Amtsgericht Rheinbach:
Urteil vom 11. Juni 2002
Aktenzeichen: 3 C 403/01
(AG Rheinbach: Urteil v. 11.06.2002, Az.: 3 C 403/01)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Gebührenforderung der Rechtsanwälte M & Kollegen, Tplatz 3, in N vom 24.09.2001 in Höhe von 438, 17 Euro (870,- DM) freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Kläger hat gegen die Beklagte aufgrund des bestehenden Rechtsschutzvertrages gemäß den §§ 1 I; 2 I a) S.1, II ARB 1975 (bzw. §§ 1; 2 I i) aa); 2 I j) aa) ARB 1994) einen Anspruch auf Freistellung von der Gebührenforderung der Prozeßbevollmächtigten, die dem Kläger im Rahmen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und des Bußgeldverfahrens entstanden sind, abzüglich der bereits gezahlten 803, 80 DM in Höhe von 438, 17 Euro (870,-DM). Der Kläger ist insoweit gegenüber seinen Prozeßbevollmächtigten zur Zahlung verpflichtet.
1.) Als gesetzliche Vergütung i.S. § 2 I a) S.1 ARB 1975 (§ 1 ARB 994) steht den Prozeßbevollmächtigten für ihre Tätigkeit in dem gegenüber dem Kläger eingeleiteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eine volle Gebühr nach den §§ 84 II Nr.1, 83 I Nr.3 BRAGO in Höhe von 1000,- DM zu. Die bei 700,- DM liegende Mittelgebühr ist von den Prozeßvertretern nach Maßgabe des § 12 I S. 1 BRAGO angemessen erhöht worden.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist bei der Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und anschließender Abgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde § 84 II Nr.1 BRAGO einschlägig (vgl. insbesondere AG Lörrach, NStZ 1999 S.95 (96)). Danach erhält der Verteidiger bei nicht nur vorläufiger Einstellung des Verfahrens statt einer halben Gebühr nach § 84 I BRAGO eine volle Gebühr nach § 83 BRAGO, wenn er an dieser Einstellung mitgewirkt hat.
Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Fahrerflucht wurde gemäß § 170 II S.1 StPO durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Diese Einstellung aufgrund des Umstandes, daß die Ermittlungen keinen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage geben, ist grundsätzlich nicht nur eine vorläufige, sondern eine endgültige Verfahrenseinstellung i.S.v. § 84 II Nr.1 BRAGO (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, § 84 Rn 8). Daran ändert sich auch nichts, wenn wie vorliegend das Verfahren wegen des Verdachts
eines Verstoßes gegen eine Strafvorschrift eingestellt wurde, die Sache jedoch zwecks Ahndung einer eventuell begangenen Ordnungswidrigkeit gemäß § 43 OWiG an die zuständige Verwaltungsbehörde abgegeben wurde.
Die Regelung des § 84 BRAGO steht im Sechsten Abschnitt der BRAGO und damit in dem Abschnitt über die Gebühren in Strafsachen, so daß schon nach systematischen Gesichtspunkten das in § 84 BRAGO erwähnte "Verfahren" das Strafverfahren bzw. das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren, bezogen auf Straftaten, gemeint ist (vgl. AG Lörrach, NStZ 1999 S.95 (96); Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 84 Rn 4; dies. § 105 Rn 18).
Nach dem Inhalt des Vernehmungsbogens wurden dem Kläger Verstöße gegen die §§ 1, 2, 40 StVO i.V.m. § 24 StVG und § 142 StGB und damit Ordnungswidrigkeiten und eine Straftat vorgeworfen. Gemäß § 40 OWiG muß die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren eine Tat nicht nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Straftatbestände sondern auch unter dem der Ordnungswidrigkeit überprüfen. Stellt die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen das Verfahren im Hinblick auf die Straftat ein, ergibt sich aus § 43 OWiG, daß die primäre Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und damit das Strafverfahren endet (vgl. AG Lörrach, NStZ 1999 S.95 (96); Göhler, OWiG § 43 Rn 2). Die Staatsanwaltschaft gibt die Sache gemäß § 43 I OWiG im Hinblick auf die Ahndung als Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörde ab, welche nach § 44 OWiG an die Entschließung der Staatsanwaltschaft, ob eine Tat als Straftat verfolgt wird, gebunden ist. Zu einer Hauptverhandlung i.S. der §§ 83, 84 BRAGO kommt es bei einer solchen Einstellung des Straf- bzw. staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens demnach gerade nicht. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 84 II BRAGO: Durch Einführung einer verbesserten Vergütung unter den Voraussetzungen des § 84 II BRAGO soll nämlich die Bereitschaft der Rechtsanwälte gefördert werden, in geeigneten Fällen durch größeres Engagement im Ermittlungsverfahren an einer Erledigung ohne Hauptverhandlung mitzuwirken, denn die Vermeidung einer Hauptverhandlung entspricht nicht nur dem Interesse des Mandanten, sondern führt zugleich zu einer Entlastung der Justiz (BT-DR. 12/6962 S.57).
Der Einwand der Beklagten, daß es sich bei einer Verfahrenseinstellung wie der vorliegenden wegen der Abgabe der Sache an die zuständige Verwaltungsbehörde gerade nicht um eine solche mit dem Ziel der Endgültigkeit der Einstellung handelt und dem Rechtsanwalt, auch wenn unter seiner Mitwirkung eine Hauptverhandlung im Strafverfahren entbehrlich wird, eine entsprechende volle Gebühr nach § 84 II BRAGO nicht zusteht, trägt nicht. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn sich das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und das nach dessen Einstellung eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren als ein einziges Verfahren darstellten und der Prozeßbevollmächtigte an dessen Ende nur eine Gebühr für seine Tätigkeiten geltend machen könnte, es sich also letztlich um "dieselbe Angelegenheit" i.S. von § 13 II S.1 BRAGO handelte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem nachfolgenden Bußgeldverfahren jedoch nicht um "dieselbe Angelegenheit" i.S.v. § 13 II S.1 BRAGO; dabei verkennt das Gericht nicht, daß diese Rechtsfrage in Literatur und Rechtsprechung höchst umstritten ist (vgl. die umfassende Rechtsprechungs- und Literaturübersicht in der Anm. von Enders, JurBüro 1998 S.416; ebenso Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 105 Rn 18).
Was unter dem Begriff "dieselbe Angelegenheit" i.S.v. § 13 I S.1 BRAGO zu verstehen ist, ist in der BRAGO nicht ausdrücklich geregelt und bedarf demnach der Auslegung. In Rechtsprechung und Literatur haben sich folgende Voraussetzungen herausgebildet, bei deren gemeinsamen Vorliegen vom Bestehen einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne auszugehen ist: es muß ein einheitlicher Auftrag vorliegen, es muß bei der Verfolgung mehrere Ansprüche oder Vorwürfe der gleiche, einheitliche Rahmen eingehalten werden und zwischen den einzelnen Gegenständen muß ein innerer objektiver Zusammenhang bestehen (Enders, JurBüro 1996 S.519; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 13 Rn 5; vgl. auch BGH, JurBüro 1972 S.684; ders., JurBüro 1976 S.749).
Der gleiche, einheitliche Rahmen ist in dem Fall, in dem die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen einer Straftat eingestellt und die Sache zur Verfolgung einer eventuellen Ordnungswidrigkeit an die zuständige Verwaltungsbehörde abgegeben hat und der Rechtsanwalt in beiden Verfahren tätig wurde, nicht gegeben. Den Rahmen für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes geben die Verfahrensordnungen, die beteiligten Behörden und die verschieden zu qualifizierenden Unrechtsvorwürfe der in den Verfahren abzuhandelnden Tat vor (AG Iserlohn, JurBüro 1999 S.413; Enders, JurBüro 1996 S. 519 (520)). Der einheitliche bzw. gleiche Rahmen setzt insoweit auch voraus, daß sich die Tätigkeit innerhalb derselben Verfahrensordnungen für das betreffende Gericht oder die Behörde abspielt. Es handelt sich jedoch hier um unterschiedliche Verfahrensarten vor zwei verschiedenen staatlichen Einrichtungen, denen auch unterschiedliche Verfahrensordnungen zugrunde liegen (vgl. AG Bühl, ZfS 2001 S.34; AG Düsseldorf, ZfS 2000 S.471; AG Herborn, ZfS 2000 S.408 (409)). Die BRAGO trägt den getrennten Verfahrensordnungen dadurch Rechnung, daß sie die Gebühren für verschiedene Verfahren auch in verschiedenen Abschnitten des Gesetzes regelt (AG Düsseldorf, ZfS 2000 S.471; Buschbell, DAR 1997 S.35 (37)).
Für das Strafverfahren bestimmt § 87 BRAGO, daß durch die Gebühren nach den §§ 83 ff. BRAGO die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidigers abgegolten wird, damit konkretisiert aber § 87 BRAGO den Begriff "dieselbe Angelegenheit" des § 13 II S.1 BRAGO dahingehend, daß als solche Angelegenheit allein die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidiger im Strafverfahren zu sehen ist (AG Lörrach, NStZ 1.999 S.95 (96); Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 105 Rn 18). Die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidiger im Bußgeldverfahren ist demgegenüber innerhalb der BRAGO in einem anderen, dem siebten Abschnitt geregelt und insoweit von § 87 BRAGO nicht umfaßt, so daß diese Tätigkeit auch nicht mit der Abgeltung der Gebühr im Strafverfahren abgegolten sein sollen. Schließlich beansprucht § 87 BRAGO über § 105 I BRAGO entsprechende Gültigkeit auch für das Bußgeldverfahren.
Diese Regelung wird auch nicht durch eine entsprechende Anrechnungsregelung wie sie z.B. für Erörterungs- und Verhandlungsgebühr in § 31 II BRAGO oder für die Gebühr im Mahnverfahren und die Prozeßgebühr in § 43 II BRAGO vorgesehen ist, ausgeschlossen (vgl. auch AG Iserlohn, JurBüro 1999 S.413; AG Westerstede, ZfS 1997 S.112).
Der fehlende einheitliche Rahmen kann entgegen der Auffassung der Beklagten (vgl. auch AG Bochum, r+s 1994 S.464 (465); AG Köln, JurBüro 1998 S.414 (415); LG Aachen, JurBüro 1992 S.28 (29); LG Kempten, JurBüro 1991 S.967 (68); Mümmler, JurBüro 1991 S.68) auch nicht dadurch überwunden, daß der Tätigkeit der Prozeßbevollmächtigten möglicherweise ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegt. Das Kriterium des einheitlichen Auftrages ist nach Auffassung des Gerichts als solches nicht ausnahmslos und gerade nicht in Fällen wie dem vorliegenden geeignet, "dieselbe Angelegenheit" i.S.v. § 13 II S.2 zu begründen.Insbesondere ist dieses Kriterium nicht geeignet, die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung, Ordnungswidrigkeiten- bzw. Bußgeldverfahren und Strafverfahren in der bereits dargelegten Form zu trennen, zu übergehen. Liegt bereits eine konkrete Wertung des Gesetzgebers im Rahmen eines Regelwerks vor, so ist diese auch und gerade bei der Auslegung einzelner Begriffe zugrunde zu legen.
Zwar wird der Mandant den Rechtsanwalt in der Regel, wie auch im vorliegenden Fall den Rechtsanwalt ganz allgemein mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragen, so daß letztlich sowohl eine Verteidigung gegen den Vorwurf der Straftat als auch gegen den der Ordnungswidrigkeit erfolgen soll. Gerade bei der Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und Abgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde ist aber nicht absehbar, ob und inwieweit der ursprünglich beauftragte Rechtsanwalt in einem nur eventuell nachfolgenden Bußgeldverfahren tätig werden soll. Sofern ein Bußgeldbescheid überhaupt ergeht, obliegt die Entscheidung, ob dieser hingenommen oder dagegen Einspruch eingelegt werden soll, dem Mandanten. Der Rechtsanwalt darf insoweit nur tätig werden, wenn der Mandant den Bußgeldbescheid nicht hinnehmen möchte, d.h. es ist auf jeden Fall eine erneute Absprache und auch eine erneute Anweisung erforderlich. Nicht anders stellt es sich im übrigen in dem Fall dar, in dem sich aus der Verkehrsstrafsache bzw. der Ordnungswidrigkeit zivilrechtliche Angelegenheiten ergeben. Die Beauftragung mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen wird in dieser Allgemeinheit auch die Vertretung in solchen zivilrechtliche Angelegenheiten umfassen. Daß diese nach einer anderen Verfahrensordnung, vor einer anderen staatlichen Einrichtung beurteilt und auch gesondert, unabhängig von der im Straf- oder Bußgeldverfahren erhobenen Gebühr abgerechnet werden, ist jedoch anerkannt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht auch das mögliche Vorliegen eines einheitlichen Lebenssachverhaltes allein für die Annahme des Vorliegens "derselben Angelegenheit" i.S.v. § 13 II S.1 BRAGO nicht aus. Insbesondere ist nach Auffassung des Gerichts bei Vorliegen einer einheitlichen strafprozessualen Tat i.S.v. § 264 I StPO dergestalt, daß in dem Lebenssachverhalt zum Strafvorwurf als Minus der Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit bereits enthalten ist, dieser einheitliche Tatbegriff nicht mit dem Begriff "dieselbe Angelegenheit,, i.S.v. § 13 II S.1 BRAGO gleichzusetzen (so aber AG Bremen-Blumenthal, ZfS 1998 S.309; AG Bochum, r+s 1994 S.464 (465); AG München, JurBüro 1999 S.413 AG St. Ingbert, JurBüro 1998 S.415 (416); LG Aachen, JurBüro 1992 S.28 (29); LG Kempten, JurBüro 1991 S.67f.)). Da die BRAGO wie gesehen hinsichtlich der entstandenen Gebührentatbestände erkennbar nach Verfahrensarten unterscheidet (AG Westerstede, ZfS 1997 S.112), ist ein Begriff aus einer dieser Verfahrensarten schon von daher gerade nicht geeignet, einen einheitlichen, unterschiedliche Verfahrensarten umfassenden Gebührentatbestand im Rahmen der BRAGO zu begründen. Es verbleibt vielmehr bei der vom Gesetzgeber getroffenen, insbesondere auch in § 87 BRAGO ausgedrückten Wertung als getrennt zu verfolgende und auch abzurechnende Angelegenheiten.
Schließlich ist auch hier auf die anerkannte Handhabe der Abrechnung zivilrechtlicher Angelegenheiten, die sich aus einer Verkehrsstrafsache oder Ordnungswidrigkeit ergeben, zu verweisen. Auch diese zivilrechtlichen Angelegenheiten beruhen letztlich auf dem gleichen Lebenssachverhalt, die Gebühren für die Tätigkeit in solchen Angelegenheiten sind aber unstreitig von den in §§ 83 ff. BRAGO festgesetzten Gebühren nicht umfaßt und sind unabhängig von diesen gesondert geltend zu machen.
b) Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben auch i.S. des § 84 II BRAGO an der Einstellung des Verfahrens mitgewirkt. Mitwirkung ist jede Tätigkeit des Rechtsanwalts, die mitursächlich ist, daß das Verfahren vor Beginn der Hauptverhandlung eingestellt werden kann, sei es durch die Staatsanwaltschaft, sei es durch das Gericht (Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO § 84 Rn 32), wobei die Nichtursächlichkeit der Bemühungen des Rechtsanwaltes im Streitfalle von dem Auftraggeber oder dem Dritten, der die Gebühr zu ersetzen hat, zu beweisen ist (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 84 Rn 11). Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben schriftsätzlich ausführlich zu den Vorwürfen gegen den Kläger Stellung genommen und erläutert, aus welchen Gründen sie eine Einstellung des Verfahrens für gerechtfertigt halten sowie Zusendung der Ermittlungsakten beantragt. Danach hat die Staatsanwaltschaft Berlin das Verfahren wegen des Vorwurfs einer Straftat eingestellt. Im übrigen hat die insoweit beweispflichtige Beklagte den Beweis, daß diese Tätigkeiten nicht mitursächlich für die Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen waren, nicht angetreten.
c) Nach dem Vorgetragenen erscheint dem Gericht eine Erhöhung der Mittelgebühr angemessen i.S. des § 12 I S.1 BRAGO. Für die Bestimmung der Gebührenhöhe bei Rahmengebühren sind grundsätzlich die Kriterien des § 12 I S.1 BRAGO maßgebend. Danach bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. In den Fällen, in denen sämtliche, insbesondere die genannten Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen, soll die sog. Mittelgebühr (Addition von Mindest- und Höchstgebühr und anschließend Division durch 2) gelten (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 12 Rn 8 m.w.N., ders. insbes. für die Tätigkeit in Strafsachen BRAGO § 12 Rn 16). Da der Kläger Berufskraftfahrer ist und ihm im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen § 142 StGB nicht nur die Eintragung von "fünf bis sieben Punkten" ins Verkehrszentralregister, auch eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB bzw. nach § 44 StGB das Verhängen eines Fahrverbotes drohte und damit seine berufliche Existenz bedroht war, hatte die Angelegenheit weit überdurchschnittliche Bedeutung für den Auftraggeber (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 12 Rn 11 m.w.N). Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit (ausführliche Stellungnahme und 50 Seiten Ermittlungsakten) und insbesondere der Umstand, daß die Prozeßvertreter an der Einstellung des Verfahrens gemäß § 84 Il BRAGO mitgewirkt haben, ist nach Auffassung des Gerichts gebührenerhöhend zu berücksichtigen (vgl. Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO § 12 Rn 16).
2.) Da es sich nach Auffassung des Gerichts bei dem eingestellten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem nachfolgenden Bußgeldverfahren um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt, steht den Prozeßbevollmächtigten für deren Tätigkeit in dem nachfolgenden gegen den Kläger gerichteten Bußgeldverfahren eine Gebühr nach den §§ 105 I, II S.1; 84 II Nr.3 BRAGO zu. Diese liegt mit den angesetzten 350,- DM um die Hälfte unter der Mittelgebühr und ist angemessen i.S.v. § 12 I S.1 BRAGO in Ansatz gebracht worden.
a) Nach §§ 105 I, II; 84 II Nr.3 BRAGO kann der Prozeßbevollmächtigte im Bußgeldverfahren bei Rücknahme des Einspruchs die volle Gebühr i.S. des § 83 I Nr.3 BRAGO berechnen. § 84 II BRAGO gilt nach richtiger Ansicht schon ausweislich des Wortlautes von § 105 BRAGO auch im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde (vgl. schon BT-DR 12/6962 S.106; BT-DR 13/7489; Klemm, DAR 1995 S.423; mit umfassender Rechtsprechungsübersicht Buschbell in DAR 1997 S.35 (36)).
b) Die von den Prozeßbevollmächtigten für ihre Tätigkeit im Rahmen des Bußgeldverfahrens in Ansatz gebrachte Gebühr in Höhe von 350,- DM erscheint dem Gericht angemessen i.S. von § 121 I S.1 BRAGO.
Zwar ist in der Rechtsprechung umstritten, in welcher Höhe dem in einem Bußgeldverfahren, insbesondere in einem durchschnittlich gelagerten Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren, tätigen Rechtsanwalt die nach §§ 105 I, II S.1, 83 ff. BRAGO zu berechnenden Gebühren entstehen, nach einer Ansicht ist dabei von einer Gebühr unterhalb der Mittelgebühr auszugehen, nach anderer Ansicht grundsätzlich von der Mittelgebühr (vgl. umfangreiche Rechtsprechungshinweise in Böhme, ARB 1975 § 2 (1) a Rn 2). Soweit hier jedoch mit 350,-DM eine noch um die Hälfte niedrigere Gebühr als die gemäß §§ 105 I, II S.1, 84 II Nr.3, 83 I Nr.3 BRAGO festgesetzte Mittelgebühr in Ansatz gebracht wurde, erscheint diese auch nach der einschränkenden Ansicht unter Berücksichtigung dessen, daß die Prozeßbevollmächtigten im Rahmen des Bußgeldverfahrens nach Erörterung der Sachlage mit dem Kläger den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückgenommen haben, eine Überprüfung des Sachverhaltes auch in ordnungsrechtlicher Hinsicht
in der Regel schon im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens stattfindet, sowie der Bedeutung, welche die gesamte Sache für den Kläger hat, i.S. von § 12 I S. 1 BRAGO angemessen. Inbesondere hat die Beklagte die Höhe für das Ordnungswidrigkeitenverfahrfen nicht konkret angegriffen.
3.) Es ergibt sich zuzüglich der Gebühren nach §§ 26,27 BRAGO und der Mehrwertsteuer in Höhe von 16 % sowie der Aktenversendepauschale eine Gebührenforderung von insgesamt 1673,80 DM.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I S. 1 1. Halbs., 708 Nr. 11, 713 ZPO.
AG Rheinbach:
Urteil v. 11.06.2002
Az: 3 C 403/01
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