Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juni 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 267/04

(BPatG: Beschluss v. 28.06.2005, Az.: 33 W (pat) 267/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 28. September 2004 aufgehoben.

Auf Grund des Widerspruchs aus der Marke 1 186 547 wird die Löschung der Marke 302 09 239 für die Dienstleistung "Versicherungswesen" angeordnet.

Auf Grund des Widerspruchs aus der Marke 396 27 105 wird die Löschung der Marke 302 09 239 für die Dienstleistungen "Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen und Bauwesen" angeordnet.

Im übrigen bleibt die Entscheidung über die Widersprüche dahingestellt.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die gegen die Eintragung der für die Dienstleistungen

"Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Immobilienwesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Versicherungswesen; Bauwesen"

am 26. Februar 2002 angemeldeten und am 7. Februar 2003 registrierten Marke 302 09 239 aufgrund der am 28. Dezember 1992 für die Dienstleistung

"Versicherungswesen"

eingetragenen Marke 1 186 547 und der am 31. Juli 1998 für die Dienstleistungen

"Vermögensverwaltung durch Erwerb, Verwaltung und Veräußerung von Beteiligungen an in- und ausländischen Unternehmen jeder Art, insbesondere an Versicherungs-, Vermittlungs-, Vermögensverwaltungs- und Kapitalanlagegesellschaften, anderen Vermögensanlagen, Durchführung von Beratungs- und Dienstleistungsarbeiten, nämlich Kapitalanlagemanagementberatung, Risikomanagement von Kapitalanlagen, An- und Verkauf von Wertpapieren, Erstellung von Portfolioanalysen, Erstellung von Portfoliostrukturen; Analyse und Bewertung von Immobilien, Entwicklung von Immobilien, Verwaltung von Immobilien, Vermittlung von Immobilien, ausgenommen Rechts- und Steuerberatung"

eingetragenen Marke 396 27 105 Widerspruch erhoben worden.

Mit Schriftsatz vom 18. September 2003 haben die Widersprechenden ausgeführt, dass Dienstleistungsidentität und -ähnlichkeit für die Dienstleistungen "Versicherungswesen", "Finanzwesen", "Geldgeschäfte", "Immobilienwesen" und "Bauwesen" bestehe. Es werde daher beantragt, für diese "vorstehend genannten Dienstleistungen" die markenrechtliche Verwechselbarkeit der Anmeldemarke mit den Widerspruchsmarken festzustellen.

Die Markenstelle für Klasse 36 hat die Widersprüche durch Beschluss vom 28. September 2004 zurückgewiesen. Sie hat ausgeführt, dass die sich gegenüberstehenden Marken teilweise zur Kennzeichnung identischer und im übrigen im engsten Ähnlichkeitsbereich liegender Dienstleistungen bestimmt seien, so dass ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft ein erhöhter Abstand der Marken erforderlich sei. Dieser Abstand werde aber eingehalten. Die Marken seien grundsätzlich in ihrer Gesamtheit zu vergleichen. Es bestehe aber auch keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer selbständig kollisionsbegründenden Stellung des Bestandteils "VU" innerhalb der angegriffenen Marke und des Bestandteils "UV" innerhalb der Widerspruchsmarken. Jedenfalls innerhalb der Widerspruchsmarken sei eine selbständig kollisionsbegründende Stellung des Bestandteils "UV" zu verneinen. Der Bildbestandteil trete nicht in einer Weise in den Hintergrund, dass er vom Verkehr nicht mehr beachtet würde. Soweit - wie hier - ein Bild derart hervortrete, dass es von einem beachtlichen Teil der beteiligten Verkehrskreise als eigenständiger Herkunftshinweis aufgefasst werde, vermöge auch ein Bildbestandteil eine den Gesamteindruck zumindest mitprägende Wirkung zu entfalten. Die Buchstaben "UV" seien innerhalb der Widerspruchsmarken derart von der Graphik überlagert, dass sie als solche kaum mehr zu erkennen seien. Die Buchstaben seien erst bei einer analytischen Betrachtungsweise als solche erkennbar.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden der Widersprechenden. Sie tragen vor, dass zwischen den sich gegenüberstehenden Dienstleistungen Identität oder engste Ähnlichkeit bestünde. In klanglicher Hinsicht werde das angegriffene Zeichen durch "VU" geprägt. Die übrigen Zusätze seien beschreibender Natur. Auch die Widerspruchsmarken würden vom Verkehr klanglich mit "VU" wiedergegeben. Die praktisch identischen Widerspruchsmarken seien ersichtlich aus diesen Buchstaben zusammengesetzt, wobei der Buchstabe "U" von dem keine graphischen Besonderheiten aufweisenden Buchstaben "V" teilweise überlagert sei und die Andeutung von "Flügeln" eine graphische Anmutung erzeuge. Der Verfremdungsgrad sei insgesamt eher gering. In den europäischen Sprach- und Kulturkreisen werde von links nach rechts und von oben nach unten gelesen, daher würden die Widerspruchsmarken in aller Regel mit "VU" benannt.

Die Widersprechenden beantragen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke für die Dienstleistungen "Versicherungswesen, Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Bauwesen" anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass Form und Eindruck der jeweiligen Marke eine Verwechslung nicht zuließen. Die Marken wichen in ihren Bildbestandteilen stark voneinander ab. Zu berücksichtigen sei auch, dass bei der angegriffenen Marke die Buchstaben nebeneinander dargestellt würden, während bei den Widerspruchsmarken die Buchstaben von unten nach oben angeordnet seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat hält die Gefahr von Verwechslungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG für gegeben.

1. Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Dienstleistungen ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995 - HONKA). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass zB ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch einen höheren Grad an Dienstleistungsähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr BGH GRUR 2000, 603, 604 -- Cetof/Etop). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Nachdem Benutzungsfragen hier nicht angesprochen worden sind, ist für die Frage der Dienstleistungsähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Ausgehend vom Vorbringen der Widersprechenden im Schriftsatz vom 18. September 2003 und dem ausdrücklichen Antrag in der Beschwerdeschrift vom 17. Februar 2005 begehren die Widersprechenden lediglich die Löschung der Marke für die Dienstleistungen "Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilien und Bauwesen". "Versicherungswesen" ist identisch im Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke 1 186 547 enthalten. Die Dienstleistungen "Finanzwesen" und "Geldgeschäfte" in der angegriffenen Marke umfassen die Dienstleistungen "Vermögensverwaltung und Durchführung von Beratungs- und Dienstleistungsarbeiten" in der Klasse 36 der Widerspruchsmarke 396 27 105; auch verschiedene Dienstleistungen im Rahmen des Immobilienwesens sind in dem Dienstleistungsverzeichnis dieser Widerspruchsmarke enthalten. Eine engere Ähnlichkeit besteht schließlich angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung zwischen "Bauwesen" in der angegriffenen Marke und den Immobiliendienstleistungen der Widerspruchsmarke 396 27 105 (vgl. zur Ähnlichkeit von Dienstleistungen untereinander BGH GRUR 2001, 164 - Wintergarten).

2. Der Senat legt seiner Beurteilung mangels anderer Anhaltspunkte eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken zugrunde.

3. Den insoweit erforderlichen erheblichen Abstand halten die sich gegenüberstehenden Marken in klanglicher Hinsicht nicht ein. Dabei ist davon auszugehen, dass die jüngere Marke durch den Bestandteil "VU" geprägt wird.

Zwar ist es grundsätzlich nicht zulässig, aus einer angegriffenen jüngeren Marke ohne weiteres ein Element herauszugreifen und dessen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Auflage, § 9 Rdn. 369, zusammenfassend zu den Voraussetzungen einer kollisionsbegründenden Bedeutung von Markenbestandteilen, Vorlagebeschluss des BGH in GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze). Der in der angegriffenen Marke doppelt verwendete Begriff "Verwaltungsunion GmbH" und der Bestandteil "Haus- und Grundstücksverwaltung" sind aber beschreibende Bestandteile, die auf die konkrete Tätigkeit bzw. die Rechtsform der Markeninhaberin Bezug nehmen.

Auch die Bildbestandteile in der angegriffenen Marke vermögen an der Prägung durch die Buchstaben "VU" nichts zu ändern. Die Buchstaben "VU" befinden sich in einem grau unterlegten Kreis, um den herum ebenfalls kreisförmig die Begriffe "Verwaltungsunion GmbH" angeordnet sind. Grundsätzlich misst beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen der Verkehr in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zu (stRspr vgl BGH GRUR 2001, 115 - Dorf MÜNSTERLAND). Ein Bildelement vermag bei Vorliegen besonderer Umstände neben einem nicht völlig zurücktretenden Wortbestandteil eine den Gesamteindruck prägende Wirkung entfalten, der jedenfalls von einem beachtlichen Teil des Verkehrs als eigenständiger Herkunftshinweis aufgefasst wird (BGH GRUR aaO - Springende Raubkatze). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Bildbestandteile sind hier lediglich eine bloße Illustration des im Vordergrund und in der Mitte befindlichen Wortes "VU". Kreisförmige Anordnung und farbliche Unterlegung des Kreises sind einfache graphische Gestaltungsformen die keine prägende Wirkung entfalten können (vgl dazu auch BGH GRUR 1999, 241 - Lions).

Es ist nicht auszuschließen, dass die nahezu identischen Wortbildmarken der Widersprechenden 1 186 547 und 396 27 105 von einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, hier teils Fachkreise, teils das allgemeine Publikum, als "VU" wahrgenommen und dementsprechend so benannt werden. Sie sind damit klanglich mit der angegriffenen Marke identisch. Zwar ist das "U" in den Widerspruchsmarken graphisch derart gestaltet, dass links und rechts von dem Buchstaben "Flügel" angedeutet sind. Zudem wird dieses "U" von dem "V" das seinerseits in normaler Schriftweise gestaltet ist, teilweise überlagert; es ist dennoch damit zu rechnen, dass ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs das "U" als solches erkennen wird. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass im europäischen Sprach- und Kulturkreis grundsätzlich von oben nach unten und von links nach rechts gelesen wird, was zur Folge hat, dass die Widerspruchsmarken in noch rechtserheblichem Ausmaß als "VU" und nicht als "UV" klanglich artikuliert werden. Dies wird auch dadurch verstärkt, dass sich das "V" im Vordergrund teilweise vor dem "U" befindet. Klangliche Verwechslungen sind bei dieser Sachlage im beantragten Umfang nicht mehr auszuschließen.

4. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 Marken aufzuerlegen.

Winkler Kätker Dr. Hock Cl






BPatG:
Beschluss v. 28.06.2005
Az: 33 W (pat) 267/04


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