Bundespatentgericht:
Urteil vom 8. Oktober 2008
Aktenzeichen: 1 Ni 5/08

(BPatG: Urteil v. 08.10.2008, Az.: 1 Ni 5/08)

Tenor

I. Das europäische Patent 1 049 518 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 049 518 (Streitpatent). Das Streitpatent ist am 20. Januar 1999 in englischer Verfahrenssprache angemeldet worden und nimmt die Priorität der schwedischen Patentanmeldung SE 98 00 187 vom 23. Januar 1998 in Anspruch. Es wird beim Deutschen Patentund Markenamt unter der Nummer 699 24 356 geführt. Der Gegenstand des Streitpatents, das 9 Patentansprüche umfasst, ist bezeichnet mit "Dispenser", in der deutschen Übersetzung mit "Spender".

Patentanspruch 1 lautet in der englischen Originalfassung wie folgt:

An apparatus for storing and dispensing a desired number of spherical objects (1) said apparatus comprising:

a vibrator (9);

a conveyor belt (11) for conveying the spherical objects (1) from an infeed position to a discharge position;

a magazine having a sloping floor surface (2,3,4,7), including a lower region (7) in the proximity of the conveyor belt infeed position, characterised in that the lower region (7) is coupled to the vibrator (9), permitting actuation of the vibrator (9) to vibrate the lower region (7) to cause spherical objects (1) on the sloping floor surface (2,3,4,7) to be discharged one by one to the conveyor belt (11);

and in that the apparatus further comprises an object counter (16) for counting the spherical objects (1) on the conveyor belt (11) as the spherical objects (1) approach the discharge position.

In deutscher Übersetzung hat Anspruch 1 folgenden Wortlaut:

Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das Folgendes umfasst:

einen Rüttler (9), ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition; ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), das einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) nacheinander zum Förderband (11) abgeführt werden, und dass das Gerät weiter einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11), während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern, umfasst.

Wegen der angegriffenen Unteransprüche 2 bis 9, die unmittelbar oder mittelbar auf Anspruch 1 rückbezogen sind, wird auf die Streitpatentschrift EP 1 049 518 B1 verwiesen.

Nach Auffassung der Klägerin beruht die Lehre des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Hierzu beruft sie sich auf eine Golfballausgabemaschine der Fa. B... aus dem Jahre 1988, die alle Merkmale des Anspruchs 1 nahezu identisch aufweise. Die Klägerin sei Eigentümerin einer weiteren, mit dem genannten Gerät fast identischen Maschine der Fa. B..., die bis 17. April 2007 im Golfclub R...-S... verwendet worden und für jedermann zugänglich gewesen sei. Zum Beleg der offenkundigen Vorbenutzung legt die Klägerin Fotos vor (Anlagen K9 bis K16, K20 bis K23, K25 bis K32); sie bietet Beweis durch Vernehmung der Zeugen C... und H... sowie durch Einnahme eines Augenscheins an den genannten Maschinen an.

Die Klägerin beruft sich weiter auf -die französische Patentschrift 2 173 425 (Anlage K4), -die US-Patentschrift 5 009 330 (Anlage K17), -die deutsche Offenlegungsschrift 1 578 608 (Anlage K18), -die internationale Patentanmeldung WO 90/01379 (Anlage K33) -die US-Patentschrift 5 353 822 A (Anlage K34) -die US-Patentschrift 5 772 778 A (Anlage K35) -die US-Patentschrift 3 946 847 (Anlage K36) -die Übersetzung der europäischen Patentschrift EP 0 328 855 B1 (DE 3 889 445 T2, Anlage K37) -und die europäische Patentschrift EP 0 281 540 B1 (Anlage K38).

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 1 049 518 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verteidigt das Patent hilfsweise beschränkt gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 (in dieser Reihenfolge).

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:

Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das Folgendes umfasst:

einen Rüttler (9), ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition; ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), das einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) nacheinander zum Förderband (11) abgeführt werden, und dass das Gerät weiter einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11), während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern, umfasst, wobei ein Zuführmagazin (10) zwischen dem unteren Bereich der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) und der Einführposition des Förderbands (11) angeordnet ist, das einen Boden aufweist, der von einer hohen Ebene neben dem unteren Bereich der Bodenfläche (7) zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderbands (11) geneigt ist, wobei das Förderband (11) von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt ist.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 lautet wie folgt:

Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das Folgendes umfasst:

einen Rüttler (9), ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition; ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), das einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) nacheinander zum Förderband (11) abgeführt werden, und dass das Gerät weiter einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11), während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern, umfasst, wobei ein Zuführmagazin (10) zwischen dem unteren Bereich der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) und der Einführposition des Förderbands (11) angeordnet ist, das einen Boden aufweist, der von einer hohen Ebene neben dem unteren Bereich der Bodenfläche (7) zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderbands (11) geneigt ist, wobei das Förderband (11) von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt ist, wobei das Magazin weiterhin mehrere Gegenstandsschienen (5) aufweist, die nebeneinander so auf der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) angeordnet sind, dass die kugelförmigen Gegenstände (1) zum Förderband (11) geleitet werden.

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 lautet wie folgt:

Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das Folgendes umfasst:

einen Rüttler (9), ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition; ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), das einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) nacheinander zum Förderband (11) abgeführt werden, und dass das Gerät weiter einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11), während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern, umfasst, wobei ein Zuführmagazin (10) zwischen dem unteren Bereich der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) und der Einführposition des Förderbands (11) angeordnet ist, das einen Boden aufweist, der von einer hohen Ebene neben dem unteren Bereich der Bodenfläche (7) zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderbands (11) geneigt ist, wobei das Förderband (11) von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt ist, wobei das Zuführmagazin im Wesentlichen genauso breit wie das Förderband (11) ist und der Boden des Magazins (10) die Form einer Zuführrampe aufweist, wobei das Magazin weiterhin mehrere Gegenstandsschienen (5) aufweist, die nebeneinander so auf der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) angeordnet sind, dass die kugelförmigen Gegenstände (1) zum Förderband (11) geleitet werden.

Der Beklagte hält den Vortrag zur offenkundigen Vorbenutzung für unsubstantiiert. Ein Herstellungsdatum der Maschine sei auf den Fotos (Anlage K10) nicht zu sehen. Es fehlten Angaben dazu, wann, wo und wie die technische Lehre der Öffentlichkeit zugänglich geworden sei. Man könne auf den qualitativ schlechten Kopien weder den Rüttler noch das Förderband erkennen. Das Gleiche gilt nach Auffassung des Beklagten für die zweite angeblich vorbenutzte Maschine der Fa. B.... Auch der Inhalt der entgegengehaltenen Druckschriften lege dem Gegenstand des Streitpatents nicht nahe.

Im Patenterteilungsverfahren ist unter anderem die britische Offenlegungsschrift 2 270 474 A berücksichtigt worden. Diese Schrift und das deutsche Gebrauchsmuster 87 04 375 waren Gegenstand der Verhandlung.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C... und H... sowie durch Inaugenscheinnahme der beiden Golfballausgabemaschinen der Fa. B.... Wegen des Ergebnisses der Inaugenscheinnahme und des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 8. Oktober 2008 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138, Abs. 1 lit. a, 52, 54, 56 EPÜ) ist begründet.

I.

Das Streitpatent betrifft ein Gerät zur Beförderung und Lagerung von kugelförmigen Gegenständen, z. B. von Golfbällen, die an Benutzer abgegeben werden sollen. Nach der Streitpatentschrift werden solche Geräte sowohl im Freien als auch in der Halle häufig verwendet. Die im Freien aufgestellten Maschinen seien besonders störungsanfällig, weil sie den unterschiedlichen Witterungsbedingungen ausgesetzt seien.

Aufgabe der Erfindung sei deshalb, die Zuverlässigkeit dieser Maschinen und ihre Fähigkeit zu verbessern, schnell die gewünschte Anzahl von Golfbällen zu spenden. Außerdem sei es wünschenswert, genau die gewünschte Anzahl von Golfbällen oder ein Magazin mit vielen Golfbällen aus dem Automaten zu bekommen (vgl. Übersetzung der Streitpatentschrift DE 699 24 356 T2, Absätze [0002] und [0003]).

Zur Lösung dieser Aufgabe offenbart Patentanspruch 1 des Streitpatents einen Spender mit folgenden Merkmalen (Änderungen gegenüber der veröffentlichten Übersetzung unterstrichen):

Es handelt sich um ein Gerät zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen (1), das umfasst:

a) einen Rüttler (9), b) ein Förderband (11) zum Befördern der kugelförmigen Gegenstände (1) von einer Einführposition zu einer Abführposition, c) ein Magazin mit einer geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7), diec1) einen unteren Bereich (7) in der Nähe der Förderbandeinführposition aufweist, undd) der untere Bereich (7) an den Rüttler (9) gekoppelt ist, d1) wodurch die Betätigung des Rüttlers (9) zum Rütteln des unteren Bereichs (7) gestattet wird, d2) so dass kugelförmige Gegenstände (1) auf der geneigten Bodenfläche (2, 3, 4, 7) einer nach dem anderen zum Förderband (11) abgeführt werden, e) einen Gegenstandszähler (16) zum Zählen der kugelförmigen Gegenstände (1) auf dem Förderband (11)

e1) während sich die kugelförmigen Gegenstände (1) der Abführposition nähern.

II.

Als Fachmann beschäftigte sich mit dem technischen Gebiet des Streitpatents ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Maschinenbau, der Erfahrung in der Konstruktion derartiger Geräte hat, die überwiegend in Kleinbetrieben hergestellt werden. Nach dem Verständnis dieses Fachmanns, das Maßstab sowohl für die Auslegung des Patentanspruchs als auch für die Beurteilung der erfinderischen Leistung ist, stellt sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents wie folgt dar:

Entgegen der veröffentlichten Übersetzung versteht der Senat das Merkmal aus der -für die Bestimmung des Wortlauts des Patentanspruches nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen -englischen Fassung des Patentanspruchs 1 "a magazine having a sloping floor surface (2,3,4,7), including a lower region (7) in the proximity of the conveyor belt infeed position" dahingehend, dass sich das Wort "including" nicht auf "a magazine" sondern auf "sloping floor surface" bezieht. Entsprechend sind die Merkmale c) und c1) in der vorstehenden Merkmalsanalyse übersetzt. Für den fachmännischen Leser der Streitpatentschrift ergibt sich dieses aus dem Anspruchswortlaut in Verbindung mit der Beschreibung und den Zeichnungen. Gemäß Anspruch 1 ist der untere Bereich, der die kugelförmigen Gegenstände zum Förderband abführt, an den Rüttler gekoppelt und wird durch diesen in Schwingungen versetzt. Neben der Neigung der Bodenfläche tragen auch die Schwingungen dazu bei, dass die Gegenstände zum Förderband abgeführt werden. Auch das Ausführungsbeispiel des Streitpatents weist eine entsprechende Ausgestaltung auf (vgl. Spalte 2, Zeile 12 bis 15 der Anlage K1).

Außerdem ist der Begriff "one by one" im Merkmal d2) mit "einer nach dem anderen" zu übersetzen.

Das beanspruchte Gerät nimmt kugelförmige Gegenstände, z. B. Golfbälle, in einer gewünschten Anzahl in einem Magazin auf. Aus dem Magazin können die Gegenstände einer nach dem anderen wieder abgegeben werden. Der untere Bereich des Magazins weist eine geneigte Bodenfläche auf, die über einen Rüttler in Schwingungen versetzt werden kann. Diese Schwingungen führen zur Förderung der kugelförmigen Gegenstände und auch zu deren Reinigung. Die Gegenstände werden auf einem sich anschließenden Förderband gezählt und über dieses Förderband einem Aufnahmebehälter zugeführt. Die Ausbildung des Gegenstandszählers ist nicht näher erläutert. Gezählt wird, während sich die kugelförmigen Gegenstände der Abführposition nähern. Hierunter ist zu verstehen, dass die Gegenstände erfasst werden, unmittelbar bevor sie den Förderer verlassen, wodurch eine genau abgezählte Menge von Gegenständen abgegeben werden kann (Abs. [0010] der Streitpatentschrift). Patentanspruch 1 enthält im Merkmal d2) eine Wirkungsangabe, die im Sinn einer Ballmengenbegrenzung zu verstehen ist. Das Merkmal erläutert die Funktionsweise des Konstruktionselements "Rüttler", der bewirkt, dass die Bälle einer nach dem anderen zum Förderband abgeführt werden. Diese Wirkungsangabe bestimmt zwar den geschützten Gegenstand mit, ändert aber den Charakter des Streitpatents als Vorrichtungspatent nicht (BGH GRUR 1979, 149 -Schießbolzen), denn es soll nicht auf die Verwendung der Vorrichtung zu einem bestimmten Zweck beschränkt sein.

III.

1. Der so dem Streitpatent zu entnehmende Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung ist gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik und den vorbenutzten Maschinen neu, beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Gegenstand des Streitpatents durch den Aufbau der beiden in Augenschein genommenen Golfballausgabemaschinen, die in den wesentlichen technischen Elementen gleich ausgebildet sind, nahegelegt war.

Die Golfballausgabemaschinen wurden vom Senat bei geöffneter Gerätetür begutachtet. So konnten insbesondere Einzelheiten der Maschinen zwischen dem Magazin und der Ausgabe der Golfbälle eingehend betrachtet werden. Für den Senat hat sich zweifelsfrei ergeben, dass bei diesen Golfballausgabemaschinen weitgehend die Merkmale a) sowie c) bis e1) der gegliederten Fassung des Anspruchs 1 des Streitpatents und auch eine im Vergleich mit Merkmal b) gleich wirkende Ausgestaltungsvariante realisiert wurde. Nachfolgend wird auch auf die von der Klägerin eingereichten Fotos (Anlage K9 bis K16: außen grün lackierte Maschine; Anlagen K25 bis K32: außen blau lackierte Maschine) Bezug genommen.

Die vorbenutzten Geräte betreffen Golfballausgabemaschinen, in denen eine größere Menge von Golfbällen gespeichert werden können. Gegen Zahlung eines Geldbetrages wird eine bestimmte Anzahl von Golfbällen abgegeben. Es handelt sich damit um Geräte zum Lagern und Spenden einer gewünschten Anzahl von kugelförmigen Gegenständen im Sinne des Streitpatents. Innerhalb des Gehäuses sind drei geneigte Bodenflächen angeordnet (Anlagen K12, K14 bis K16; K25 bis K30), die zusammen mit dem Gehäuse ein Magazin bilden (Merkmal c). Die Maschinen weisen einen Förderer in Form einer Wendel (Anlagen K13 bis K15; K25 und K26) auf, der die Golfbälle am unteren Ende zugeführt (= Einführposition) werden. Am oberen Ende der Wendel werden die Golfbälle über Ausnehmungen (= Abführposition) abgegeben (Teil des Merkmals b). Die unterste geneigte Bodenfläche des Magazins endet in der Nähe der Einführposition des Förderers (Teil des Merkmal c1). Dieses ist aus den Anlagen K14 bis K16 sowie K25 und K26 ersichtlich. Beide Maschinen sind zudem mit einem Rüttler entsprechend Merkmal a versehen. An der untersten geneigten Bodenfläche ist hierzu eine Nase angebracht, die zeitweise mit der sich drehenden Wendel in Berührung kommt und hierdurch in Schwingung versetzt wird, was ein Rüttler im patentgemäßen Sinn ist. Anhand der Fotos gemäß den Anlagen K15 und K16 sowie K26 ist dieser Sachverhalt zwar nicht eindeutig erkennen, die Inaugenscheinnahme hat aber den Vortrag der Klägerin hierzu bestätigt. Auch die Merkmale d und d1 sind somit verwirklicht. Da die vorbenutzten Maschinen und der Gegenstand des Streitpatents in diesem Bereich ähnlich aufgebaut sind, werden auch bei den vorbenutzten Maschinen die Bälle einer nach dem anderen in Richtung zum Förderer im Sinne des Merkmals d2 abgeführt. Schließlich weist das Gerät einen Gegenstandszähler entsprechend Merkmal e auf (Anlagen K13 sowie K25 und K31), der im Bereich einer Ausnehmung eines Bleches angeordnet ist, das die Wendel auf ihrem Umfang teilweise umgibt. Durch die Ausnehmung gelangen die von der Wendel geförderten Golfbälle in einen Aufnahmebehälter, aus dem sie in abgezählter Anzahl abgegeben werden. Damit werden die Golfbälle gezählt, während sie sich der Abführposition nähern (Teil des Merkmal e2). Im Unterschied zum Anspruch 1 des Streitpatents ist bei den vorbenutzten Geräten der Förderer als Wendel und nicht als Förderband ausgestaltet (Teil des Merkmals b).

Die in den vorbenutzten Golfballausgabemaschinen verwendeten Wendeln gegen ein Förderband auszutauschen, beinhaltet eine einfache handwerkliche Maßnahme. Der zuständige Fachmann verfügt auf Grund seines Studiums über (zumindest Grund)Kenntnisse auf dem Gebiet der Fördertechnik. Ihm sind unterschiedliche Förderer -insbesondere auch Förderbänder -bekannt, die geeignet sind, kugelförmige Gegenstände von einer Einführzu einer Abführposition zu fördern sowie deren Vorund Nachteile. Der Fachmann hatte Veranlassung, die Wendel durch ein Förderband zu ersetzen. Die Golfbälle sind bei der Förderung mit Hilfe einer Wendel einem erhöhten Verschleiß ausgesetzt, da sie an dem die Wendel umgebenden Blech anliegen, was zu Abrieb an den Golfbällen führen kann. Hierzu wird auf die Figur des deutschen Gebrauchsmusters 87 04 375 verwiesen, wo im Bereich der Wendel (8) ein Golfball dargestellt ist, der entlang des die Wendel umgebenden Bleches nach oben gefördert wird. Zum Nachweis dieses Fachwissen wird auch auf die FR 2 173 425 (Anlage K4) verwiesen, die bereits die Verwendung eines Förderbandes in einem Golfballdispenser beschreibt (vgl. insb. Seite 1, letzter Abs.).

Die Nutzung eines Förderbandes bedingt zwar möglicherweise die Änderung der Konstruktion des Rüttlers; dieses hält den Fachmann aber nicht davon ab, einen als nachteilig anzusehenden Förderer auszutauschen. Möglichkeiten, ein Blech in Schwingung zu versetzen, sind dem Fachmann hinlänglich bekannt. Auch die Anspruchsfassung des Streitpatents lässt die spezielle Konstruktion des Rüttlers offen.

Der Beklagte bestreitet, dass bei den vorbenutzten Maschinen eine stabile Einführposition des Förderers vorhanden ist. Eine stabile Einführposition wird aber auch mit den Merkmalen des Anspruchs 1 nicht erreicht, da dieser offen lässt, wie die kugelförmigen Gegenstände von der geneigten Bodenfläche zum Förderband gelangen. Dieses ist erst Gegenstand der Unteransprüche und des Ausführungsbeispiels.

b) Die dem Senat vorgestellten Maschinen sind der Öffentlichkeit am Prioritätstag des Streitpatents bekannt und zugänglich gewesen. Der Öffentlichkeit zugänglich ist eine technische Lehre dann, wenn eine nicht beschränkte Anzahl von verständigen Personen die objektive Möglichkeit hat, von dem vorbenutzten Gegenstand und seinen Eigenschaften Kenntnis zu erlangen (st. Rspr., vgl. Benkard/Melullis, Patentgesetz, 10. Aufl., § 3 Rn. 49, 55 mit Nachweisen).

Für die blau lackierte Maschine ist die Zugänglichkeit durch die Aussage des Zeugen H... belegt. Der Zeuge hat angegeben, dass diese Maschine seit 1991 auf dem Gelände des Golfclubs R... -S... gestanden habe und von verschiedenen Mitarbeitern des Golfsclubs bedient, das heiße mit Golfbällen befüllt, Geld entnommen und gereinigt worden sei. Zur Geldentnahme und Reinigung muss die Maschine geöffnet werden, so dass die Mitarbeiter Kenntnis vom technischen Aufbau und den Eigenschaften der Maschine nehmen konnten. Der Zeuge konnte weiter die konkrete Maschine anhand eines vom ihm selbst angebrachten Schaumstoffteils im Inneren der Türe bzw. einer von seiner Sekretärin an der Maschine handschriftlich angebrachten Bezeichnung ("1 Euro") identifizieren.

Auch die grün lackierte Maschine ist zum Prioritätszeitpunkt der Öffentlichkeit zugänglich gewesen. Der Zeuge C... hat sich erinnert, sie 1996 in Zahlung genommen zu haben; sie sei dann im Lager und später draußen gestanden. Er habe unbeschränkten Zugang zu der Maschine gehabt. Der Zeuge konnte somit den technischen Aufbau und die Eigenschaften der Maschine erkennen.

Das Gericht hatte keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit beider Zeugen zu zweifeln.

Anspruch 1 hat daher keinen Bestand.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist nicht patentfähig.

Soweit die Merkmale des beanspruchten Gerätes mit denen des Gerätes nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags übereinstimmen, wird auf die Ausführungen zu diesem verwiesen.

Nach Patentanspruch 1 des Hilfsantrages ist folgendes zusätzlich vorgesehen:

f) Zwischen dem unteren Bereich der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) und der Einführposition des Förderbands (11) ist ein Zuführmagazin (10) angeordnet.

f1) Das Zuführmagazin weist einen Boden auf, der von einer hohen Ebene neben der Einführposition der Bodenfläche (7) zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderbands (11) geneigt ist.

g) Das Förderband (11) ist von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt.

Der Anspruch ist zulässig. Er umfasst neben den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 die kennzeichnenden Merkmale der erteilten Ansprüche 3 bis 5.

Der Begriff "Zuführmagazin" beinhaltet, dass dort mehrere kugelförmige Gegenstände aufgenommen werden können. Aus diesem Magazin fördert das geneigt angeordnete Förderband die Bälle ab.

Die in den Anspruch aufgenommenen zusätzlichen Merkmale sind nicht geeignet, erfinderische Tätigkeit zu begründen. Sie ergeben sich nämlich vollständig aus den vorbenutzten Golfballausgabemaschinen, bei denen zwischen der untersten geneigten Bodenfläche des Magazins und der Einführposition des Förderers ein Blech angeordnet ist (Anlagen K14 bis K16; K25 und K26). Dieses Blech deckt die Wendel nach unten ab und erstreckt sich seitlich der untersten geneigten Bodenfläche, die wiederum auch eine Neigung in Richtung dieses Bleches aufweist, was die Inaugenscheinnahme ergeben hat. Damit gelangen Golfbälle auch auf dieses Blech, was auf Grund seiner Ausdehnung auch mehrere Golfbälle aufnehmen kann. Dieses Blech ist daher ein Zuführmagazin im Sinne des Streitpatents (Merkmal f). Das Blech ist breiter als die Wendel und zudem geneigt angeordnet. Es weist damit eine Fläche auf, die von einer hohen Ebene neben der Einführposition der untersten geneigten Bodenfläche zu einer niedrigen Ebene neben der Einführposition des Förderers geneigt ist (Merkmal f1). Die Wendel ist zudem von einer niedrigen Ebene an der Einführposition zu einer hohen Ebene an der Abführposition geneigt (Merkmal g).

Auch die Zusammenschau der zusätzlichen Merkmale mit den übrigen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

3. Die Einschränkungen gemäß Hilfsantrag 2 führen nicht zu einem patentfähigen Gegenstand.

Die beschränkte Verteidigung des Patentanspruchs 1 nach dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von der beschränkten Verteidigung nach Hilfsantrag 1 darüber hinaus durch die Aufnahme des Merkmals, dassdas Magazin mehrere Gegenstandsschienen aufweist, die nebeneinander so auf der Bodenfläche (2, 3, 4, 7) angeordnet sind, dass die kugelförmigen Gegenstände (1) zum Förderband (11) geleitet werden.

Dieses Merkmal entspricht dem kennzeichnenden Teil des erteilten Anspruchs 2. Der Anspruch ist insoweit zulässig.

Das zusätzliche Merkmal besagt, dass im Bereich des Magazins mehrere Gegenstandsschienen vorgesehen sind, die nebeneinander auf der Bodenfläche angeordnet sind. Hierdurch sollen die kugelförmigen Gegenstände zum Förderband geleitet werden. Nach dem Vortrag des Beklagten soll durch diese Ausbildung verhindert werden, dass sich kugelförmige Gegenstände im Magazin stauen.

Aus der amerikanischen Patentschrift US 3 946 847 (Anlage K36) ist ein Golfballautomat (golf ball vendor) bekannt, der im Bereich eines Magazins (ball hopper 4) eine geneigte Bodenfläche (declining ramp 4) aufweist, auf der nebeneinander mehrere Trennwände (divider 11) angeordnet sind. Diese sorgen dafür, dass die Golfbälle in mehreren Reihen weitergeleitet werden (Spalte 2, Zeile 61 bis 66 der K36). Die Druckschrift weist den Fachmann darauf hin, dass in einem eine große Anzahl von Golfbällen enthaltenden Magazin die Anordnung von Schienen sinnvoll ist, um die Golfbälle geordnet in eine bestimmte Richtung zu lenken. Auch die Druckschriften K37, DE 38 89 445 T2, (vgl. insb. Anspruch 1) und K38, EP 0 281 540 B1, (Spalte 2, Zeilen 40 bis 46) zeigen, dass es am Prioritätstag des Streitpatents bekannt und durchaus üblich war, Schienen vorzusehen, um Golfbälle aufgereiht weiter zu leiten. Der Übertragung dieser Lehre auf eine vorbenutzte Golfballausgabemaschine hat daher nichts entgegengestanden.

4. Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist ebenfalls nicht gewährbar.

Gegenüber dem Hilfsantrag 2 weist Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 folgende zusätzliche Ausbildung des Zuführmagazins auf:

g1) Das Zuführmagazin ist im Wesentlichen genauso breit wie das Förderband (11) und der Boden des Magazins (10) weist die Form einer Zuführrampe auf.

Das Merkmal ist der Beschreibung zu entnehmen (Abs. [0009], Zeile 31 bis 34 der Streitpatentschrift). Die Klägerin hält diesen Anspruch für unzulässig erweitert, da nicht erkennbar sei, dass dieses Merkmal zur Erfindung gehöre. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Hilfsantrag 3 bildet das Zuführmagazin (10) weiter, das bereits in dem erteilten Anspruch 3 und damit auch im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 enthalten ist. Für den fachmännischen Leser der Patentschrift gehört die in Absatz 0009 beschriebene Ausbildung des Zuführmagazins zur Erfindung, da durch die Festlegung der Breite des Magazins die Zuführung der kugelförmigen Gegenstände zum Bandförderer verbessert wird.

Bei dem Merkmal, das Zuführmagazin im Wesentlichen genauso breit wie das Förderband auszubilden, handelt es sich um eine optimierende Maßnahme. Im Gegensatz zu einem Wendelförderer, der keine genaue Zuführung der Bälle erfordert, ist bei einem Förderband die Zuführung der Golfbälle hintereinander vorteilhaft, da lediglich ein Golfball in einem Abteil aufgenommen wird, das durch Querwände auf dem unterteilten Förderband gebildet ist. Dieser Sachverhalt ist dem Fachwissen des zuständigen Fachmanns zuzuordnen und kann daher eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Auch in der FR 2 173 425 (Anlage K4) ist diese nahe liegende Maßnahme in den Fig. 2a und 2b dargestellt.

Dass der Boden des Magazins (10) die Form einer Zuführrampe -d. h. einer geneigten Strecke zum Überwinden eines Höhenunterschiedes -aufweist, ergibt sich bereits aus dem Merkmal f1 in Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 und stellt demgemäß lediglich eine Wiederholung dieses Merkmals dar.

Zwar kann es für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit sprechen, wenn der Fachmann mehrere Schritte vollziehen musste, um den erfindungsgemäßen Gegenstand aufzufinden. Maßgebend ist aber, ob sich dem Fachmann Schwierigkeiten in den Weg gestellt haben, etwa weil für einen oder mehrere Schritte Alternativen bestanden, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Ist der entscheidende Schritt, hier die Verwendung einer Bandförderers, wie dargelegt aus dem Fachwissen bekannt, so kann allein aus dem Umstand, dass eine Mehrzahl von Schritten auszuführen war, um die Teile einer Gesamtvorrichtung aufeinander abzustimmen, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht hergeleitet werden, wenn es sich bei den weiteren Schritten um solche handelt, die der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens und Fachkönnens bewältigen kann (BGH Urt. v. 3. Mai 2006 -X ZR 24/03, GRUR 2006, 930 -Mikrotom; Urt. v. 17. September 2002 -X ZR 1/99, Mitt. 2003, 116 -Rührwerk).

4. Die Unteransprüche gemäß den Hauptund Hilfsanträgen weisen keinen eigenständig erfinderischen Gehalt auf. Ein solcher wurde von dem Beklagten auch nicht geltend gemacht.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG, § 709 Satz 1 ZPO.

Lutz Dr. Frowein Schuster Sandkämper Dr. Baumgart Pü






BPatG:
Urteil v. 08.10.2008
Az: 1 Ni 5/08


Link zum Urteil:
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