Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. November 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 14/06

(BPatG: Beschluss v. 15.11.2006, Az.: 28 W (pat) 14/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet für die Eintragung in das Register wurde das Wort Fruityfür die folgenden Waren der Klassen 29 und 32:

"Milch und Milchprodukte; Erzeugnisse auf Milch- und Joghurtbasis, Milchgetränke mit überwiegendem Milchanteil, Milchgetränke auf Molkebasis, jeweils mit oder ohne Hinzufügung von Frucht, Sirup.

Alkoholfreie Getränke mit einem geringen Gehalt an Milch und Milchbestandteilen, Molkegetränke, mit oder ohne Hinzufügung von Frucht, Sirup; Fruchtgetränke".

Die Markenstelle für Klasse 29 hat diese Anmeldung mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, gem. §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG wegen fehlender Schutzfähigkeit zurückgewiesen. Das Wort "fruity" sei freihaltungsbedürftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG; außerdem fehle ihm die gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Mit ihrer Beschwerde möchte die Anmelderin weiterhin die Eintragung der angemeldeten Marke erreichen. Sie meint, dass das Wort "fruity" unterscheidungskräftig sei und nicht im Interesse von Mitbewerbern freigehalten werden müsse. Dazu trägt die Anmelderin vor, dass die angesprochenen weitesten Verkehrskreise im Bereich der beanspruchten Waren an Wortmarken mit deutlich beschreibender Bedeutung gewöhnt seien und daher auch die angemeldete Marke "Fruity" an erster Stelle als Herkunftshinweis und nicht als reine Warenbeschreibung verstehen würden. Im Übrigen habe die Markenstelle eine beschreibende Verwendung des Wortes "fruity" für die beanspruchten Waren nicht belegt. Weiter beruft sich die Anmelderin auf die Eintragung von Wortkombinationen mit dem Bestandteil "fruity" und auf die Eintragung ähnlicher oder vergleichbarer Marken.

Sie beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Juli 2005 und vom 21. Dezember 2005 aufzuheben.

Einen Antrag auf (ggfs. hilfsweise) Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die anwaltlich vertretene Anmelderin nicht gestellt.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil das Wort "fruity" - wie die Markenstelle bereits zutreffend festgestellt hat - freihaltungsbedürftig i. S. d § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist und deswegen nicht in das Markenregister eingetragen werden kann.

Der Beschluss konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, weil die anwaltlich vertretene Anmelderin keinen Antrag gem. § 69 Nr. 1 MarkenG auf mündliche Verhandlung gestellt hat - auch nicht hilfsweise - und weil der Senat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht i. S. v. § 69 Nr. 3 für sachdienlich gehalten hat. Das Patentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung, § 69 MarkenG. Eine mündliche Verhandlung ist lediglich vorgeschrieben, wenn einer der Beteiligten sie beantragt, Beweis erhoben werden soll oder wenn das Patentgericht eine Verhandlung für sachdienlich hält. Die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens haben also zu gewärtigen, dass das Beschwerdegericht ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Das Gericht ist bei seiner Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren weder an einen bestimmten Termin gebunden noch dazu gehalten, den Beteiligten einen beabsichtigten Termin zur Beschlussfassung mitzuteilen. Daher können die Parteien nicht darauf vertrauen, dass das Gericht sie über einen Termin zur Beschlussfassung unterrichtet. Das Gebot zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gebietet lediglich, dass für die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit besteht, sich in eigener Sache zu äußern (vgl. BGH GRUR 1997, 223, 224 - "Ceco"). Dazu hatte die Anmelderin seit Einlegung ihrer Beschwerde am 24. Januar 2006 hinreichend Gelegenheit.

Das Wort "fruity" kann i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG als konkrete Beschaffenheitsangabe zu allen beanspruchten Waren "dienen" und ist deswegen freihaltungsbedürftig.

Das englische Wort "fruity" - zu Deutsch: "fruchtig", im übertragenen Sinn auch "klangvoll, sonor" (vgl. Pons Großwörterbuch für Experten und Universitäten, 2002, Englisch-Deutsch, Seite 351) - ist das sprachregelmäßig gebildete Adjektiv zu dem englischen Wort "fruit" - zu Deutsch: "Frucht, Früchte, Obst", auch im übertragenen Sinne für "Ergebnis, Resultat" oder "Gewinn, Nutzen" (vgl. Pons Großwörterbuch a. a. O. Seite 350). Das Wort "fruit" gehört zum englischen Grundwortschatz (vgl. Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, bearbeitet von Erich Weis, Ernst Klett Verlag, 1. Auflage 1977 und 2005, Seite 48) und kann in Deutschland jedenfalls in seiner direkten, auf Früchte bezogenen Bedeutung als allgemein verständlich vorausgesetzt werden. Das gilt auch für das von "fruit" abgeleitete Adjektiv "fruity". Jede der beanspruchten Waren kann einen "fruchtigen" Geschmack haben. Für die Waren "mit Hinzufügung von Frucht" sowie für die "Fruchtgetränke" liegt das auf der Hand. Allen anderen Waren kann ein solches Aroma auch ohne Fruchtanteile mit Hilfe von künstlichen Aromen gegeben werden. Eine solche künstliche Aromatisierung mit Fruchtgeschmack ist im Bereich der beanspruchten Waren üblich. Das gilt sowohl für "Milch und Milchprodukte" als auch für die "alkoholfreien Getränke mit einem geringen Gehalt an Milch und Milchbestandteilen" und für die "Sirupe". Das hat die Anmelderin seit den entsprechenden Darlegungen im angefochtenen Erstbeschluss vom 20. Juli 2005 nicht mehr bestritten.

Die Anmelderin irrt, wenn sie meint, dass ein Ausdruck erst dann i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG freihaltungsbedürftig werde, wenn er bereits für die beanspruchten Waren von Dritten beschreibend verwendet wird. Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (" dienen können") ergibt sich zwingend, dass die Eignung des in Rede stehenden Zeichens als Beschaffenheitsangabe für die beanspruchten Waren entscheidend ist. Steht der beschreibende Sinngehalt einer angemeldeten Bezeichnung wie im vorliegenden Fall fest, bedarf es für die Begründung des Freihaltungsbedürfnisses keiner Feststellung darüber, dass und in welchem Umfang diese Bezeichnung bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (std. Rspr., vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 726 (Nr. 31) - Chiemsee; vgl. auch BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch).

Da das angemeldeten Wort "fruity" freihaltungsbedürftig und deswegen nicht schutzfähig ist, kommt es auf die Frage nicht mehr an, ob dem Wort darüber hinaus die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt.

Schließlich kann es auch nicht auf die Voreintragungen ankommen, auf die sich die Anmelderin beruft. Denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist eine reine Rechtsfrage, keine Frage des Ermessens. Dass das Deutsche Patent- und Markenamt identische oder vergleichbare Marken eingetragen hat, führt weder für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung des Patentamts (std. Rspr., vgl. z. B. BGH GRUR 1997, 527, 529 - Autofelge; ebenso zum Gemeinschaftsmarkenrecht EuGH MarkenR 2006, 19, 22 (Nr. 48) - Standbeutel).






BPatG:
Beschluss v. 15.11.2006
Az: 28 W (pat) 14/06


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