Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Oktober 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 247/99

(BPatG: Beschluss v. 26.10.2000, Az.: 25 W (pat) 247/99)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung MOPRIL ist am 26. September 1994 gemäß § 6a WVZ vorläufig für "pharmazeutische Präparate und Substanzen" in das Markenregister eingetragen worden. Die Bekanntmachung der Anmeldung erfolgte am 31. Oktober 1994. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren das Warenverzeichnis der jüngeren Marke auf "rezeptpflichtige pharmazeutische Präparate und Substanzen" beschränkt.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 18. Dezember 1976 ua für "Produits pharmaceutiques et veterinaires.." eingetragenen IR Marke 426 990 FONDRIL, deren Benutzung bestritten ist, ausgenommen für einen Beta-Blocker. Eine weitergehende Benutzung wird von der Widersprechenden nicht geltend gemacht.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Erstbeschluß die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von der Registerlage und danach möglicher Warenidentität sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, welche in klanglicher Hinsicht wegen der Übereinstimmung der Marken in der Silbenanzahl, im Betonungsrhythmus, der klangtragenden Lautfolge "oril" und der Ähnlichkeit auch der Konsonanten "p" und "d" sowie "m" und "f" nicht eingehalten seien. Bei der relativen Länge beider Wörter beeinflusse auch die noch verbleibende Abweichung des in der Widerspruchsmarke enthaltenen zusätzlichen Konsonanten "n" das jeweilige Klangbild nicht nachhaltig genug, um eine unterscheidbares Erinnerungsbild zu bewirken und eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Auch im Schriftbild, vor allem bei einer Wiedergabe der Marken in Versalien, bestehe wegen der Ähnlichkeit der Buchstaben gleichfalls Verwechslungsgefahr.

Auf die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Markenstelle in einem weiteren Beschluß - nunmehr ausgehend von einer Benutzung der Widerspruchsmarke für einen Beta-Blocker - den Erstbeschluß aufgehoben und den Widerspruch zurückgewiesen. Zwar seien wegen der weiterhin möglichen Warenidentität unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hohe Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Diese würden etwas gemildert, weil Beta-Blocker im allgemeinen nur vom Arzt verschrieben werden. Die wie "mopril" und "fondril" gesprochenen Wörter stimmten zwar in der Silbenanzahl und der Vokalfolge sowie in den Endbestandteilen "-ril" überein. Beide Marken wiesen aber auch markante klangliche Unterschiede auf, da sie in keiner Silbe identisch seien und die jüngere Marke durch den Nasenlaut "m" eingeleitet werde, während die Widerspruchsmarke mit dem Reibelaut "f" beginne. Klangliche Verwechslungen seien deshalb nicht zu befürchten. Ebenso reichten die figürlichen Unterschiede der Anfangsbuchstaben sowohl bei einer Darstellung der Markenwörter in Versalien als auch in Normalschrift zu ihrer hinreichenden Unterscheidung aus.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Der Argumentation der Markenstelle könne nicht gefolgt werden, da angesichts der Identität der unter den Marken vertriebenen Waren - auch wenn diese im allgemeinen von Ärzten verschrieben würden - die aufgeführten Markenunterschiede nicht ausreichten, eine Verwechslungsgefahr der in ihrer Silbenanzahl, in ihrem Betonungsrhythmus und in der klangtragenden Lautfolge "oril" übereinstimmenden Markenwörter zu verhindern, zumal auch die Anlaute der jeweiligen zweiten Silbe klangähnlich seien und die am Wortanfang vorhandenen Lippenlaute "m" und "f" wenig akzentuiert gesprochen würden. Auch die Aufnahme der Rezeptpflicht in das Warenverzeichnis der jüngeren Marke rechtfertige kein anderes Ergebnis. Weder werde hierdurch die mögliche Warenidentität ausgeschlossen noch die Anforderungen an den Markenabstand derart abgemildert, daß selbst unter Berücksichtigung der danach im Vordergrund stehenden Fachkreise eine Verwechslungsgefahr auszuschließen sei, zumal nach ständiger Rechtsprechung auch bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln Hilfskräfte und sonstige nicht fachkundige Verkehrskreise mitzuberücksichtigen seien. Darüber hinaus bestehe aufgrund der hochgradigen Ähnlichkeit der Markenwörter auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Es sei zu berücksichtigen, daß die mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Beta-Blocker verschreibungspflichtige Arzneimittel seien, was die Verwechslungsgefahr wegen der angesprochenen Fachkreise auf ein Minimum mindere. Beide Bezeichnungen stimmten nur in ihren Endungen überein, welche für den Gesamteindruck von untergeordneter Bedeutung seien. Im übrigen unterschieden sich die Markenwörter grundlegend und stimmten lediglich formal im Vokal "o" überein. Verwechslungen seien deshalb sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht auszuschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG). Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet, da nach Auffassung des Senats jedenfalls unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren erfolgten Beschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke keine Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG in Verbindung mit §§ 152, 158 Abs 2 MarkenG besteht. Der Widerspruch ist deshalb zu Recht in dem angefochtenen Beschluß zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke die nach § 43 Abs 1 MarkenG mögliche Einrede mangelnder Benutzung der Widerspruchsmarke für alle Waren mit Ausnahme für einen Beta-Blocker erhoben und die Widersprechende eine weitergehende Benutzung auch nicht behauptet hat, ist für die Beurteilung der Warenähnlichkeit im Rahmen der Integrationsfrage auf Seiten der Widerspruchsmarke jedenfalls von diesen Waren (vgl hierzu das Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" zu der Hauptgruppe 27 "Betarezeptoren-, Calciumkanalblocker und Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems"), ganz allgemein und mangels entgegenstehender Festschreibung im Warenverzeichnis ohne Beschränkung auf eine Rezeptpflicht, bestimmte Darreichungsformen oder enthaltene Wirkstoffe auszugehen (st Rspr, vgl BPatG Mitt 1979, 223 - Mastu; vgl allgemein zur Integrationsfrage BGH GRUR 1990, 39 ff - Taurus - und GRUR 1999, 164, 165 - JOHN LOBB). Diesen stehen aufgrund der weiten Fassung des Warenverzeichnisses der jüngeren Marke Waren gegenüber, die hiermit identisch sein können. Kollisionsmindernd wirkt sich jedoch die im Beschwerdeverfahren in das Warenverzeichnis der jüngeren Marke aufgenommene Rezeptpflicht aus. Denn bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist jedenfalls überwiegend auf die Verwechslungsgefahr in den Fachkreisen von Ärzten und Apothekern abzustellen, welche aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln sehr sorgfältig sind und daher Markenverwechslungen weniger unterliegen als Endverbraucher, (BGH GRUR 1993, 118, 119 - Corvaton/Corvasal; GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal/Indohexal; BGH MarkenR 2000, 138, 139 Ketof/ETOP), was in gewissem Umfang auch bei nur einseitiger Rezeptpflicht gelten muß (vgl hierzu BGH MarkenR 1999, 154, 156 - Cefallone). Wenngleich hierdurch weder in gewissem Umfang mündliche Markenbenennungen noch solche durch medizinische Hilfskräfte oder durch sonstige Verkehrskreise ausgeschlossen werden können, so steht dennoch für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr die schriftliche Verordnung und das Unterscheidungsvermögen von Fachleuten deutlich im Vordergrund. Dies führt dazu, daß die Anforderungen an den Markenabstand zu reduzieren sind. Im übrigen ist auch hinsichtlich der in eingeschränktem Umfang zu berücksichtigenden allgemeinen Verkehrskreise grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Auch wenn gleichwohl an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Markenabstand eher noch strenge Anforderungen gestellt werden, so ist die Ähnlichkeit der Marken auch nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Die angegriffene Marke hält vielmehr in jeder Hinsicht einen zur Vermeidung von Verwechslungen noch ausreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

Danach unterscheiden sich die gegenüberstehenden Markenwörter in klanglicher Hinsicht ihrem jeweiligen Gesamteindruck nach noch hinreichend, da sie trotz der übereinstimmenden Endbestandteile und des gemeinsamen Vokals "o" nicht zu überhörende, konsonantische Unterschiede in beiden Sprechsilben aufweisen, die den Gesamtklang der Wörter wesentlich mitbestimmen. Dies gilt nicht nur deshalb, weil die sich jeweils gegenüberstehenden Konsonanten "m" und "f" sowie "p" und "d" schon für sich betrachtet wesentlich verschiedene Klangmerkmale aufweisen und die Widerspruchsmarke in der ersten Sprechsilbe noch den weiteren Konsonanten "n" enthält, der in der jüngeren Marke keine Entsprechung findet. Entscheidend kommt vielmehr hinzu, daß die konsonantischen Unterschiede in den Anlauten der jeweiligen Sprechsilben bestehen und zudem hinsichtlich des gemeinsamen Vokals "o" auch eine veränderte Artikulation dieses Lauts bewirken. Dieser Unterschied erhält ebenso wie die deutlichen Abweichungen der jeweiligen Anfangskonsonanten "m" und "f" noch zusätzliches, den Gemeinsamkeiten entgegenwirkendes Gewicht dadurch, daß erfahrungsgemäß der Wortanfang stärker beachtet wird als die weiteren Wortbestandteile. Insgesamt ist deshalb ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten der Wörter aufgrund ihres unterschiedlichen klanglichen Gesamteindrucks gewährleistet, auch wenn erfahrungsgemäß die Auffassung des Verkehrs eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt ist (vgl hierzu auch EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints).

Ebenso weisen die gut überschaubaren, nicht langen Markenwörter im Schriftbild in jeder üblichen Schreibweise aufgrund der markanten Konturabweichungen, insbesondere der jeweiligen Anfangsbuchstaben, eine hinreichenden Markenabstand auf, zumal in Normalschrift und bei handschriftlicher Wiedergabe die auffällig durch die gegenläufigen Ober- und Unterlängen in der Wortmitte differierende Umrißcharakteristik der Wörter hinzukommt und das Schriftbild erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 26.10.2000
Az: 25 W (pat) 247/99


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