Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. Dezember 1997
Aktenzeichen: 6 U 96/97
(OLG Köln: Urteil v. 19.12.1997, Az.: 6 U 96/97)
Arzneimittel-Warnhinweis-VO Weist der Anbieter eines Arzneimittels (hier: Analgetikums) in seiner Werbung auf dessen Alkoholfreiheit hin, werden die angesprochenen Fachkreise hierin eine Besonderheit gegenüber dem -marktführenden- Konkurrenzprodukt mit identischem Wirkstoff aber Alkohol als Konservierungsmittel erblicken. Ein solcher -zutreffender- Hinweis auf fehlenden Alkohol in einem Arzneimittel ist wettbewerbsrechtlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn er im Rahmen einer Einführungswerbung für einen begrenzten Zeitraum in der Werbung graphisch herausgestellt wird.
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 29.04.1997 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 147/97 - teilweise abgeändert. Die einstweilige Verfügung (Beschlußverfügung) des Landgerichts Köln vom 21.02.1997 (31 O 147/97) wird zu Ziff. 1.d) aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung insoweit zurückgewiesen. Klarstellend wird festgestellt, daß die im Urteil des Landgerichts vom 29.04.1997 bestätigte Ziff. 1.b) der vorgenannten Beschlußverfügung gegenstandslos ist. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen zu 68 % die Antragstellerin und zu 32 % die Antragsgegnerin. Von den Kosten des Berufungsrechtsstreits tragen die Antragstellerin 88 % und die Antragsgegnerin 12 %.
Gründe
Nachdem die Parteien in der Berufungsverhandlung den
Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens zu Ziff. 1 b)
der Beschlußverfügung des Landgerichts vom 21.02.1997
übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war - abgesehen von den
Kosten dieses erledigten Verfügungsantrags - nur noch über das
Unterlassungsverlangen der Antragstellerin zu entscheiden, dem das
Landgericht mit dem Unterlassungsgebot in Ziff. 1 d) seiner
Beschlußverfügung entsprochen hat und das mit dem angefochtenen
Urteil bestätigt worden ist. Die - insgesamt - zulässige Berufung
der Antragsgegnerin wendet sich mit Erfolg gegen diesen
Unterlassungsantrag der Antragstellerin und führt zur Aufhebung der
Beschlußverfügung zu Ziff. 1 d) sowie zur Zurückweisung des diesem
Unterlassungsgebot zugrunde liegenden Verfügungsantrags.
Das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin zu 1.d) ist nicht
gem §§ 3 UWG, 3 HWG begründet, denn die Antragstellerin hat die von
ihr geltend gemachte Irreführung des Verkehrs durch die konkret
beanstandete Aufmachung für das Präparat "Tilidinr. plus" der
Antragsgegnerin mit der dort herausgestellten Angabe "Ohne Alkohol"
nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Es ist zwar mit der Antragstellerin davon auszugehen, daß ein
relevanter Teil der Àrzte und Apotheker bei der
streitgegenständlichen Aufmachung von "Tilidinr. plus" an das
Arzneimittel "Valoron N" der Antragstellerin denken wird, das auf
dem hier maßgeblichen medizinischen Bereich der stark wirkenden
Analgetika seit vielen Jahren der Marktführer ist und als
Haupt-Wirkstoff Tilidin enthält, also gerade den Wirkstoff, der im
Produktnamen der Antragsgegnerin genannt wird. Diese Fachkreise
werden folglich in der hervorgehobenen Angabe "Ohne Alkohol" für
"Tilidinr. plus" einen Hinweis auf eine Besonderheit sehen, die
dieses Arzneimittel von dem Produkt "Valoron N" der Antragstellerin
unterscheidet. Tatsächlich ist aber in "Tilidinr. plus", anders
als in "Valoron N", kein Alkohol enthalten. Da außerdem das Fehlen
von Alkohol bei Analgetika der hier in Rede stehenden Art keine
Selbstverständlichkeit darstellt, wie schon die Zusammensetzung von
"Valoron N" zeigt , kann es somit der Antragsgegnerin grundsätzlich
nicht verwehrt sein, den Verkehr darüber zu informieren, daß
"Tilidinr. plus" keinen Alkohol enthält.
Obwohl die Werbeangabe "Ohne Alkohol" danach inhaltlich richtig
und auch nicht als Bewerbung einer Selbstverständlichkeit zu
beanstandenden ist, wäre dennoch die Gefahr einer Irreführung des
angesprochenen Verkehrs im Sinne der §§ 3 UWG, 3 HWG gegeben, wenn
jedenfalls durch die konkrete Gestaltung dieser Ankündigung dem
umworbenen Publikum ein unzutreffender Eindruck von dem Produkt der
Antragsgegnerin vermittelt wird. Von einer derartigen
Irreführungsgefahr kann jedoch im vorliegenden Verfahren nicht
ausgegangen werden. Die Arzneimittel-Warnhinweisverordnung
(AMWarnV) vom 21. 12.1984 in der Fassung vom 23.09.1990, in der
sehr detailliert aufgeführt ist, bei welchem Alkoholgehalt von
Arzneimitteln in welcher Weise darauf hinzuweisen ist, macht
deutlich, daß der Gesetzgeber den Alkoholgehalt von Arzneimitteln
als bedeutsam ansieht, wobei § 3 der AMWarnV zugleich die
Risikogruppen nennt, die entsprechende Hinweise erforderlich
machen, nämlich u.a. die Leberkranken, Alkoholkranken, Schwangeren
und die Kinder. Zu berücksichtigen sind zudem diejenigen
Verkehrskreise, die, ohne daß sie zu den in der AMWarnV genannten
Risikogruppen gehören, keinen Alkohol zu sich nehmen wollen, weil
sie z.B. Alkohol selbst in geringen Mengen nicht vertragen oder
wegen der seit vielen Jahren in den Medien diskutierten Suchtgefahr
durch Alkohol jedweden Alkohol vermeiden wollen bzw. weil sie - wie
trockene Alkoholiker - evt. vorbeugend jedem noch so geringen
Risiko eines Rückfalls aus dem Weg gehen wollen, selbst wenn dieses
Risiko nur subjektiv in dem Bewußtsein besteht, mit einem
Arzneimittel eine wenn auch objektiv unbedenkliche Menge Alkohol zu
sich zu nehmen. Für alle diese Verkehrskreise stellt der Hinweis
auf einen Alkoholgehalt oder auf das Fehlen von Alkohol in einem
Arzneimittel eine bedeutsame Produktinformation dar. Dies gilt
insbesondere bei stark wirkenden Schmerzmitteln wie den Analgetika
der Parteien, die häufig regelmäßig und mit der Höchstdosis
eingenommen werden. Mit diesem Interesse des Verkehrs stimmt
überein, daß in den letzten Jahren vermehrt Produkte gerade auch im
Arzneimittelbereich auf den Markt kommen, die keinen Alkohol
enthalten und hierauf deutlich hinweisen, wie u.a. die von der
Antragsgegnerin zu den Akten gereichten Produktbeispiele
belegen.
Selbst wenn die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, daß sich
der Alkoholgehalt von "Valoron N" mit 0,0691 Gramm Alkohol pro
maximaler Einzeldosis an der unteren Grenze der (mit einem
Alkoholgehalt von 0,05 Gramm einsetzenden) Hinweispflicht nach der
AMWarnV befindet, ist dieser Alkoholgehalt von "Valoron N" dennoch
sowohl aus der Sicht des Gesetzgebers wie auch aus der Sicht des
umworbenen Verkehrs bedeutsam. Eine durch die beanstandete
Aufmachung von "Tilidinr. plus" wegen der dortigen Angabe "Ohne
Alkohol" veranlaßte Vorstellung des Verkehrs von einer Besonderheit
der Zusammensetzung des Produkts der Antragsgegnerin gegenüber dem
Produkt "Valoron N" der Antragstellerin kann deshalb nicht
ausreichen, um die von der Antragstellerin geltend gemachte
Irreführung des Verkehrs über einen dem Produkt "Tilidinr. plus"
gegenüber "Valoron N" nicht zukommenden Vorteil hinreichend
glaubhaft zu machen.
Soweit dennoch gewisse Zweifel verbleiben, ob nicht die
Antragsgegnerin wegen einer zu prominenten Herausstellung des
Hinweises "Ohne Alkohol" die Grenze zur unerlaubten, weil
irreführenden Werbung überschreitet, indem sie aus der Sicht des
Verkehrs für ihr Produkt eine Besonderheit gegenüber "Valoron N" in
Anspruch nimmt, die angesichts des geringen Alkoholgehalts von
"Valoron N" jedenfalls in dem vom Verkehr evt. vermuteten Umfang
nicht besteht, war zu beachten, daß es im Streitfall um die
Bewerbung eines neuen Produktes gegenüber dem Fachverkehr geht. In
dieser Einführungsphase mag entsprechend den Grundsätzen der
"Neuheitswerbung" (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht,
19. Aufl., § 3 UWG Rd. 398 m.w.N.) auch ein etwas prominenter
gestalteter Werbehinweis, der nach der Einführungsphase nicht mehr
zu tolerieren wäre, gem. §§ 3 UWG, 3 HWG nach der von diesen
Vorschriften geforderten Abwägung der sich gegenüber stehenden
Interessen der Parteien und des Verkehrs an einer zutreffenden
Unterrichtung nicht unlauter sein. Die Antragsgegnerin hat aber im
Berufungstermin erklärt, daß eine Fortsetzung der beanstandeten
Werbung nach Abschluß der Einführungsphase (ca. Juli 1998) nicht
beabsichtigt ist. Der Senat hat keine Zweifel an der
Ernsthaftigkeit dieser Erklärung, so daß unter Einbeziehung dieser
Àußerung der Antragsgegnerin ein gemäß §§ 3 UWG, 3 HWG unlauteres
Handeln der Antragsgegnerin im Sinne des Vortrags der
Antragstellerin um so weniger als hinreichend glaubhaft gemacht
angesehen werden kann. Daß die Werbung der Antragsgegnerin aus
anderen Gesichtspunkten wettbewerbswidrig ist, wird jedoch von der
Antragstellerin nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO.
Dabei entsprach es billigem Ermessen gem. § 91 a Abs. 1 ZPO, die
Kosten des im Berufungsverfahren von den Parteien übereinstimmend
für erledigt erklärten Unterlassungsantrags zu Ziff. 1 b) der
Antragsschrift (= Ziff. 1 b. der Beschlußverfügung des Landgerichts
vom 21.02.1997) der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Einer Begründung
dieser Entscheidung bedarf es hierzu nicht, da beide Parteien auf
eine solche Begründung verzichtet haben.
Das Urteil ist gem. § 545 Abs. 2 ZPO mit der Verkündung
rechtskräftig.
Der Streitwert in der Berufungsinstanz wird für den Antrag zu
Ziff. 1 d) auf 400.000 DM festgesetzt. Für den Antrag zu 1 b) wird
der Berufungsstreitwert bis zu dessen Erledigung im Berufungstermin
auf 100.000 DM festgesetzt; danach entspricht der Wert für den
Antrag zu 1 b) der Summe der bis dahin angefallenen gerichtlichen
und außergerichtlichen Kosten.
OLG Köln:
Urteil v. 19.12.1997
Az: 6 U 96/97
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