Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. November 2010
Aktenzeichen: 19 W (pat) 41/07
(BPatG: Beschluss v. 22.11.2010, Az.: 19 W (pat) 41/07)
Tenor
Der angefochtene Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02K des Deutschen Patentund Markenamtes vom 26. April 2007 wird aufgehoben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen erteilt: Patentansprüche 1 bis 6 sowie Beschreibungsseiten 2 und 3, wie überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibungsseite 2a vom 9. März 2007, übrige Beschreibungsseiten 1, 4 bis 6 sowie 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, vom Anmeldetag 29. März 2006.
Gründe
I.
Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H02K -hat die am 29. März 2006 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 26. April 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegendstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie beantragt:
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02K des Deutschen Patentund Markenamts vom 26. April 2007 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 6 sowie Beschreibungsseiten 2 und 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibungsseite 2a vom 9. März 2007, übrige Beschreibungsseiten 1, 4 bis 6 sowie 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, vom Anmeldetag 29. März 2006.
Der Anspruch 1 lautet (mit einer eingefügten Gliederung und der Korrektur des offensichtlichen Schreibfehlers "in Strangpressrichtung" in Merkmal b):
"Linearmotorgehäuse, dasa) ein quaderförmiges Aluminiumstrangpressteil (1) besitzt, welches innen hohl und an einer ersten Seite zur Aufnahme eines Primärteils (2) des Linearmotors offen ist, so dass ein Raum für das Primärteil (2) gebildet ist, b) an einer der ersten Seite gegenüberliegenden, zweiten Seite in Strangpressrichtung mindestens eine Nut (6) zur Befestigung an einem Maschinenteil aufweist, undc) mindestens eine in Strangpressrichtung verlaufende Kühlbohrung (5) besitzt, dadurch gekennzeichnet, dassd) eine Frontplatte (17) oder ein Lüfter (18) an einer der Stirnseiten des Aluminiumstrangpressteils (1) mit einer Buchse (20), d1) die an ihrer Außenseite flanschartig ausgestaltet istd2) und in ein Gewinde der Kühlmittelbohrung (5) geschraubt ist, befestigt ist, d3) an welche Buchse (20) nach außen hin ein Kühlmittelschlauch (19) angeschlossen ist, so dass durch die Buchse (20) in die Kühlbohrung Kühlmittel (5) einleitbar ist."
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.
1.
Die Anmeldung betrifft ein Linearmotorgehäuse, das für verschiedene Einsatzzwecke und Kühlarten geeignet sein soll. Dafür sieht der Senat einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik / Elektrische Maschinen oder auch Maschinenbau mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Linearmotoren als Fachmann.
2.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu (§ 3 PatG).
Die DE 103 20 553 A1 zeigt ein Gehäuse für einen Linearmotor, das sowohl für Luftkühlung, als auch für Wasserkühlung geeignet ist. Das Gehäuse ist dabei als Hohlkörper 2 ausgebildet und weist Ausnehmungen 6 für das Kühlmittel Luft auf (Abs. 0027). In einer ersten Variante sind Bohrungen 41 vorgesehen, die zur mechanischen Befestigung einer Frontplatte 8 oder einer Lüfteraufnahme 21 (Abs. 0036) durch Schrauben 7 dienen (Anspruch 8, Abs. 0035). Die Bohrungen 41 sind dann durch die Schrauben 7 verschlossen und können nicht als Kühlkanäle dienen. Bei der zweiten Variante "Wasserkühlung" dienen die Bohrungen 41 als Kühlkanäle (Anspruch 8). Dabei ist die Frontplatte 8 mit den Bohrungen 41 wasserdicht verbunden, und weist Anschlüsse für Wasserschläuche auf (Abs. 0041). Wie die Frontplatte in dieser Variante mit dem Gehäuse 2 verbunden ist, ist nicht ersichtlich. Jedenfalls können dafür nicht die Schrauben 7 gemäß Figuren 1 und 2 vorgesehen sein (Anspruch 8).
Bei den in der DE 103 20 553 A1 verwendeten Stranggussteile handelt es sich bei vorliegendem Einsatz nach Ansicht des Senats um fachnotorische Austauschmittel zu Strangpressteil. So ist mit den Worten des Anspruchs 1 damit bekannt ein:
"Linearmotorgehäuse 2, dasa) ein quaderförmiges Aluminiumstranggussteil (A14) besitzt, welches innen hohl und an einer ersten Seite zur Aufnahme eines Primärteils 42 des Linearmotors offen ist, so dass ein Raum für das Primärteil 42 gebildet ist (Fig. 4), b) an einer der ersten Seite gegenüberliegenden, zweiten Seite in Stranggussrichtung mindestens eine Nut 9, 64 zur Befestigung an einem Maschinenteil aufweist (Anspruch 13, Abs. 0026 Fig. 6), undc) mindestens eine in Stranggussrichtung verlaufende Kühlbohrung 41 besitzt (Anspruch 8), wobei in einer ersten Variante in teilweiser Übereinstimmung mit dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 (Unterschiede unterstrichen):
d) eine Frontplatte 8 oder ein Lüfter 22 an einer der Stirnseiten des Aluminiumstranggussteils 2 mit einer Schraube 7, d1) die an ihrer Außenseite (Schraubenkopf) flanschartig ausgestaltet istd2) die in ein Gewinde der Kühlmittelbohrung 41 geschraubt ist, befestigt ist (Abs. 0035, 0036, Anspruch 8), d3)teilw Daneben ist in einer zweiten Variante auch nach außen hin ein Kühlmittelschlauch angeschlossen, so dass durch die Frontplatte 8 in die Kühlbohrung 41 Kühlmittel einleitbar ist (Abs. 0041).
Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist keine Buchse mit Flansch vorgesehen, die sowohl die Befestigung der Frontplatte nach Merkmal d) bis d2) als auch die Durchleitung von Kühlwasser nach Merkmal d3) erlaubt.
Die Patentschrift DE 851 091 zeigt eine Vorrichtung, die die Übertragung von Kühlflüssigkeit auf eine rotierende Hohlwelle erlaubt (S. 2, Z. 1 bis 10). In der Figur ist eine Anschlusshülse zum Anschluss der Zuleitung 11 gezeigt. Sie ist mit einem Sechskant versehen, was den Fachmann auf ein nicht beschriebenes Gewinde schließen lässt. Die Anschlusshülse reicht durch die Bohrung eines äußeren Ringkörpers 9 in die Bohrung eines dazu konzentrischen inneren Ringkörpers 8 (S. 2 Z. 47 bis 56). Damit ist der äußere Ringkörper 9 über die Hülse mit dem inneren Ringkörper 8 verbunden. Dieser Umstand ist nur der Zeichnung, nicht der Beschreibung entnehmbar. Weitere Übereinstimmungen mit Merkmalen des Anspruchs 1, insbesondere den Merkmalen a) bis c) sind in dieser Schrift nicht ersichtlich.
Die weiteren noch im Verfahren befindlichen Druckschriften wurden in der mündlichen Verhandlung weder vom Senat noch von den Beteiligten aufgegriffen. Sie bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie nicht eingegangen zu werden braucht.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG).
Ausgehend von der Vorrichtung nach der DE 103 20 553 A1 steht der Fachmann vor dem Problem, wie er die nicht beschriebene wasserdichte Verbindung von Frontplatte 8 und Gehäuse 2 realisieren soll. Die Schrauben 7 in den Bohrungen sind für diese Variante nicht vorgesehen, denn sie würden die Bohrungen 41 verschließen. Dass nur eine oder wenige der Bohrungen 41 zur Kühlung verwendet, und die anderen zur Befestigung verwendet werden, wie die Anmelderin meint, hält der Senat für wenig realistisch. Das Gehäuse 2 weist aber zahlreiche Nuten 9, 10, 64 auf, die sich für eine Befestigung über Dübel, Klemmkeile oder ähnliches anbieten.
Die Lösung, die Schrauben 7 mit einer Bohrung zu versehen, und als Hülsen zum Anschluss der Schläuche zu benutzen, erscheint nur in der Rückschau in Kenntnis der Erfindung sehr einfach. Denn der Anspruch 8 und der Absatz 0041 der DE 103 20 553 A1 zeigen in eine andere Richtung. Dort wird für die zweite Variante "Wasserkühlung" auf eine mechanische Befestigung über die Bohrungen 41 (und die Schrauben 7) verzichtet, und das Wasser in die Frontplatte eingeleitet, die ihrerseits die Anschlüsse für die Schläuche aufweist. Auch wenn der Fachmann aus der DE 851 091 die Befestigung des Ringkörpers 9 an dem Ringkörper 8 durch eine Schraubhülse erschließen könnte, so hätte er keinen Anlass, sie zur Lösung seines Problems heranzuziehen, denn das Problem besteht nicht in der Realisierung des Wasseranschlusses (nach Abs. 0041 der DE 103 20 553 A1 bereits an der Frontplatte 8 vorhanden), sondern in der Befestigung der Frontplatte am Gehäuse. Die Lösung eines solchen Problems sucht der Fachmann nicht bei Vorrichtungen zur Übertragung von Kühlwasser auf eine rotierende Welle.
Auch wenn man dem Fachmann die Kenntnis von Schraubhülsen für den Wasseranschluss als Fachwissen unterstellt, so gibt es keine Anhaltspunkte dafür dass diese zur Befestigung weiterer Teile herangezogen werden. Die DE 851 091 taugt diesbezüglich für sich allein nicht zum Beleg des Fachwissens.
Der Erfinder hat in Abkehr von den sich hinsichtlich Befestigung oder Kühlung ausschließenden beiden Varianten nach Anspruch 8 der DE 103 20 553 A1 erkannt, dass er die Bohrungen 41 auch dann zusätzlich zur Befestigung der Frontplatte nutzen kann, wenn sie Kühlwasser führen. Der Einsatz einer Schraubhülse mit Flansch sowohl zum Kühlwasseranschluss als auch zur Befestigung der Frontplatte bedurfte somit erfinderischer Überlegungen.
4. Damit ist der Anspruch 1 sowie die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 patentfähig.
Bertl Dr. Kaminski Kirschneck Dr. Scholz Pü
BPatG:
Beschluss v. 22.11.2010
Az: 19 W (pat) 41/07
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