Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. September 2010
Aktenzeichen: I-6 U 135/09
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 23.09.2010, Az.: I-6 U 135/09)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13. August 2009 verkündete Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Der klagende Wettbewerbsverein nimmt die Beklagte, die ihren Sitz in den Niederlanden hat und in Deutschland verschiedene Nahrungsergänzungsmittel im Wege des Tele-Shopping über den Fernsehsender E. vertreibt, auf Unterlassung von ihrer Ansicht nach unzulässigen und irreführenden Werbeaussagen in Anspruch.
Gegenstand der Klage ist zum einen die Äußerung einer Zuschauerin in der Dauerwerbesendung "F." vom 06. April 2008 von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr, in der diese das Produkt "G." mit den Worten
"G. kann ich nur hervorheben. Ich hatte mal so einen ganz aktiven Vorfall, Arthritis im Daumengrundgelenk. Seitdem ich das nehme, also wunderbar, wunderbar (...)"
gelobt und sich der im Studio anwesende Geschäftsführer der Beklagten davon nicht hinreichend eindeutig distanziert haben soll, sowie zum anderen eine Aussage der Moderatorin in der Sendung "F." vom 20. April 02008 von 11.00 Uhr bis 13.00 Uhr, in der diese das Produkt "H." - unstreitig - mit den Worten
"Die unterstützen Ihre Gedächtnisleistung."
angepriesen hat.
Durch das angefochtene Urteil, auf das wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes der ersten Instanz und wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Beklagten antragsgemäß untersagt, im geschäftlichen Verkehr für Produkte der Marke "J." auf dem deutschen Markt mit den beiden streitgegenständlichen Aussagen zu werben und die Beklagte insoweit im Wege des (allerdings im Rubrum nicht ausdrücklich ausgewiesenen) Teilanerkenntnisurteils - außerdem verurteilt, an die Klägerin eine Abmahnkostenpauschale in Höhe von 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2009 zu zahlen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie macht geltend:
Das Landgericht hätte die Klage - soweit sie das Klagebegehren nicht teilweise anerkannt habe - bereits wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses zurückweisen müssen. Die von ihr mit Schreiben vom 31. Juli 2008 (Anlage K 4) bereits vorprozessual abgegebene Unterlassungserklärung habe die Gefahr einer möglichen Wiederholung der beanstandeten Äußerungen entfallen lassen. Die Bedenken des Landgerichts im Hinblick auf den in dieser Unterlassungserklärung enthaltenen Vorbehalt einer künftigen Änderung der Rechtslage oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien nicht gerechtfertigt. Eine auflösende Bedingung dieses Inhalts sei allgemein üblich und nicht zu beanstanden. Sie entspreche der materiellen Rechtslage und spiegele nur die ohnehin jederzeit bestehende Möglichkeit wider, dass die derzeitige Geschäftsgrundlage der Unterlassungserklärung entfallen könne.
Darüber hinaus sei die Klage auch jedenfalls im Hinblick auf die Äußerung über das Produkt "G." in der Sache nicht begründet, denn sie müsse sich den Inhalt des Anrufes der Zuschauerin nicht als eigene Werbeaussage zurechnen lassen. Ihr Geschäftsführer habe der Anruferin sofort ausdrücklich widersprochen und noch während der laufenden Sendung unmittelbar klargestellt, dass natürlich das Produkt "G." nicht gegen eine Arthritis wirken könne, zumal es ja auch ein Lebensmittel und kein Arzneimittel sei. Dieses Verhalten habe er auch schon in der ersten Instanz durch die Inaugenscheinnahme eines Mitschnittes der Sendung unter Beweis gestellt. Darüber habe das Landgericht nicht einfach hinweggehen und ihm die Möglichkeit des Nachweises der Distanzierung von der beanstandeten Äußerung von vornherein abschneiden dürfen. Eine unterschiedslose Zurechnung jeglicher Äußerungen von Dritten wie in der hier beanstandeten Situation werde dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 Nr. 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegegenstände und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) nicht gerecht und verkenne das gebotene Verständnis dieser Vorschrift sowohl unter dem Blickwinkel des nationalen wie auch demjenigen des europäischen Rechts.
Die Äußerung über die "L.-Kapseln" verstoße zwar unbestritten gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB, weil der wissenschaftliche Nachweis einer Wirksamkeit der Kapseln derzeit noch nicht für alle Bevölkerungsgruppen erbracht sei. Die vom Landgericht vorgenommene Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9, sog. "Health-Claims-Verordnung", HCVO) auf diese Äußerung durch das Landgericht stelle jedoch einen groben Rechtsfehler dar. Die Beurteilung einer möglichen Gefahr der Irreführung nach den Maßstäben dieser Vorschrift sei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorbehalten, in deren Entscheidungshoheit die nationalen Gerichte nicht eingreifen dürften.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, soweit diese nicht im Hinblick auf die Verpflichtung zur Zahlung der vorgerichtlichen Auslagen der Klägerin in Höhe von 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Januar 2009 teilweise anerkannt worden sei.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die dagegen erhobenen Berufungsangriffe gingen fehl. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine auflösende Bedingung in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungserklärungen mehrheitlich jedenfalls dann als zulässig angesehen werde, wenn sie nur darauf gerichtet sei, den Inhalt der Erklärung der materiellen Rechtslage anzupassen. Die Unzulässigkeit der beanstandeten Erklärung ergebe sich unter dem von einer möglichen Berücksichtigung der materiellen Rechtslage völlig unabhängigen Gesichtspunkt ihrer mangelnden Bestimmtheit. Die gewählte Formulierung lasse nicht ausreichend konkret erkennen, bei welchen künftigen Änderungen der Sach- und Rechtslage die auflösende Bedingung als eingetreten gelten solle. Die weite Fassung der Erklärung führe dazu, dass der Beklagten auch die Möglichkeit von nicht sachgerechten Einwendungen eröffnet werde, die mit dem Unterlassungsanspruch überhaupt nicht im Zusammenhang stünden.
Der mit der Klage geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei auch in Bezug auf die Äußerung über das Produkt "G." in der Sache gerechtfertigt. Die Behauptung der Beklagten, sie habe sich von dieser Äußerung distanziert, sei nicht ausreichend substantiiert. Der Zeitpunkt und die genaue Wortwahl bei der angeblichen Äußerung ihres Geschäftsführers zu dieser Frage würden nicht mitgeteilt. Dem angebotenen Beweis durch die Inaugenscheinnahme des Mitschnitts der E-Werbesendung vom 06. April 2008 sei nicht nachzugehen, da er nur der unzulässigen Ausforschung diene. Die Beurteilung der Äußerung über die "L.-Kapseln" durch das Landgericht anhand der HCVO sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Jedenfalls bis zur Verabschiedung der geplanten europäischen Liste über die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Aussagen richte sich die Zulässigkeit derartiger Aussagen nach den Art. 5 und 6 HVCO und es sei die ureigenste Aufgabe auch der nationalen Gerichte diese Vorschriften als geltendes Recht zur Anwendung zu bringen.
Nur vorsorglich sei schließlich darauf hinzuweisen, dass das von der Beklagten vorprozessual abgegebene Unterlassungsversprechen in Bezug auf die Äußerung über die "H." sich auch deshalb als ungeeignet erweise, weil die Beklagte sich nur verpflichtet habe, nicht mehr mit der "uneingeschränkten" Aussage zu werben, dass die streitigen Kapseln die Gedächtnisleistung unterstützten. Auch diese Formulierung sei wiederum viel zu abstrakt und lasse befürchten, dass es die Beklagte in Wirklichkeit nur darauf anlege, den ihm - dem Kläger - von Rechts wegen zustehenden Unterlassungsanspruch durch die spätere Erhebung nicht sachgerechter Einwendungen zu unterlaufen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch die auszugsweise Inaugenscheinnahme der Fernsehsendung vom 06. April 2008, in der die streitige Äußerung über das Produkt "G." gefallen ist.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
II.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Die - von Amts wegen zu prüfende (BGH GRUR 2007, 610 = juris Rn 14; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 8 UWG Rn 3.9 m.w.N.) - Prozessführungsbefugnis des Klägers ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Sie ist von verschiedenen Oberlandesgerichten - siehe zuletzt z.B. KG MD 2010, 154 ff. = juris Rn 23 - wiederholt bejaht worden und wird von der Beklagten zwar grundsätzlich bezweifelt, aber jedenfalls für das vorliegende Verfahren ohne die Erhebung konkreter Einwendungen hingenommen.
Auf die in dem angefochtenen Urteil genannte Vorschrift des § 13 Abs. 5 Nr. 2 UKlaG kommt es allerdings nicht an. Sie ist im übrigen durch das "Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht" vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355) mit Wirkung zum 31. Oktober 2009 mittlerweile ersatzlos aufgehoben worden. Das Gleiche gilt auch für die von dem Kläger selbst in diesem Zusammenhang ebenfalls genannte Vorschrift des § 1 Nr. 4 UKlaV, aus der die Klagebefugnis außerdem auch schon vor ihrer Aufhebung durch das genannte Gesetz zu keiner Zeit abgeleitet werden konnte (BGH WRP 2007, 1088 = juris Rn 10 m.w.N.; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Auflage, § 8 Rn 3.30).
b) Für die Klage besteht auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die in diesem Zusammenhang zwischen den Parteien streitige Frage, ob die grundsätzlich zu vermutende Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die Verwendung der von dem Kläger beanstandeten Werbeaussagen durch die Abgabe der vorprozessualen Unterlassungserklärung vom 31. Juli 2008 (Anlage K 4) entfallen ist, betrifft ausschließlich die Begründetheit der Klage. Für die Zulässigkeit der Klage reicht es schon aus, dass über das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs zwischen den Parteien Streit besteht, weil die Klägerin das Bestehen einer von der Beklagten in Abrede gestellten Wiederholungsgefahr zumindest behauptet (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rn 1.13 und § 12 UWG Rn 2.15 m.w.N.).
2. Die Klage ist auch begründet.
a) Der Kläger kann von der Beklagten die Unterlassung der Äußerung vom 06. April 2008 zu dem Produkt "G." verlangen. Ihr dahingehender Anspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (jeweils a.F. = n.F.) i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juli 2009 (BGBl. I S. 2205).
aa) Die Rechtmäßigkeit der streitigen Wettbewerbshandlungen ist nach deutschem Recht zu beurteilen. Maßgeblich ist nach dem Marktortprinzip (vgl. Art. 40 Abs. 1 EGBGB) das Recht des Ortes, an dem auf die Entschließung der Verbraucher eingewirkt worden ist (Köhler/Bornkamm, a.a.O., Einl. Rn 5.5 f.) Da die Wettbewerbshandlungen vor dem 11. Januar 2009 vorgenommen wurden, kommt es auf die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ("Rom II-VO") nicht an, vgl. Art. 31 f. Rom II-VO.
bb) Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 LFGB ist auch nach dem am 01. Juli 2007 erfolgten Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (sog. "Health Claims-Verordnung" = HCVO), die in Art. 14 unter anderem auch die Zulässigkeit von Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos regelt, weiterhin anwendbar. Denn auch Art. 14 Abs. 1 HCVO erlaubt Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos nur "ungeachtet des Art. 2 Abs. 1 b) der Richtlinie 2000/13/EG" (sog. "Etikettierungs-Richtlinie"), die ihrerseits durch § 12 Abs. 1 LFGB im deutschen Recht auf nationaler Ebene umgesetzt worden ist. Bei systematischer Auslegung des Art. 14 HCVO verbleibt es daher auch nach dem Inkrafttreten der HCVO bei den weitgehenden Verboten einer krankheitsbezogenen Werbung in § 12 LFGB, es sei denn, eine nach dieser Vorschrift unzulässige Werbeaussage ist nach Maßgabe der dafür in der HCVO augestellten Voraussetzungen ausdrücklich zugelassen (KG MD 2010, 154 = juris Rn 65; Meisterernst/Haber, WRB 2007, 363, 380). Dass dies hier der Fall ist, macht die Beklagte aber noch nicht einmal selbst geltend.
cc) Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 4 LFGB liegen ohne weiteres vor. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Äußerung der Zuschauerin über das Produkt "G." in einer Werbesendung der Beklagten gefallen ist und dass sie eine krankheitsbezogene Äußerung über ein Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) im Sinne dieser Vorschrift beinhaltet.
dd) Die streitgegenständliche Äußerung der Zuschauerin ist im Rahmen der Werbesendung auch von der Beklagten selbst im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 4 LFGB "verwendet" worden.
(1) Der Begriff der "Verwendung" gesundheitsbezogener Äußerungen Dritter im Bereich der Werbung für Lebensmittel setzt nicht voraus, dass sich der Werbende deren Aussageinhalt zu eigen macht. Es reicht vielmehr aus, dass solche zur Werbung geeigneten Äußerungen Dritter im Rahmen einer Werbung unmittelbar wiedergegeben oder zitiert werden oder dass auch nur auf sie hingewiesen wird, wenn die Äußerungen in einer Weise mit der Werbung verbunden sind oder werden, dass aus der Sicht des Verbrauchers ernsthaft der Eindruck entstehen kann, das gerade beworbene Mittel könne die von dem Dritten angesprochene Krankheit verhüten oder zumindest lindern. Auch dann besteht nämlich die Gefahr, dass der Selbstmedikation Vorschub geleistet wird, was durch § 12 Abs. 1 LFGB gerade verhindert werden soll (BGH GRUR 1998, 493 = juris Rn 16 "Gelenk-Nahrung"). Dabei ist es nicht entscheidend, ob der Werbende bei der Verwendung der Drittaussagen geplant und zielgerichtet vorgeht. Eine Wertung oder Einordnung der Äußerung braucht der Werbende selbst dabei nicht vorzunehmen; er braucht sogar unter Umständen überhaupt nicht aktiv zu werden. Im Rahmen einer Fernsehsendung mit Zuschauerbeteiligung kann es bereits genügen, wenn der Werbende es geduldet hat, dass im Rahmen einer reklamehaften Anpreisung seiner Produkte in dieser Sendung Werbeaussagen von anrufenden Zuschauern so einbezogen werden, dass bei den zuschauenden Verbrauchern der Eindruck entsteht, diese Werbeaussaussagen seien Teil der zu vermittelnden Werbeinformation (KG MD 2010, 154 = juris Rn 48; OLG Hamm, OLReport 2006, 52 = juris Rn 33 f.; OLG Hamm, Urt. vom 24. Oktober 2006 - 4 U 8/06 - = juris Rn 175; OLG Düsseldorf, MD 2008, 359, 360 = juris Rn 45 ff.).
(2) Das Sendeformat der streitigen Werbesendung war von vornherein darauf angelegt, Zuschauer auch zu krankheitsbezogenen telefonischen Äußerungen der hier in Frage stehenden Art zu bewegen. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Anrufe von Zuschauern im Verlaufe der Sendung gerade erwünscht sind und zum Konzept der Sendung gehören. Kommt es zu einem solchen Anruf, dann liegt es aber bei einer Sendung über ein Nahrungsergänzungsmittel - wie hier dem Produkt "G." - in der Natur der Sache, dass ein Mitteilungsbedürfnis des Anrufenden häufig gerade auch dann gegeben ist, wenn er glaubt, mit dem beworbenen Produkt besondere Erfahrungen bei der Beseitigung oder der Linderung einer Erkrankung zu verbinden (KG MD 2010, 154 = juris Rn 51).
Unter den gegebenen Umständen haben die Veranstalter der Werbesendung durch die Einbeziehung der Telefonanrufe in ihr Sendekonzept daher wettbewerbsrechtlich eine Gefahrenquelle eröffnet. Es oblag ihnen daher im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht (BGH GRUR 2007, 890 = juris Rn 22 ff., 36 ff. "Jugendgefährdende Medien bei EBay"; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rn 2.16) etwaigen krankheitsbezogenen Äußerungen der Zuschauer in aktiver Weise wirksam entgegen zu treten (KG MD 2010, 154 = juris Rn 52). Hierzu ist es notwendig, dass sich die für die Sendung Verantwortlichen in jedem Einzelfall ausdrücklich, unmissverständlich und ernsthaft von den problematischen Äußerungen distanzieren, und zwar ohne jeden verharmlosenden Zusatz. Dabei muss zum Ausdruck kommen, dass sie sich mit ihrer Distanzierung nicht nur einem formaljuristischen Verbot beugen, sondern sie müssen aus eigenem Wissen und Wollen den Krankheitsbezug in Abrede stellen. Widerspräche dies ihrer eigenen Überzeugung, dann müsste ggf. das Konzept der Sendung verändert werden, zumindest durch eine hinreichende zeitliche Verzögerung der Ausstrahlung, um krankheitsbezogene Äußerungen von anrufenden Zuschauern von vornherein ausscheiden zu können. Darüber hinaus müssen anrufende Zuschauer sofort unterbrochen werden, sobald ein Krankheitsbezug der Äußerung erkennbar wird. Dies mag unhöflich erscheinen und im Hinblick auf die Werbewirkung der Sendung für die Veranstalter unerwünscht sein. Das muss aber im Zusammenhang mit der Verhinderung von Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften letztlich in Kauf genommen werden (KG MD 2010, 154 = juris Rn 55).
(3) Den sich daraus ergebenden Erfordernissen ist der Geschäftsführer der Beklagten in der Werbesendung vom 06. April 2008 nicht ausreichend gerecht geworden.
(a) Wie die Inaugenscheinnahme der streitigen Passage aus dieser Werbesendung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, ist er der Äußerung der Zuschauerin Frau K. schon nicht unverzüglich entgegen getreten, als diese das Gespräch auf den Arthritis-Vorfall an ihrem Daumengrundgelenk brachte, sondern hat diese zunächst weiter reden und auf die "wunderbare" Wirkung der G.-Kapseln verweisen lassen, obwohl bereits nach der Erwähnung des Arthritis-Vorfalles klar war, dass die Zuschauerin zu einer krankheitsbezogenen Aussage über das Produkt G. ansetzte. Auf diese Weise hat er dafür gesorgt, dass diese Äußerung ihre volle Wirkung bei den Zuschauern der Sendung zunächst einmal ungehindert von seinem anschließenden Kommentar zu dieser Äußerung entfalten konnte.
(b) Durch seine anschließende Äußerung
"Frau K., sie wissen ja, wir dürfen in Deutschland nichts sagen, wenn es darum geht gesundheitsfördernde Aussagen ... , deshalb muss ich an dieser Stelle Folgendes sagen: Selbstverständlich kann ein Nahrungsergänzungsprodukt Krankheitszustände nicht beheben. In diesem Fall sollten Sie natürlich immer zum Arzt gehen."
ist der Geschäftsführer der Beklagten der Äußerung der Anruferin außerdem auch in der Sache nicht ausreichend eindeutig entgegen getreten. Statt dessen hat er den Zuschauern der Sendung lediglich den Eindruck vermittelt, er beuge sich aus formalen Gründen einem in Deutschland geltenden, rechtlichen Gebot, würde aber der Zuschauerin in der Sache selbstverständlich zustimmen, wenn es ihm denn nur gestattet wäre.
(c) Dabei wird dieser Eindruck in erheblichem Maße noch dadurch weiter verstärkt, dass die beiden - begrifflich ohnehin ungenauen Worte - "gesundheitsfördernde Aussagen" in kaum verständlicher Weise nur leise gemurmelt werden und das nachfolgende "selbstverständlich" in einer eindeutig ironischen, sich in der Sache von der formalen Wortwahl gerade wieder distanzierenden Art und Weise überbetont und zugleich noch mit einer Geste des verzweifelten Händewringens untermalt wird, aus der für jeden Zuschauer unmissverständlich zu entnehmen ist, dass der Geschäftsführer der Beklagten die ihm durch die deutsche Rechtslage auferlegten Beschränkungen in keiner Weise verstehen kann und allein deshalb als gegeben hinnimmt, weil er es muss.
(d) Noch weiter relativiert und damit im Ergebnis vollends untauglich wird die formale Distanzierung des Geschäftsführers der Beklagten von der Äußerung der Anruferin schließlich auch noch dadurch, dass dieser sodann eine weitere, bereits zu Beginn des Telefongespräches gefallene Äußerung über die beiden "Königspudeldamen" der Frau K. aufgreift und diese seinerseits mit den Worten anspricht:
"Aber, was sehr schön ist: Normalerweise bräuchten Sie gar keine Inhalte von sich zu geben. Denn wenn man ihre Begeisterung in Ihrer Stimme hört, die spricht schon alleine für sich und jetzt hab ich noch mal ne Frage an Sie: Ist das bei Ihnen auch so, denn ich hab das oft auch mit den Tieren gehört, dass die Tiere schon reagieren, wenn sie dieses Klackern in der Dose hören. (...) und Tiere wissen ja instinktiv wirklich was gut ist."
Denn durch diesen weiteren Kommentar gelingt es dem Geschäftsführer der Beklagten, den Zuschauern der Sendung in einer subtilen, aber gleichwohl unmissverständlichen Art und Weise die Botschaft zu vermitteln, maßgeblich seien nicht Worte, sondern Inhalte und entgegen der ihm in Deutschland aus formalen Gründen abverlangten Äußerung über die Unzulässigkeit krankheitsbezogener Aussagen wüssten letztlich sogar die Hunde der Anruferin instinktiv, wie richtig deren vorangegangene Äußerung über die heilsame Wirkung der G.-Kapseln tatsächlich gewesen sei.
b) Der Kläger kann von der Beklagten auch die Unterlassung der Äußerung vom 20. April 2008 betreffend die Wirkung der "L.-Kapseln" auf die Gedächtnisleistung verlangen. Ihr dahingehender Anspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2, Alt. 2 LFGB, weil dadurch einem Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) eine gesundheitsbezogene Wirkung beigelegt wird, die wissenschaftlich auch nach dem eigenen Vortrag der Beklagten jedenfalls derzeit noch nicht hinreichend gesichert ist.
Dass die streitgegenständliche Äußerung der Moderatorin in der Werbesendung vom 20. April 2008 somit gegen die genannten Vorschriften verstößt und deshalb von der Beklagten künftig unterlassen werden muss, ist zwischen den Parteien unstreitig und wird von der Beklagten ausdrücklich anerkannt. Ob sie darüber hinaus und unabhängig davon gegen die auch in dieser Hinsicht neben die weiter geltenden Vorschriften des LFGB getretenen Regelungen der HCVO verstößt, wie es das Landgericht meint, kann im Ergebnis dahinstehen, weil es jedenfalls an dem eingeräumten Verstoß gegen das LFGB nichts ändert. Das wird auch von der Beklagten nicht verkannt, deren Einwendungen gegen die Anwendbarkeit der HCVO damit auch nach ihrer eigenen Ansicht im Ergebnis ins Leere gehen.
c) Die für jeden Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ist für beide streitgegenständlichen Werbeaussagen zu vermuten (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 8 UWG Rn 1.33 m.w.N.). Die Wiederholungsgefahr ist in beiden streitgegenständlichen Fällen nicht durch die vorprozessuale Unterlassungserklärung der Beklagten vom 31. Juli 2008 (Anlage K 4) entfallen. Der Kläger hat diese Unterlassungserklärung jedenfalls im Ergebnis zu Recht als nicht ausreichend zurückgewiesen.
aa) Gegen die Unterlassungserklärung vom 31.Juli 2008 bestehen allerdings nicht schon deshalb Bedenken, weil die Beklagte darin die Bestimmung der im Falle einer Zuwiderhandlung verwirkten Vertragsstrafe gemäß § 315 Abs. 1 BGB in vollem Umfang dem billigen Ermessen des Klägers überlassen hat und die Unterlassungserklärung nur für den Fall eines Streites der Parteien über die Angemessenheit der so festgelegten Vertragsstrafe eine Überprüfung durch die "zuständige Gerichtsbarkeit" vorsieht.
Eine derartige Überlassung der Bestimmungsbefugnis für die Höhe der Vertragsstrafe an einen Dritten nach dem sog. (neuen) "Hamburger Brauch" entspricht auch im Hinblick auf die Überprüfungsmöglichkeit durch das zuständige Gericht der gesetzlich in § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits ohnehin vorgesehenen Regelung (BGH MDR 1991, 215 = juris Rn 17 "Vertragsstrafe ohne Obergrenze" m.w.N.) und ist daher unbedenklich. Entgegen der Ansicht des Klägers macht es keinen Unterschied, ob in einem derartigen Fall nur der Gesetzeswortlaut des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB wiederholt wird, wonach die Bestimmung der Vertragsstrafe gegebenenfalls "durch Urteil" erfolgt, ob sie dem "zuständigen Gericht" überlassen werden oder ob sie - wie in der Erklärung vom 31. Juli 2008 - "im Streitfall von der zuständigen Gerichtsbarkeit zu überprüfen" ist. Alle genannten Formulierungen sind vielmehr im Ergebnis synonym und in ihrer Formulierung ausreichend eindeutig. Zweifel über die Auslegung der gewählten Formulierung können insoweit auch bei der von der Beklagten gewählten Formulierung nicht aufkommen.
bb) Ebenso steht der Beseitigung der Wiederholungsgefahr auch nicht entgegen, dass die Unterlassungserklärung der Beklagten nur unter der auflösenden Bedingung einer späteren Änderung der derzeitigen Rechtslage oder höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt ist.
Auflösende Bedingungen dieser Art in einer Unterlassungserklärung sind jedenfalls solange als unbedenklich anzusehen, als sie - wie hier - nur einer sachgerechten Berücksichtigung von künftigen Veränderungen der Sach- und Rechtslage dienen und die wirksame außergerichtliche Unterbindung des beanstandeten Wettbewerbsverhaltens dadurch nicht in Frage gestellt wird (BGH GRUR 1997, 386, 390 = juris Rn 37 "Altunterwerfung II"; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Auflage, Kap. 7 Rn 20, Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG Rn 1.129; jeweils m.w.N.).
Dass eine auflösende Bedingung in einem derartigen Fall zulässig sein muss, ergibt sich bereits aus der Überlegung, dass durch die Unterlassungserklärung der abgemahnten Partei eine außergerichtliche Rechtsstellung verschafft werden soll, die derjenigen aus einem gerichtlich erstrittenen Vollstreckungstitel entspricht, wobei aber auch ein solcher Vollstreckungstitel bei einer späteren Änderung der Sach- oder Rechtslage mit Wirkung ex nunc mit einer Vollstreckungsgegenklage beseitigt werden könnte (BGH GRUR 1997, 386, 390 = juris Rn 36 f. "Altunterwerfung II").
Eine sprachlich bestimmtere Fassung derjenigen Fälle, in denen eine Änderung der Sach- und Rechtslage den Eintritt der Bedingung auslösen würde, kann dabei entgegen der Ansicht des Landgerichts - siehe Urteilsgründe zu Ziffer I - nicht verlangt werden. Sie wäre auch in dem genannten Parallelfall einer Vollstreckungsgegenklage für die Beseitigung eines gerichtlichen Vollstreckungstitels nicht erforderlich. Wenn die Beklagte aber selbst einen solchen Titel aus der Welt schaffen könnte, ist nicht einzusehen, warum das gleiche Ergebnis nicht auch durch die Aufnahme einer auflösenden Bedingung in eine außergerichtliche Unterlassungserklärung erreicht werden können soll.
cc) Nicht mehr zugelassen werden kann aber die weitere Bedingung in der Unterlassungserklärung vom 31. Juli 2008, wonach diese mit Wirkung "ex nunc" auch dann unwirksam werden soll, wenn der klagende Verein aufgelöst wird oder ihm seine bisher von der Rechtsprechung zuerkannte Klagebefugnis gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG rechtskräftig aberkannt werden sollte.
(1) Als bloßer Sonderfall einer Änderung der Sach- oder der materiellen Rechtslage grundsätzlich unbedenklich ist zwar auch noch eine solche Bedingung, die den Fortbestand einer Unterlassungserklärung daran knüpft, dass nicht die Sachbefugnis der abmahnenden Gegenpartei entfällt (BGH GRUR 1997, 386, 390 = juris Rn 37 "Altunterwerfung II" m.w.N.). Jedenfalls soweit sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht nur die prozessuale Klageführungsbefugnis, sondern zugleich auch die materielle Gläubigerstellung des Unterlassungsberechtigten ergibt, ist die Situation in diesem Fall von den sonstigen Fällen einer Änderung der Sach- oder der Rechtslage nicht zu unterscheiden.
(2) Die hier konkret von der Beklagten gewählte Formulierung ist aber zunächst schon deshalb problematisch, weil für den Wegfall der Unterlassungspflicht bereits die Auflösung des Vereins ausreichen soll, obwohl dieser auch in dem Falle einer eventuellen Auflösung als Liquidationsverein weiter fortbesteht (§ 49 Abs. 2 BGB) und daher auch eine gedachte Vollstreckungsgegenklage gegen ein inhaltsgleiches Urteil noch keine Erfolgsaussichten hätte.
Hinzu kommt außerdem eine dem Kläger nicht mehr zumutbare, die Effizienz und Durchsetzbarkeit der Unterlassungserklärung in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß einschränkende Unsicherheit, die sich daraus ergibt, dass die Frage eines möglichen Wegfalls der Klagebefugnis - anders als in den sonstigen Fällen einer Änderung der Sach- und Rechtslage - nicht von einer "Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung" abhängig gemacht wird, sondern davon, ob dem Kläger seine sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ergebende Klagebefugnis "rechtskräftig aberkannt" wird. Diese Formulierung umfasst nämlich auch eine rechtskräftige Aberkennung der Klagebefugnis nur durch ein Land- oder ein Oberlandesgericht und birgt damit die Gefahr, dass es insoweit auch zu einer unklaren Rechtslage wegen einer divergierenden Rechtsprechung der Instanzgerichte kommen kann. Eine solche Unsicherheit braucht der Kläger jedoch nicht hinzunehmen. Das gilt erst recht, zumal sie auch an der im Verhältnis zu anderen potentiell Anspruchsberechtigten weiter fortbestehenden materiellen Rechtswidrigkeit der beanstandeten Werbemaßnahmen der Beklagten ohnehin nichts ändert (OLG Düsseldorf, MD 2010, 518 ff. = juris Rn 10).
dd) Bezüglich der streitigen Äußerung zu der angeblichen Förderung der Gedächtnisleistung durch die "L.-Kapseln" kommt weiter hinzu, dass sich die Beklagte in der Unterlassungserklärung vom 31. Juli 2008 nur dazu verpflichtet, auf dem deutschen Markt nicht mehr mit der "uneingeschränkten" Aussage zu werben, dass diese Kapseln die Gedächtnisleistung unterstützen. Eine derartige Relativierung der Unterlassungspflicht ist aber nicht nur wegen ihrer Unbestimmtheit bedenklich, sondern sie lässt auch ganz allgemein an der Ernsthaftigkeit des Unterlassungswillens der Beklagten zweifeln und ist daher für eine Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht geeignet.
d) Der Anspruch des Klägers auf den Ersatz der Abmahnkosten ist von der Beklagten anerkannt und wird von der Berufung von vornherein nicht erfasst.
3. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
4. Ein Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.000,00 €
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 23.09.2010
Az: I-6 U 135/09
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