Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 11. August 2010
Aktenzeichen: 4 U 106/10

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 11.08.2010, Az.: 4 U 106/10)

Tenor

1. Der Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens.

Gegenstandswert des Verfügungsverfahrens: 100.000,00 EUR

Gründe

Die Parteien streiten über einen Unterlassungsanspruch des Klägers im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt S - der Kläger will mit seiner Hauptsacheklage erreichen, dass es die Beklagten unterlassen, die Seitenflügel des Bahnhofs und die Treppenanlage in der großen Schalterhalle abzureißen oder abreißen zu lassen.

I.

Die mit Schriftsatz vom 28. Januar 2010 erhobene Unterlassungsklage wurde durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20. Mai 2010 abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 27. Mai 2010 zugestellt, mit Schriftsatz vom 23. Juni 2010 hat der Kläger Berufung eingelegt, die mit weiterem Schriftsatz vom 20. Juli 2010 begründet und nach vorheriger Absprache am 22. Juli 2010 auf den 6. Oktober 2010 terminiert wurde. Mit Schreiben vom 26. Juli 2010 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der Abbruch unmittelbar bevorstehe, der Senat hat darauf mit Verfügung des Vorsitzenden vom 29. Juli 2010 mitgeteilt, dass die Terminierung zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als der Abrissbeginn für August bereits in der Presse mitgeteilt worden war.

Nunmehr beantragt der Kläger mit Schriftsatz vom 4. August 2010 - eingegangen am 5. August 2010 - und mit abgeändertem Antrag vom 10. August 2010 (die Änderung ist unterstrichen) den Erlass einer einstweiligen Verfügung dahingehend,

den Beklagten aufzugeben, es bis zur Entscheidung des OLG Stuttgart im Berufungsverfahren 4 U 106/10, spätestens bis zum 15.11.2010 zu unterlassen, im Zuge der Realisierung des Bahnprojekts S in S den Nord-West-Flügel (Richtung H-Straße) des Hauptbahnhofs S ganz oder teilweise abzureißen oder abreißen zu lassen und/oder mit Abrissarbeiten zu beginnen.

Hinsichtlich des Verfügungsanspruchs wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen. Zum Verfügungsgrund - der besonderen Eilbedürftigkeit - stützt sich der Kläger auf die beabsichtigten Maßnahmen der Beklagten im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Abrissarbeiten und hat zur Glaubhaftmachung einen Ausdruck der Presseinformation der Beklagten Ziffer 1 vom 30. Juli 2010 vorgelegt (Anlage AS 1, Blatt 7 der Akten des einstweiligen Verfügungsverfahrens):

"..... Baustelleneinrichtung für den Rückbau des örtlichen Bahnhofsflügels im S. Hauptbahnhof im August 2010 beginnt (S, 30. Juli 2010) Zur Absicherung der Baustelle hat die Bahn einen Bauzaun am Nordflügel des S. Hauptbahnhofs erstellt. Damit beginnen die Vorbereitungen zum Abriss des nördlichen Seitenflügels. Das dafür erforderliche Baurecht hat die Bahn schon seit 2005 mit dem bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 1.1 "Talquerung und neuer Hauptbahnhof". Damit kann der stufenweise Rückbau des Gebäudeteils in den nächsten Wochen und Monaten erfolgen. ...."

Der Kläger trägt weiter vor, dass sich mittlerweile ein Abrissbagger auf dem Gelände befinde und es den Beklagten offensichtlich darum gehe, vollendete Tatsachen zu schaffen, bevor der Senat über die Berufung entscheiden kann.

Der Senat hat den Parteien mit Verfügung vom 5. August 2010 Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 10. August 2010 eingeräumt und auf Bedenken hinsichtlich der Eilbedürftigkeit hingewiesen.

Der Kläger hat daraufhin unter Vorlage des Terminplans der Vergabeunterlagen ausgeführt, der Beginn der Abbrucharbeiten sei ursprünglich auf den 15. November 2010 geplant gewesen und nun vorgezogen worden. Der Terminplan vom 17. Februar 2010 führt aus, dass die Bauausführung für den Abbruch des Nordflügels am 8. September 2010 beginnen soll, der eigentliche Abbruch bis zur Oberkante der Kellerdecke ist auf den 15. November 2010 terminiert (AS 4, Blatt 29 der Akte des einstweiligen Verfügungsverfahrens).

Die Beklagten beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verwerfen.

Zum Verfügungsanspruch haben sich die Beklagten ebenfalls auf den bisherigen Vortrag und die Entscheidung des Landgerichts berufen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass kein Verfügungsgrund vorliege, weil der bevorstehende Abriss bereits seit langem bekannt sei und feststehe, die Beklagten stets erklärt hätten, dass die Bauarbeiten durchgeführt und die Seitenflügel abgerissen würden. Der Kläger habe bewusst auf ein einstweiliges Verfügungsverfahren verzichtet und auch in seinem Verfügungsantrag keinen Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln gestellt, weshalb die einstweilige Verfügung in der beantragten Form nicht vollstreckbar sei.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Senat ist als Gericht der Hauptsache zur Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung berufen (§§ 937 Abs. 1, 943 Abs. 1 ZPO). Dieser bleibt aber in der Sache ohne Erfolg, denn es fehlt an dem notwendigen Verfügungsgrund.

1. Der Senat lässt offen, ob dem Kläger ein entsprechender Verfügungsanspruch - also ein Anspruch auf Unterlassung des Teilabrisses des Bahnhofs aus urheberrechtlichen Vorschriften - zusteht.

2. Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt das Vorliegen eines Verfügungsgrundes voraus.

a. Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn bei einem Zuwarten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren die objektiv begründete Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Erforderlich ist eine Gefährdung der Rechtsverwirklichung, eine besondere Dringlichkeit für eine vorläufige Entscheidung (§§ 935, 940 ZPO). Für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes spielt das eigene Verhalten des Antragstellers eine ganz wesentliche Rolle, wenn und soweit daraus Rückschlüsse auf die besondere Eilbedürftigkeit der Rechtsverfolgung gezogen werden können. Wer mit einer Verfahrenseinleitung unangemessen lange abwartet, das Verfahren selbst säumig betreibt, verzögert oder in anderer Weise erkennen lässt, dass es ihm (subjektiv) nicht eilt, belegt durch dieses Verhalten regelmäßig, dass eine rasche und summarische Rechtsverfolgung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für ihn objektiv nicht dringend ist (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 54 Rn. 17; Schuschke in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl. 2005, § 935 Rn. 16).

Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist vom Anspruchssteller darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 936 ZPO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

b. Nach zutreffender herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung gilt die sogenannte Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG im Urheberrecht nicht (Senat, OLGR Stuttgart 2009, 633 [634; juris Rn. 40]; KG NJW-RR 2001, 1201 [1202]; Hefermehl/Bornkamm/Köhler, UWG, 28. Aufl. 2010, § 12 Rn. 3.1.4 m.w.N.). Der Kläger kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass das Vorliegen eines Verfügungsgrundes vermutet wird. Davon geht er selbst aus, nachdem er in seinem Verfügungsantrag ausführt, dass ein Verfügungsgrund vorliegt und es deshalb unentschieden bleiben kann, ob die Dringlichkeitsvermutung gemäß § 12 Abs. 2 UWG auch im Urheberrecht Geltung beanspruchen kann.

c. Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist hinsichtlich der Dringlichkeit anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Anspruchssteller nach Erlangung der Kenntnis von den maßgeblichen Umständen der drohenden Rechtsverletzung - das sind im vorliegenden Fall die bestehenden urheberrechtlichen Unterlassungsansprüche und deren drohende Beeinträchtigung durch den Abriss - zu lange abgewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt hat. Insoweit gibt es in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansichten, nach welchen Zeiträumen des Zuwartens nicht mehr von einer besonderen Dringlichkeit ausgegangen werden kann (umfangreiche Nachweise zur Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bei Ahrens/Schmukle, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. 2009, Kap. 45 Rn. 42 - 45 und bei Hess in Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl. 2009, § 12 Rn. 99), wobei Einigkeit besteht, dass es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles ankommt. Nach der Rechtsprechung des Senates ist ein Zuwarten von mehr als acht Wochen beziehungsweise zwei Monaten regelmäßig dringlichkeitsschädlich; jedenfalls kann bei einem Zeitraum von mehr als drei Monaten keine Dringlichkeit mehr angenommen werden (Senat, OLGR Stuttgart 2009, 633 [634; juris Rn. 43]; ebenso OLG Hamburg GRUR-RR 2000, 100 [101]; OLG Hamburg NJW-RR 2008, 1435 f.; Hess in jurisPR-WettbR 8/2009, Anm. 3, Singer in jurisPR-WettbR, 11/2007, Anm. 5).

Diese zeitlichen Obergrenzen dienen auch der Rechtssicherheit. Bei einer Überschreitung dieser Richtwerte hat der Antragsteller besondere Umstände darzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen, die ihn an der Einhaltung der Frist gehindert haben.

3. Die Anwendung der vorstehend dargestellten Grundsätze auf den konkreten Einzelfall führt zu einer Verneinung des Verfügungsgrundes - der Kläger hat mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu lange zugewartet und diesen so verzögert gestellt, dass die Dringlichkeit zu verneinen ist.

a. Den Vortrag der Beklagten einer schon seit 2002 vorhandenen Kenntnis von möglicherweise bestehenden urheberrechtlichen Ansprüchen hat der Kläger in Abrede gestellt und ausgeführt, dass ihm die Rechtslage und die Ansprüche zunächst nicht bewusst waren (Blatt 215 der Akten). In einem Gespräch mit der E.-Zeitung hat der Kläger ausgeführt, er hätte gleich im Planfeststellungsverfahren mit der Klage kommen sollen, die Möglichkeiten des Urheberrechts seien ihm erst spät klar geworden (B 43, Blatt 239 der Akten). Dem Kläger war jedoch seit Mai 2009, jedenfalls aber spätestens im Dezember 2009, kurz vor der Erhebung der Hauptsacheklage bekannt, dass er gegebenenfalls bestehende urheberrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen kann.

Der Kläger hat in einem Gespräch mit der S-Zeitung mitgeteilt, das Urheberrecht erlösche erst 2026 (S-Zeitung vom 26. Mai 2009, Anlage B 27, Blatt 161 der Akten), er wusste also, dass Urheberschutz besteht. In einem weiteren Gespräch mit der S-Zeitung im Dezember 2009 hat der Kläger ausgeführt, er erwäge eine Klage wegen Verletzung des Urheberrechts, wenn nicht die Pläne für den Umbau doch noch gestoppt würden (S-Zeitung vom 8. Dezember 2009, Seite 19). Ausweislich eines Schreibens vom 19. Dezember 2009 an die Beklagten hat der Kläger einen "Modifizierungsvorschlag zum planfestgestellten Entwurf als Voraussetzung für einen Verzicht auf die Urheberrechtsklage" unterbreitet (K 8, Blatt 58 der Akten). Aus der Klageschrift vom 28. Januar 2010 ergibt sich, dass der Kläger als Erbe des 1956 verstorbenen Architekten P. B. urheberrechtliche Unterlassungsansprüche geltend machen will, nachdem er dort vorträgt, dass der geplante Abbruch der Flügel und die Eingriffe in die große Schalterhalle gegen das sogenannte urheberrechtliche Änderungsverbot verstoßen (vergleiche auch §§ 14, 39 UrhG).

Dem Kläger war also bekannt, dass er im Falle eines positiven Ausgangs der angestrengten Hauptsacheklage auf Unterlassung des Abbruchs einen dann festgestellten urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch durchsetzen kann.

b. Obwohl der Kläger davon ausging, dass mit der am 29. Januar 2010 eingereichten Hauptsacheklage ein vorläufiger Baustopp nicht erreicht werden kann und für eine endgültige Durchsetzung der Unterlassungsansprüche gegebenenfalls bis zum Bundesgerichtshof, also durch drei Instanzen prozessiert werden muss, was erfahrungsgemäß einen Zeitraum von mehreren Jahren erfordert, hat sich der Kläger von Anfang an bewusst dagegen entschieden, den für einen Baustopp notwendigen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen. In seinem Spendenaufruf vom 29. Januar 2010 und auch gegenüber der Presse teilte er vielmehr mit, dass für ihn eine einstweilige Verfügung nicht infrage kommt, da diese bei einem negativen Ausgang der Hauptsache erhebliche Schadenersatzforderungen der Beklagten nach sich ziehen könnte (Anlage B 28, Blatt 162 der Akten, Anlage B 44, Blatt 240 der Akten).

c. Dem Kläger war es außerdem seit mehr als drei Monaten bekannt, dass die Abrissarbeiten im Sommer diesen Jahres beginnen sollen. So wurde schon kurz vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart vom 22. April 2010 über seine Klage in der Presse mitgeteilt, dass die Abrissarbeiten am 8. September 2010 beginnen sollen (S-Zeitung vom 12. April 2010, Seite 17: "Am 8. September sollen die Bagger anrücken."). Der Beginn der Bauausführung ist auch in den Vergabeunterlagen auf den 8. September 2010 terminiert (Anlage AS 4, Blatt 29 der Akten des Verfügungsverfahrens). In einer Pressekonferenz vom 13. Juli 2010 wurde vom Projektsprecher D. mitgeteilt, dass die vorbereitenden Arbeiten für den Abriss am 1. August 2010 mit den Entkernungsarbeiten beginnen sollen und anschließend der Flügel Stockwerk für Stockwerk abgetragen werden soll (S-Zeitung vom 14. Juli 2010, Seite 19). Dies ergibt sich auch aus der Pressemitteilung der Beklagten vom 13. Juli 2010 (Anlage AS 5, Blatt 30 der Akten der einstweiligen Verfügung).

Der Abbruch der Seitenflügel wurde bereits am 22. Januar 2010 ausgeschrieben, die Vergabe auf März 2010 angekündigt (K 9, Blatt 59.3).

Der Kläger hat also mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugewartet, obwohl er seit mehr als einem Jahr weiß, dass er Ansprüche geltend machen kann und ihm seit knapp vier Monaten bekannt ist, dass die eigentlichen Abrissarbeiten, auf die es urheberrechtlich maßgeblich ankommt, da geschützt nur das Bauwerk als solches ist, am 8. September 2010 beginnen sollen.

d. Wer wie der Kläger sehenden Auges nur ein Hauptsacheverfahren betreibt, mit dem es nach seinen eigenen Angaben nicht gelingt, den bevorstehenden Baubeginn aufzuhalten und trotz einer Kenntnis des bevorstehenden Baubeginns seit drei Monaten und drei Wochen keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellt, kann sich nicht mehr auf das Vorliegen eines Verfügungsgrundes, eine besondere Dringlichkeit berufen. Darüber hinaus hat er sogar mehrfach öffentlich erklärt, er werde keinen einstweiligen Rechtsschutz beantragen, weil er erhebliche Regressforderungen befürchte.

e. Trotz des Hinweises des Senats vom 5. August 2010 hat der Kläger nichts dazu vorgetragen, welche besonderen Umstände ihn daran gehindert haben, innerhalb des regelmäßig zu fordernden Zeitraums von circa zwei Monaten einstweiligen Rechtschutz zu beantragen.

4. Der Kläger kann auch nicht geltend machen, dass der Baubeginn vorverlegt worden sei und erst durch das Aufstellen des Bauzaunes und die nun begonnenen Arbeiten der Verfügungsantrag seine Berechtigung erlangt haben sollte. Die Parteien tragen übereinstimmend vor, dass die eigentlichen Abrissarbeiten zunächst ab dem 15. November 2010 geplant waren, die Vorbereitungen für den eigentlichen Abbruch sollten aber schon ab dem 8. September 2010 beginnen.

a. Obwohl der Kläger wusste, dass der Hauptsacheprozess den Baubeginn nicht aufhalten kann, hat er keinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, sondern den Ablauf des erstinstanzlichen Prozesses abgewartet und die Frist zur Begründung der Berufung weitgehend ausgeschöpft - diese Frist wäre am 27. Juli abgelaufen, die Begründung ging am 20. Juli 2010 beim Senat ein - weshalb eine weitere Verzögerung des Verfahrens eintrat, denn der Senat hätte auch unmittelbar nach einem früheren Eingang der Berufungsbegründung die Sache terminiert.

b. Alleine die Vorverlegung des Abrisstermins um vier bis acht Wochen führt nicht zu einer neuen Situation oder einem Wiederaufleben der Dringlichkeit, denn der Kläger wusste schon bei Erhebung der Hauptsacheklage, dass ein rechtskräftiges Urteil vor dem Beginn der Abrissarbeiten kaum erstritten werden kann. Auch insoweit führt sein zu langes Abwarten zu einer Verneinung der Dringlichkeit. Denn der Senat geht wie schon in seinem Urteil vom 25. Februar 2009 (OLGR Stuttgart 2009, 633 [635 f.; juris Rn. 64]) davon aus, dass nicht einmal dann ein Grund für die Annahme einer neuen Dringlichkeit besteht, wenn dem jeweiligen Antragsteller die Möglichkeit des Verletzungseintritts seit längerem bekannt war und die Verletzungshandlung bereits stattgefunden hat. Ist wegen zu langen Zuwartens die Dringlichkeit für die Verfolgung eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs entfallen, besteht mithin für die Verfolgung eines auf eine Verletzungshandlung gestützten Unterlassungsanspruchs keine erneute Dringlichkeit, es sei denn, die begangene Verletzungshandlung weist eine andere Qualität auf als die Handlung, deren Begehung drohte (Senat, OLGR Stuttgart 2009, 633 [635 f.; juris Rn. 64]).

Dagegen kann auch nicht angeführt werden, dass durch den Abriss ein irreversibler Zustand geschaffen wird. Denn nach der Unterzeichnung der Finanzierungsverträge am 2. April 2009 und den Ankündigungen der Beklagten seit Ende 2009/Anfang 2010 drohte der Abriss. Gerade weil der Kläger ab der Kenntnis seiner ererbten urheberpersönlichkeitsrechtlichen Ansprüche wusste, dass ein irreversibler Zustand durch den Abriss droht, war erst Recht zu erwarten, dass er frühzeitig nach Erlangung dieser Kenntnis den Weg des einstweiligen Rechtsschutzes beschreitet.

Damit kommt es nicht auf die Vorverlegung der Abrissarbeiten und die Gründe dieser Vorverlegung an.

5. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger lediglich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne den notwendigen Bestrafungsantrag gestellt hat, der aber für eine Vollziehung und Vollstreckung der einstweiligen Verfügung innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO erforderlich wäre. Der Kläger könnte bei einem Erlass der einstweiligen Verfügung also gar nicht deren Einhaltung durch die Beklagten erzwingen, denn ohne eine Ordnungsmittelandrohung kann diese nicht vollzogen werden (OLG Hamm GRUR 1991, 336 [337]). Der Kläger müsste zunächst nachträglich die Androhung des Ordnungsmittels beantragen, was eine weitere Verzögerung bedeuten würde. Auch dieser Umstand spricht gegen die nun vorgetragene Dringlichkeit.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Beim Streitwert orientiert sich der Senat an dem vom Kläger mitgeteilten Interesse an der Erhaltung des Bauwerks und berücksichtigt dabei insbesondere den Umstand, dass der Kläger eine einstweilige Verfügung lediglich für den Zeitraum bis zum 15. November 2010 begehrt.






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 11.08.2010
Az: 4 U 106/10


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