Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2009
Aktenzeichen: 19 W (pat) 309/09
(BPatG: Beschluss v. 07.12.2009, Az.: 19 W (pat) 309/09)
Tenor
Der Einspruch wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I Für die durch Ausscheidung aus der Stammanmeldung 101 13 905.5, die am 21. März 2001 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht worden ist, hervorgegangene Patentanmeldung, ist die Erteilung des nachgesuchten Patents am 30. März 2006 veröffentlicht worden. Es betrifft eine Mobiltelefoneinrichtung mit mehradrigen elektrischen Verbindungseinrichtungen.
Gegen das Patent hat dieder P... F..., mit Eingabe vom 22. Juni 2006, eingegangen am selben Tag, beim Deutschen Patentund Markenamt mit der Begründung Einspruch erhoben, der Gegenstand des Patents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die P... in F..., ist mit Wirkung vom 11. April 2008 mit der P..., F..., verschmolzen unddamit das Einspruchsrecht auf diese Gesellschaft übergegangen, die das Einspruchsverfahren auch fortführt.
Zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung ist den Beteiligten mit Schreiben vom 18. November 2009 mitgeteilt worden, dass im Rahmen der mündlichen Verhandlung zunächst die Zulässigkeit des Einspruchs zu klären sein würde.
Die Einsprechende ist der Ansicht, sie habe in ihrem Einspruchsschriftsatz den Kern der Erfindung herausgearbeitet und sich mit diesem auseinandergesetzt. Unter Berücksichtigung des in der Beschreibung gemäß Streitpatentschrift Dargelegten habe sie dabei umfassend zu den wichtigen Merkmalen der Erfindung Stellung genommen.
Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass sich der Einspruchsschriftsatz nicht mit der Gesamtheit der patentierten Lehre auseinandersetze. Insbesondere werde dort an keiner Stelle auf das Merkmal 1.5 gemäß der Merkmalsanalyse der Einsprechenden Bezug genommen.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet unter Einfügung einer Gliederung entsprechend einer Merkmalsanalyse der Einsprechenden und unter Streichung des offensichtlich falschen Bezugszeichens "(14)" im Merkmal 0.6:
0.1 Mobiltelefoneinrichtung für den Betrieb von Mobiltelefonen in Kraftfahrzeugen, 0.2 zum Beispiel Personenkraftwagen, Bussen, Lastkraftwagen und anderen Nutzfahrzeugen, 0.3 vorzugsweise Freisprecheinrichtung, 0.4 mit einer im Kraftfahrzeug installierbaren Montageeinrichtung 0.5 mit einem im Kraftfahrzeug stationär anbringbaren Grundteil (12), 0.6 das vorzugsweise am Armaturenbrett oder an der Mittelkonsole oder an der Armlehne oder im oder am Handschuhfach oder in oder an einer Tür, vorzugsweise an der Innenseite einer Fahrzeugtür, anbringbar ist, 0.7 und eine ein Mobiltelefon temporär aufnehmende Halterung, vorzugsweise Halteschale, 0.8 wobei zwischen der das Mobiltelefon aufnehmenden Halterung (14) und dem im Kraftfahrzeug stationär anbringbaren Grundteil (12) zur elektrischen Verbindung eine elektrische Verbindungseinrichtung (101, 111) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, 1.1 dass die elektrische Verbindungseinrichtung (101, 111) ein erstes Verbindungselement (101a, 111a) und eine zweites Verbindungselement (101b, 111b) aufweist, 1.2 wobei jedes der Verbindungselemente einen Dielektrikum-Körper aufweist, 1.3 in welchem mehrere parallel und mit Abstand zueinander angeordnete separate Leiter (102a, 103a, 102b, 103b) angeordnet sind, 1.4 wobei das erste Verbindungselement (101a, 111a) und das zweite Verbindungselement (101b, 111b) in einer Verbindungsstellung unter Ausbildung einer elektrischen Verbindung zusammenwirken, 1.5 indem die Leiter (102a, 103a) des ersten Verbindungselements (101a, 111a) mit den Leitern (102b, 103b) des zweiten Verbindungselements (101b, 111b) mit einander fluchtend an ihren einander zugewandten Stirnenden in berührender Anlage stehen, 1.6 und dass das erste Verbindungselement und das zweite Verbindungselement jeweils als kombinierte Verbindungselemente mit einem jeweiligen gemeinsamen Dielektrikum-Körper ausgebildet sind, 1.7 die eine HF-Koaxialverbindungseinrichtung 1.8 und eine NF Verbindungseinrichtung in einer gemeinsamen Baueinheit mit einem jeweiligen Dielektrikum-Körper ausbilden, 1.9 wobei in dem ersten Verbindungselement (101a) und dem zweiten Verbindungselement (101b) jeweils mindestens einer der Leiter als Innenleiter (103a, 103b)
1.10 und mehrere um diesen Innenleiter herum angeordnete Leiter (102a, 102b) als Außenleiter ausgebildet sind, 1.11 die eine koaxiale Abschirmung bilden.
Als Aufgabenstellung ist in der Patentschrift (Absatz [0009]) angegeben, eine Mobiltelefoneinrichtung dahingehend zu verbessern, dass die Handhabung beim Lösen und Verbinden der mechanischen und gleichzeitig elektrischen Kupplung zwischen dem Cradle und dem im Kraftfahrzeug fest montierbaren Grundteil und/oder zwischen den Mobiltelefon und dem Cradle einfach und mit weniger Verschleiß durchführbar ist.
Wegen weiterer Einzelheiten, wie auch dem von der Einsprechenden genannten Stand der Technik wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, verwiesen.
II Die nach dem § 147 Abs. 3 Nr. 1 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 begründeten Zuständigkeit des Senats wird durch die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung dieser Vorschrift nicht berührt (vgl. u. a. BGH Beschluss vom 9. Dezember 2008 (X ZB 6/08 -Ventilsteuerung).
Der Einspruch ist unzulässig und war daher zu verwerfen.
Unter Angaben i. d. S. ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Gesamtheit der Tatsachen zu verstehen, au denen die von der Einsprechenden begehrte Rechtfolge des Widerrufs des Patents hergeleitet wird. Dabei ist es nicht in das Belieben der Einsprechenden gestellt, was und in welchem Umfang sie zur Stützung ihres Einspruchsbegehrens vorträgt. die Begründung des Einspruchs genügt vielmehr nur dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn sie die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen Umstände "im Einzelnen" so vollständig darlegt, dass der Patentinhaber und insbesondere das Patentamt bzw. das Gericht daraus abschließende Schlussfolgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (vgl. BHG GRUR 1987, 513, 514 -Streichgarn; GRUR 1988, 185, 186 -Aklyldiarylphosphin). Eine formal vollständige Einspruchsbegründung muss sich insbesondere mit der Erfindung befassen, wie sie patentiert ist, d. h. sie muss die gesamte patentierte Lehre ihrer Argumentation zugrunde legen und darf sich nicht nur mit Teilen bzw. Teilaspekten der Erfindung befassen (vgl. BHG GRUR 1988, 250, 251 -Epoxidation; BPatG BlPMZ 1997, 405, 406). Diesen Anforderungen genügt das Einspruchsvorbringen hier nicht.
Die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, sind im Einspruchsschriftsatz vom 22. Juni 2006 nicht im Einzelnen angegeben und wurden auch nicht bis zum Ablauf der Einspruchsfrist schriftlich nachgereicht, wie gemäß § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG unabdingbar erforderlich:
Schon mit ihrer Definition eines Kerns der Erfindung geht die Einsprechende fehl, da sie es im Einspruchsschriftsatz versäumt hat, aufzuzeigen, warum sie nur einen Teil, nämlich die Merkmale 1.8 -1.11, der im Kennzeichen des Patentanspruchs 1 genannten Merkmale als wesentlich ansieht und warum sie es für gerechtfertigt hält, auf die anderen Merkmale nicht einzugehen. Somit überlässt es die Einsprechende dem erkennenden Senat und der Patentinhaberin eigene Überlegungen anzustellen, worin der Kern der Erfindung zu sehen sein könnte. Keineswegs erwarten durfte die Einsprechende, dass der Senat ihr Postulat, worin die Besonderheit der Erfindung zu sehen sei, ohne auf Einzelheiten einzugehen, übernimmt.
Die Gesamtschau der Patentschrift zeigt im Übrigen anders als die Einsprechende zu verstehen gibt, dass dort mehrfach das Merkmal 1.5 "indem die Leiter (102a, 103a) des ersten Verbindungselements (101a, 111a) mit den Leitern (102b, 103b) des zweiten Verbindungselements (101b, 111b) mit einander fluchtend an ihren einander zugewandten Stirnenden in berührender Anlage stehen" als wesentlich vorteilhaft hervorgehoben wird, so jeweils zu Beginn der Absätze [0017] und [0018]. Ob diese Vorteile gegenüber der Stecker-Buchsekombination, wie sie beispielsweise gemäß DE 41 07 995 A1 vorgesehen ist, objektiv gegeben sind, kann angesichts der Tatsache, dass sich die Einsprechende weder mit diesem Merkmal an sich, noch mit den von der Patentinhaberin geltend gemachten Vorteilen auseinandersetzt, dahingestellt bleiben.
Derartige Betrachtungen hätten einen entsprechenden Vortrag der Einsprechenden innerhalb der Einspruchsfrist vorausgesetzt, der jedoch unterblieben ist.
Ebenso kann dahin gestellt bleiben, ob einzelne Passagen in der Beschreibung eine weitere Auslegung der Patentansprüche zulassen, als deren unmittelbarem Wortsinn entspricht, wie von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung anhand des letzten Satz des Absatzes [0017] der Streitpatentschrift geltend gemacht wurde, da die Einsprechenden es unterlassen hat, ihre diesbezügliche Argumentationskette zumindest in groben Zügen bereits innerhalb der Einspruchsfrist aufzuzeigen.
Aber auch zum Merkmal 1.8, das zu dem von der Einsprechenden zum Kern der Erfindung erklärten Teil des Patentanspruchs 1 gehört, wonach eine NF-Verbindungseinrichtung zusammen mit einer HF-Koaxialverbindung (aus Merkmal 1.7) in einer gemeinsamen Baueinheit mit einem jeweiligen Dielektrikum-Körper auszubilden sein soll, hat die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz (Seite 5, Absatz 3) lediglich dargelegt, dass der elektrische Verbinder gemäß DE 693 27 194 T2 sich sowohl für HF-als auch NF-Signal eignet. Sie hat aber weder behauptet, dass dieser Aspekt durch die von ihr hierzu genannte Druckschrift DE 693 27 194 T2 vorweggenommen sei, noch im Einzelnen auf bestimmte Fundsstellen in der besagten Druckschrift die auf eine HF-Verbindungseinrichtung und auf eine NF_Vergindungseinrichtung in einer gemeinsamen Baueinheit hindeuten könnten, Bezug genommen.
Schließlich nennt die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz auch keinen Anlass, den der Fachmann, der hier als Dipl.-Ing. der Fachrichtung Elektrotechnik mit Fachhochschulabschluss anzunehmen ist, hätte haben können, ausgehend von der Druckschrift DE 41 07 995 A1, die nach Auffassung der Einsprechenden den Oberbegriff des Patentanspruchs 1 wiedergebe, eine Zusammenschau mit der DE 693 27 194 T2 vorzunehmen. Vielmehr belässt es die Einsprechende bei der Behauptung, dass sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 aus einer Kombination der beiden Druckschriften bekannt seien.
Die pauschale Behauptung, die Merkmale der Erfindung seien insgesamt aus unterschiedlichen Quellen bekannt sind, stellt angesichts der Vielzahl der Merkmale, die im Patentanspruch 1 genannt sind und angesichts der Komplexität des Erfindung, nicht die erforderliche Nennung der einzelnen Tatsachen dar, die rechtfertigen könnten, dass und weshalb der Gegenstand des Patentanspruchs nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen sollte.
Angesichts des Umfangs des Patentanspruchs 1 mit 19 Teilmerkmalen einerseits und der ebenso umfangreichen DE 693 27 194 T2, die von der Einsprechenden noch am wenigsten knapp abgehandelt wurde, andererseits, war für den Senat auch nicht ohne eigene Ermittlungen erkennbar, welche konkreten Sachverhalte die Einsprechende in Bezug zueinander setzen wollte, sowie für den geltend gemachten Widerrufsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit.
III Da somit kein zulässiger Einspruch vorlag, war kein Raum für eine Betrachtung, ob einer der in § 21 PatG aufgezählten Widerrufsgründe vorliegen.
Bertl Kirschneck Groß J. Müller prö
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