Sozialgericht Neuruppin:
Urteil vom 18. August 2010
Aktenzeichen: S 26 AS 467/09

(SG Neuruppin: Urteil v. 18.08.2010, Az.: S 26 AS 467/09)

1. Die billige Gebühr für das Tätigwerden eines Rechtsanwalts im sozialgerichtlichen Vorverfahren wird in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmt. Sie ist in einem zweiten Schritt in der Höhe des Schwellenwertes zu kappen, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich ist (Anschluss an Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris).

2. Bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist - von Bagatellsachen abgesehen - im Rahmen der Gebührenabwägung von unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszugehen, denen jedoch regelmäßig eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit gegenübersteht, so dass - bei durchschnittlichem Umfang und durchschnittlicher Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit - regelmäßig die Schwellengebühr kostenrechtlich angemessen ist.

3. Die zugunsten des Gebührenbestimmungsrecht des Rechtsanwalts grundsätzlich einzuräumende Toleranzgrenze von 20 % ist dann unbeachtlich, wenn ein Verfahren vorliegt, das insgesamt dem durchschnittlichen Bereich zuzuordnen ist, für das die Schwellengebühr die einzig zutreffende Gebühr darstellt (Anschluss an Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 30. November 2009, - S 12 SF 153/09 E, zitiert nach juris).

4. Eine Geschäftsreise liegt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorbemerkung 7 Abs. 2 VV-RVG immer dann vor, wenn eine Gemeindegrenze überschritten wird. Dabei ist unerheblich, dass sich die (unterschiedlichen Gemeinden) in ein und demselben Landkreis befinden.

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung seines Kostenbescheides vom 28. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2008 (zugestellt am 24. Juni 2009) verurteilt, den Klägern einen weiteren Betrag in Höhe von 233,72 € zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt 9/10 der den Klägern entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der vom beklagten Grundsicherungsträger zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung des die Kläger auch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren vertretenden Bevollmächtigten im €isolierten Vorverfahren".

Der Beklagte bewilligte den Klägern und ihrer im Jahre 2003 geborenen Tochter mit Bewilligungsbescheid vom 05. April 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch € Grundsicherung für Arbeitsuchende € (SGB II) für den Bewilligungszeitraum vom 01. Februar 2006 bis zum 31. August 2006. Aufgrund zwischenzeitlicher Änderungen in den Einkommensverhältnissen nahm der Beklagte im genannten Bewilligungszeitraum Korrekturen in der Leistungsgewährung vor (Änderungsbescheid und Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 18. Juli 2006 betreffend den Zeitraum Juni 2006 und Juli 2006). Mit Änderungsbescheiden vom 15. September 2006 betreffend den Zeitraum von April 2006 bis Mai 2006 bzw. den Zeitraum von Juli 2006 bis August 2006 sowie mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 18. September 2006 betreffend den Zeitraum von April 2006 bis September 2006 erfolgten weitere Korrekturen, wobei die Änderung im Monat August 2006 mit einer den Klägern zugeflossenen und zu berücksichtigenden Einmalzahlung in Höhe eines Betrages von 122,00 € begründet worden war.

Gegen die Bescheide vom 15. September 2006 und 18. September 2006 erhob der Bevollmächtigte der Kläger namens und in Vollmacht der Kläger auftragsgemäß Widerspruch. Nach einer durch den Bevollmächtigten, der seinen Kanzleisitz in Neuruppin hat, in den Räumlichkeiten des Beklagten in Wittstock am 16. November 2006 erfolgten Akteneinsicht begründete der Bevollmächtigte den erhobenen Widerspruch mit Schreiben vom 08. Februar 2007. Auf etwa 2 ½ Seiten stellte er dar, warum die Einmalzahlung nicht als Einkommen zu werten sei (Schenkung der Mutter der Klägerin für eine Flugreise, Zahlungseingang bereits im Juni) und fügte eine entsprechende Erklärung der Mutter sowie Kopien von Kontoauszügen bei. Ferner rügte er eine von dem Beklagten an die Kläger vorgenommene Pauschalauszahlung und bat um Prüfung und transparente Darstellung. Mit Schreiben vom 22. Mai 2007, 26. September 2007 und 29. Oktober 2007 erinnerte der Bevollmächtigte an die ausstehende Entscheidung über den Widerspruch und drohte mit dem zuletzt genannten Schreiben die Erhebung einer Untätigkeitsklage an.

Mit Schreiben des Beklagten vom 02. November 2007 teilte der Beklagte dem Bevollmächtigten der Kläger mit, die Anrechnung der Einmalzahlung erfolge nicht mehr und der Rückforderungsbetrag verringere sich; dementsprechend erfolgte mit Änderungsbescheid vom 02. November 2007 eine Neuberechnung, mit der u. a. dieser Aspekt Berücksichtigung fand. Nach einer Aufforderung zur Erteilung einer Kostenentscheidung, eines Erinnerungsschreibens und eines Telefonats übersandte der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 25. Januar 2008 eine Kostennote, mit der er u. a. eine Geschäftsgebühr in Höhe eines Betrages von 280,00 € sowie Kosten für die Fahrt zur Wahrnehmung des Akteneinsichtstermins geltend machte; der Gesamtbetrag seiner Kostenrechnung betrug 395,56 €.

Mit Kostenbescheid vom 28. Mai 2008 entschied der Beklagte, dass er - der Beklagte - die Kosten des Widerspruchsverfahrens trage und stellte darüber hinaus fest, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten notwendig gewesen sei. Ferner setzte er Kosten in Höhe eines Betrages von 114,24 € fest, wobei er u. a. eine Geschäftsgebühr in Höhe eines Betrages von 80,00 € bei der Berechnung berücksichtigte; die geltend gemachten Fahrtkosten setzte er dabei ab. Angemessen erscheine nur eine noch über der unteren Grenze liegende Gebühr. Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung hätten erheblich unter dem Durchschnitt vergleichbarer Verfahren gelegen; auch das anwaltliche Haftungsrisiko sei gering. Der Tätigkeitsumfang des Bevollmächtigten habe in der Abfassung nur eines Schreibens bestanden. Die geltend gemachten Fahrtkosten seien nicht erstattungsfähig, weil das Reiseziel des Bevollmächtigten innerhalb des Landkreises Ostprignitz-Ruppin befindlich sei, in dem der Bevollmächtigte auch seinen Kanzleisitz habe.

Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 18. Juni 2008 Widerspruch.

Auf die mit Schriftsatz vom 02. April 2009 bei dem Sozialgericht Neuruppin erhobene Untätigkeitsklage wies der Beklagte den Widerspruch vom 18. Juni 2008 mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2008 (zugestellt am 24. Juni 2009) als unbegründet zurück. Es handele sich nach wertender Gesamtbetrachtung nicht um einen Durchschnittsfall. Der Umfang sei unterdurchschnittlich: Zwar seien im Widerspruchsverfahren insgesamt acht Schriftsätze gefertigt worden, diese hätten jedoch - abgesehen von der Widerspruchsbegründung - nur 1 bis 2 Sätze umfasst. Auch sei die wiederholte Befassung mit der Streitsache zwar mit Zeitaufwand verbunden gewesen, jedoch sei eine inhaltliche Auseinandersetzung nach der Abfassung der Widerspruchsbegründung nicht mehr erfolgt; auch eine Auseinandersetzung mit Gegenargumenten des Beklagten habe gefehlt. Die Schriftsätze hätten überwiegend Verfahrenshandlungen zum Inhalt gehabt; Die Widerspruchsbegründung habe sich auf die pauschale Rüge der Anrechnung von 122,00 € als Einkommen beschränkt. Auch die Schwierigkeit sei unterdurchschnittlich; eine inhaltliche Auseinandersetzung mit ungeklärten Fragestellungen des SGB II sei nicht erfolgt. Bei unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, keinem relevanten Haftungsrisiko und einer durchschnittlichen Bedeutung führe eine Gesamtabwägung nur zur Festsetzung der doppelten Mindestgebühr.

Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2009 haben die Kläger die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt und verfolgen ihr Begehren auf Erstattung höherer Kosten für das Widerspruchsverfahren nunmehr in der Sache weiter.Zur Begründung vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führen ergänzend aus, der Tätigkeitsumfang sei überdurchschnittlich gewesen. Die Schwellengebühr habe die Mittelgebühr nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 01. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R - nicht ersetzt. Vielmehr sei die Gebühr in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr zu bestimmen. In einem zweiten Schritt könne dann eine Kappung auf die Schwellengebühr erfolgen, wenn weder Umfang noch Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sei. Hier sei jedoch mit Blick auf den Verlauf des Verfahrens ein überdurchschnittlicher Arbeitsumfang erreicht. Die Bedeutung sei mangels eines Streites um lediglich einen Bagatellbetrag überdurchschnittlich. Im Ergebnis sei der Schwellenwert nicht mehr einschlägig. Im Übrigen seien auch die Fahrtkosten erstattungsfähig, weil nicht die Zugehörigkeit zur Gebietskörperschaft des Landkreises entscheidend sei, sondern die Zugehörigkeit zur Gemeinde.

Die Kläger beantragen,

den Kostenbescheid vom 28. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2009 (zugestellt am 24. Juni 2009) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 281,32 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und zu entscheiden, dass der Beklagte die Kosten für das Widerspruchsverfahren dem Grunde nach zu tragen hat.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klageänderung für sachdienlich; im Übrigen ihre Entscheidung in der Sache aber für zutreffend und verweist zur Begründung ihres Klageabweisungantrages auf die Erwägungen in den angegriffenen verwaltungsbehördlichen Entscheidungen. Hinsichtlich der Fahrtkosten vertritt sie ergänzend die Auffassung, der Bevollmächtigte der Kläger hätte die Akten auch in der Dienststelle in Neuruppin einsehen können.

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselte Korrespondenz, die Prozessakte und die die Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten zum Aktenzeichen €€. Bezug genommen. Diese Unterlagen lagen in der mündlichen Verhandlung vor und waren Gegenstand von Beratung und Entscheidungsfindung.

Gründe

Die Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg. Die angegriffenen verwaltungsbehördlichen Entscheidungen sind abzuändern und der Beklagte zu verurteilen, den im Tenor genannten Betrag zusätzlich zu erstatten.

1. Die Klage ist zulässig. Die Kläger verfolgen ihr Anliegen zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); der Erhebung einer Verpflichtungsklage § 54 Abs 1 S. 1 SGG bedurfte es nicht.

Nachdem die Beteiligten die vorhergehende Untätigkeitsklage im Sinne des § 88 Abs. 1 SGG nach Erteilung des mit ihr erstrebten Widerspruchsbescheides übereinstimmend für erledigt erklärt und die Kläger in zulässiger Weise ihr Klagebegehren € mit Zustimmung des Beklagten € geändert haben (§ 99 Abs. 1 SGG), ist Gegenstand des Rechtsstreits allein die Entscheidung des Beklagten darüber, in welcher Höhe die zu erstattenden Aufwendungen festzusetzen sind (§ 63 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)). Der Beklagte hat bindend entschieden, dass den Klägern die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach erstattet werden (vgl. § 63 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 SGB X) und die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Sinne von § 63 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 SGB X notwendig war.

Eine Konstellation, in welcher es einer Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S. 1 SGG) bedarf, weil es schon an einer Entscheidung des Rechtsträgers darüber fehlt, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten überhaupt notwendig war (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 27. Januar 2009, - B 7/7a AL 20/07 R, zitiert nach juris), liegt hier nicht vor.

2. Die Kläger haben Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X in Höhe eines Betrages von weiteren 233,72 € unter Berücksichtigung einer Geschäftsgebühr in Höhe eines Betrages von 240,00 € (dazu unter a)) und der geltend gemachten Fahrtkosten (dazu unter b)); ein weitergehender Anspruch und die geltend gemachte Verzinsung steht ihnen indes nicht zu (dazu unter c) und d)). Die insoweit angegriffenen € entgegen stehenden € verwaltungsbehördlichen Entscheidungen sind rechtswidrig und beschweren die Kläger (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).

a) Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Gebühren und Auslagen im Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren. Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten, hier den Klägern, in Rechnung stellt. Diese Vergütung bemisst sich nach den Vorschriften des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz € (RVG) sowie dem Vergütungsverzeichnis zu diesem Gesetz (VV-RVG) der Anlage 1 zum RVG (§ 1 Abs. 1 S. 1 RVG und § 2 Abs. 2 S. 1 RVG).

Rechtsgrundlage der Geschäftsgebühr ist Nr. 2400 VV-RVG i. V. m. § 14 RVG.

Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV-RVG fällt in sozialrechtlichen Angelegenheiten an, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Betragsrahmengebühren sind in sozialgerichtlichen Verfahren vorgesehen, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist (§ 3 Abs 1 S. 1 RVG). Abs. 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs. 2 RVG). Ginge es vorliegend um ein gerichtliches Verfahren, entstünden Betragsrahmengebühren, denn die Kläger machen als Leistungsempfänger im Sinne des § 183 S. 1 SGG höhere Ansprüche nach dem SGB II geltend. Verfahren, die in dieser Eigenschaft vor den Gerichten geführt werden, sind (gerichts-)kostenfrei. Die Geschäftsgebühr entsteht insbesondere für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Teil 2 Abschnitt 4 Abs. 2 VV-RVG i. V. m. Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV-RVG).

Gemäß Nr. 2400 VV-RVG umfasst die Geschäftsgebühr einen Betragsrahmen von 40,00 € bis 520,00 €. Eine Gebühr von mehr als 240,00 € kann aber nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (so genannte Schwellengebühr). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass über die Bestimmung dessen, was noch als billig oder schon als unbillig zu gelten hat, leicht Streit entstehen kann. Solchen Streit will der Gesetzgeber möglichst vermeiden, indem er dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt hat, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung jedenfalls der in § 14 RVG genannten Kriterien verbunden ist. Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des sich jeweils aus dem Vergütungsverzeichnis ergebenden Gebührenrahmen angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden. Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 31. Oktober 2006, - VI ZR 261/05; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. August 2005, - 6 C 13/04, jeweils zitiert nach juris; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, RdNr. 12 m. w. N.). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs 1 S. 4 RVG).

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus ist nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen.

Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift (€vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können (Hartmann, Kostengesetze, 2008, § 14, RdNr. 2). Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris)

Die so genannte Schwellengebühr hat die so genannte Mittelgebühr nicht ersetzt. Deren Einführung hat zur Folge, dass die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind.

Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr billig bzw. unbillig ist, und weil mit der Aufzählung der Umstände, die einerseits für eine Erhöhung, andererseits für eine Ermäßigung der Gebühr sprechen, nicht viel gewonnen ist, weil ihr ein konkreter Ansatzpunkt fehlt, hat sich die Praxis bereits unter Geltung der BRAGO mit der Mittelgebühr beholfen. Die Mittelgebühr errechnet sich aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte des Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr. Sie kann auch ermittelt werden, indem man Mindest- und Höchstgebühr addiert und das Ergebnis durch zwei dividiert. Für die Nr. 2400 VV-RVG ergibt sich eine Mittelgebühr in Höhe eines Betrages von 280,00 € (40,00 € + 520,00 €, dividiert durch 2).

Die Mittelgebühr ist in Fällen zu Grunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt. Diese Vorgehensweise trägt Vereinfachungs- und Zweckmäßigkeitsgründen sowie dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art 3 Abs. 1 GG Rechnung, gleich liegende Fälle gleich und unterschiedliche Fälle entsprechend ihren Unterschieden ungleich zu behandeln. Diese Gesichtspunkte rechtfertigen es, auch unter Geltung des RVG weiterhin jedenfalls im Grundsatz, jedoch nunmehr unter Beachtung der zusätzlich durch die Schwellengebühr gezogenen Grenze, so zu verfahren und in einem ersten Schritt von der Mittelgebühr auszugehen. Die Regelung der Nr. 2400 VV-RVG, dass eine höhere Gebühr als 240,00 € (Schwellengebühr) nur dann gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, macht die Mittelgebühr damit nicht hinfällig. Sie führt auch nicht etwa dazu, dass nunmehr der Durchschnittsfall bei der Schwellengebühr anzusiedeln ist. Mit der Einschränkung ist vielmehr gemeint, dass Umfang oder Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit über dem Durchschnitt liegen müssen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu erreichen. Eine gesonderte Bedeutung kommt dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit damit nicht innerhalb der Abwägung nach § 14 RVG zu, sondern einzig für die Öffnung des Gebührenrahmens über die Schwellengebühr hinaus (vgl. schon Bundessozialgericht, Urteil vom 29. März 2007, - B 9a SB 4/06 R sowie Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, jeweils zitiert nach juris).

Zur Bestimmung der konkreten Gebühr ist demgemäß wie folgt vorzugehen: In einem ersten Schritt ist die Gebühr ausgehend von der Mittelgebühr zu bestimmen. Liegt diese über der Schwellengebühr, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob es bei der ermittelten Gebühr bleibt. Dies ist der Fall, wenn der Umfang und/oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind. Ist dem nicht so, wird die an sich zutreffende Gebühr in Höhe des Betrages der Schwellengebühr gekappt. Dies führt zu einer Gebühr in Höhe von 240,00 €, wenn beispielsweise jedes der vier in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Bemessungskriterien durchschnittlich ist. Sind aber etwa der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit leicht überdurchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber leicht unterdurchschnittlich und die übrigen Kriterien durchschnittlich, so ist eine Gebühr in Höhe von 280,00 € billig, obwohl die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Ergebnis - aufgrund der Kompensation der als unterdurchschnittlich und als überdurchschnittlich zu bewertenden Kriterien - ebenfalls dem Durchschnitt zuzuordnen ist (vgl. hierzu anschaulich: Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris).

Die konkreten Umstände des vorliegenden Falles lassen nach Auffassung der Kammer eine Festsetzung der Betragsrahmengebühr durch den Rechtsanwalt der Kläger in Höhe der Schwellengebühr auf 240,00 € zu.

Den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit schätzt die Kammer - entgegen der Auffassung der Beteiligten - insgesamt als noch durchschnittlich ein. Hierbei ist der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste. Bezugspunkt der anwaltlichen Tätigkeit ist das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld. Die Nr. 2400 VV-RVG umfasst außergerichtliche Tätigkeiten in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, mithin kostenfreie Verfahren.

Bei einer außergerichtlichen Tätigkeit im Bereich des Sozialrechts kann daher etwa der Aufwand für Besprechung und Beratung, mitunter außerhalb der Kanzleiräume, das Lesen der Verwaltungsentscheidung, das Aktenstudium, die Anfertigung von Notizen, allerdings nicht das Erstellen von Ablichtungen (zu deren gesonderter Vergütung vgl. Nr. 7000 VV-RVG) und das Anfordern von Unterlagen beim Mandanten, deren Sichtung, die Rechtsprechungs- und Literaturrecherche sowie die Auseinandersetzung hiermit berücksichtigt werden; ferner auch das Eingehen auf von der Behörde herangezogene Beweismittel (vgl. § 21 Abs. 1 SGB X), der Schriftverkehr mit dem Auftraggeber und der Gegenseite sowie ergänzend alle Tätigkeiten, die mangels entsprechender Gebührenvorschriften nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden. Hilfreich ist es, wenn der Rechtsanwalt über den zeitlichen Umfang der im Einzelnen entfalteten Tätigkeit Notizen fertigt, die ihm eine spätere Darlegung erleichtern können. Da Bezugspunkt allein die anwaltliche Tätigkeit ist, ist es unerheblich, wie lange das Vorverfahren als solches gedauert hatte; entscheidend muss allein sein, welche Tätigkeiten der Anwalt konkret entfaltet hat. Der durchschnittliche Umfang lässt sich nicht exakt in Zeitstunden ausdrücken; solche können hierfür allenfalls eine Orientierungshilfe bieten. Vielmehr hat sich der durchschnittliche Umfang am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung am Ablauf eines Verfahrens, hier des sozialgerichtlichen Verwaltungsverfahrens, zu orientieren (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris).

Wird ein mit der Sache bislang noch nicht befasster Rechtsanwalt mit der Durchführung des sozialrechtlichen Vorverfahrens beauftragt (andernfalls ist die Gebühr nach Nr. 2401 VV-RVG zu bestimmen), kommt es für den Umfang seiner Tätigkeit nicht nur auf die Zahl der gefertigten Schriftsätze an. Von Bedeutung ist darüber hinaus auch, welchen Einsatz der Rechtsanwalt im Einzelnen zur Erstellung dieser Ausführungen notwendigerweise erbringen muss. Zu berücksichtigen sind dabei z. B das Lesen der Verwaltungsentscheidung, die Beratung des Mandanten, das Aktenstudium, das Anfertigung von Notizen, mithin bei Geltendmachung eines Anspruchs die Darlegung, wie sich dieser rechnerisch ermittelt, und zwar unter Eingehung auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie der Heranziehung von Kommentarliteratur und, soweit vorhanden, einschlägiger Rechtsprechung.

Den Umfang der Tätigkeit des Bevollmächtigten der Kläger bewertet die Kammer ausgehend von diesen Erwägungen und mit Blick auf Anzahl und Umfang der eingereichten Schriftsätze, dem damit aus Sicht der Kammer verbundenen objektiv erforderlichen Erörterungsbedarf mit den Klägern und den übrigen zur Fertigung der eingereichten Schriftsätze erforderlichen Tätigkeiten als im Vergleich zu sonstigen sozialversicherungsrechtlichen Widerspruchsverfahren als durchschnittlich. Der Bevollmächtigte der Kläger hat sich € was zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten ist - mit insgesamt acht Schriftsätzen an den Beklagten gewandt und eine Bestätigung der Mutter sowie Kontoauszüge vorgelegt. Das maßgebliche Widerspruchsbegründungsschreiben enthielt dabei im Wesentlichen die Wiedergabe des streitigen Sachverhalts sowie Erwägungen zu der Frage, aus welchen Gründen die Anrechnung der erfolgten Einmalzahlung nicht erfolgen dürfe. Weitere - zeitintensivere - Tätigkeiten, wie etwa das Lesen und eingehende Auswerten von medizinischen Gutachten, das Verfassen von Schriftsätzen, die sich mit komplexen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen auseinandersetzen, die Sichtung und Auswertung von Rechtsprechung, die den Rückschluss auf einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand zulassen, sind darüber hinaus nicht angefallen bzw. nicht belegt. Gleiches gilt für etwa erforderlich gewordene umfangreiche Besprechungstermine mit den Mandanten oder umfangreichen weiteren Schriftwechsel. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass eingehende Repliken nicht zu fertigen waren; auch eine anwaltliche Beweiswürdigung war demzufolge nicht erforderlich und ist auch nicht erfolgt. Weitere erheblich ins Gewicht fallende anwaltliche Tätigkeiten lassen sich den Unterlagen nicht entnehmen. Die Kammer vermochte € entgegen der Auffassung der Kläger € einen überdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit schon deshalb nicht festzustellen, weil es sich bei der überwiegenden Anzahl der Schriftsätze lediglich um knappe Erinnerungsschriftsätze handelte und eine erneute materiell-rechtliche Befassung mit der Sache selbst, nicht noch einmal erfolgen musste und auch nicht erfolgte. Dies kann indes andererseits € entgegen der Auffassung des Beklagten € auch nicht dazu führen, dass lediglich von einem unterdurchschnittlichen anwaltlichen Arbeitsaufwand ausgegangen werden könnte. Denn dabei würde der sonstige Aufwand, den der Rechtsanwalt bei der Bearbeitung des Mandats zu entfalten hatte, gänzlich außer Betracht bleiben. Im Hinblick auf die Vielzahl der zu prüfenden Entscheidungen, die Abgrenzung der einzelnen streitigen Zeiträume und insbesondere im Hinblick auf den erheblichen Aktenumfang sowie den objektiv erforderlichen Besprechungsaufwand mit seiner Mandantschaft, ist von einer insgesamt durchschnittlich umfangreichen anwaltlichen Tätigkeit auszugehen.

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit erscheint allenfalls durchschnittlich. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dies beinhaltet aber auch, dass hierfür spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang erforderlich sein können. Damit ist auf der einen Seite unerheblich, ob der Rechtsanwalt wegen geringer Berufserfahrung Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Aufgabe hat. Andererseits spielt es keine Rolle, dass der Anwalt z. B. auf Grund vertiefter Fachkenntnisse oder Erfahrung das Mandat leichter als andere Rechtsanwälte bewältigen kann. Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit etwa dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten; diese können sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen. Beispielhaft lassen sich für überdurchschnittliche tatsächliche Schwierigkeiten nennen: der Umgang mit einem problematischen Mandanten, sprachliche oder akustische Verständigungsprobleme, die eingehende Auseinandersetzung mit medizinischen oder anderen Fachgutachten oder eine umfangreiche Beweiswürdigung. Eine über dem Durchschnitt liegende tatsächliche Schwierigkeit kann sich auch daraus ergeben, dass der Rechtsanwalt nicht nur die Verhältnisse des Mandanten, sondern - wie typischerweise im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende - auch diejenigen weiterer Personen zu berücksichtigen hat (vgl. etwa § 9 Abs. 2 SGB II), dieser Umstand aber € anders als hier € nicht die Voraussetzungen der Nr. 1008 VV-RVG erfüllt. Hinsichtlich der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich ist, ist es im Übrigen nicht angebracht, nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren. Ohne Aussagekraft ist daher auch, ob hierfür ein Fachanwaltstitel erworben werden kann. Von einer lediglich durchschnittlich schwierigen anwaltlichen Tätigkeit ist dann nicht mehr auszugehen, wenn der zu bearbeitende Fall unter Berücksichtigung des aufgezeigten Maßstabs von einem Normal- bzw. Routinefall abweicht; und zwar bezogen auf jedes Rechtsgebiet (z. B. Sozialrecht), nicht aber jedes Teilrechtsgebiet (z. B. Sozialhilferecht). Damit ist gewährleistet, dass in Rechtsgebieten, die gemeinhin nur deshalb als schwierig empfunden werden, weil kein Fall dem anderen gleicht, überwiegend eine überdurchschnittliche Schwierigkeit angenommen werden kann. Der Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts ist danach etwa die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. In einer Anfechtungssituation wäre dies die vergleichbare Begründung, warum die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage, auf die sich der Leistungs-träger stützt, nicht vorliegen. Dass eine Teilrechtsmaterie einer sehr dynamischen Entwicklung unterliegt, besagt dann für sich aber noch nicht, dass die rechtliche Schwierigkeit überdurchschnittlich ist. Auch das Tätigwerden in einem €neuen Teilrechtsgebiet", mithin die Anwendung von Normen kurz nach ihrem Inkrafttreten, genügt für sich allein nicht, eine mehr als durchschnittliche rechtliche Schwierigkeit anzunehmen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris). Die Kammer geht insoweit davon aus, dass - auch und gerade aus der Sicht eines Rechtsanwalts, der nicht Fachanwalt für Sozialrecht ist und daher nicht ausschließlich oder überwiegend sozialrechtliche Mandate bearbeitet - der typische €Normalfall€ im sozialgerichtlichen Verfahren der sozialversicherungs- bzw. sozialrechtliche Durchschnittsfall ist. Denn der jeweils fragliche Gebührenrahmen ist für das Sozialgerichtsverfahren (und nur für dieses!) vorgesehen. Vor diesem Hintergrund sind daher sämtliche Überlegungen und pauschale - von der konkreten Fallgestaltung losgelöste - Allgemeinplätze, wonach Verfahren mit sozialrechtlichem bzw. sozialversicherungsrechtlichem Bezug wegen des erforderlichen besonderen Fachwissens stets besonders schwierig seien, nicht überzeugend und damit unbeachtlich, zumal letztlich in jedem Rechtsgebiet in gewisser Weise ein besonderes Fachwissen oder eine gewisse Spezialisierung erforderlich ist, in die sich jeder Rechtsanwalt, der nicht ausschließlich auf seinem Spezialgebiet tätig ist, einarbeiten muss. Die Kammer wendet sich aus den genannten Gründen auch ausdrücklich gegen die insoweit gegenteilige Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. etwa Urteil vom 05. Mai 2009, - L 1 AL 55/08, nunmehr bei dem Bundessozialgericht, - B 11 AL 14/09 R anhängig; wie hier zu Recht: Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 09. April 2010, - S 12 SF 16/10 E, jeweils zitiert nach juris).

Nach alledem ist die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend dem durchschnittlichen Bereich zuzuordnen. Zwar hat der Rechtsanwalt weder die einschlägigen Vorschriften benannt, noch darunter konkret subsumiert; jedoch hat er die tatsächlichen Umstände, die seiner Auffassung nach gegen eine Berücksichtigung der Einmalzahlung der Mutter der Klägerin zu 1. sprechen, im Einzelnen benannt und gewürdigt. Darüber hinaus hat er auch die Frage des Zuflusszeitpunktes erörtert; insgesamt ist daher noch von einer durchschnittlich schwierigen anwaltlichen Tätigkeit auszugehen. Demgegenüber ist für die Kammer keiner der oben näher dargestellten Umstände ersichtlich, der die anwaltliche Tätigkeit als in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht als schwierig erscheinen ließe. Auch die Kläger haben nicht konkret vorgetragen, warum es sich um ein Widerspruchsverfahren handelte, das sich in tatsächlicher oder materiell-rechtlicher Hinsicht über das Maß dessen hinaus, was die Kammer bereits bei der Gebührenbestimmung berücksichtigt hat, als überdurchschnittlich schwierig darstellte. Andererseits vermochte die Kammer auch keine Anhaltspunkte festzustellen, die die anwaltliche Tätigkeit als unterdurchschnittlich schwierig erscheinen ließen.

Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist € entgegen der Auffassung des Beklagten € bereits überdurchschnittlich. Bei der Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit ist auf das unmittelbare Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, d. h. auf die Interessen des Auftraggebers, insbesondere die Auswirkungen der begehrten Entscheidung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers abzustellen. Mittelbare Auswirkungen oder Fernwirkungen des anwaltlichen Handels sind nicht zu berücksichtigen. Mit dem Widerspruch verfolgten die Kläger im Wesentlichen die Nichtberücksichtigung einer einmaligen Zahlung in Höhe eines Betrages von 122,00 €, worin die überdurchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung für sie zum Ausdruck kommt. Derartige Leistungen sichern € unbestritten € das soziokulturelle Existenzminimum, weshalb mangels Vorliegens gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass allenfalls monatliche Euro-Beträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen streitigen Zeitraum von längstens sechs Monaten eine allenfalls durchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber haben (vgl. zu diesem Aspekt: Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris).

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse erweisen sich auch als deutlich unter-durchschnittlich: Sie orientieren sich an dem Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung. Bessere wirtschaftliche Verhältnisse rechtfertigen demgemäß eine höhere Vergütung, eine schlechtere Einkommens- und Vermögenssituation des Auftraggebers bedingt eine geringere Vergütung. Für die gleiche Leistung hat deshalb ein wirtschaftlich besser ausgestatteter Mandant eine höhere Vergütung zu entrichten als ein wenig bemittelter Auftraggeber (vgl. etwa Mayer in: Gerold/Schmidt - Mayer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2010, § 14, RdNr. 18). Daher liegt es auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger als Bezieher von Leistungen nach den Bestimmungen des SGB II als unterdurchschnittlich darstellen.

Schließlich vermag die Kammer ein besonderes Haftungsrisiko, das allenfalls die Gebühr erhöhen könnte, und sonstige unbenannte Kriterien, die geeignet wären, zu einer Herauf- oder Herabbemessung zu führen, nicht zu erkennen.

Wägt man den durchschnittlichen Umfang und die durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mit der überdurchschnittlichen Bedeutung, den unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie dem durchschnittlichen Haftungsrisiko miteinander ab - die vom Durchschnitt abweichenden Kriterien €Bedeutung der Angelegenheit" und die €Einkommens- und Vermögensverhältnisse" kompensieren sich - ergibt sich ein Durchschnittsfall, der mit der Mittelgebühr angemessen erfasst wäre. Da sich im Übrigen jedoch € wie ausgeführt € sowohl Umfang als auch Schwierigkeit der Tätigkeit als durchschnittlich erweisen und nicht wenigstens eines dieser beiden Kriterien überdurchschnittlich ausgeprägt ist, greift die in Nr. 2400 VV-RVG geregelte Schwellengebühr ein. Die danach vorzunehmende Kappung führt hier € entgegen der Auffassung der Kläger, die die Mittelgebühr für angemessen halten und entgegen der Auffassung des Beklagten, der die doppelte Mindestgebühr für angemessen hält € zu einer Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr, mithin in Höhe eines Betrages von 240,00 €. Der darüber hinaus geltend gemachte Betrag in Höhe der Mittelgebühr ist demgegenüber unbillig und daher kostenrechtlich unangemessen. Insbesondere kann der grundsätzlich zu berücksichtigende Toleranzrahmen nicht zu einer Erhöhung auf die Mittelgebühr führen, weil - durch die Kompensation einzelner Kriterien - ein Verfahren vorliegt, das insgesamt dem durchschnittlichen Bereich zuzuordnen ist, für das die Schwellengebühr die einzig zutreffende Gebühr darstellt (vgl. zu diesem Aspekt: Sozialgericht Lüneburg, Beschluss vom 30. November 2009, - S 12 SF 153/09 E, zitiert nach juris).

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten sind auch die geltend gemachten Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV-RVG erstattungsfähig. Danach können bei einer Geschäftsreise für die Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges 0,30 € für jeden gefahrenen Kilometer in Rechnung gestellt werden. Nach der im einschlägigen Teil 7 VV-RVG € Vorbemerkung 7 Abs. 2 VV-RVG € verwendeten Definition liegt eine Geschäftsreise dann vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet. Durch die Wahrnehmung des Termins zur Akteneinsicht in Wittstock hat der Bevollmächtigte der Kläger, der seinen Kanzleisitz in dem 54 km entfernt befindlichen Neuruppin hat und der durch die Wahrnehmung des Termins zur Akteneinsicht die Gemeindegrenze von Neuruppin überschreiten musste, offensichtlich eine Geschäftsreise unternommen. Insbesondere ist € entgegen der Auffassung des Beklagten € nichts dafür ersichtlich ist, dass der Bundesgesetzgeber dem Unterschied zwischen den landesrechtlich ausgestalteten Gebietskörperschaften Gemeinde und Landkreis keine Beachtung schenken und eine Geschäftsreise nur dann für erstattungsfähig halten wollte, wenn sie landkreisübergreifend erfolgt (vgl. für das Land Brandenburg nur §§ 1, 2 und 8 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Oktober 2001, GVBl. I/01, [Nr. 14], S.154, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Dezember 2007, GVBl.I/07, [Nr. 19], S. 286, 329 einerseits und §§ 1 und 8 der Landkreisordnung für das Land Brandenburg vom 15. Oktober 1993, GVBl.I/93, [Nr. 22], S. 398, 433, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 18. Dezember 2007, GVBl.I/07, [Nr. 19], S. 286, 329 andererseits). Auch hat der Beklagte für seine Auffassung keine plausible Erklärung vorbringen können; jedenfalls ist der maßgebliche Wortlaut der Vorbemerkung 7 Abs. 2 VV-RVG eindeutig und keiner Auslegung im Sinne des Beklagten zugänglich (wie hier: Ebert in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2009, Vorbemerkung 7, RdNr. 5). Soweit er zuletzt noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingewandt hat, dass eine Akteneinsicht auch in Neuruppin möglich gewesen wäre, vermag auch dies nicht zu überzeugen: Entscheidend ist letztlich allein, dass die Akteneinsicht (sogar auf Veranlassung des Beklagten) in Wittstock erfolgt ist; die geltend gemachten Fahrtkosten, gegen deren Höhe der Beklagte keine Einwände erhoben hat und die auch die Kammer für zutreffend berechnet hält, sind daher bei der Berechnung des Aufwendungserstattungsanspruches zusätzlich zu berücksichtigen.

c) Hinzu kommen schließlich noch die zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitige Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV-RVG und die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG i. V. m. § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), weshalb sich nachfolgende Berechnung ergibt:

Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV-RVG240,00 €Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV-RVG20,00 €Fahrtkosten gemäß Nr. 7003 VV-RVG 32,40 €Zwischensumme292,40 €19 % Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV-RVG i. V. m. § 12 Abs. 1 UstG 55,56 €Gesamtbetrag347,96 €abzüglich gezahlter114,24 €Endbetrag233,72 €Der so ermittelte Endbetrag entspricht dem aus dem Tenor ersichtlichen Betrag; soweit die Kläger insbesondere die Berücksichtigung der Mittelgebühr der Geschäftsgebühr erstrebten, war die Klage abzuweisen.

Die Kammer hatte im Übrigen nicht darüber zu entscheiden, ob der Bevollmächtigte der Kläger in dem isolierten Vorverfahren für einen oder mehrere Auftraggeber gehandelt hat. Zwar erhöhen sich nach Nr. 1008 VV-RVG bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag der Geschäfts- oder Verfahrensgebühr um 30 % für jede weitere Person, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind; dabei erhöht sich bei mehreren Auftraggebern auch die Schwellengebühr um jeweils 30 % bis maximal zum Doppelten des Ausgangsbetrages (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 21. Dezember 2009, - B 14 AS 83/08 R, zitiert nach juris). Der Bevollmächtigte der Kläger hat indes ohnehin nur die (aus seiner Sicht zutreffende) Mittelgebühr geltend gemacht.

d) Die Kläger haben darüber hinaus keinen Anspruch auf Verzinsung ihres Erstattungsanspruches seit €Rechtshängigkeit€; auch insoweit war die Klage abzuweisen. Eine Rechtsgrundlage für die Verzinsung der Kosten für das Widerspruchsverfahren besteht nämlich nicht. Nach § 44 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch € Allgemeiner Teil € (SGB I) sind zwar Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v. H. zu verzinsen. § 44 SGB I umfasst aber nur Sozialleistungen, die in der Zahlung eines Geldbetrages bestehen. Auf andere Ansprüche gegen den Leistungsträger ist § 44 SGB I nicht € auch nicht entsprechend - anwendbar, da es keinen allgemein öffentlich-rechtlichen Verzinsungsanspruch gibt (vgl. Bundessozialgericht, SozR 120 § 44 Nr. 2). Entsprechend ist auch der Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für eine Rechtsverfolgung im Vorverfahren nicht zu verzinsen (vgl. Bundessozialgericht, SozR 1300 § 63 Nr. 9; Seewald in: Kasseler Kommentar, § 44 SGB I, RdNr. 4). Auch aus anderen Regelungen, insbesondere aus dem BGB, ergibt sich kein Verzinsungsanspruch. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Prozesszinsen wie auch Verzugszinsen nur dann zu zahlen, wenn dies gesetzlich oder vertraglich ausdrücklich bestimmt ist (vgl. Bundessozialgericht, SozR 3-2500, § 75 Nr. 11). Hieran hat das Bundessozialgericht nur bezüglich der Verpflichtung zur Zahlung der Gesamtvergütung durch die Krankenkasse auf der Grundlage von § 85 Abs. 1 i. V. m. § 83 Abs. 1 S. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch € Gesetzliche Krankenversicherung € (SGB V) nicht mehr festgehalten (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. September 2005, - B 6 KA 71/04 R, zitiert nach juris). Im Übrigen sind Ansprüche auf Prozess- und auch Verzugszinsen für das Recht der Sozialversicherungen aber weiterhin zu verneinen (vgl. auch Bundessozialgericht, SozR 1300, § 61 Nr. 1). Da eine gesetzliche oder vertragliche Grundlage für Zinsen vorliegend nicht besteht, haben die Kläger daher keinen Anspruch auf die Verzinsung der ihnen zustehenden Nachzahlung für die Anwaltsvergütung für das isolierte Vorverfahren.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG; sie entspricht dem Ergebnis der Hauptsache, in der die Kläger € auch unter Berücksichtigung der erledigten (zulässigen und begründeten) Untätigkeitsklage € zum großen Teil obsiegten.

4. Weil schließlich der noch begehrte Erstattungsbetrag ersichtlich die Berufungssumme in Höhe eines Betrages von 750,00 € unterschreitet und wiederkehrende oder laufende Leistungen von mehr als einem Jahr nicht im Streit stehen, bedarf es der ausdrücklichen Zulassung der Berufung (§ 143, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGG). Mangels Vorliegen von Berufungszulassungsgründen hatte die Kammer indes keinen Anlass, die Berufung zuzulassen (§ 144 Abs. 2 SGG).






SG Neuruppin:
Urteil v. 18.08.2010
Az: S 26 AS 467/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/930721a72344/SG-Neuruppin_Urteil_vom_18-August-2010_Az_S-26-AS-467-09




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