Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 4. September 1995
Aktenzeichen: 2 W 144+145/95
(OLG Köln: Beschluss v. 04.09.1995, Az.: 2 W 144+145/95)
1) Im Beschwerdeverfahren muß dem Beschwerdeführer zur Entgegnung des Beschwerdegegners nur dann rechtliches Gehör gewährt werden, wenn diese neue Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte enthält, die für das Gericht entscheidungserheblich sind. Aus der bloßen Óbersendung der Entgegnung ergibt sich nicht, daß das Gericht vor der Entscheidung eine angemessene Zeit auf eine Gegenäußerung warten werde.
2) Eine nach den gesetzlichen Vorschriften (§§ 793 II, 568 II ZPO) unzulässige weitere Beschwerde kann nicht wegen ,greifbarer Gesetzeswidrigkeit" der angefochtenen Entscheidung als zulässig angesehen werden.
Gründe
I. Der Schuldner, der zur Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung geladen worden ist, hat in den Vorinstanzen in erster
Linie geltend gemacht, der Notar habe zu einer notariellen Urkunde
die Vollstreckungsklausel nur hinsichtlich einer abgetretenen
Eigentümergrundschuld (des dinglichen Anspruchs) erteilt, nicht
aber hinsichtlich der ebenfalls titulierten persönlichen Forderung.
Es fehle daher für die persönliche Inanspruchnahme des Schuldners
eine Zwangsvollstreckungsvoraussetzung. Amtsgericht und Landgericht
sind dem mit näherer Begründung, auf die Bezug genommen wird, nicht
gefolgt und haben Erinnerung und Beschwerde gegen die Anberaumung
eines Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sowie
den Widerspruch und die sofortige Beschwerde gegen seine
Zurückweisung übereinstimmend als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der weiteren sofortigen Beschwerde macht der Schuldner
geltend, der Beschluß des Landgerichts verletze das rechtliche
Gehör, da ihm im Beschwerdeverfahren ein Schriftsatz der Gegenseite
erst am 17.7.1995 zugegangen sei, das Gericht aber schon am
27.7.1995 entschieden habe, so daß er sich dazu nicht mehr habe
äußern können. Ferner sei die Entscheidung des Landgerichts
greifbar gesetzeswidrig und deshalb jedenfalls mit der
außerordentlichen Beschwerde anfechtbar, denn daß die
Vollstreckungsklausel nur für den dinglichen Anspruch erteilt
worden, ergebe sich unzweifelhaft aus dem - richtig verstandenen -
Wortlaut der Klausel. Sollte die weitere sofortige Beschwerde nicht
zulässig sein, sei der Rechtsbehelf hilfsweise als
Gegenvorstellung, äußerst hilfsweise als außerordentliche
Beschwerde anzusehen.
II. Das Rechtsmittel ist nicht zulässig.
1) Nach §§ 793 II, 568 II BGB ist die weitere Beschwerde nur
gegeben, wenn durch den angefochtenen Beschluß ein neuer
selbständiger Beschwerdegrund gesetzt worden ist. Der Schuldner
zieht nicht in Zweifel, daß hier die Vorentscheidungen
übereinstimmen, sondern meint nur, das Landgericht habe einen neuen
selbständigen Beschwerdegrund dadurch geschaffen, daß es gegen
wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen habe.
2) Ein solcher Verstoß ist entgegen der Auffassung des
Schuldners zu verneinen, insbesondere liegt er nicht in der
Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Gemäß § 573 ZPO kann über die Beschwerde ohne mündliche
Verhandlung entschieden werden. Der Beschwerdeführer muß zur
Àußerung des Gegners nur angehört werden, wenn diese neues
entscheidungserhebliches tatsächliches Vorbringen enthält oder neue
rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt (vgl. Stein/Jonas/Grunsky,
21.Aufl. (1994) § 573 Rn. 3), denn nur dann kann die Nichtgewährung
des Gehörs ursächlich für eine dem Beschwerdeführer nachteilige
Entscheidung sein. Im Streitfall hat das Landgericht seine
Entscheidung nicht auf neues Vorbringen im Schriftsatz des
Gläubigers vom 12.7.1995 gestützt. Aus der bloßen Óbersendung des
Schriftsatzes ergibt sich nicht, daß das Gericht auf eine
Gegenäußerung warten werde, anders ist es nur, wenn es dafür eine
Frist setzt, die dann allerdings in jedem Fall vor dem Erlaß der
Entscheidung abgewartet werden muß (BVerfG MDR 1988, 553 ;
Zöller/Gummer, 19. Aufl. (1995), § 573 Rn.10). Der Beschwerdeführer
kann sich nicht darauf berufen, daß er unabhängig vom Inhalt der
Gegenäußerung seinerseits seinen Vortrag in
entscheidungserheblicher Weise ergänzt haben würde, wenn das
Gericht seine Àußerung abgewartet hätte.
Für den Streitfall kann daher dahinstehen, ob das Gericht bei
entscheidungserheblichem Vorbringen verpflichtet ist, von sich aus
eine Frist zur Gegenäußerung zu setzen ( verneinend BVerfG ZIP
1986, 1336 m.Anm. Schneider sowie Senat NJW-RR 1986, 862;
MK-ZPO/Braun (1992), § 573 Rn.3; weitergehend selbst bei
angekündigter Begrüdung eine Fristsetzungsnotwendigkeit verneinend
OLG Oldenburg MDR 1990, 1125). Ebenso kann dahinstehen, wie lange
ohne Setzung einer Frist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs mit
einer Entscheidung gewartet werden muß und ob auch in
Zwangsvollstreckungssachen ein Zeitraum von zwei bis drei Wochen
erforderlich ist (vgl. OLG Köln MDR 1990, 556; Zöller/Gummer, 19.
Aufl.(1995), § 573 Rn.10) oder nicht wegen ihrer Eilbedürftigkeit (
§ 202 GVG ) ein kürzerer Zeitraum ausreicht.
3) Die weitere sofortige Beschwerde ist auch nicht deshalb
statthaft, weil die Entscheidung des Landgerichts in der Sache
greifbar gesetzeswidrig wäre. Der Gesetzgeber ermöglicht die
sachliche Óberprüfung durch eine weitere Instanz nur unter den
Voraussetzungen der §§ 793 II, 568 II ZPO, nicht aber generell
dann, wenn die Beschwerdeentscheidung fehlerhaft ist. Die
Beschränkung des Zugangs zu einer dritten Tatsacheninstanz nur in
den Fällen eines neuen selbständigen Beschwerdegrundes unter
gleichzeitigem Verzicht auf den Zugang zu einer
Rechtsbeschwerdeinstanz wie in der freiwilligen Gerichtsbarkeit
(gem. §§ 27 FGG, 78 GBO) hat der Gesetzgeber bewußt angeordnet. Die
Zulässigkeitsvoraussetzungen der weiteren sofortigen Beschwerde
können daher nicht umgangen werden, um nur rechtlich fehlerhafte
Entscheidungen korrigieren zu können.
Wenn der Gesetzgeber für die Óberprüfung einer Entscheidung
einen bestimmten Rechtsbehelf vorsieht, kann darüberhinaus auch
nicht ein weiterer Rechtsbehelf einer "außerordentlichen
Beschwerde" durch die Rechtsprechung zugelassen werden, die eine
Óberprüfung über die gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen hinaus
möglich macht.
Eine andere Frage ist, ob in Fällen, in denen der
Beschwerderechtzug erschöpft ist und der Gesetzgeber einen weiteren
Rechtsbehelf nicht vorsieht, bei prozessual grob fehlerhaften und
dem Gesetz inhaltlich fremden Entscheidungen ("greifbar
gesetzeswidrigen") eine außerordentliche Beschwerde statthaft sein
kann (vgl. dazu BGH NJW 1993, 315 und 1865 sowie 1994, 2363; OLG
München NJW-RR 1995, 957; OLG Köln FamRZ 1995, 379 ; ferner
-z.T.kritisch- z.B. MK-ZPO/Braun, a.a.O., § 567 Rn.10;
Zöller/Gummer, a.a.O., § 567 Rn. 19 m.w.N.; Chlosta NJW 1993, 2160;
Büttner FamRZ 1989, 129). Eine solche Sachlage ist hier nicht
gegeben und es bedarf einer solchen Erweiterung in den Fällen der
weiteren sofortigen Beschwerde auch nicht, da die Fälle groben
prozessualen Unrechts zur Zulässigkeit der weiteren Beschwerde gem.
§§ 568 II, 793 II ZPO führen. Nur ergänzend bemerkt der Senat
daher, daß von einer dem Gesetz inhaltlich fremden Entscheidung bei
der Auslegung der Vollstreckungsklausel durch die Vorinstanzen in
gar keiner Weise die Rede sein kann.
4) Óber die weiter hilfsweise erhobene Gegenvorstellung kann der
Senat nicht entscheiden, denn deren Rechtsschutzziel besteht darin,
daß das Gericht seine eigene Entscheidung abändert, sie wäre also
vom Landgericht zu bescheiden (vgl. BGH FamRZ 1995, 478;
Stein/Jonas/Grunsky, a.a.O., § 567 Rn.26 m.w.N.). Insoweit ist aber
darauf hinzuweisen, daß eine Gegenvorstellung in allen Fällen der
sofortigen Beschwerde nicht statthaft ist, wie sich aus § 577 III
ZPO ergibt. Verletzungen des rechtlichen Gehörs - die hier, wie
ausgeführt, zu verneinen sind - können nur auf dem Weg über die
weitere sofortige Beschwerde geltend gemacht werden.
Daher ist dem Senat ein Eingehen auf die Sache wegen
Unzulässigkeit der weiteren Beschwerde verwehrt. Sie mußte mit der
Kostenfolge aus § 97 ZPO verworfen werden.
Beschwerdewert: 2400,- DM (analog § 58 III Nr.11 BRAGO).
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OLG Köln:
Beschluss v. 04.09.1995
Az: 2 W 144+145/95
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