Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. April 2001
Aktenzeichen: 6 W (pat) 5/01
(BPatG: Beschluss v. 24.04.2001, Az.: 6 W (pat) 5/01)
Tenor
Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Erteilung des Patents auf die am 2. April 1993 eingereichte Patentanmeldung ist am 21. November 1996 veröffentlicht worden.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"Markise mit einem Markisentuch aus Polyolefingarn, das gegebenenfalls übliche Zusätze enthält, dadurch gekennzeichnet, daß das Polyolefingarn ein homogen gemischtes Garn aus feintitrigen Polypropylenfasern mit einem Titer von 1,7 bis 2,8 dtex und feintitrigen Polyethylenfasern mit einem Titer von 4 dtex oder weniger ist und die Markise einer Wärmebehandlung oberhalb des Schmelzpunktes der Polyethylenfasern unterworfen worden ist."
Zur Fassung der erteilten Patentansprüche 2 und 3, die auf den Patentanspruch 1 rückbezogen sind, wird auf die Patentschrift 43 10 771 verwiesen.
Nach Prüfung eines Einspruchs hat die Patentabteilung 25 des Deutschen Patentund Markenamts durch Beschluß vom 10. Dezember 1998 das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten.
Gegen diesen Beschluß hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt.
Die Einsprechende trägt vor, daß die Lehre nach dem Patentanspruch 1 für den Fachmann bei Einbezug seines Fachwissens der als die ursprünglichen Anmeldeunterlagen wiedergebenden DE 43 01 166 A1 nachveröffentlichten Anmeldung mit älterem Zeitrang, nachfolgend ältere Anmeldung D1 genannt, neuheitsschädlich zu entnehmen sei. Zum Beleg des Fachwissens verweist die Einsprechende auf Anlage D2 Prospekt der Fa. Bayer AG aus dem Jahr 1980 mit dem Titel "Markisenstoffe aus Bayer-Textilfaser Dralon¨;
Anlage D3 Farbkarte der Fa. Spinnerei Lampertsmühle AG vom 3. Mai 1985 mit dem Titel "Dralon Markisengarne";
Anlage D4 Farbkarte der Fa. Realisation Sartellys aus dem Jahr 1988;
Anlage D5 Schreiben der Fa. Bayer AG vom 12.6.1991 betreffend "Markisenstoffe aus Bayer-Textilfaser Dralon" einschließlich der Seiten 15 und 20;
Anlage D6 Angebot der Fa. Möllner Textilvertrieb GmbH vom 28.03.1990 für Markisen-Garn;
Anlage D7 H.-G. Elias, Makromoleküle, Bd 2, Technologie, 5. Auflage, 1992, Hüthig und Wepf Verlag, Seite 507;
Anlage D8 C. Schmidt, Die Markise, Kleffmann Verlag, Bochum 1988, 1. Auflage, Seite 23;
Anlage D9 Rahmenlizenzunterlagen Nr 9322 der Firma Bayer zu Dralon-Markisenstoff vom 15.5.1979.
Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Patentinhaber, der schriftsätzlich mitgeteilt hat, daß er an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen und auch nicht vertreten sein werde, hat schriftsätzlich beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Prüfungsverfahren vor der Patenterteilung sind noch die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:
DE 36 23 997 A1, DE 28 51 586 A1 und DE 26 34 091 A1.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Patent 43 10 771 hat im Umfang der erteilten Patentansprüche Bestand.
1. Das Patent betrifft eine Markise mit einem Markisentuch aus Polyolefingarn. Nach der Beschreibungseinleitung der Patentschrift wird insbesondere bei im Außenbereich eingesetzten Geweben für Markisen zur Erzielung der nötigen Gebrauchseigenschaften ua eine Steifgriffausrüstung verwendet. Diese Art Ausrüstung finde derzeit überwiegend bei Geweben aus Polyacrylnitril, Polyester und auch bei Baumwollfasern statt und bestehe überwiegend aus Melaminharzen. Der Nachteil dieser Ausrüstung wird in einer geringen Wetterbeständigkeit, einer Erhöhung des Schreibeffekts und einer erhöhten Umweltbelastung beim Aufbringen dieser Ausrüstung gesehen.
Von daher besteht das dem Patentgegenstand zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem darin, gegenüber dem Stand der Technik verbesserte Markisen zu schaffen, die eine große Wetterbeständigkeit, einen geringeren oder gar keinen Schreibeffekt und den erforderlichen steifen Griff aufweisen, gleichzeitig aber in solcher Weise hergestellt werden können, daß die Umwelt in bezug auf Abwasser und Entsorgung vollkommen unbelastet bleibt.
Dieses technische Problem wird durch die insgesamt im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale und Maßnahmen gelöst.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist patentfähig.
Die gewerblich anwendbare Markise nach dem Patentanspruch 1 ist in der Gesamtheit der in diesem Patentanspruch angegebenen Merkmale und Maßnahmen aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften, einschließlich der älteren Anmeldung D1, zu entnehmen und somit neu.
So unterscheidet sich die Markise nach dem Patentanspruch 1 von dem Gegenstand, der der als deutsche Offenlegungsschrift DE 43 01 166 A1 nachveröffentlichten Patentanmeldung mit älterem Zeitrang (D1) für den Fachmann als offenbart anzunehmen ist, dadurch, daß das Polyolefingarn ein homogen gemischtes Garn aus feintitrigen Polypropylenfasern, nachfolgend PP-Fasern genannt, und aus feintitrigen Polyethylenfasern, nachfolgend PE-Fasern genannt, ist.
Der älteren Anmeldung D1 ist im relevanten Umfang nämlich nur zu entnehmen, (vgl insbes die Zusammenfassung, die Patentansprüche 1, 4, 5 und 17 sowie die Ausführungen zu Beispiel 1, Seite 4, Zeilen 35 - 47), daß ein textiles Flächengebilde für Markisen aus einem Polyolefingarn hergestellt wird, bestehend aus PP-Matrix-Fasern bzw PP-Fasergarn und aus PE-Schmelz-Fasergarn, wobei die Fasern zu einem Garn versponnen werden bzw ein Mischzwirn aus dem PP-Fasergarn und dem PE-Fasergarn hergestellt wird.
Dem Fachmann, einem Fachhochschulingenieur für Textiltechnik befaßt mit der Herstellung von textilem Markisentuch, kann in Anbetracht der von der Einsprechenden genannten Anlagen D2 bis D8, deren Vorveröffentlichung vorausgesetzt, als Fachwissen zugerechnet werden, daß "Zwirn" ein durch Zusammendrehen von mindestens zwei Garnen hergestellter Faden ist, vgl Brockhaus Enzyklopädie, daß "Garne" durch Verspinnen von bspw Chemiefasern und -fäden hergestellte kontinuierliche Strands in Form kompakter Bündel, dh mehr oder weniger gedrehte Textilfäden sind, daß Spinnfasern mit einem Bereich von 0,1 bis 40 dtex zu Spinnfasergarnen versponnen werden, daß auf dem Markisensektor durch Ausspinnen gewonnene Polyacrylnitril-Fasern bzw aus der Bayer-Textilfaser Dralon hergestellte Acryl-Garne mit einem Faser-Titer von 1,6 bis über 3 sowie PP-Garne mit 2,8 dtex zur Verwendung kommen.
Selbst bei einem Einbezug eines derartigen Fachwissens offenbart die ältere Anmeldung D2 dem Fachmann auf dem Gebiet für Markisentücher nicht die Herstellung und Verwendung eines Polyolefingarnes aus einer homogenen Mischung, dh einer optimalen Vermischung durch Verteilung der Fasern, von einzelnen PP- und PE-Fasern im jeweilig angegebenen Titerbereich.
Die weiterhin zum Stand der Technik genannten und in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffenen deutschen Offenlegungsschriften 36 23 997, 28 51 586 und 26 34 091, denen ein Polyolefingarn aus einer homogenen Mischung aus PP- und PE-Fasern ebenfalls nicht zu entnehmen ist, vermögen dem Gegenstand des PA1 die Neuheit ebenfalls nicht zu nehmen.
b) Die Markise nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die ältere Anmeldung hat bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gem PatG § 4, Satz 2 außer Betracht zu bleiben.
Nach den Anlagen D2 bis D6 und D8 werden Markisenstoffe hergestellt aus Acryl-Garnen oder -Geweben mit einem Faser-Titer, dh einer Faserfeinheit, von 1,5 bis 3,0 dtex oder aus einem PP-Garn mit 2,8 dtex. Nach der Anlage D7 werden Spinnfasern mit einem Bereich von 0,1 bis 40 dtex zu Spinnfasergarnen durch Verdrehen versponnen. Nach der DE 36 23 997 A1 wird einem Polyacryl-Gewebe für Markisen als Mittel zur Verbesserung u.a. der Griffsteifigkeit ein homopolymeres Polyvinylacetat und ggf. ein Epoxydharz zugegeben. Zur Versteifung von textilen Stoffen für Wäsche-, Bekleidungsteile o.dgl. wird nach der DE 2 851 586 A1 ein Gespinst verwendet, das aus einer äußeren Spinnlage aus einer Natur-Baumwoll-Faser und einer inneren Seele aus versponnenen PP- und PE-Fasern besteht, wobei die Versteifung durch eine Wärmeeinwirkung auf das Garn erfolgen kann (vgl handschriftlich Seite 3, Absatz 3 der Druckschrift). Nach der DE 26 34 091 A1 wird zur Verbesserung der Florfestigkeit eines Florgewebes ein textiles Kettgarn mit einem Anteil einer niedrig schmelzenden Synthetikfaser, beispielsweise aus PE oder PP, mit einer anschließenden Wärmebehandlung des Garnes (vgl Patentansprüche 3, 4 und 7 dieser Druckschrift) vorgeschlagen. Allen drei zuvor genannten Offenlegungsschriften sind jeweils keine Angaben bezüglich der verwendeten Faser-Feinheit zu entnehmen. Zusammenfassend ist diesem als bekannt angesehenen Stand der Technik somit nur das Ausspinnen von feintitrigen Fasern mit 1,5 bis 3,0 dtex bestehend aus einem einheitlichen Material oder das Verspinnen von zwei PP- und PE-Fäden zu einer inhomogenen Seele bzw Garn aus wärmehärtbarem Kunststoff mit einer äußeren Spinnlage höherer Wärmefestigkeit als die der Seele zu entnehmen. Dieser Stand der Technik kann den sein Fachwissen einsetzenden Fachmann mangels eines geeigneten Hinweises jedoch nicht dazu anregen, bei einem Markisentuch aus Polyolefingarn zur Verbesserung der Griffsteifigkeit und der Wetterbeständigkeit sowie zur Verringerung des Schreibeffektes ein Polyolefingarn aus einer homogenen Mischung von PP- und PE-Fasern mit den mit einer Ausnahme (D6) nur für Acryl-Fasern (D3 - 5, D8 und D9) an sich bekannten engen Titer-Bereichen vorzusehen, das anschließend einer an sich bekannten Wärmebehandlung unterworfen wird. Eine andere Beurteilung könnte nur auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtungweise aus der Kenntnis des Patentgegenstandes heraus beruhen.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich der Vorveröffentlichung bzw öffentlichen Zugänglichkeit der von der Einsprechenden als Anlagen D3, D5, D6 und D9 vorgelegten Schriftstücke nachzugehen.
4. Die auf den Patentanspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 betreffen zweckmäßige und nicht selbstverständliche Ausgestaltungen der Markise nach dem Patentanspruch 1. Sie haben in Verbindung mit dem Patentanspruch 1 Bestand.
Rübel Heyne Riegler Trüstedt Cl
BPatG:
Beschluss v. 24.04.2001
Az: 6 W (pat) 5/01
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