Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juni 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 179/00
(BPatG: Beschluss v. 18.06.2001, Az.: 30 W (pat) 179/00)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In das Markenregister eingetragen ist unter der Rollennummer 396 53 780 die Bezeichnung Nisodipinfür die Waren
"Arzneimittel, pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster, Verbandmaterial; Desinfektionsmittel".
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 1985 (nach Teillöschung jetzt noch) für die Waren
"Verschreibungspflichtige Arzneimittel"
eingetragenen Marke 1 079 009 Dignodipin, die zuletzt 1995 verlängert worden ist.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, daß zwar angesichts der Möglichkeit einer Kennzeichnung von identischen Erzeugnissen mit den Vergleichsmarken ein entsprechend strenger Maßstab an den Markenabstand anzulegen sei. Die Verwechslungsgefahr werde jedoch durch die auf Seiten der Widerspruchsmarke gegebene Rezeptpflicht gerade im hier besonders interessierenden Bereich identischer Waren verringert. Durch die recht deutlichen konsonantischen Abweichungen zwischen den jeweils ersten beiden Sprechsilben der Zeichen ergebe sich ein hinreichender klanglicher Abstand, zumal dem gemeinsamen Endbestandteil "dipin" eine erhebliche Kennzeichnungsschwäche anhafte. Ebensowenig bestehe eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr.
Die Beschwerde der Widersprechenden stützt sich im wesentlichen darauf, daß in Anbetracht der übereinstimmenden Silbenzahl und Vokalfolge sowie des Betonungsrhythmus ein ausreichender klanglicher Abstand nicht mehr gegeben sei. Darüber hinaus bestehe auch eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin hat keinen Antrag gestellt und sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. In Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Markenstelle liegt keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG vor.
Nach der Registerlage, von der auszugehen ist, da Benutzungsfragen von den Beteiligten nicht angesprochen worden sind, können die beiderseitigen Marken auch zur Kennzeichnung gleicher Waren verwendet werden. Die daraus resultierenden strengen Anforderungen an den Markenabstand werden jedoch durch die sich aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke ergebende - allerdings nur einseitige - Verschreibungspflicht gemindert (BGH GRUR 99, 587 - Cefallone).
Der Senat hat eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit einen normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke zugrunde gelegt. Zwar weist der Zeichenbestandteil "dipin" auf eine Reihe von INN hin (Amlodipin, Felodipin, Nifedipin, Isradipin, Nicardipin, Nilvadipin, Nisoldipin, Nitrendipin). In gleicher Weise findet sich dieser Zeichenbestandteil auch bei einer Reihe von Arzneimittelbezeichnungen, die auf derartige Wirkstoffe zurückgreifen. Diese Umstände führen aber nicht zu einer Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke insgesamt, da diese in ihrer Gänze noch hinreichend phantasievoll ist und ihre Zeichenbildung der bei pharmazeutischen Erzeugnissen üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Zeichenteile Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation udgl jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen.
Der unter diesen Umständen gebotene noch deutliche Abstand wird von der angegriffenen Marke in klanglicher Hinsicht eingehalten.
Insoweit darf nicht außer Betracht bleiben, daß die übereinstimmende Endung "dipin" zwar bei der Gesamtbetrachtung nicht unberücksichtigt bleiben kann, wegen ihres deutlichen Anklangs an die oben genannten INN indes einen Hinweis sprechender Art darstellt, der nur in geringerem Umfang verwechslungsrelevant ist. Dies wird noch dadurch unterstrichen, daß - wie ausgeführt - eine Reihe von Präparaten der Hauptgruppe 27 der Roten Liste (Betarezeptoren-, Calciumkanalblocker und Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems) diesen Zeichenteil gemeinsam haben. In gleicher Weise weist die Lauer-Taxe insgesamt 11 Basismarken, teilweise mit unterschiedlichen Herstellerbezeichnungen, mit eben diesem Zeichenbestandteil aus. Zwar kann über die Verbreitung so gekennzeichneter Arzneimittel allein aufgrund ihres Eintrags in der Roten Liste und der Lauer-Taxe keine unmittelbare Aussage getroffen werden, der Umstand ihrer dortigen Aufnahme entfaltet aber eine gewisse Indizwirkung dahingehend, daß mit diesen so gekennzeichneten Präparaten auch nennenswerte Umsätze getätigt werden.
Läßt man damit die Übereinstimmung in dem Zeichenteil "dipin" mehr in den Hintergrund treten, so müssen die klanglichen Unterschiede in den, auch wegen ihrer Stellung am Wortanfang stärker beachteten übrigen Zeichenteilen doch als hinreichend deutlich angesehen werden. Insbesondere ist die Lautfolge "gn" in der Widerspruchsmarke im Deutschen unüblich und deshalb recht markant. Sie hebt sich auch deutlich von dem parallelen Konsonanten "s" der angegriffenen Marke ab.
Einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr steht die deutliche unterschiedliche Zeichenführung im jeweiligen Anfangskonsonanten und insbesondere die bei dem Widerspruchszeichen bei dem Buchstaben "g" vorhandene Unterlänge entgegen.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist daher ohne Erfolg.
Eine Kostenauferlegung (§ 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG) ist nicht veranlaßt.
Dr. Buchetmann Voit Schramm Hu
BPatG:
Beschluss v. 18.06.2001
Az: 30 W (pat) 179/00
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