Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Oktober 2002
Aktenzeichen: 5 W (pat) 428/01
(BPatG: Beschluss v. 23.10.2002, Az.: 5 W (pat) 428/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 7. Februar 2001 aufgehoben.
Das Gebrauchsmuster 295 13 007 wird im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 5 gelöscht.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
Gründe
I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 12. Oktober 1995 in die Rolle eingetragenen, "Dielen für Parkettböden und Vorrichtung zur Herstellung dieser Dielen" betreffenden Gebrauchsmusters 295 13 007. Die Schutzdauer ist bis zum Jahr 2003 verlängert.
Die mit der Anmeldung am 11. August 1995 eingereichten Schutzansprüche 1 bis 10 liegen auch der Eintragung zugrunde. Sie lauten:
1. Dielen für Parkettböden mit einer Deckschicht aus Holz, die auf mindestens einer Unterschicht angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Schichten (11, 12) der Diele (10) mittels eines wasser- und lösungsmittelfreien Klebers (15) miteinander verklebt sind.
2. Diele nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Kleber (15) auch im ausgehärteten Zustand eine Restelastizität aufweist.
3. Diele nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Kleber (15) ein mit der Luftfeuchtigkeit aushärtender PU-Kleber ist.
4. Diele nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Unterschicht (12) mindestens teilweise aus parallel angeordneten Einzelstäbchen (13) gebildet ist.
5. Diele nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Oberfläche der Deckschicht (11) vorversiegelt ist.
6. Vorrichtung zur Herstellung von Dielen für Parkettböden mit einer Deckschicht und mindestens einer Unterschicht, gekennzeichnet durch eine Beleimvorrichtung (27) zum Auftragen des Reaktionsklebers auf die Deckschichtrückseite, einer Greifvorrichtung (25) zum Erfassen der Unterschicht (23) und Auflegen auf die Deckschicht (22) sowie einer Kaltpresseinrichtung (28).
7. Vorrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Greifvorrichtung (25) Ansaugeinrichtungen (26) zum Erfassen der Unterschicht (23) aufweist.
8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Ansaugeinrichtungen (26) in ihrem gegenseitigen Abstand verstellbar sind.
9. Vorrichtung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß bei aus Einzelstäbchen gefertigten Unterschichten (23) die Ansaugeinrichtungen (26) nach Erfassen der Stäbchen in einen vorgebbaren gegenseitigen Abstand zueinander bringbar sind, bevor sie die Stäbchen (23) gleichzeitig auf die mit dem Kleber versehene Deckschicht (22) auflegen.
10. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 6 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß die Beleimvorrichtung (27) eine Heizeinrichtung zum Erwärmen des Klebers aufweist.
In einem vorangegangenen Löschungsverfahren (Lö I 33/97) ist das Gebrauchsmuster vom Bundespatentgericht durch Beschluß vom 15. September 1999 (Az.: 5 W (pat) 446/98) im Umfang der seinerzeit angegriffenen Schutzansprüche 1 bis 4 und 6 bis 10 insoweit gelöscht worden, als es über die Schutzansprüche 1 bis 4 und 8 bis 10, jeweils in der am 5. Juli 1997 eingereichten Fassung, hinausgeht.
Die Antragstellerin hat am 12. April 2000 die Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der "geltenden" Schutzansprüche 1 bis 5 beantragt. Unter Berücksichtigung der Teillöschung im vorangegangenen Löschungsverfahren lauten die demnach "geltenden" Schutzansprüche 1 bis 5 wie folgt:
1. Dielen für Parkettböden mit einer Deckschicht aus Holz, die auf mindestens einer Unterschicht angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Schichten (11, 12) der Diele (10) mittels eines wasser- und lösungsmittelfreien Klebers (15) miteinander verklebt und kaltverpresst sind.
2. Diele nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Kleber (15) auch im ausgehärteten Zustand eine Restelastizität aufweist.
3. Diele nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Kleber (15) ein mit der Luftfeuchtigkeit aushärtender PU-Kleber ist.
4. Diele nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Unterschicht (12) mindestens teilweise aus parallel angeordneten Einzelstäbchen (13) gebildet ist.
5. Diele nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Oberfläche der Deckschicht (11) vorversiegelt ist.
Hierbei sind die Schutzansprüche 2 bis 4 auf den vorstehenden Schutzanspruch 1 rückbezogen, während der Schutzanspruch 5, der im vorangegangenen Löschungsverfahren nicht angegriffen war und deshalb unangetastet geblieben ist, auf die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 4 zurückbezogen ist.
Die Antragsgegnerin hat dem auf mangelnde Schutzfähigkeit gestützten Löschungsantrag widersprochen. Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 7. Februar 2001 den Löschungsantrag zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, daß der Gegenstand des Schutzanspruchs 1
- dem Gebrauchsmusterschutz nicht zugänglich sei, weil sein Erfindungsgedanke ein Verfahren und nicht ein Erzeugnis betreffe,
- unzulässig erweitert sei, weil der Begriff "kaltverpresst" ursprünglich nur in Verbindung mit einem Polyurethankleber offenbart worden sei,
- nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe.
Unter anderem verweist sie auf folgende Druckschriften:
A3: Technische Information "Protopur 432"
A4: DE-GM 82 02 573 A6: Aufsatz "Ist der Polyurethanleim die Lösung€" in der DE-Z "Bau- und Möbelschreiner" 1984, Heft 10, Seiten 42 und 43, A14: DE-Z "HOLZ - kunststoff" 9 - 10/88, Seiten 11 bis 13 A15: Aufsatz "Einer für viele" in der DE-Z "der deutsche schreiner und tischler" 1987, Heft 9, Seiten 47 bis 49.
A16: HK3/88 PU-Schmelzkleber - ein Alleskönner Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Gebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 5 zu löschen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, die Beschwerde und den Löschungsantrag zurückzuweisen im Umfang des Schutzanspruchs 1 in einer Fassung, in der vor das Wort "Klebers" das Wort "Reaktions-" eingefügt wird, und der hierauf rückbezogenen Schutzansprüche 2 bis 5 (Hilfsantrag I), weiter hilfsweise Zurückweisung im Umfang des Schutzanspruchs 1, eingegangen am 1. August 2002, im übrigen der Schutzansprüche 2 bis 5, rückbezogen auf den vorgenannten Schutzanspruch 1 (Hilfsantrag II).
Der Schutzanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag I lautet:
Dielen für Parkettböden mit einer Deckschicht aus Holz, die auf mindestens einer Unterschicht angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Schichten (11, 12) der Diele (10) mittels eines wasserund lösungsmittelfreien Reaktions-Klebers (15) miteinander verklebt und kaltverpresst sind.
Der Schutzanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag II lautet:
Dielen für Parkettböden mit einer Deckschicht aus Holz, die auf mindestens einer Unterschicht angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Schichten der Diele mittels eines unter Luftabschluß erwärmten, wasser- und lösungsmittelfreien Polyurethan-Klebers miteinander verklebt und kalt verpresst sind.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, daß der Gegenstand des Gebrauchsmusters eine Parkettdiele sei und damit, wie sich auch aus dem von ihr eingereichten Gutachten ergebe, ein neues Erzeugnis und nicht ein Herstellungsverfahren beansprucht sei. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nicht unzulässig erweitert, und im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik sei er auch schutzfähig. Der Aufsatz in A6 "Ist der Polyurethanleim die Lösung€" betreffe die Herstellung von Holzfenstern mit laminierten Fensterkanteln. Probleme, wie sie bei der Herstellung von Parkettdielen aufträten, seien in der Entgegenhaltung nicht angesprochen. Irgendwelche Vorteile, die bei der Verwendung von Polyurethanleim im Zusammenhang mit Parkettdielen auftreten könnten, seien hier nicht erwähnt. Der Artikel sei somit lediglich ein Dokument dafür, daß es vor dem Anmeldetag des Streitgebrauchsmusters Polyurethanleime ohne Wasser und ohne Lösungsmittel gab, die bei Raumtemperatur verwendbar sind und mit denen auch Holz geklebt werden kann. Eine Anregung dafür, zur Vermeidung von Spannungen gezielt solche Kleber einzusetzen und die Dielenschichten aus diesem Grund kalt zu verpressen, erhielte der Fachmann aus der Entgegenhaltung jedoch nicht. Hinzu komme, daß der Aufsatz elf Jahre vor dem Anmeldetag des Gebrauchsmusters erschienen sei. Die bisherige Fertigung von Parkettdielen sei mit so vielen Problemen behaftet gewesen, daß es eine unzulässige expost-Betrachtung darstelle, nunmehr diesen Aufsatz dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 entgegenzuhalten.
II Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Der Teillöschungsantrag ist begründet. Denn der geltend gemachte Löschungsgrund aus § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG ist gegeben.
A.
1. Die Erfindung, so wie sie verteidigt wird, ist nicht unzulässig erweitert. Aus der Beschreibung (S 3, Abs 2) ergibt sich, daß das Merkmal "kaltverpresst" auch ohne Bezugnahme auf einen Polyurethankleber offenbart ist.
2. Zweifel an der Schutzfähigkeit im Hinblick auf den Schutzausschließungsgrund gemäß § 2 Nr 3 GebrMG können dahinstehen.
Solche Zweifel könnten daran anknüpfen, daß die in den verteidigten Schutzansprüchen unter Schutz gestellten Dielen ua durch die zwei Merkmale "mittels eines wasser- und lösungsmittelfreien Klebers miteinander verklebt" und "kaltverpresst" charakterisiert sind. Diese Merkmale geben allerdings die Art und Weise der Herstellung der Dielen wieder, umschreiben also ein Herstellungsverfahren. Der unter Schutz gestellte Gegenstand ist damit aber nicht notwendig ein Verfahren und damit vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen. Denn mit Verfahrensangaben läßt sich auch die Beschaffenheit eines Erzeugnisses umschreiben; vermitteln sie dem Fachmann ohne weiteres eine hinreichend bestimmte Vorstellung von der konstruktiven Ausgestaltung des Erzeugnisses und ist das Schutzbegehren zweifelsfrei darauf und nicht auf das Verfahren gerichtet, so sind solche Merkmale gebrauchsmusterrechtlich unbedenklich (vgl BPatGE 20, 142).
In dem mit einem anderen Löschungsantragsteller geführten Löschungsbeschwerdeverfahren 5 W (pat) 446/98 ist der Senat seinerzeit in der Begründung zu seinem Beschluß vom 15. September 1999 davon ausgegangen, mit dem zur Beschränkung eingeführten Merkmal "kaltverpresst" sei der Gegenstand nicht zu einem vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossenen Verfahren geworden, vielmehr handele es sich um eine die Beschaffenheit der gebrauchsmustergemäßen Dielen näher charakterisierende Angabe.
Die Antragstellerin des vorliegenden Löschungsverfahrens hat nun gutachtliche Äußerungen vorgelegt, die darauf hinauslaufen, der analytische Nachweis, ob ein Parkett nach oder entgegen den Schutzrechtsansprüchen hergestellt worden sei, könne nur in Einzelfällen gelingen; in vielen denkbaren Kombinationen werde kein eindeutiges Ergebnis vorliegen. Dem ist die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf andere gutachtliche Äußerungen entgegengetreten.
Um weiterhin davon auszugehen, daß es sich bei den verfahrenshaften Merkmalen um solche handelt, die die Beschaffenheit der unter Schutz gestellten Dielen näher charakterisieren, bedürfte es der Auseinandersetzung mit diesen gutachtlichen Äußerungen. Denn wenn die Erkennbarkeit der Beschaffenheit anhand der Verfahrensangaben nicht ohne weiteres gegeben, sondern mit Schwierigkeiten verbunden ist, mangelt es an der gebrauchsmusterrechtlich erforderlichen Offenbarung des Erzeugnisses. Die durch die angegebene Verklebung und Verpressung bewirkten Besonderheiten in der Struktur bzw in den Eigenschaften der Diele - die sich nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin in absoluter Spannungsfreiheit, besserer Feuchte- und Temperaturbeständigkeit und höherer Elastizität niederschlagen - erschließen sich dem Fachmann anhand der Angaben zum Verkleben und Verpressen nach dem jetzigen Streitstand möglicherweise wenn überhaupt, dann erst nach eingehenden Analysen dessen, was die Verfahrensschritte im Gegensatz zum herkömmlichen Herstellungsverfahren an Besonderem bewirken. In diesem Fall würden sie dem Fachmann nicht ohne weiteres eine hinreichend bestimmte Vorstellung von der Beschaffenheit der Dielen vermitteln.
Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Denn die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters scheitert in jedem Fall an der mangelnden erfinderischen Leistung.
B.
Die Neuheit wie auch die gewerbliche Anwendbarkeit des Gegenstands nach dem Schutzanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II sind in der mündlichen Verhandlung auch von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen worden. Die Gegenstände der verteidigten Schutzansprüche nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II sind aber deshalb nicht schutzfähig, weil der Fachmann - ein mit der Herstellung von Parkettdielen vertrauter Holzfachmann, der einen Fachmann auf dem Gebiet der Klebstoffe zu Rate zieht - in Kenntnis der zum Stand der Technik aufgezeigten Druckschriften unter Einbeziehung des ihm zuzurechnenden Fachwissens ohne erfinderisches Zutun (§ 1 GebrMG) zu den Gegenständen dieser Schutzansprüche gelangen konnte.
1. Schutzanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag Durch das deutsche Gebrauchsmuster 82 02 573 (A5) ist bereits eine Diele für Parkettböden mit einer Deckschicht aus Holz, die auf mindestens einer Unterschicht angeordnet ist, bekannt geworden, wobei die Schichten der Diele mittels eines nicht näher bezeichneten Klebers miteinander verklebt sind.
Somit unterscheidet sich die Diele nach dem Schutzanspruch 1 hiervon noch dadurch, daß
a) der Kleber ein wasser- und lösungsmittelfreier Kleber ist undb) die Schichten kaltverpresst sind.
Die Parteien haben übereinstimmend erklärt, daß bislang wasser- oder lösungsmittelhaltige Kleber verwendet worden seien, wie dies auch in der Beschreibung (S 1, le Satz) angegeben ist, und daß diese Klebemittel sowie die sich an den Kleberauftrag anschließende Verpressung der Schichten unter Wärmeeinwirkung die Ursache für die Spannungen in der Diele seien, die nach dem Verpressen eine Klimatisierung zum Spannungsausgleich erforderlich gemacht haben (vgl Beschreibung S 2 Abs 1).
Aufgrund dieser bekannten Ursachenzusammenhänge ist von dem mit der Herstellung solcher Dielen befaßten Fachmann zu erwarten, sich in der Holzklebetechnik nach einem anderen Klebesystem umzusehen, bei dem Spannungen in den Schichten der Diele vermieden werden und eine nachträgliche Klimatisierung zum Spannungsausgleich nicht mehr erforderlich ist. In dem Aufsatz "Ist Polyurethanleim die Lösung€" in der Entgegenhaltung A6 (die in dem vorangegangenen Löschungsverfahren Lö I 33/97 nicht genannt worden ist) ist aber ein Polyurethan-Leimsystem beschrieben, bei dem als "kennzeichnende Eigenschaften" ua herausgestellt sind, daß es lösungsmittel- und wasserfrei ist und die Verpressung bei Raumtemperatur, dh die Verleimung kaltverpresst, erfolgt (vgl S 42 re Sp Z 1 bis 3). Zwar betrifft dieser Aufsatz die Verleimung von Massivholzlamellen bei der Herstellung von Holzfenstern. Doch ist dies kein Grund, diese Schrift nicht aufzugreifen, da es dort auch um das Zusammenleimen mehrlagiger Holzschichten geht und es dabei ebenfalls auf eine verzugs- und spannungsfreie Verleimung ankommt. Insofern bieten sich hinreichende Anknüpfungspunkte, und dem Fachmann wird mit diesem Artikel ein Leimsystem gelehrt, das ohne wasser- und lösungsmittelhaltige Kleber und ohne Verpressung unter Wärmeeinwirkung auskommt, also gerade ohne die Elemente der Verklebung, die ihm als ursächlich für die Spannungen in den Dielen nach dem Verpressen bekannt sind. Damit ging es nicht über die Routine des Fachmanns hinaus, das aus der A6 gelehrte Leimsystem bei seinem Bemühen, ein Leimsystem aufzufinden, mit dem die unerwünschten Spannungen beim Verkleben der Schichten der Diele vermieden werden können, in seine Überlegungen richtungsweisend einzubeziehen. Der Einwand der Antragsgegnerin, daß das in der A6 angegebene Leimsystem mit den dort genannten Preßzeiten von 8 bis 10 min nicht ohne weiteres für die industrielle Fertigung der Dielen einsetzbar sei, kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Denn in der A6 wird auf die Möglichkeit hingewiesen, daß mit der Zumischung von Aktivatoren die Presszeiten verkürzt werden können (vgl S 42 re Sp "Verarbeitung").
Diesen Feststellungen zu den im Stand der Technik enthaltenen Anregungen zum Auffinden der Lösung gegenüber versagen der im Zusammenhang mit der A6 geltend gemachte Zeitfaktor bzw. das Vorbringen der Antragsgegnerin, daß das Aufgreifen des elf Jahre vor dem Anmeldetag des Gebrauchsmusters erschienenen Aufsatzes "Ist Polyurethanleim die Lösung€" eine unzulässige expost-Betrachtung darstelle. Überdies ist angesichts gegensätzlicher Angaben der Parteien unklar geblieben, ob über den gesamten Zeitraum ein dringendes Bedürfnis nach allseitigen Verbesserungen bestanden hat oder ob die Fachwelt vielmehr aus wirtschaftlichen Vergleichserwägungen heraus über einen bestimmten Zeitabschnitt an einer in Richtung des Gebrauchsmusters gehenden Ausbildung nicht interessiert war.
2. Schutzanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag I Dieser Schutzanspruch ist unbestritten zulässig und unterscheidet sich vom Schutzanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag durch die einschränkende Angabe, daß der Kleber ein Reaktions-Kleber sein soll. Diese zusätzliche Angabe kann das Vorliegen eines erfinderischen Schritts nicht begründen. Denn bei dem in dem Aufsatz "Ist der Polyurethanleim eine Lösung€" verwendeten Kleber handelt es sich bereits um einen "Reaktions-Kleber", nämlich um einen Polyurethanleim, der unter Einwirkung von Feuchtigkeit zu einem duroplastischen Leimgerüst vernetzt (vgl S 42 mittlere Sp "Beschreibung des Leimsystems"). Im übrigen gelten die vorstehenden Ausführungen zum Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag.
3. Schutzanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag II Der ebenfalls unbestrittene zulässige Schutzanspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag II unterscheidet sich von dem Schutzanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag durch die einschränkenden Angaben, daß der Kleber - ein Polyurethankleber ist, der - unter Luftabschluß erwärmt ist.
Auch diese zusätzlichen Angaben können die Schutzfähigkeit des Gegenstands dieses Schutzanspruchs nicht begründen. Denn das aus der A6 bekannte Leimsystem lehrt die Verwendung eines Polyurethanklebers, und aus der Entgegenhaltung A14 (S 12 mittlere Sp Abs 2 und 3) ergibt sich, daß Polyurethanschmelzstoffe in ein dicht verschließendes Metallgebinde gegossen und "in der Regel direkt im Liefergebinde", dh unter Luftabschluß, aufgeschmolzen werden. Im übrigen gelten wieder die vorstehenden Ausführungen zum Schutzanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag.
4. Schutzansprüche 2 bis 5 Die Schutzansprüche 2 bis 5 betreffen einfache handwerkliche Ausgestaltungen der Eigenschaften des Klebers oder der Diele nach dem jeweiligen Schutzanspruch 1, was auch von der Antragsgegnerin bezüglich der Schutzansprüche 2 bis 4 nicht in Abrede gestellt wird.
Der Schutzanspruch 5 war im vorangegangenen Löschungsverfahren nicht angegriffen. Er ist daher auf die Ansprüche 1 bis 4 in der eingetragenen Fassung zurückbezogen. Der eingetragene Schutzanspruch 1 unterscheidet sich von dem Schutzanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag dadurch, daß er das einschränkende Merkmal "und kaltverpresst" nicht enthält. Für die Beurteilung seiner Schutzfähigkeit gilt ebenfalls das vorstehend zum Schutzanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag Gesagte. Das im Anspruch 5 angegebene Merkmal, "daß die Oberfläche der Deckschicht vorversiegelt ist", stellt eine Maßnahme dar, die dem Fachmann im Bedarfsfall überlassen bleiben kann und die deshalb für sich eine Schutzfähigkeit nicht begründen kann. Gegenteiliges ist auch von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen worden.
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG und § 91 Abs 1 ZPO. Daß die Billigkeit eine andere Kostenentscheidung erfordert (§ 84 Abs 2 Satz 2 PatG), ist nicht ersichtlich.
Goebel Riegler Sperling Cl/Be
BPatG:
Beschluss v. 23.10.2002
Az: 5 W (pat) 428/01
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