Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 27/03

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2007, Az.: 6 W (pat) 27/03)

Tenor

der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. März 2003 wird aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:

- Patentansprüche 1 bis 17, eingegangen per Fax am 27. April 2007,

- sonstige Unterlagen gemäß Offenlegungsschrift.

Gründe

I Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für die Klasse F 16 C des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. März 2003 gerichtet, mit dem die vorliegende Patentanmeldung unter Verweis auf den Prüfungsbescheid vom 8. Oktober 2002 mit der Begründung zurückgewiesen worden war, bei Kenntnis einer Vorrichtung nach der DE 42 00 076 A1 sei einem Fachmann auch ein Wälzlager mit den Merkmalen nach Anspruch 1 in der Fassung vom 12. April 2001 nahegelegt und damit nicht patentfähig.

Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

1) US 59 52 587 A 2) DE 42 00 076 A1 3) DE 198 54 606 A1 4) DE 42 17 049 A1 5) DE 44 24 773 A1 6) DE 196 22 154 A1 7) EP 07 73 451 A1 8) DE 195 35 542 A1 9) DE 195 11 430 A1 10) US 42 37 454 A 11) US 58 72 520 A 12) DE 198 07 004 A1 13) EP 0 619 906 B1 14 DE 195 15 788 A1 15) VDI Fortschritt-Bericht, Reihe 8, Nr. 729, § 1.2, § 4.5 16) DE-Dissertation Dr. J. Michel "Drehmomentmessung auf der Basis von fernabfragbaren Oberflächenwellenresonatoren" TU München, 26. November 1996, S. 37 17) DE-Zeitschrift Sensorik, Band 8, S. 25 ff.

18) SPIE Vol. 2718, S. 47 ff.

19) FAG Publ. WL 80136 "Diagnose von Wälzlagern in Maschinen und Auflagen"

20) DE-Buch Ch. Rohrbach "Handbuch für experimentelle Spannungsanalyse", VDI-Verlag, Düsseldorf, 1989.

Gegen den vorgenannten Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 25. April 2003, eingegangen am 30. April 2003, Beschwerde eingelegt, zu der mit Eingabe vom 12. Dezember 2006 eine Begründung nachgereicht wurde. Mit Faxeingabe vom 27. April 2007, im Original eingegangen am 2. Mai 2007, wurde ein neues Patentbegehren in Form eines Hauptantrags mit den Ansprüchen 1 bis 17 vorgelegt. Die Patentanmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- neue Patentansprüche 1 bis 17, eingegangen per Fax am 27. April 2007,

- sonstige Unterlagen gemäß Offenlegungsschrift.

Der geltende Patentanspruch 1 hat den Wortlaut:

Wälzlager mit einer fernabfragbaren Erfassungseinheit zur Erfassung von Wälzlagerdaten, wobei - das Wälzlager als Wälzlagerkomponenten mindestens einen Lagerring (1) mit einer ersten Lauffläche, einen weiteren Lagerring (2) mit einer zweiten Lauffläche und zwischen diesen Laufflächen angeordnete Wälzkörper (3) aufweist,

- die Erfassungseinheit (8) in mindestens eine dieser Wälzlagerkomponenten integriert und über eine Antenne (10) durch eine Abfrageeinheit funkabfragbar ist,

- die Erfassungseinheit (8) mindestens ein nach dem SAW- oder BAW-Prinzip arbeitendes Bauelement aufweist, und - mit dem nach dem SAW- oder BAW-Prinzip arbeitenden Bauelement eine Wälzlagermessgröße aufgrund eines Eintritts eines Ereignisses erfassbar ist, wobei das auslösende Ereignis eine Änderung der Wälzlagermessgröße ist,

- die Wälzlagermessgröße an die Abfrageeinheit zurücksendbar ist und - mit der zurückgesendeten Wälzlagermessgröße mindestens eine Wälzlagerkenngröße, insbesondere eine Temperatur, eine Drehzahl, eine Drehrichtung, eine Lagerkraft, Kräfte und Momente in den drei Raumrichtungen, translatorische und rotatorische Schwingungen, translatorische und rotatorische Schwingbeschleunigungen, ableitbar ist.

Hinsichtlich der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 17 sowie wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist zulässig und im Hinblick auf die geltenden Unterlagen auch begründet.

1. Der Gegenstand der geltenden Patentansprüche ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart, die Patentansprüche sind somit zulässig.

Die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 sind in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart im Anspruch 1 sowie auf Seite 1, 1. Absatz, Seite 9, 4. Absatz und Seite 11, 2. Absatz.

Die Merkmale der Patentansprüche 2 bis 4 sind auf Seite 9, 4. Absatz, diejenigen des Patentanspruchs 5 auf Seite 10, 1. Absatz offenbart, die Merkmale der Patentansprüche 6 bis 8 entsprechen denjenigen der ursprünglichen Ansprüche 3, 2 und 7.

Die Merkmale von Patentanspruch 9 sind auf Seite 10, 2. Absatz, diejenigen der Patentansprüche 10 bis 12 auf Seite 12, 1. Absatz und die Merkmale der Patentansprüche 13 bis 17 auf Seite 12, 3. und 4. Absatz offenbart.

2. Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis 5 dar.

a. Das Wälzlager nach Patentanspruch 1 ist neu gegenüber dem druckschriftlich aufgezeigten Stand der Technik.

Keine der entgegengehaltenen Druckschriften beschreibt ein Wälzlager mit einer fernabfragbaren Erfassungseinheit mit einem nach dem SAW- oder BAW-Prinzip arbeitenden Bauelement, bei dem eine Wälzlagermessgröße aufgrund eines Eintritts eines Ereignisses erfassbar ist, wobei das auslösende Ereignis eine Änderung der Wälzlagermessgröße ist.

b. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 der Anmeldung, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Tatsache diskutiert und von den Beteiligten akzeptiert, dass aus dem umfangreich recherchierten und dokumentierten Stand der Technik die Teilmerkmale eines Wälzlagers nach Patentanspruch 1 am Anmeldetag, isoliert betrachtet, für sich bereits bekannt waren. Der hier angesprochene Fachmann, der durch die Prüfungsstelle in zutreffender Weise als ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Überwachung von Wälzlagereinheiten definiert wurde, erhält aus den vielen verschiedenen angezogenen Druckschriften jedoch keine Anregung, die einzelnen, jeweils daraus entnehmbaren Teilmerkmale in der im Patentanspruch 1 vorgegebenen Weise zusammenzufügen.

Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten repräsentiert beim geltenden Patentbegehren ein Wälzlager nach der US 42 37 454 A (10) den nächstkommenden Stand der Technik. Aus dieser Entgegenhaltung ist bekannt ein Wälzlager mit einer fernabfragbaren Erfassungseinheit 16 zur Erfassung von Wälzlagerdaten, wobei - das Wälzlager 10 als Wälzlagerkomponenten mindestens einen Lagerring 11 mit einer ersten Lauffläche, einen weiteren Lagerring 13 mit einer zweiten Lauffläche und zwischen diesen Laufflächen angeordnete Wälzkörper 15 aufweist - die Erfassungseinheit 16 über eine Antenne 18 durch eine Abfrageeinheit 26 - 30 funkabfragbar ist,

- die Erfassungseinheit 16 mindestens ein Bauelement 19 aufweist, und - mit dem Bauelement 19 eine Wälzlagermessgröße aufgrund eines Eintritts eines Ereignisses erfassbar ist, wobei das auslösende Ereignis eine Änderung der Wälzlagermessgröße ist,

- die Wälzlagermessgröße an die Abfrageeinheit 26 - 30 zurücksendbar ist und - mit der zurückgesendeten Wälzlagermessgröße mindestens eine Wälzlagerkenngröße, (im Fall des Wälzlagers nach der US 42 37 454 A (10) Schwingungen) ableitbar ist.

Das Wälzlager nach der US 42 37 454 A (10) arbeitet mit einem konventionellen Resonator bzw. Schwingungssensor, der außerhalb des Wälzlagers auf einem zusätzlichen Gehäuse, in welchem die komplette Lagerung und das gesamte Wälzlager aufgenommen wird, befestigt ist. Im Falle eines detektierten Fehlers, der im vorliegenden Fall definiert wird durch Überschreiten einer vorgegebenen Größe bei der Abweichung von Schwingungen, wird selbsttätig ein Signal generiert und an die Abfrageeinheit gesandt.

Das anmeldungsgemäße Wälzlager unterscheidet sich von demjenigen nach der Entgegenhaltung 10 somit dadurch, dass die Erfassungseinheit - ein nach dem SAW- oder BAW-Prinzip arbeitendes Bauteil aufweist und - in mindestens eine der Wälzlagerkomponenten integriert ist.

Zudem muss dabei berücksichtigt werden, dass ein SAW- oder BAW-Sensor, mit dem eine Wälzlagermessgröße aufgrund einer Änderung eben dieser Größe als auslösendes Ereignis erfasst wird, am Anmeldetag nicht als bekannt nachgewiesen werden konnte. Damit kann auch das beim Wälzlager nach der US 42 37 454 A (10) vorhandene Teilmerkmal, wonach das auslösende Ereignis die Änderung der Wälzlagermessgröße selbst sein soll, ausgehend von dem bekannten konventionellen Resonator, nicht in naheliegender Weise einem SAW-/BAW-Sensor hinzugerechnet werden. Am Anmeldetag bekannte SAW- oder BAW-Sensoren wurden nämlich jeweils von außen getriggert.

So wird bspw. bei der fernabfragbaren Erfassungseinheit nach der DE 42 00 076 A1 (2), durch die Messgrößen von Radlagern eines vorbeifahrenden Eisenbahnzuges abgelesen werden können, die jeweilige Messung, respektive das Signal, dadurch ausgelöst, dass das von der Abfrageeinheit abgeschickte und am Sensor ankommende Eingangssignal, entsprechend verändert, als Ausgangssignal an diese Abfrageeinheit zurückgeschickt wird. Mithin handelt es sich dabei um ein Lager mit einer fernabfragbaren Erfassungseinheit zur Erfassung von Daten, wobei - die Erfassungseinheit über eine Antenne 16, 17 durch eine Abfrageeinheit 1 funkabfragbar ist,

- die Erfassungseinheit mindestens ein nach dem SAW- oder BAW-Prinzip arbeitendes Bauelement 5 aufweist, und - mit dem nach dem SAW- oder BAW-Prinzip arbeitenden Bauelement 5 eine Messgröße aufgrund eines Eintritts eines Ereignisses erfassbar ist,

- die Messgröße an die Abfrageeinheit zurücksendbar ist und - mit der zurückgesendeten Messgröße mindestens eine Kenngröße ableitbar ist.

Neben dem unterschiedlichen Anwendungsgebiet unterscheidet sich das anspruchsgemäße Wälzlager somit dadurch, dass - die Erfassungseinheit in eine der Lagerkomponenten integriert ist (bei der Vorrichtung nach der DE 42 00 076 A1 (2) wird zum Einbau-/Anbringungsort keine Angabe gemacht) und - das auslösende Ereignis eine Änderung der Wälzlagermessgröße selbst ist.

Die Integrierung von Erfassungseinheiten in Wälzlagerkomponenten ist zwar isoliert gesehen aus der US 59 52 587 A (1) bekannt. Dabei handelt es sich allerdings um herkömmliche Dehnmessstreifen, welche funktionsbedingt an den zu messenden Objekten angebracht werden müssen und wobei die gewonnenen Daten über Kabel an Auswerteeinheiten geleitet werden. Dies bedingt einen gegenüber dem anspruchsgemäßen Wälzlager komplett unterschiedlichen Aufbau, zudem erhält der Fachmann auch aus dem Gesamtzusammenhang der Druckschrift keinerlei Hinweise auf Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 nach der Anmeldung.

Die Offenbarungen in den oben beschriebenen Schriften lassen somit jeden Hinweis auf ein sinnvolles Zusammensetzen der darin enthaltenen Einzelmerkmale in der beim Wälzlager nach Patentanspruch 1 vorgesehenen Weise vermissen. Sie behandeln nämlich jeweils eine in sich abgeschlossene Lehre, die keine Anregung zur Zusammenschau mit der jeweils anderen Lehre erkennen lässt.

Die weiteren im Verfahren angezogenen Entgegenhaltungen zeigen ebenfalls nur einzelne Merkmale, teilweise auch von untergeordneten Patentansprüchen, und liegen insgesamt noch weiter ab von einem anspruchsgemäßen Wälzlager. Sie legen damit weder für sich noch in der Zusammenschau mit den anderen offenbarten Vorrichtungen ein Wälzlager mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nahe.

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 17 beschreiben weiterbildende Merkmale, die die an Unteransprüche zu stellenden Anforderungen erfüllen.






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Az: 6 W (pat) 27/03


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