Bundesgerichtshof:
Urteil vom 11. Mai 2006
Aktenzeichen: I ZR 206/02
(BGH: Urteil v. 11.05.2006, Az.: I ZR 206/02)
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts Jena vom 17. Juli 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Erledigung des Klageantrags 1a in der Hauptsache und eine hierauf bezogene Schadensersatzverpflichtung des Beklagten festgestellt worden sind.
Auf die Berufung des Beklagten wird unter weiterer teilweiser Abänderung des Urteils der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Erfurt vom 29. August 2001 die Klage auch in diesem Umfang abgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 90% und der Beklagte 10%. Die Kosten der ersten Instanz werden zu 87% der Klägerin und zu 13% dem Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt in M. bei E. ein Möbeleinzel- handelsgeschäft. Der Beklagte wurde im November 1999 zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma Möbel-K. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) bestellt. Die Insolvenzschuldnerin betrieb u.a. in E. und J. Einrichtungshäuser als un- selbständige Niederlassungen. In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter ließ der Beklagte am 5. Dezember 2000 das nachfolgend verkleinert wiedergegebene Schreiben an die Kunden der Insolvenzschuldnerin verteilen:
An dieser Stelle befindet sich ein Kundenanschreiben.
Mit Vertrag vom 27. Dezember 2000 veräußerte der Beklagte den gesamten in der E. Niederlassung vorhandenen Warenbestand an eine Ver- wertungsfirma. Die Niederlassung in E. wurde im März 2001 geschlossen. Die Einstellung des Betriebs in J. erfolgte im Juni 2001.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe durch das Rundschreiben vom 5. Dezember 2000 den Eindruck erweckt, es handele sich bei dem "Konkurswarenverkauf" um einen Räumungsverkauf. Der Beklagte habe mit der Ankündigung und Durchführung der Verkaufsveranstaltung gegen § 8 UWG (a.F.) verstoßen, da diese Vorschrift auch auf den Insolvenzwarenverkauf zur Anwendung komme.
Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung - zunächst beantragt, 1. den Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, a) einen Konkurswarenverkauf mit den blickfangmäßig herausgestellten Angaben "30%, 40%, ja bis zu 50% des ursprünglichen Preises" und den weiteren Angaben "Die notwendigen gesetzlichen Anmeldungen bei den Behörden sind veranlaßt" und "Uns ist bewußt, daß unser großer Warenbestand in der kurzen Abverkaufszeit nur durch solche Preisreduzierungen liquidiert werden kann", so wie im Werberundschreiben vom 5. Dezember 2000 anzukündigen und/oder einen so angekündigten Konkurswarenverkauf durchzuführen, b) ..., 2. festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin denjenigen Schaden zu ersetzen hat, der dieser aus Handlungen gemäß Ziffer 1 des Klageantrags in der Zeit vom 5. Dezember 2000 bis zum 27. Dezember 2000 entstanden ist.
Nach Einstellung des gesamten Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin im Juni 2001 hat die Klägerin den Klageantrag zu 1 in der Berufungsinstanz in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, für die Klage fehle es an dem erforderlichen Feststellungsinteresse, da er seine Verkaufsaktivitäten bereits vor dem Zeitpunkt der Klageerhebung (13. März 2001) eingestellt habe. Ein Wettbewerbsverstoß könne ihm nicht angelastet werden, weil die §§ 7, 8 UWG (a.F.) im Insolvenzverfahren nicht anwendbar seien. Im Übrigen sei er für die ihm vorgeworfenen Handlungen nicht verantwortlich. Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung sei auch deshalb unbegründet, weil es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts fehle.
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen den Auskunftsanspruch abgewiesen. Es hat antragsgemäß festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 1 in der Hauptsache erledigt ist und eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten besteht.
Bezüglich der Feststellung, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 1a in der Hauptsache erledigt ist, und der Feststellung, dass der Beklagte in Bezug auf die in dem Klageantrag zu 1a umschriebenen Handlungen zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen. Im Umfang der Zulassung der Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat die Feststellung der Erledigung des Unterlassungsantrags zu 1a in der Hauptsache und die Feststellung der hierauf bezogenen Schadensersatzverpflichtung des Beklagten wie folgt begründet:
Die Ankündigung der Verkaufsaktion im Rundschreiben vom 5. Dezember 2000 und deren anschließende Durchführung bis zum 27. Dezember 2000 hätten gegen § 8 Abs. 1 bis 4 UWG (a.F.) verstoßen. Der Insolvenzverwalter müsse sich grundsätzlich an die Vorgaben des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) halten und daher auch die in § 8 UWG (a.F.) aufgestellten Voraussetzungen beachten. Die von dem Beklagten in den Räumen der Insolvenzschuldnerin in E. durchgeführte Verkaufsveranstaltung habe bei dem Publikum aufgrund der Ankündigung sowie der tatsächlichen Handhabung den Eindruck eines Räumungsverkaufs erweckt. Der Beklagte habe sich nicht darauf beschränkt, einen Insolvenzwarenverkauf anzukündigen. Er habe vielmehr zusätzlich auf den vollständigen Verkauf der Waren in der Verkaufsstätte hingewiesen. Die Voraussetzungen für einen Räumungsverkauf wegen Aufgabe des Geschäftsbetriebs (§ 8 Abs. 2 UWG a.F.) hätten indes nicht vorgelegen, weil dieser sich auf die unselbständige Niederlassung in E. beschränkt und nicht auf den gesamten Geschäftsbetrieb erstreckt habe. Der Beklagte sei bis zum 27. Dezember 2000 auch Veranstalter des Räumungsverkaufs gewesen. Dieser Annahme stehe nicht entgegen, dass der Beklagte die Verkaufsveranstaltung nicht selbst durchgeführt, sondern einen Dritten damit beauftragt gehabt habe.
Das die Erledigung der Hauptsache herbeiführende Ereignis habe nicht bereits in der Übertragung des in der E. Filiale vorhandenen Warenbe- stands an eine Verwertungsfirma am 27. Dezember 2000 bestanden. Die Parteien hätten vielmehr bis Juni 2001 in einem Wettbewerbsverhältnis gestanden, da die Insolvenzschuldnerin bis zu diesem Zeitpunkt die Filiale in J. betrie- ben habe. Zwischen den Parteien habe insoweit ein Wettbewerbsverhältnis bestanden, da die Klägerin auch im J. Raum Werbeaktivitäten vorgenommen habe.
Der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten sei ebenfalls begründet. Es bestehe eine Lebenswahrscheinlichkeit für die Annahme, dass der Beklagte mit der Verkaufsaktion Umsätze erzielt habe, die zu Lasten der Klägerin gegangen seien.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Abweisung der Klage.
1. Mit Erfolg macht die Revision geltend, dass der Klägerin der ursprünglich mit dem Klageantrag zu 1a verfolgte Unterlassungsanspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht zustand und somit die Klage von vornherein unbegründet war.
a) Für die Feststellung der Erledigung des Unterlassungsantrags ist das zum Zeitpunkt des als Erledigung angeführten Ereignisses - Einstellung des gesamten Geschäftsbetriebs der Insolvenzschuldnerin im Juni 2001 - geltende UWG anzuwenden.
b) Voraussetzung für das beantragte Verbot nach § 7 Abs. 1 UWG (a.F.) ist u.a., dass die beanstandete Verkaufsveranstaltung außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs liegt. Dies ist im vorliegenden Fall - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - zu verneinen.
aa) Im Falle einer Verkaufsveranstaltung, die ein Insolvenzverwalter im Rahmen der Liquidierung eines Unternehmens durchführt, ist - wovon auch das Berufungsgericht im Ansatz ausgeht - bei der Anwendung der §§ 7, 8 UWG (a.F.) der besonderen Situation in der Insolvenz Rechnung zu tragen. Für den Fall, dass die Gläubigerversammlung keine Fortführung des Betriebes beschließt, hat der Insolvenzverwalter nach § 1 Abs. 1 InsO das Vermögen zu verwerten. Die erforderliche Verwertung des beweglichen Vermögens ist durch freihändigen Verkauf sowie durch private oder öffentliche Versteigerungen möglich, wobei der Insolvenzverwalter nach pflichtgemäßem Ermessen die günstigste und effizienteste Verwertungsart zu wählen hat (vgl. Braun, Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 159 Rdn. 4 f.). Dies wird in der Regel der freihändige Verkauf sein. Der Insolvenzverwalter bewegt sich somit - wenn das Unternehmen liquidiert wird - im Falle eines Abverkaufs von Waren in dem ihm von der Insolvenzordnung vorgegebenen Rahmen.
bb) Diese Aufgabe des Insolvenzverwalters ist auch bei der Beurteilung der Frage, ob eine nach § 7 Abs. 1 UWG (a.F.) unzulässige Sonderveranstaltung vorliegt, zu berücksichtigen (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1999, 1022, 1023; OLG Koblenz ZInsO 2003, 569; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 113, 114). Maßstab für die Beurteilung, ob eine unzulässige Sonderveranstaltung vorliegt, ist daher der regelmäßige Geschäftsverkehr eines Unternehmens in der Insolvenz (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1999, 1022, 1023; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 113, 114). Im Hinblick auf das in § 159 InsO geregelte Gebot, die Abwicklung unverzüglich durchzuführen, ist ein - nach der Insolvenzordnung grundsätzlich zulässiger - kurzfristiger freihändiger Abverkauf der Ware erforderlich. Aus diesem Grund findet ein Insolvenzwarenabverkauf in der Regel nicht außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs statt, wenn das Unternehmen tatsächlich liquidiert wird. Es bestehen im Streitfall keine Anhaltspunkte für die Annahme, das Publikum entnehme der Branchenübung und der konkreten Werbung, der angekündigte Konkurswarenverkauf erfolge außerhalb des bei der Abwicklung eines insolventen Unternehmens üblichen geschäftlichen Verhaltens (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 20.3.1997 - I ZR 241/94, GRUR 1997, 672, 674 = WRP 1997, 727 - Sonderpostenhändler; Urt. v. 25.6.1998 - I ZR 75/96, GRUR 1998, 1046, 1047 = WRP 1998, 982 - Geburtstagswerbung III; Köhler/ Piper, UWG, 3. Aufl., § 7 Rdn. 8). Dem angesprochenen Verkehr ist bei einem Insolvenzwarenverkauf bewusst, dass das insolvent gewordene Unternehmen sich - wenn es nicht zum Zweck der Sanierung fortgeführt wird - von einem lebenden zu einem sterbenden Betrieb verändert hat. Der im Werbeschreiben herausgehobene Hinweis "Das endgültige AUS in E. !!!" lässt an der Aufgabe des Geschäftsbetriebs keinen Zweifel aufkommen.
cc) Soweit das Unternehmen nicht fortgeführt wird, unterliegt danach auch ein Räumungsverkauf zum Zweck der Verwertung von beweglichem Vermögen in der Insolvenz grundsätzlich nicht den Zulassungsvoraussetzungen des § 8 UWG (a.F.). Bei einem Räumungsverkauf handelt es sich - ähnlich wie bei einem Jubiläumsverkauf - um eine besondere Erscheinungsform einer Sonderveranstaltung i.S. von § 7 Abs. 1 UWG (a.F.). Daher enthält die Bestimmung ungeachtet der Anspruchsgrundlage des § 8 Abs. 5 UWG (a.F.) keinen eigenen Verbotstatbestand, sondern regelt die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Räumungsverkauf - ausnahmsweise - nicht gegen das in § 7 Abs. 1 UWG (a.F.) geregelte Sonderveranstaltungsverbot verstößt (vgl. Köhler/Piper aaO § 8 Rdn. 2; Jestaedt in: Großkomm.UWG, § 8 Rdn. 5). Dementsprechend ist für die Anwendbarkeit von § 8 UWG (a.F.) Voraussetzung, dass eine nach § 7 Abs. 1 UWG (a.F.) unzulässige Sonderveranstaltung vorliegt. Hieran fehlt es im Streitfall.
dd) Aus den einzelnen im Klageantrag aufgeführten Bestandteilen der Werbung kann die Ankündigung einer unzulässigen Sonderverkaufsveranstaltung nicht entnommen werden. Sie sind im Gesamtzusammenhang des beworbenen Verkaufs von Waren aus der Insolvenzmasse zu sehen. Hiervon ausgehend stellt das im streitgegenständlichen Werbeschreiben erfolgte Herausstellen besonderer Preisvorteile für die Dauer des Insolvenzwarenverkaufs keinen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 UWG (a.F.) dar. Der in der Insolvenz erforderliche unverzügliche Abverkauf sämtlicher Waren ist - was dem Verkehr bewusst ist - nur dann möglich, wenn zum Teil erhebliche Preisnachlässe gewährt werden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR 1999, 1022, 1023; OLG Koblenz ZInsO 2003, 569, 570; OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 113, 114). Eine andere Beurteilung ist - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch nicht deshalb geboten, weil in dem streitgegenständlichen Werbeschreiben auf den vollständigen Verkauf der Waren hingewiesen wird. Dies entspricht gerade dem Sinn einer Verwertung von beweglichen Sachen in der Insolvenz. Zur Wettbewerbswidrigkeit nach § 7 Abs. 1 UWG (a.F.) führt auch nicht der Hinweis, dass die notwendigen gesetzlichen Anmeldungen bei den Behörden veranlasst seien. Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass aus Sicht des Verkehrs diese Aussage den Charakter der Verkaufsveranstaltung nicht ändert.
2. Aus denselben Gründen ist der Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung unbegründet, soweit er sich auf das im Klageantrag zu 1a beschriebene Verhalten des Beklagten bezieht.
III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Klagantrags zu 1a die Erledigung in der Hauptsache sowie eine hierauf bezogene Schadensersatzverpflichtung des Beklagten festgestellt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Klage abzuweisen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Pokrant Schaffert Bergmann Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 29.08.2001 - 3 HKO 61/01 -
OLG Jena, Entscheidung vom 17.07.2002 - 2 U 1117/01 -
BGH:
Urteil v. 11.05.2006
Az: I ZR 206/02
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