Sozialgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 9. Februar 2006
Aktenzeichen: S 21 KR 103/06 ER

(SG Frankfurt am Main: Beschluss v. 09.02.2006, Az.: S 21 KR 103/06 ER)

Bei einer vergleichenden Werbung einer Krankenkasse zum Zwecke der Mitgliederwerbung liegt unlauterer Wettbewerb vor, wenn sich der Vergleich nicht auf eine wesentliche und nachprüfbare Eigenschaft oder den Preis bezieht. Dies ist insbesondere bei einem Verweis auf den "Kundenmonitor Deutschland" der Fall, der nicht mit der Stiftung Warentest vergleichbar ist.

Eine Gegenüberstellung der Beitragssätze ist zwar grundsätzlich zulässig. Soweit mit "exklusiven Mehrleistungen" geworben wird, müssen diese konkret benannt werden. Die pauschale Angabe von eingesparten Verwaltungskosten ist ebenfalls unzureichend.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung einstweilen verpflichtet, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 50.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken folgende Aussagen zu verwenden: €Seit neun Jahren dominiert sie (die Antragsgegnerin) laut dem Kundenmonitor Deutschland das Feld der frei wählbaren Krankenkassen€.

€Allein im Bereich der Verwaltungskosten wurden über 70 Millionen Euro im Vergleich zu Mitbewerbern eingespart€.

€Mit einem Beitragssatz von 12,8 % ist sie (die Antragsgegnerin) bis zu 648,00 Euro günstiger wie die AOK (Arbeitgeberanteil plus Arbeitnehmeranteil), bietet aber auf der anderen Seite exklusive Mehrleistungen an€.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragsstellerin begehrt von der Antragsgegnerin die Unterlassung der Verwendung bestimmter Aussagen im Rahmen der Mitgliederwerbung im Rahmen einer Gegenüberstellung der Beitragssätze der Beteiligten.

Die Antragsgegnerin hat unter der Überschrift €Jetzt zur GEK, Beitragssteigerung der AOK auf 14,4 % Sonderkündigungsrecht für AOK-Mitglieder!€ Anzeigen in der Tageszeitung H. Anzeiger sowie in den unentgeltlich an Wochenenden an alle Haushalte verteilten regionalen Anzeigenblätter €Ä. € Die Wochenendzeitung mit Biss€ und €Sonntag Morgenmagazin€, Verteilungsbereich D. und Umgebung veröffentlicht. Die beiden Anzeigenblätter enthalten einen € klein gehaltenen € redaktionellen Teil und umfangreiche Anzeigenrubriken, wobei redaktioneller Teil und Werbeteil ineinander übergehen. Die von der Antragsgegnerin in den Ausgaben vom 07.01.2006 und 14.01.2006 sowohl im H. Anzeiger als auch im €Ä.€ geschalteten Anzeigen bestehen aus einem im Großdruck gestalteten linksseitigem Teil, der ca. 2/3 des gesamten Anzeigenblocks ausmacht. In ihm werden die erzielbaren jährlichen Ersparnisse durch einen Krankenkassenwechsel von der Antragsstellerin zur Antragsgegnerin unter Einbeziehung des Beitragsvorteils des Arbeitgebers, bezogen auf bestimmte jährliche Bruttoarbeitsentgelte, ausgewiesen. Unter dieser Spalte folgt ebenfalls im Großtext folgende Formulierung: €Ihre Vorteile bei der Gmünder:

- bestes Preis-Leistungsverhältnis...

- 100 % Erstattung der Gesundheitsvorsorge nach § 20 SGB V

- Betreuung vor Ort

- Erstattung der Praxisgebühr (40,00 Euro) bei Nutzung der GEK-Bonussysteme€

Darin schließt sich an die Benennung der Adresse der Geschäftsstelle der Antragsgegnerin in H. und die Benennung des dortigen Ansprechpartners mit Telefonnummer. Im unteren Teil dieses linksseitigen Großtextblockes ist das Bild eines jungen Mädchens aufgenommen mit dem Unterlegtext: €Netter als die Gmünder ist eigentlich nur meine Oma€. Seitlich links davon ist in einem rot gekennzeichneten Kreis der Text enthalten: €9x in Folge Deutschlands Nr. 1. Deutschlands kundenfreundlichste Krankenkasse ... .€

Im untersten Teil des Großblockes wird dem verwendeten ...-Zeichen im Kleindruck folgender Text zugeordnet: Bei frei wählbaren Krankenkassen laut Kundenmonitor Deutschland 2005.

Im rechten Drittel der Anzeige befindet sich eine blau unterlegte Textspalte, wobei die Blauunterlegung oben und unten in Form eines Balkens bzw. eines Teilkreissegments bis an den linken Rand der Gesamtanzeige geführt wird. In der blau unterlegten Spalte steht unter der Überschrift €AOK in Hessen erhöht Beiträge auf 14,4 %€ folgender Fließtext:

€Im Krankenkassenmarkt ist Bewegung und die Verbraucher in Hessen sind verunsichert wie nie zuvor. Die AOK in Hessen hat ihren allgemeinen Beitragssatz zum Jahreswechsel auf 14,4 % erhöht. Hieraus ergibt sich für einen Arbeitnehmer mit 2500,- Euro Bruttoentgelt ein jährlicher Mehrbetrag von 75,- Euro.

Als günstige Alternative hat sich die Gmünder Ersatzkasse GEK einen Namen gemacht. Seit 9 Jahren dominiert sie laut dem Kundenmonitor Deutschland das Feld der frei wählbaren Krankenkassen. Nach deren Ermittlung besitzt die GEK das beste Preis-Leistungsverhältnis und die höchste Kundenzufriedenheit. Mit einem Beitragssatz von 12,8 % ist sie bis zu 684,- Euro günstiger wie die AOK (Arbeitgeberanteil plus Arbeitnehmeranteil), bietet aber auf der anderen Seite exklusive Mehrleistungen an.

Der Beitragsvorteil ergibt sich nach Aussage des Geschäftsführers in H., R. J., durch die niedrigen Verwaltungskosten und ein innovatives Vorsorgeprogramm. Allein im Bereich der Verwaltungskosten würden über 70 Mio. Euro im Vergleich zu Mitbewerbern eingespart. Das habe dazu geführt, dass die GEK im September ihr 1 000 000tes Mitglied begrüßen konnte. Die GEK-Geschäftsstelle H. hat in H. direkt, sowie in D., F. und A. eine Betreuungsstelle vor Ort, Infos unter gek.de oder telefonisch: --€.

In der Ausgabe des S.-M.Magazins vom 22.01.2006, ist der Textblock der rechten Seitenspalte der Anzeigen im H. Anzeiger und Ä. weitgehend identisch abgedruckt, abgesehen davon, dass nicht der Name des Geschäftsführers in H., sondern der des Leiters der Betreuungsstelle D. angeführt ist und im letzten Abschnitt die Adresse der Geschäftsstelle der Antragsgegnerin in D. nebst entsprechender Telefonnummer benannt wird. Die Veröffentlichung im S.-M.Magazin weicht im Hinblick auf ihre optische Gestaltung nicht von redaktionellen Texten des Anzeigenblattes ab. Sie trägt in Fettdruck die Überschrift: €Top in Preis und Leistung€ und lautet in der Unterüberschrift: € Die GEK punktet mit höchster Kundenzufriedenheit€. Darunter findet sich über der ersten der beiden Textspalten ein in blauer Schrift gestalteter Balken in dessen Mitte das Kürzel (pr) steht.

Die Antragsstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 10.01.2006 unter Bezugnahme auf die Anzeigen im H. Anzeiger und im €Ä.€ vom 17.01.2006 ab und forderte von ihr eine beiliegende Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum 16.01.2006 unterzeichnet zurückzusenden. Dies lehnte die Antragsgegnerin durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.01.2006 ab.

Hierauf hat die Antragsstellerin mit Schriftsatz vom 17.01.2006 beim Sozialgericht Frankfurt am Main einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bezüglich der bereits in dem Abmahnungsschreiben beanstandeten Textpassagen aus den im H. Anzeiger und im Ä. erschienenen Anzeigen gestellt. Sie trägt vor, die beanstandeten Formulierungen verletzten die Verpflichtung zur sachbezogenen Information im Rahmen vergleichender Werbung und seien geeignet, die angesprochenen Personen in die Irre zu führen. Inhaltlich falsch sei die Aussage, die Antragsgegnerin dominiere seit 9 Jahren laut dem Kundenmonitor Deutschland das Feld der frei wählbaren Krankenkassen. Die Angabe zu den Verwaltungskosten sei keine sachgerechte Information. Die Formulierung, die Antragsgegnerin sei mit ihrem Beitragssatz günstiger als die Antragsstellerin, biete aber auf der anderen Seite exklusive Mehrleistungen an, sei inhaltlich falsch, da sie € die Antragsstellerin € ein sehr gutes Leistungsangebot für ihre Versicherten aufweise. Auch liege darin eine unzulässige Herabsetzung und Abwertung.

Die Antragsstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Zwangsgeldes zu verpflichten, es zu unterlassen zu Wettbewerbszwecken durch Werbekampagnen folgende Behauptungen aufzustellen:

- €Seit 9 Jahren dominiert sie (die GEK) laut dem Kundenmonitor Deutschland das Feld der frei wählbaren Krankenkassen€

- €Allein im Bereich der Verwaltungskosten wurden über 70 Millionen Euro im Vergleich zu Mitbewerbern eingespart€

- €Mit einem Beitragssatz von 12,8 % ist sie (die GEK) bis zu 648,00 Euro günstiger wie die AOK (Arbeitgeberanteil plus Arbeitnehmeranteil), bietet aber auf der anderen Seite exklusive Mehrleistungen an€.

Mit Schriftsatz vom 01.02.2006 hat die Antragsstellerin den mit €Top in Preis und Leistung€ überschriebenen Artikel im S.-M.Magazin vom 22.01.2006 vorgelegt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die von der Antragstellerin beanstandete Passage mit der Bezugnahme auf den Kundenmonitor Deutschland 2005 sei inhaltlich richtig. Die von der Service Barometer AG M. durchgeführte Umfrage Kundenmonitor Deutschland 2005 stütze sich auf mehr als 19.000 telefonische Interviews, wobei im Hinblick auf Krankenkassen 19 Punkte abgefragt worden sein. Hierbei habe die Antragsgegnerin 14 Mal den ersten Platz von allen untersuchten Kassen erreicht. Abgesehen von diesen Kriterien vergebe der Kundenmonitor auch Noten hinsichtlich der Kategorie €Globalzufriedenheit€. Auch hier liege die Antragsgegnerin bei den frei wählbaren Krankenkassen auf Platz 1 und zwar im 9. Jahr der Umfrage in Folge. Auch beanspruche die Antragsgegnerin mit ihrem Anzeigentext, was sich aus den weiteren Sätzen ergebe, nicht den Anspruch, €im Allgemeinen dominierend€ zu sein, sondern beanspruche €Dominanz€ nur hinsichtlich der wichtigen Kriterien €Preis-/Leistungsverhältnis€ und €Kundenzufriedenheit€. Was die beanstandete Aussage zum Bereich der Verwaltungskosten anbelange, gelte, dass sie lediglich Verwaltungskosten von 116,00 Euro pro Mitglied habe, während der Durchschnitt der gesetzlichen Krankenkassen bei über 160,00 Euro liege. Bei Zugrundelegung der Zahl ihrer Mitglieder von 1 Million wären die Verwaltungskosten der Antragsstellerin um ca. 70 Millionen Euro höher, wenn deren Verwaltungskosten ebenfalls über 180,00 Euro pro Mitglied lägen. Die dritte der beanstandeten Aussagen beinhalte keine Herabsetzung der Antragsstellerin, sondern betone vielmehr den individuellen Charakter des eigenen Angebotes an Zusatzleistungen. Es werde damit nicht ausgesagt, dass die Antragsstellerin keine zusätzlichen Leistungen anbiete und auch keine Aussage über die Qualität der gesetzlichen Leistungen der Antragsgegnerin getroffen. In keinem Fall liege in dieser Aussage eine Herabsetzung oder Verunglimpfung des Mitbewerbers.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

II. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein solcher Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 86 b Abs. 3 SGG).

Die Entscheidung hierüber richtet sich nach folgenden Grundsätzen: Ist die Klage im Hauptsacheverfahren offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist ein zu schützendes Recht nicht vorhanden; der Antrag auf eine einstweilige Anordnung ist in diesem Fall, auch wenn ein Anordnungsgrund vorliegt, abzulehnen. Wenn die Klage im Hauptsacheverfahren offensichtlich zulässig und begründet ist, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in der Regel stattzugeben. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine Interessenabwägung erforderlich. Die einstweilige Anordnung wird dann erlassen, wenn dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl LSG Rheinland-Pfalz 15.2.2005 L 5 ER 5/05 KR, juris).

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist vorliegend ein Erfolg der Unterlassungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) im Hauptsacheverfahren gegeben. Beschränkungen hinsichtlich Form und Inhalt von Maßnahmen der Mitgliederwerbung ergeben sich aus der Pflicht der Kassen zur Aufklärung, Beratung und Information der Versicherten (§§ 13 15 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs € SGB I) sowie aus dem Gebot, bei der Erfüllung dieser und anderer Aufgaben mit den übrigen Sozialversicherungsträgern zusammenzuarbeiten (§ 15 Abs 3 SGB I; § 86 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs SGB X; § 4 Abs 3 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs SGB V). Wie bei jeder Handlungspflicht korrespondiert damit eine Pflicht zur Unterlassung von Tätigkeiten, die dem Handlungsziel zuwiderlaufen. Wird deshalb bei der Werbung die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger nicht beachtet, kann sich daraus ein Anspruch des beeinträchtigen Trägers auf Unterlassung der unzulässigen Werbemaßnahmen ergeben (BSG 31.3.1998 B 1 KR 9/95 R, SozR 3 2500 § 4 Nr 1).

Dabei haben die Krankenkassen in ihrem Wettbewerb untereinander die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten. Dieses enthält seit dem 08.07.2004 detaillierte Vorgaben für die Regelung vergleichender Werbungen, die in dessen §§ 6 und 5 Abs. 3 enthalten sind. Gemäß § 6 Abs. 1 UWG ist vergleichende Werbung jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Dies ist in den streitgegenständlichen Anzeigen der Antragsgegnerin offensichtlich der Fall, da diese ausdrücklich auf die AOK und deren neue Beitragssätze Bezug nimmt und ihre Leistungen als günstiger als diejenigen der Antragsstellerin darstellt. § 6 Abs. 2 UWG benennt sodann Zulässigkeitsvoraussetzungen für die vergleichende Werbung, wobei sich die einzelnen Tatbestände dieser Norm sowie die Regelungen des § 5 UWG mit seinem Irreführungsverbot und der Benennung einzelner Fallgruppen, bei denen eine Werbung als irreführend zu behandeln ist, teilweise überschneiden. Einschlägig ist hier § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wonach unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Ware oder Dienstleistungen bezogen ist. Diese Norm ist letztlich eine Ausprägung des Grundgedankens der Regelungen zur vergleichenden Werbung, nämlich dass eine solche sachlich zu sein hat, weil die Zulassung vergleichender Werbung letztlich dem Ziel dient, die Marktransparenz zu erhöhen und dem beworbenen Konsumenten oder Dienstleistungsnachfrager damit seine Auswahlentscheidung unter mehreren Anbietern erleichtern soll.

Die streitgegenständliche Werbeaussage der Antragsgegnerin, sie dominiere laut dem Kundenmonitor Deutschland das Feld der frei wählbaren Krankenkassen, beinhaltet keine objektiv nachprüfbare Tatsache, sondern bezieht sich auf eine Wertschätzung, die ein Produkt von außen erfährt. Eine solche ist jedoch keine Eigenschaft, insbesondere dann, wenn diese Wertschätzung über eine Meinungsumfrage festgestellt werden soll (vgl. Eck/Ikas, in: Münchner Anwaltshandbuch Gewerblicher Rechtsschutz, herausgegeben von Hasselblatt, 2. Auflage, München 2005 § 23 Rdziff. 59 ff). Es handelt sich auch um keine subjektive Wertung, die sich auf objektiv nachprüfbare Tatsachen bezieht, welche die Basis des Vergleiches darstellen sollen. Die tatsächlichen Grundlagen der Bewertung, die Antragsgegnerin dominiere das Feld der frei wählbaren Krankenkassen, wird in dem Vergleich nicht offen gelegt. Die hervorgehobene Eigenschaft der €Dominanz€ kann auch nicht als eine Aussage über eine Tatsache verstanden werden, deren Richtigkeit für den Verbraucher ohne unzumutbaren Aufwand nachprüfbar ist. Der Kundenmonitor Deutschland stellt keine allgemein anerkannte und verbreitete Einrichtung dar, die Waren und Dienstleistungen testet und deren Testergebnisse allgemein zugänglich sind, wie dies etwa bei den Testergebnissen der Stiftung Warentest der Fall ist. Bei dem von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Kundenmonitor Deutschland handelt es sich um eine Erhebung, die von der Service Barometer AG M. durchgeführt wird. Nach den unter der Internetadresse dieses Unternehmens (http://www.....com/) abrufbaren Informationen ist sein zentraler Untersuchungsgegenstand die Kundenorientierung von Unternehmen und Organisationen in Deutschland. Diese wird insbesondere anhand von Aussagen privater Letztnachfrager ab 16 Jahren zu ihrer Zufriedenheit und ihrer zukünftigen Kundenbeziehung im Sinne der Kundenbindung an bestimmte Anbieter von Dienstleistungen und Produkten bestimmt. Die €Grundgesamtheit€ der Studie ist die deutsche Bevölkerung ab 16 Jahren, telefonisch erreichbar in den Privathaushalten der Bundesrepublik Deutschland. Die Ergebnisse des Kundenmonitors Deutschland 2005 sollen auf 19.396 Einzelinterviews beruhen, die vom 01. April bis zum 10. August 2005 telefonisch mittels computer assistedtelefoneinterviewing geführt wurden. Die Auswahl der Befragungshaushalte erfolgte nach der Eigendarstellung über das aktuelle ADM- Telefonstichprobensystem. Da die soziodemokratische Verteilung der Befragten im Vergleich zur entsprechenden Verteilung der deutschen Bevölkerung hinsichtlich der erhobenen soziodemokratischen Daten geringfügig abweiche, seien die Stichproben dementsprechend gewichtet worden, so dass dadurch eine Hochrechnung der Ergebnisse auf die deutsche Bevölkerung ab 16 Jahren möglich sei. Auf diese Weise werden im Wesentlichen Kennziffern aus Kundensicht zu den zentralen Themenkomplexen Kundenzufriedenheit und € Bindung, Service- und Kontaktqualität, Nutzungsverhalten, Beschwerden und Kundenstruktur ermittelt. Hieraus werden Branchenberichte und Benchmarkingreports entwickelt, deren Ergebnisse in sehr allgemeinen gehaltener Form durch eine Pressemitteilung bekannt gemacht werden. Weitere Informationen können indessen nur auf Bestellung und gegen Entgelt bezogen werden, wobei insbesondere einzelne Unternehmen oder Dienstleister angesprochen werden, die Aufschluss über die Entwicklung ihrer Branche wünschen. Aus den Internetseiten zur Selbstdarstellung der Service Barometer AG ist weiter zu entnehmen, dass die zwecks Erstellung des Kundenmonitors Deutschland 2005 durchgeführten Erhebungen zur Branche Krankenkassen und Krankenversicherungen auf 9307 telefonisch geführten Interviews beruhen. Dabei ist nicht erkennbar, ob in die Auswertung der in diesen Interviews abgefragten Parameter - Leistungsumfang, Schnelligkeit, Preis-Leistungsverhältnis, Wiederwahlabsicht, weiter Empfehlungsabsicht, Produktangebot, Service, Kondition, Anbietervorteil, Erledigungen gesamt, Erreichbarkeit gesamt, Fachberatung gesamt, Freundlichkeit gesamt, Bonusprogramm, Wartezeiten, Geschäftsstellen, Zuverlässigkeit, persönliche Ansprechpartner, aktive Betreuung, Schriftwechsel - auch Eingang gefunden hat, wie viele Mitglieder die einzelnen Krankenkassen jeweils haben, welchen Anteil der Gesamtbevölkerung sie versichern und ob die Interviewten den jeweiligen Mitgliederanteil der Krankenkassen repräsentieren und dies in einer Zahl, die mit hinreichender Aussagekraft statistische Aussagen über die Haltung der Gesamtheit der Versicherten bzw. des Anteils der jeweils bei einer Krankenkasse Versicherten zulassen. Dies ist in hohem Maße zweifelhaft, da das methodische Instrumentarium welches für die Erstellung des Kundenmonitors Deutschland eingesetzt wird, als sehr schlicht erscheint. Letztlich handelt es sich bei der Werbeaussage der Antragsgegnerin zu ihrer Dominanz im Feld der freiwählbaren Krankenkassen um einen Vergleich, der ein pauschales Werturteil enthält, ohne dass die die Qualität begründenden Merkmale in plausibler und für die Werbeadressaten nachvollziehbarer Weise genannt werden oder jedenfalls mit zumutbaren Anstrengungen erschließbar sind.

Auch die streitgegenständliche Werbeaussage, allein im Bereich der Verwaltungskosten wurden über 70 Millionen Euro im Vergleich zu Mitbewerbern eingespart, ist unlauter und damit von der Antragsgegnerin nicht hinzunehmen. Es handelt sich gleichfalls um eine pauschale Angabe, wobei weder die verglichenen Mitbewerber noch die relevanten Kriterien, anhand derer die Angemessenheit aufgewandter Verwaltungskosten bestimmt werden, benannt werden. Die Ausweisung bloßer Euro-Gesamtsummen für aufgewandte Verwaltungskosten ist weitgehend aussagelos, da der bewältigte Verwaltungsaufwand nicht benannt wird, der wiederum wesentlich von der Mitgliederzahl der jeweiligen Krankenkasse abhängig ist. Die im Hinblick auf Mitbewerber getroffene Aussage zur nicht erbrachten Einsparung von Verwaltungskosten entbehrt damit jeglicher Nachprüfbarkeit. Es kann dahin gestellt bleiben, ob sie auch mit dem Irreführungsverbot des § 5 UWG, nach dessen Abs. 3 auch die Vorgaben des § 3 UWG im Rahmen vergleichender Werbung maßgeblich sind, vereinbar sind, weil sie schon gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoßen. Die in der Antragserwiderung der Antragsgegnerin enthaltenen Ausführungen verdeutlichen nur, dass es sich bei der genannten Einsparungssumme um eine Größe handelt, die auf unbelegten spekulativen Annahmen beruht.

Die dritte der streitgegenständlichen Werbeaussagen wäre zwar in ihren ersten Satzteil, wenn dieser isoliert stünde, hinnehmbar. Dem Beitragssatz einer Krankenkasse kommt eine zentrale Rolle im Wettbewerb zu, weshalb eine Mitgliederwerbung einer Krankenkasse durch Gegenüberstellung von Beitragssätzen grundsätzlich zulässig ist. Die Gesamtaussage in diesem streitgegenständlichen Passus wird aber durch den Zusatz € bietet aber auf der anderen Seite exklusive Mehrleistungen an€ in seinem Gesamtgehalt unlauter im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Es erfolgt darin ein an sich zulässiger Hinweis auf Leistungsunterschiede, die jedoch wiederum völlig pauschal und damit in nicht nachprüfbarer Weise mit €exklusive Mehrleistungen€ umschrieben werden. Um dem angesprochenen Verbraucher aber die mit der Zulassung der vergleichenden Werbung vom Gesetzgeber erwartete verbesserte Markttransparenz zu ermöglichen, hätte es zumindest in einem Klammerzusatz oder einer beispielhaften Aufzählung einer Konkretisierung der von der Antragsgegnerin behaupteten Mehrleistungen bedurft. Dies gilt umso mehr, als der in § 11 SGB V aufgeführte Leistungskatalog bei allen gesetzlichen Krankenkassen gleich ist. Deren Leistungsspektrum kann individuell nur erweitert werden, über die vom Gesetzgeber eröffneten Spielräume zur Gestaltung von Leistungen durch Satzung (§§ 13 Abs. 2 Sätze 8 und 9 Abs. 3 Sätze 4 und 5, 20 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 2 Sätze 2 und 3, Abs. 9, 37 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 38 Abs. 2, 39 a Abs. 1 Satz 2, 44 Abs. 2, 53, 54, 65a, 68 SGB V). Weitere Möglichkeiten der Erweiterung des Leistungsspektrums erwachsen aus den gesetzlichen Möglichkeiten, Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisation-, Finanzierungs -und Vergütungsformen und zu Leistungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten sowie Krankenbehandlung (§ 63 Abs. 1 und 2 SGB V) durchzuführen oder zu vereinbaren, ferner auf eine etwaige Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme (§ 137 g SGB V) bzw. auf Verträgen über eine integrierte Versorgung (§ 140 a SGB V). Auf diese Gestaltungsmöglichkeiten und der Gebrauchmachung von ihr muss zwar im Rahmen einer beitragsvergleichenden Werbung nicht zwangsläufig hingewiesen werden (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 03.05.2005 L 1 ER 11/05 KR). Wenn aber neben dem Hinweis auf einen niedrigeren Beitragssatz des Werbers gegenüber der verglichenen konkurrierenden Krankenkassen zusätzlich noch in besonders exponierter Weise ein erweitertes Leistungsspektrum angeführt wird, so müssen diese Zusatzleistungen zumindest ansatzweise benannt werden. Nur so ist dem insbesondere für vergleichende Werbemaßnahmen geltenden Sachlichkeitsgebot des UWG genüge getan. Dem ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen.

Schließlich ist der Antragsstellerin nicht zuzumuten, ihre Interessen im Hauptsacheverfahren zu verfolgen. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin durch die Veröffentlichung in dem Sonntag Morgenmagazin vom 22.01.2006 die hier streitgegenständlichen Passagen erneut, wenn auch in anderer Aufmachung verwandt hat, spricht dafür, dass sie ohne Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung weiter in der beanstandeten unlauteren Weise werben wird. Nach Überzeugung des Gerichtes handelt es sich bei dem Artikel im S.-M.Magazin um eine in redaktioneller Form getarnte Werbung. § 8 Hessisches Pressegesetz schreibt zwingend die Trennung redaktioneller Inhalte von Werbung vor. €Getarnte Werbung€ ist nach der UWG-Reform aus dem Jahre 2004 durch Einführung des neuen Beispieltatbestandes des § 4 Nr. 3 unlauter und unzulässig. Nach dieser Vorschrift handelt unlauter im Sinne von § 3 UWG insbesondere, wer den Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen verschleiert. Da die im S.-M.Magazin von 22.01.2006 auf Seite 11 abgedruckten Textteile weitgehend identisch sind mit dem Fließtextblock, der in den Werbeanzeigen im H. Anzeiger und im Ä. verwandt wird, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin Urheber dieser Veröffentlichung ist. Gestaltung, Bild, Grafik, Schriftart und Schriftgrad sowie das Layout unterscheiden sich nicht von den Beiträgen, welche im redaktionellen Teil des Sonntag Morgenmagazins enthalten sind. Weder die Überschrift, noch das sich hieraus ergebende Thema der Veröffentlichung, noch das Umfeld in dem dieser Artikel steht, klären eindeutig über den werblichen Charakter auf. Die bloße Aufnahme eines Balkens mit einer Klammer, die die zwei Buchstaben pr enthält, wobei die beiden Buchstaben wahrscheinlich für public relation stehen sollen, was aber nirgendwo, insbesondere nicht im Impressum der Zeitung ausgewiesen ist, lassen es für den Durchschnittleser nicht offenkundig werden, dass eine Veröffentlichung werbenden Charakters vorliegt. Erschließt sich der werbliche Charakter eines Textes erst durch dessen Studium, so handelt es sich um Schleichwerbung, weil der Leser animiert wurde, den Beitrag zu lesen (vgl. Friedrich in Münchner Anwaltshandbuch gewerblicher Rechtschutz § 145 Randziffer 5). Wird Werbung in redaktionellen Inhalten versteckt, ist dies unlauter, weil damit ein auf Täuschung beruhender Glaubwürdigkeitsvorsprung erreicht wird. Nicht als Werbung erkennbare redaktionelle Beiträge gefährden außerdem nachhaltig das Vertrauen des Verkehrs in die Unabhängigkeit der Nachrichtenübermittlung und Meinungsäußerung der Presse und, und zwar auch derjenigen Presseunternehmen, die eine Vermischung von Werbe und redaktionellen Teil nicht zulassen.

Es kann hier dahin gestellt bleiben, ob aus diesen aufgezeigten Gründen eine gesonderte Untersagung der Werbung in Form eines Artikels, wie er in dem S.-M.Magazin vom 22.01.2006 enthalten ist, notwendig ist. Jedenfalls wird durch die erlassene Untersagungsverfügung das Rechtschutzinteresse der Antragsstellerin hinreichend gewahrt.

Es war daher zu entscheiden, wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG.

Für den Streitwert ist mangels Anhaltpunkten für eine anderweitige Bestimmung der Regelstreitwert maßgebend. Dabei setzt das Gericht den Streitwert nicht auf den halben, sondern auf den vollen Regenstreitwert fest. Dies erscheint jedenfalls bei solchen Wettbewerbsstreitigkeiten angemessen, die in der Regel den gesamten Rechtsstreit erledigen.






SG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 09.02.2006
Az: S 21 KR 103/06 ER


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