Landgericht Köln:
Urteil vom 22. Dezember 2011
Aktenzeichen: 31 O 966/06
(LG Köln: Urteil v. 22.12.2011, Az.: 31 O 966/06)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechte an der Bezeichnung „X“ für Wodka.
Die Beklagte zu 1) vertrieb seit den 1960er Jahren aus der Sowjetunion importierten Wodka unter der Marke „X“ in der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 2003 übernahm die Beklagte zu 2) den Vertrieb. Ab 1966 bezog die Beklagte zu 1) den Wodka von einem zum Zwecke des Warenexports gegründeten staatseigenen Unternehmen der Sowjetunion, der bb (=Außenwirtschaftsvereinigung) YY, das ihn in verschiedenen Brennereien herstellen ließ. Ab Januar 1990 nannte sich dieses Unternehmen auch cc (außenwirtschaftliche Allunionsvereinigung) YY. Aufgrund eines schon im Herbst 1990 gefassten Beschlusses wurde am 05.09.1991 u.a. von der Unternehmensleitung der bb YY eine privatwirtschaftliche Aktiengesellschaft gegründet, die dd YY, deren Satzung vorsah, dass sie Rechtsnachfolgerin der cc YY sein solle. Ob es sich hierbei um eine Umwandlung der cc YY handelte und ob diese Umwandlung bzw. die Rechtsnachfolgeregelung der Satzung rechtswirksam war, ist zwischen den Parteien streitig. Die Lieferung des Wodkas an die Beklagte zu 1) übernahm die dd YY, die in der Folgezeit mehrfach die Rechtsform wechselte. 1997 wurde eine weitere Aktiengesellschaft, die ee YY gegründet, an welche die dd YY u.a. ihre russischen Rechte an dem Zeichen „X“ abtrat. 1999 wurden die Lieferverträge der dd YY - auch derjenige mit der Beklagten zu 1) - von der neu gegründeten zypriotischen Firma M International N.V. übernommen, die von der ee YY auch die russischen Markenrechte übernahm. Seit 2002 ließ diese den für die Beklagten bestimmten Wodka in Lettland abfüllen, wobei die Einzelheiten des Herstellungsprozesses zwischen den Parteien streitig sind. Nach Beginn des vorliegenden Verfahrens haben die Parteien sich darauf geeinigt, dass die Klägerin den Beklagten Wodka X liefert.
Am 18.04.2001 wurde die cc YY in das russische Register für juristische Personen neu eingetragen. Ob es sich hierbei um eine Wiedereintragung der seit 1966 existierenden bb YY handelte oder um eine Neugründung, ist zwischen den Parteien streitig. Am gleichen Tag wurde unter der gleichen Registernummer (OKPO-Code) die Klägerin als K (Förderales Staatliches Unitäres Unternehmen) aa YY eingetragen. Am 02.07.2001 schließlich wurde im Register die Klägerin als Rechtsnachfolger der cc YY eingetragen.
In der Bundesrepublik Deutschland vertrieb die Beklagte zu 1) Wodka „X“ von Anfang an exklusiv. Unter dem 15.07.1989 schloss sie mit der bb YY ein „Agenturabkommen“, in welchem diese der Beklagten zu 1) das exklusive Vertriebsrecht einräumte. Der Vertrag wurde durch „Addendum“ vom gleichen Tag auf Seiten der bb YY durch die Fa. Q GmbH übernommen. Diese hatten die bb YY als Mehrheitsgesellschafterin und die Beklagte zu 1) als Minderheitsgesellschafterin 1974 zur Unterstützung der weltweiten Exportaktivitäten der bb YY gegründet. Das Agenturabkommen enthält in § 5 Regelungen zur Verwendung von Warenzeichen durch die Beklagte zu 1) als Agenten, u.a. heißt es in § 5.5:
Der Prinzipal räumt dem Agenten das Recht für die Benutzung seiner Warenzeichen nur in Verbindung mit Verkauf, Werbung, und Promotion der in diesem Abkommen aufgeführten Waren, für die Dauer des Vertrags, ein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Agenturabkommens wird auf Anlage B 139 Bezug genommen.
Die Beklagte zu 1) meldete am 21.01.1969 die Wort-/Bildmarke DE ...#1 für „Wodka russischer Herkunft“ mit folgender Ausgestaltung an:
Die bb YY meldete am 02.11.1982 die Wortmarke DE ...#2 „X“ für „Wodka russischer Herkunft“ an, die am 17.07.1985 als verkehrsdurchgesetztes Zeichen eingetragen wurde. Die Beklagte zu 1) ging gegen diese Marke nicht vor.
Die bb YY war zudem Inhaberin verschiedener Marken für Wodka in der Sowjetunion und weiteren Ländern, u.a. auch der Marke „X“. Im Zuge der politischen und wirtschaftlichen Umbrüche in der ehemaligen Sowjetunion in den Jahren 1990 und 1991 fürchtete die Leitung der bb YY, dass ihre eingeführten nationalen und internationalen Marken auf Initiative von neuen privatwirtschaftlichen Konkurrenzunternehmen durch die sowjetischen oder russischen Behörden gelöscht werden könnten. Zudem importierten in dieser Zeit vermehrt Dritte illegal minderwertigem Wodka mit der Bezeichnung „X“ nach Deutschland und in andere Länder. Ebenfalls in dieser Zeit hatte die Beklagte zu 1) begonnen, unmittelbaren Kontakt zu Wodkabrennereien in Russland aufzunehmen und auch bereits mit den Brennereien A und B-Venture-Unternehmen gegründet.
Am 21.03.1991 schlossen die bb YY und die Beklagte zu 1), die hierbei anwaltlich beraten war, einen Vertrag, in dem es u.a. heißt:
I.
YY verpflichtet sich, das Wortzeichen ...#2 X zusammen mit allen Rechten und Pflichten auf die T zu übertragen und eine notariell beglaubigte Umschreibungsbewilligung für das Deutsche Patentamt auszustellen.
II.
T verpflichtet sich, YY eine Lizenz an dem Warenzeichen X einzuräumen, die ihr erlaubt, Wodka X zu produzieren und weltweit zu exportieren.
III.
Die Firma T ihrerseits verpflichtet sich, das Eigentumsrecht an dem Warenzeichen „X“ an YY zurückzugeben, falls kein gegenseitiger Vertrag für den weiteren Vertrieb von Wodka X in Deutschland zwischen T und YY bzw. einem möglichen Nachfolger als Lieferanten unterschrieben wird und die Fa. T den Vertrieb von Wodka X einstellt. In einem solchen Fall wird T das Warenzeichen auf erstes Anfordern zurückübertragen.
IV.
Sollten irgendwelche Bestimmungen über die Übertragung der Warenzeichen nichtig sein, vereinbaren die beiden Parteien schon jetzt, dass YY der T eine ausschließliche Lizenz, im Rahmen des bisherigen Vertrags, gewährt.
V.
Diese Vereinbarung gilt auch zugunsten der Rechtsnachfolger der Vertragsschließenden. (…)
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrags wird auf Anlage K 2 (Bl. 40 f. d. A.) Bezug genommen. Mit Anwaltsschreiben vom 09.04.1991 beantragte die Beklagte zu 1) sodann die Umschreibung der Marke DE ...#2 „X“ auf sich.
Kurz darauf, am 07.08.1991, löschte das russische Patentamt Gospatent tatsächlich die Registrierung zahlreicher russischer Wodka-Marken der bb YY, u.a. auch die Marke „X“. Die Beklagte zu 1) meldete noch im Juli 1991 eine Benelux-Marke „X“ an und erstreckte den Schutz der Marke DE ...#2 „X“ im August 1991 durch eine internationale Registrierung auf zahlreiche Länder. Unter dem 15.10.1991 meldete die Beklagte eine weitere deutsche Wortmarke „X“ an, deren Schutz sie im Februar 1992 wiederum auf eine Vielzahl von Ländern erstreckte. In der Folgezeit meldete die Beklagte noch zahlreiche weitere deutsche Marken mit dem Wortbestandteil „X“ an.
Nachdem im April 1994 die russischen Marken zugunsten der dd YY wiederhergestellt worden waren, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der dd YY und der Beklagten zu 1) wegen diesen internationalen Markenregistrierungen. Mit Schreiben vom 19.10.1994 (Anlage K 38) beanstandete die dd YY, dass das Vorgehen der Beklagten nicht im Einklang mit den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, namentlich dem Agenturvertrag vom 15.07.1989 stehe. Sie drohte u.a. mit der Einstellung der Wodka-Lieferungen und forderte die Beklagte zu 1) auf, der Kündigung des Vertrags vom 21.03.1991 zuzustimmen. Die Beklagte zu 1) verwies in ihrem Antwortschreiben vom 07.11.1994 (Anlage K 39) u.a. darauf, dass ihre Wort-/Bildmarke DE ...#1 prioritätsälter als sämtliche nationalen und internationalen Markenrechte der dd YY sei und dass die Wortmarke „X“ 1985 zugunsten der bb YY eingetragen worden sei, obwohl die Verkehrsbefragungen eine Zuordnung des Zeichens zur Beklagten zu 1) ergeben hätten. Allein dies sei der Grund für die Markenübertragung auf die Beklagte zu 1) vom März 1991 gewesen. Die internationalen Markenregistrierungen seien in Absprache mit der bb YY erfolgt, um zu verhindern, dass nach der Löschung der russischen Marken Dritte im Ausland Rechte an dem Zeichen „X“ erwerben könnten.
Die Auseinandersetzung endete erst, nachdem es zu personellen Veränderungen in der Leitung der dd YY gekommen war, die schließlich zur Gründung der Firma M International N.V. führten, auf welche die Beklagte zu 1) im Jahr 2002 die von ihr vorgenommenen internationalen Markenregistrierungen übertrug.
Im Jahr 2002 trat auch das russische Unternehmen ff YY an die Beklagte zu 1) heran, das zeitgleich mit der Wiedereintragung der cc YY und ihrer Umwandlung in die Klägerin gegründet worden war und das im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums russische Wodka-Marken, u.a. die Marke „X“ verwaltet. Diese Marken waren zuvor per Regierungsdekret auf das Landwirtschaftsministerium übertragen worden. Die ff YY versuchte die Beklagte zu 1) zum Abschluss eines Wodka-Lieferungsvertrags zu bewegen und verlangte in diesem Zuge u.a. Nachweise, dass sie die deutschen X-Marken rechtmäßig inne habe.
Am 29.01.2003 schließlich wurde die Marke DE ...#2 „X“ auf Antrag der Beklagten zu 1) im Markenregister gelöscht. Ebenfalls Anfang 2003 wurden die Beklagten zu 2) und 3) gegründet, wobei die Beklagte zu 2) den Vertrieb von Wodka „X“ übernahm, während die Beklagte zu 1) Anfang 2004 u.a. sämtliche Marken mit dem Bestandteil „X“ auf die Beklagte zu 3) übertrug.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten seien verpflichtet, die Benutzung des Zeichens „X“ für Wodka durch sie und entsprechende Markenanmeldungen zu dulden. Zum Zeitpunkt der Löschung der Marke DE ...#2 „X“ sei die Beklagte zu 1) zur Rückübertragung der Marke auf die Klägerin verpflichtet gewesen. Nachdem die Rückübertragung aufgrund der Markenlöschung unmöglich geworden sei, ergebe sich die Duldungsverpflichtung aus Schadensersatzgesichtspunkten.
Die Klägerin macht insbesondere geltend, dass sie die Rechtsnachfolgerin der bb YY sei. Diese sei 1991 nicht wirksam in die dd YY umgewandelt worden. Bei dieser habe es sich vielmehr um eine Neugründung gehandelt, so dass die bb YY niemals aufgehört habe zu existieren. Die die Rechtsnachfolge der dd YY betreffenden Satzungsbestimmungen seien unwirksam gewesen. Nachdem dies im Zuge der Aufarbeitung der Privatisierungsvorgänge ab dem Jahr 2000 aufgefallen sei, sei die Wiedereintragung der cc YY und deren Umwandlung in die Klägerin von den zuständigen Stellen wirksam angeordnet und durchgeführt worden. Zu den Umständen der Gründung der dd YY und der Wiedereintragung der cc YY sowie zu den nach sowjetischem und russischem Recht anwendbaren Vorschriften und den hierzu ergangenen gerichtlichen Entscheidungen trägt die Klägerin im Einzelnen vor.
Bei der Markenübertragung gemäß Vertrag vom 21.03.1991 habe es sich, so die Klägerin, um ein reines Treuhandgeschäft gehandelt, dass nur für die Dauer des Agenturvertrags vom 15.07.1989 Gültigkeit gehabt habe. Hierzu behauptet sie, nach dem Willen der Vertragsparteien sei es allein Ziel des Vertrags gewesen, die Marke im Zuge der politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen in der Sowjetunion vor dem Zugriff Dritter zu schützen und sie in Deutschland besser verteidigen zu können. Die Parteien seien sich darüber einig gewesen, dass die Beklagte zu 1) die Marke auch weiterhin nur im Rahmen des Agenturvertrags verwenden dürfe. Sie verweist hierzu insbesondere auf verschiedene schriftliche Stellungnahmen und eidesstattliche Versicherungen von ehemaligen Mitarbeitern der bb YY und der Fa. Q GmbH und auf vergleichbare Verträge der bb YY mit Importpartnern in anderen Ländern, namentlich denjenigen mit der Fa. S in den USA.
Die Klägerin meint, zum Zeitpunkt der Markenlöschung habe sich der Rückübertragungsanspruch schon daraus ergeben, dass der Agenturvertrag nicht weitergeführt worden sei und auch kein Anschlussvertrag mit ihr als Rechtsnachfolgerin der bb YY geschlossen worden sei. Zudem seien auch die Voraussetzungen der Rückübertragung gemäß Ziffer III. des Vertrags vom 21.03.1991 erfüllt gewesen, weil es sich bei der Firma M International N.V. nicht um einen Nachfolger der bb YY im Sinne des Vertrags gehandelt habe. Zudem werde der Wodka, den die Beklagte vertreibe nicht in Russland, sondern in Lettland produziert, was nach Ziffer III. des Vertrags erforderlich sei. Dies führt die Klägerin im einzelnen aus. Die Beklagte zu 1) habe die Marke DE ...#2 „X“ in Kenntnis des Bestehens des Rückübertragungsanspruchs gelöscht, um die Durchsetzung der Ansprüche der Klägerin zu vereiteln.
Daneben stützt die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Ziffer II. des Vertrags vom 21.03.1991 und vertritt insoweit die Auffassung, der Lizenzanspruch beziehe sich auch auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
Die Haftung der Beklagten zu 2) ergibt sich nach Auffassung der Klägerin aus §§ 25 Abs. 1 HGB, 826 BGB und 30 Abs. 5 MarkenG, die der Beklagten zu 3) aus § 826 BGB.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Eintragung der Bezeichnung „X“ als Wortmarke für Wodka und die Verwendung der Bezeichnung „X“ für Wodka durch die Klägerin zu dulden.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Auffassung, die Eintragung der Marke DE ...#2 „X“ sei von vorn herein unter Verletzung ihrer älteren Wort-/Bildmarke DE ...#1 erfolgt. Zudem hätte die Eintragung nach dem seinerzeit geltenden Warenzeichenrecht nicht erfolgen dürfen, weil die Verkehrsbefragungen eine Zuordnung des Zeichens zur Beklagten zu 1), nicht zur bb YY ergeben hätten. Die Beklagte zu 1), so behaupten die Beklagten, sei seinerzeit allein aufgrund der Monopolstellung der bb YY beim Export von Wodka nicht gegen die rechtswidrige Markeneintragung vorgegangen. Der Verlust der Monopolstellung und die sich daraus ergebende Möglichkeit, erstmals wirksam gegen die Markeneintragung vorgehen zu können seien neben der Situation in Russland der wesentliche Hintergrund des Vertrags vom 21.03.1991 gewesen.
Da von einer rein treuhänderischen Markenübertragung nicht die Rede sein könne, bestehe der Rückübertragungsanspruch nach Ziffer III. des Vertrags allein dann, wenn kein Liefervertrag mit einem Nachfolger der bb YY bestehe - wobei es sich nicht um einen Rechtsnachfolger handeln müsse - und die Beklagte zu 1) Wodka X nicht mehr vertreibe. Zum Zeitpunkt der Markenlöschung, die allein einer allgemeinen Bereinigung des Markenportfolios geschuldet gewesen sei, habe indes ein Liefervertrag mit der Fa. M International N.V. bestanden und die Beklagte zu 1) habe auch noch Wodka X vertrieben.
Ein Duldungsanspruch aus Ziffer II. des Vertrags vom 21.03.1991 scheide schon deshalb aus, weil diese Regelung sich allein auf das Ausland beziehe, wo die Beklagte zu 1) nach den Vereinbarungen der Parteien, so wie letztlich auch umgesetzt, internationale Markenregistrierungen vornehmen sollte, um das Zeichen „X“ zu schützen.
Die Beklagten machen darüber hinaus geltend, dass die Klägerin nicht aktiv legitimiert sei, weil die bb YY 1991 wirksam in die dd YY umgewandelt worden sei, was die Beklagten im einzelnen unter Bezugnahme auf sowjetische und russische Rechtsvorschriften und Entscheidungen von Gerichten und Behörden begründen. Bei der Eintragung der cc YY im Jahr 2001 habe es sich um eine Neugründung gehandelt, die Klägerin sei daher nicht Rechtsnachfolgerin der bb YY.
Darüber hinaus liefe der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte zu 1) leer, weil sie keine Rechte an dem Zeichen „X“ mehr inne habe, während die Beklagte zu 2) und 3) nicht Partei des Vertrags vom 21.03.1991 seien.
Schließlich erheben die Beklagten die Einrede der Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu.
I. Es kann offen bleiben, ob die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin überhaupt zustehen können. Insbesondere bedarf keiner Entscheidung, ob die bb YY 1991 wirksam in die dd YY umgewandelt worden ist oder ob - so es sich nicht um eine wirksame Umwandlung handelte - die Markenrechte der bb YY sowie etwaige Ansprüche aus Verträgen mit der Beklagten zu 1) wirksam auf die dd YY übertragen worden sind. Gleiches gilt für die Frage, ob es sich bei der Klägerin um die Rechtsnachfolgerin der bb YY handelt oder ob im Jahr 2001 eine cc YY neu gegründet und in die Klägerin umgewandelt worden ist.
II. Selbst wenn die Klägerin die Rechtsnachfolgerin der bb YY und damit Inhaberin etwaiger Ansprüche aus dem Vertrag vom 21.03.1991 wäre, besteht die streitgegenständliche Duldungsverpflichtung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
1. Ansprüche der Klägerin aus dem Agenturabkommen vom 15.07.1989 kommen nicht in Betracht. Die bb YY ist nach dem Addendum zu diesem Vertrag vom gleichen Tag als Vertragspartei durch die Q GmbH ersetzt worden, so dass allenfalls diesem Unternehmen Ansprüche aus dem Agenturabkommen zustehen können. Soweit das Agenturabkommen die kennzeichenrechtliche Situation in der Bundesrepublik Deutschland regelte, ist es zudem durch den Vertrag vom 21.03.1991 überholt.
2. Die streitgegenständliche Duldungsverpflichtung lässt sich auch nicht aus der Lizenzvereinbarung gemäß Ziffer II. des Vertrags vom 21.03.1991 herleiten. Soweit man in dieser Regelung überhaupt mehr als eine bloße Absichtserklärung ohne Rechtsbindungswillen sieht, haben die Vertragsparteien lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung der Beklagten zu 1) vereinbart, der bb YY eine Lizenz an der Marke „X“ einzuräumen. Diese Verpflichtung sollte dem Wortlaut nach zwar „weltweit“ bestehen, die erforderliche ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB führt aber dazu, dass eine Lizenzgewährung gerade nicht für Deutschland erfolgen sollte.
Der Beklagten zu 1) war in dem Agenturabkommen vom 15.07.1989 das exklusive Vertriebsrecht u.a. für Wodka X eingeräumt worden. Die Parteien des Vertrags vom 21.03.1991 waren sich unstreitig darüber einig, dass es auch künftig - jedenfalls für die Dauer des Agenturabkommens - bei diesem exklusiven Vertriebsrecht bleiben sollte. Auch nach dem Vortrag der Klägerin sollte die Markenübertragung u.a. der besseren Durchsetzung dieses Exklusivrechts gegenüber illegalen Importen und Fälschungen dienen. Die bb YY sollte in Deutschland lediglich Lieferantin der Beklagten zu 1) sein und zwar nach dem Agenturabkommen auch nur vermittelt durch die Q GmbH. Vor diesem Hintergrund hätte die Gewährung einer Lizenz an dem Zeichen „X“ für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland keinen Sinn ergeben. Dem entspricht auch das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss. Nicht nur ist weder der bb YY noch der dd YY nach 1991 eine Lizenz für Deutschland eingeräumt worden: Die dd YY zog auch im Rahmen der Auseinandersetzungen 1994 das Bestehen des exklusiven Vertriebsrechts der Beklagten zu 1) nicht in Zweifel, sie bemühte sich lediglich um Rückübertragung der Marke DE ...#2 „X“ und drohte damit, die Q GmbH zur Kündigung des Agenturabkommens zu veranlassen. Ansprüche aus Ziffer II. des Vertrags machte sie für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland dagegen nicht geltend. Die Beklagte zu 1) dagegen tat eben das, was zur Verteidigung des Zeichens „X“ im Ausland nötig war, indem sie im Ausland Marken anmeldete und den Schutz ihrer inländischen Marken durch internationale Registrierungen auf andere Länder erstreckte.
Im Übrigen wäre ein etwaiger schuldrechtlicher Anspruch auf Lizenzeinräumung auch verjährt. Es handelt sich nicht um ein Dauerschuldverhältnis, sondern um einen einfachen schuldrechtlichen Anspruch, welcher der Verjährung unterliegt. Da die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende dreißigjährige Verjährungsfrist gemäß § 198 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung am 01.01.2002 noch nicht abgelaufen war, führt die Übergangsregelung des Art. 229 § 6 EGBGB zur Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB ab dem 01.01.2002, die am 31.12.2004 und damit vor Klageerhebung abgelaufen ist. Gründe für eine Hemmung der Verjährung sind nicht ersichtlich.
3. Schließlich ergibt sich die Duldungsverpflichtung auch nicht aus §§ 280, 283 BGB, weil die Beklagte zu 1) durch die Löschung der Marke DE ...#2 „X“ einen bestehenden, unverjährten Rückübertragungsanspruch der Klägerin aus Ziffer III. des Vertrags vom 21.03.1991 vorsätzlich vereitelt hat. Zum Zeitpunkt der Markenlöschung am Anfang 2003 bestand ein solcher Rückübertragungsanspruch nicht.
a) Nach dem reinen Wortlaut des Vertrags vom 21.03.1991, wie er dem allgemeinen Sprachverständnis entspricht, liegen die Rückübertragungsvoraussetzungen eindeutig nicht vor. Nach Ziffer I. des Vertrags war die bb YY verpflichtet, die Marke DE ...#2 „X“ ohne jede Einschränkung und ohne Gegenleistung auf die Beklagte zu 1) zu übertragen. Nach Ziffer III. des Vertrags besteht ein Rückübertragungsanspruch nur, wenn
· kein Liefervertrag für Wodka X zwischen der Beklagten zu 1) und der bb YY oder einem Nachfolger als Lieferanten zustande kommt
und
· die Beklagte zu 1) den Vertrieb von Wodka X einstellt.
Nach der insoweit eindeutigen Formulierung von Ziffer III. des Vertrags müssen beiden Voraussetzungen kumulativ eintreten.
Bei einem am allgemeinen Sprachgebrauch orientierten Verständnis der Rückübertragungsklausel war Anfang 2003 keine der beiden Voraussetzungen eingetreten: Die Beklagte zu 1) hatte einen Liefervertrag für Wodka X mit einem Nachfolger der bb YY als Lieferanten geschlossen, nämlich mit der Firma M International N.V.. Sie vertrieb den von M International gelieferten Wodka in Deutschland auch weiterhin als Wodka X.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer vom allgemeinen Sprachverständnis abweichenden Auslegung der Begriffe „Nachfolger als Lieferant“ und „Vertrieb von Wodka X“.
aa) Was mit „Nachfolger als Lieferant“ im Sinne des Vertrags gemeint ist, ist zwar auslegungsfähig. Eine Auslegung dahin, dass es sich um den Rechtsnachfolger der bb YY handeln muss, kommt indes nicht in Betracht.
(1) Es liegt allerdings nahe, dass die Vertragsparteien „Nachfolger“ nicht nur in einem rein zeitlichen Sinne verstanden wissen wollten, dass also „Nachfolger“ im Vertragssinne nicht jedes beliebige Unternehmen sein sollte, das nach einem Ende der Lieferbeziehung zur bb YY Wodka an die Beklagte zu 1) liefern würde. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Leitung der bb YY schon seit Herbst 1990 die Privatisierung des Unternehmens plante, dafür, dass die Parteien den „Nachfolger als Lieferanten“ gerade wegen dieser Planungen in die Klausel aufnahmen und hierbei auch angesichts der bereits Jahrzehnte andauernden Lieferbeziehungen an eine Kontinuität zur bb YY anknüpfen wollten. Das führt indes nicht dazu, dass nur ein Rechtsnachfolger der bb YY als „Nachfolger“ im Vertragssinne angesehen werden kann.
Gegen ein derartiges Verständnis des Begriffes Nachfolger spricht bereits, dass jedenfalls auf Seiten der Beklagten zu 1) unstreitig deren jetziger Prozessbevollmächtigter als anwaltlicher Berater am Zustandekommen des Vertrags beteiligt war. Bei einem von Juristen (mit-)formulierten Vertrag ist davon auszugehen, dass gerade bei wichtigen Vertragsklauseln Rechtsbegriffe zutreffend verwendet werden. Wird ein Fachbegriff wie „Rechtsnachfolger“ dagegen nicht verwendet, spricht das dafür, dass dies bewusst geschehen ist, im vorliegenden Fall deswegen, weil die Parteien die künftigen Lieferbeziehungen nicht auf Rechtsnachfolger beschränken wollten. Dass die Vertragsschließenden zwischen „Rechtsnachfolger“ und „Nachfolger“ zu differenzieren wussten, zeigt auch der Umstand, dass in Ziffer V. des Vertrags vom 21.03.1991 ausdrücklich von den „Rechtsnachfolgern“ die Rede ist.
Näher liegt dagegen eine Auslegung dahin, dass „Nachfolger“ der wirtschaftliche Nachfolger der bb YY sein sollte, also ein Unternehmen, das jedenfalls wirtschaftlich die Tätigkeit der bb YY fortführt, ohne jedoch zwingend deren Rechtsnachfolger zu sein. Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Umbrüche in der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre wäre es für die Parteien äußerst risikoreich gewesen, an eine förmliche Rechtsnachfolge anzuknüpfen. Sie konnten nicht absehen, ob die geplante Privatisierung der bb YY umgesetzt werden würde oder ob die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Zukunft nicht zur Gründung eines neuen russischen Unternehmens als wirtschaftlicher aber nicht rechtlicher Nachfolger der aa führen würden. Sie mussten im März 1991 sogar noch mit einen „Rückfall“ in den Kommunismus rechnen, was voraussichtlich zu einer Wiedereingliederung eines etwa privatisierten Unternehmens in den Staat geführt hätte.
(2) Anfang 2003 bestand ein Liefervertrag über Wodka X mit einem wirtschaftlichen Nachfolger der bb YY, nämlich mit der Firma M International N.V.. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei der dd YY um ein neues Unternehmen handelte oder ob die bb YY wirksam in diese Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, handelte es sich bei der dd YY um den wirtschaftlichen Nachfolger der bb YY im vorgenannten Sinne. Die dd YY übernahm jedenfalls faktisch das gesamte Wodka-Geschäft der bb YY inklusive - nach Wiederherstellung der russischen Marken - deren Markenportfolio. Von der dd YY - zum Teil auf Umwegen über weitere Unternehmen - übernahm wiederum die Firma M International N.V. das Geschäft und - jedenfalls zunächst - auch die russischen Marken, ohne dass es auf die rechtliche Bewertung der Übernahme im Einzelnen ankommt.
bb) Auch bei der zweiten Voraussetzung liegt nahe, dass mit dem „Vertrieb von Wodka X“ durch die Beklagte zu 1) nicht der Vertrieb jeglichen - etwa auch selbst von der Beklagten in Deutschland hergestellten - Wodkas gemeint sein sollte. Da die Beklagte zu 1) als Markeninhaberin frei war, welchen Wodka sie unter der Marke „X“ vertrieb, hätte ein derartig weites Verständnis zur Folge gehabt, dass die Rückübertragungsvoraussetzungen letztlich nur bei einer Einstellung der wirtschaftlichen Aktivitäten der Beklagten zu 1), deren Kerngeschäft der Handel mit Wodka X war, eingetreten wären.
Es kann indes offen bleiben, ob unter Wodka X im Sinne der zweiten Rückübertragungsvoraussetzung nur solchen Wodka zu verstehen ist, der von der bb YY oder ihrem wirtschaftlichen Nachfolger im oben genannten Sinne geliefert wird - eine Beschränkung auf eine Lieferung durch einen Rechtsnachfolger scheidet aus den oben genannten Gründen auch hier aus - oder ob es sich lediglich um echten „russischen“ Wodka handeln muss.
Im Zusammenspiel mit der ersten Voraussetzung ergibt die erste Interpretation Sinn, wenn man bedenkt, dass die Beklagte zu 1) Wodka der bb YY oder ihrer wirtschaftlichen Nachfolger nach Ende der unmittelbaren Lieferbeziehung auch von anderen Lieferanten, insbesondere von anderen Kunden der bb YY oder ihrer Nachfolger hätte beziehen können oder jedenfalls vorhandene Vorräte hätte abverkaufen können.
Da die Beklagte zu 1) 1990/91 aber unstreitig auch versuchte, Wodka unmittelbar von den Brennereien, mit denen sie Joint-Venture-Unternehmen gründete, zu beziehen, kommt ebenso in Betracht, unter „Wodka X“ russischen Wodka zu verstehen. Auch in der Zeit vor den Umbrüchen in der Sowjetunion war Wodka X nicht etwa ein Produkt eines bestimmten Herstellers bzw. einer bestimmten Brennerei. Unstreitig wurde der Wodka vielmehr von verschiedenen Brennereien produziert, die von bb YY gesteuert wurden. „Russisch“ bezieht sich insoweit allerdings auf das Staatsgebiet der UdSSR, die im März 1991 noch existierte und im Westen gemeinhin mit Russland gleichgesetzt wurde. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass in Deutschland im Frühjahr 1991 zwischen Wodka aus der sowjetischen Teilrepublik Russland und etwa Lettland differenziert wurde, auch wenn Lettland bereits 1990 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, die aber erst mit dem endgültigen Zerfall der Sowjetunion Ende 1991 faktisch wirksam wurde. Ein Grund für die Parteien, sich auf Wodka aus dem Gebiet der Teilrepublik Russland zu beschränken, ist daher nicht erkennbar.
Letztlich bedarf indes keiner Entscheidung, welche Auslegungsvariante zutrifft. Da die Beklagte zu 1) Anfang 2003 Wodka von der M International N.V. als wirtschaftlicher Nachfolgerin der bb YY bezog und es sich hierbei unstreitig um Wodka aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion - egal ob er in Russland oder Lettland hergestellt wurde - handelte, war die zweite Rückübertragungsvoraussetzung in keinem Fall erfüllt.
c) Eine über diese am Wortlaut orientierte Auslegung des Vertrags hinausgehende Interpretation der Markenübertragung als reines Treuhandgeschäft im Rahmen des Agenturvertrags vom 15.07.1989 kommt nicht in Betracht. Weder findet sie eine Stütze im Wortlaut des Vertrags noch hat die Klägerin schlüssig Umstände vorgetragen, die eine vom Wortlaut abweichende, ergänzende Vertragsauslegung rechtfertigen können.
aa) Die Auslegung von Verträgen richtet sich nach §§ 133, 157 BGB, wonach es auf den Willen der Parteien ankommt, der nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu ermitteln ist. Es ist allerdings anerkannt, dass Ausgangspunkt jeder Auslegung der Wortlaut einer Erklärung sein muss. Hat eine Erklärung einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Auslegung grundsätzlich kein Raum. Das gilt nur dann nicht, wenn die Parteien übereinstimmend etwas anderes wollten, als sie objektiv zum Ausdruck gebracht haben (sog. falsa demonstratio). Ist das nicht der Fall, ist die Bedeutung auslegungsbedürftiger Erklärungen nach dem Empfängerhorizont zu ermitteln, wobei neben dem objektiven Wortsinn vor allem die Begleitumstände, insbesondere zeitnahe Äußerungen der Parteien, die Entstehungsgeschichte und die Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen sind. Die Beweislast für derartige Umstände trägt derjenige, der aus ihnen eine Auslegung zu seinen Gunsten herleiten will. Das gilt vor allem für einen vom Wortlaut abweichenden Willen der Vertragsschließenden (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, § 133, Rn. 6 ff. m.w.Nw.).
bb) Nach diesen Grundsätzen scheidet eine Auslegung der Markenübertragung im Vertrag vom 21.03.1991 als Treuhandgeschäft mit der Verpflichtung der Beklagten zu 1), die Marke nach Ende des Agenturvertrags vom 15.07.1989 auf die bb YY bzw. deren Nachfolger zurück zu übertragen, aus.
(1) Im Wortlaut des Vertrags findet diese Auslegung keine Stütze. Im Gegenteil: In Ziffer I. des Vertrags verpflichtete sich die bb YY, die Marke DE ...#2 „X“ ohne jede Einschränkung und ohne Gegenleistung auf die Beklagte zu 1) zu übertragen. Treuhandtypische Verpflichtungen der Beklagten zu 1) haben die Parteien in den Vertrag dagegen nicht aufgenommen.
(2) Ausdrückliche mündliche Abreden der Parteien im Rahmen des Vertragsschlusses oder danach, die über die schriftlich fixierten Regelungen hinausgingen trägt die Klägerin nicht vor.
(3) Auch ein Fall der falsa demonstratio liegt nicht vor: Die Klägerin behauptet nicht, dass die Parteien eigentlich ausdrücklich eine Treuhandabrede schließen wollten und dies lediglich nicht zutreffend im Vertrag festgehalten hätten. Angesichts der anwaltlichen Beratung jedenfalls auf Seiten der Beklagten zu 1) läge dies auch fern. Soweit die Klägerin zum Vertragsverständnis der Parteien vorträgt, beschränkt sich ihr Vortrag im Wesentlichen auf das Verständnis der auf Seiten der bb YY am Vertragsschluss Beteiligten, was indessen keinen Schluss auf einen vom Wortlaut abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragschließenden zulässt. Aus dem von der Klägerin als Anlage K 135 vorgelegten Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 27.09.1991 lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass auch die Beklagte zu 1) davon ausging, einen Treuhandvertrag geschlossen zu haben. Dass dort als „Hintergrund sämtlicher Angelegenheiten“ das Vorgehen gegen Fälscher genannt wird, bedeutet nicht, dass es sich aus Sicht der Beklagten zu 1) um den alleinigen Hintergrund der Markenübertragung handelte, zumal eine Markenübertragung mit dem Ziel, besser gegen illegale Importe vorgehen zu können, auch nicht zwingend zu einem Treuhandverhältnis führt.
(4) Auch aus anderen Auslegungskriterien lässt sich kein gemeinsames Verständnis der Markenübertragung als Treuhandverhältnis entnehmen. Es ist schon vom Ansatz her äußerst problematisch in einen schriftlichen Vertrag eine zentrale Regelung hineinzuinterpretieren, die im Wortlaut keinerlei Stütze findet. Ob dies im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung überhaupt möglich ist, bedarf indes keiner Entscheidung, weil die von der Klägerin vorgetragenen Umstände eine derartige Auslegung nicht rechtfertigen.
(a) Die Begleitumstände des Vertrags vom 21.03.1991 sprechen nicht für eine Auslegung als Treuhandabrede.
Der einzige relativ zeitnahe Vorgang im Zusammenhang mit der Markenübertragung war - abgesehen von dem schon angesprochenen Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 27.09.1991 - die Auseinandersetzung der dd YY mit der Beklagten zu 1) im Jahr 1994. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung brachte die dd YY zum Ausdruck, dass der Vertrag vom 21.03.1991 nach ihrer Auffassung nur im Rahmen des Agenturvertrags gelte, wobei zu berücksichtigen ist, dass die auf Seiten der dd YY 1994 handelnden Personen an dem Vertragsschluss 1991 nicht beteiligt waren. Demgegenüber vertrat die Beklagte zu 1) im Schreiben vom 07.11.1994 die Auffassung, dass 1991 lediglich die Registerlage der Rechtslage angepasst worden sei. Waren sich die Parteien demnach über den Hintergrund des Vertrags vom 21.03.1991 nicht einig, lassen sich aus ihren Äußerungen auch keine Rückschlüsse auf ein gemeinsames Verständnis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ziehen.
Darüber hinaus beschränkt sich der Vortrag der Beklagten zu den Begleitumständen des Vertragsschlusses im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte zu 1) die Marke DE ...#2 „X“ vor 1991 niemals beanstandet habe und es den auf Seiten der bb YY beteiligten Personen immer nur um die Sicherung der Markenrechte in Russland und die Verteidigung gegen Parallelimporte in Deutschland gegangen sei. Daraus ergibt sich aber noch nicht, dass die Beklagte zu 1) in der Markenübertragung gemäß Vertrag vom 21.03.1991 entgegen des eindeutigen Wortlauts nach Treu und Glauben eine Treuhandabrede sehen musste. Dass die Beklagte zu 1) die Markeneintragung zugunsten der bb YY zunächst akzeptiert hat, lässt sich zwanglos mit deren bis 1990 bestehender Monopolstellung beim Wodkaexport erklären während die Vorstellungen einer Vertragspartei wiederum keinen Schluss auf einen gemeinsamen Willen beider Parteien zulassen.
Dass schließlich der ebenfalls 1991 geschlossene Markenübertragungsvertrag zwischen der bb YY und S (Anlage K 124), in Ziffern 4.-10. typische Treuhandabreden enthält, spricht nicht für, sondern gegen eine Auslegung des Vertrags mit der Beklagten zu 1) als treuhänderischer Markenübertragung. Während S ausdrücklich die übertragenen Marken nach Vertragsende und auf Aufforderung der Regierung der UdSSR an die bb YY zurück zu übertragen hatte, sie nur von der bb YY gelieferten Wodka benutzen durfte, bei der Erteilung von Unterlizenzen beschränkt war und sich die Marken bei Rückgabe in unveränderten Zustand befinden mussten (eine Markenlöschung demnach verboten war), fehlen derartige Klauseln im Vertrag vom 21.03.1991, obwohl der Vertrag mit S zeigt, dass der bb YY auch 1991 durchaus bewusst war, wie Treuhandklauseln rechtlich auszugestalten sind.
(b) Auch die Entstehungsgeschichte des Vertrags vom 21.03.1991 und die Interessenlage der Parteien zu diesem Zeitpunkt sprechen nicht für das Vertragsverständnis der Klägerin, sondern dagegen.
(aa) Die Beklagte zu 1) war Inhaberin einer gegenüber der Marke DE ...#2 „X“ prioritätsälteren Ausstattungsmarke, während die Rechtsbeständigkeit der Wortmarke der bb YY im Hinblick auf die in der Sache unstreitigen Ergebnisse der Verkehrsbefragungen jedenfalls unsicher war, ohne dass es vorliegend der Entscheidung bedarf, ob die Marke tatsächlich zu Unrecht zugunsten der bb YY eingetragen worden war. Die Beklagte zu 1) war zudem mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Übergang zur Marktwirtschaft plötzlich in der Lage, russischen bzw. sowjetischen Wodka nicht mehr nur von einem staatlichen Exklusivexporteur, sondern auch von anderen Unternehmen, insbesondere unmittelbar von Brennereien beziehen zu können. Die Beklagte zu 1) hatte auch bereits begonnen, entsprechende Joint-Venture-Unternehmen zu gründen.
Die bb YY musste dagegen aufgrund der Verhältnisse in der Sowjetunion fürchten, in Zukunft ohnehin sämtliche Markenrechte zu verlieren. Um zumindest im Ausland weiter Ansprüche auf das Zeichen „X“ durchsetzen zu können, brauchte sie zuverlässige Partner, die für sie dort Markenrechte sicherten.
Es liegt nicht fern, dass die Beklagte zu 1), die bei dieser Ausgangslage die deutlich stärkere Stellung inne hatte, für eine Fortsetzung der exklusiven Lieferbeziehung zur bb YY und einer Mitwirkung an der Verteidigung der Marke „X“ im Ausland, wie sie durch in Ziffer II. des Vertrags vom 21.03.1991 vorbereitet wird, die Übertragung der Marke DE ...#2 „X“ auf sich verlangte, um so ihren Exklusivitätsanspruch in Deutschland und ihre jahrzehntelangen Investitionen in die Marke „X“ auch gegenüber der bb YY und ihren Nachfolgern zu sichern. Anlass, eine ihre Handlungsfreiheit beschränkende Treuhandabrede zu akzeptieren, hatte die Beklagte zu 1) dagegen nicht.
(bb) Dass 1991 und auch danach die Parteien im Rahmen des Agenturvertrags vom 15.07.1989 zusammenarbeiteten, lässt sich nicht als Argument für eine Treuhandabrede anführen. Der Agenturvertrag wurde gerade vor der Umbruchphase in der UdSSR abgeschlossen, als die bb YY als Monopolistin in einer stärkeren Position war. Jedenfalls, was die Kennzeichenrechte angeht, wurde der Agenturvertrag daher durch den Vertrag vom 21.03.1991 abgelöst. Dafür spricht auch, dass die Parteien lediglich in Ziffer IV. des Vertrags vom 21.03.1991 auf den Agenturvertrag Bezug nehmen, und zwar ausdrücklich nur für den Fall, dass die Markenübertragung nichtig ist.
(cc) Soweit die Klägerin schließlich auf andere Umstände, wie Vorgaben, welche die bb YY der Beklagten zu 1) beim Wodkahandel in der Vergangenheit gemacht hatte, oder die Benennung der Beklagten zu 1) als „Generalvertretung“ auf den Wodkaetiketten, verweist, sind diese geprägt durch die bis 1990 bestehende Monopolstellung der bb YY beim Wodkaexport. Brauchbare Kriterien für das Verständnis des nach dem Ende des real existierenden Sozialismus in der Sowjetunion geschlossenen Vertrags vom 21.03.1991 lassen sich aus diesen Umständen nicht gewinnen.
4. Mit der Löschung der Marke DE ...#2 „X“ Anfang 1993 verletzte die Beklagte zu 1) nach alledem auch keine sonstigen Pflichten aus dem Vertrag vom 21.03.1991. Mangels Treuhandabrede war die Beklagte zu 1) berechtigt, mit der Marke nach Belieben zu verfahren, was auch ihre Löschung einschließt. Auch deliktische Ansprüche wegen der Markenlöschung scheiden daher aus.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Streitwert: 5.000.000 €
LG Köln:
Urteil v. 22.12.2011
Az: 31 O 966/06
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