung beruhendes aktuelles Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Bezeichnung nicht nachweisbar ist. Ebenso wenig liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die angemeldete Bezeichnung in Zukunft als konkret beschreibende Angabe für die vorstehend aufgeführte Ware dienen könnte. Gegen eine künftige Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als warenbeschreibende Angabe in Deutschland spricht bereits der Umstand, dass es sich ihrem Bestandteil "edge" um eine dem deutschen Allgemeinverkehr in ihrer Bedeutung weithin unbekannte Angabe handelt. Aber selbst wenn mit der Markenstelle davon ausgegangen würde, der deutsche Verkehr sei in einem rechtlich erheblichen Umfang in der Lage, die Bedeutung der angemeldeten Bezeichnung durch eine zutreffende Übersetzung richtig zu erfassen, so spricht gegen eine künftige Benutzung dieser Bezeichnung als warenbeschreibende Angabe der Umstand, dass diese im Hinblick auf Kantenprofile nichts Konkretes und Eindeutiges darüber aussagt, in welcher Weise und mit welcher Zielrichtung sie ergonomisch gestaltet sind. Gegen ein Bedürfnis an der Freihaltung der Bezeichnung "ergoedge" als konkrete warenbeschreibende Angabe sprechen zudem die Eintragungen der angemeldeten Bezeichnung als Marke durch das HABM sowie in dem englischsprachigen Großbritannien. Umstände, die die indizielle Wirkung der Voreintragung im englischen Sprachraum entkräften könnten, wie z.B. eine vom englischen Ursprungssinn abweichende Verwendung der angemeldeten Bezeichnung in Deutschland, sind nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage kann die auf § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gestützte Zurückweisung der Marke keinen Bestand haben.

Der angemeldeten Marke fehlt auch nicht jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft i.S.d. genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zugrundeliegenden Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (BGH aaO - FOR YOU). Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass einem als Marke verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 1999, 1089, 1091 - YES).

Zur konkreten Bezeichnung von Merkmalen der beanspruchten Ware ist die angemeldete englischsprachige Marke aus den zu § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dargelegten Gründen nicht geeignet. Die Bezeichnung "ergoedge" ist nach den Feststellungen des Senats auch kein Begriff der deutschen oder der englischen Alltagssprache und auch kein in der Werbung gebräuchlicher Begriff, so dass die potentiellen Käufer von Kantenprofilen für Möbel und Tischplatten auch aus diesem Grunde keine Veranlassung haben können, die angemeldete Bezeichnung bei einer entsprechenden Verwendung nicht mehr als Marke eines einzelnen Unternehmens zu verstehen.

Da ersichtlich auch keine anderen Schutzhindernisse vorliegen, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.

Kraft Eder Reker






BPatG:
Beschluss v. 08.05.2002
Az: 26 W (pat) 215/00


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