Oberlandesgericht Celle:
Beschluss vom 25. Februar 2002
Aktenzeichen: 4 U 176/01
(OLG Celle: Beschluss v. 25.02.2002, Az.: 4 U 176/01)
Tenor
Der Antrag des Verfügungsklägers vom 24. Januar 2002, ihm Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz zu bewilligen, wird gebührenfrei zurückgewiesen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die nachgesuchte Prozesskostenhilfe war dem Verfügungskläger zu versagen. Seine Berufung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg nach Maßgabe der §§ 119 Abs. 1, 114 ZPO.
Denn der Verfügungskläger hat keinen Anspruch auf die beantragten Grundbuchberichtigungen. Die Grundbücher sind richtig. Die Verfügungsbeklagte hat durch die im Jahre 1998 geschlossenen Grundstückskaufverträge wirksam Eigentum - bzw. in einem der hier anhängig gewordenen Fällen: ein Erbbaurecht - erworben. Denn die genannten Verträge sind nicht wegen Verstoßes gegen § 112 AktG nichtig. Sie verstoßen auch nicht gegen die Nachgründungsvorschrift des § 52 Abs. 1 AktG. Das hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil mit zutreffender Begründung ausgeführt. Dem schließt sich der Senat an. Ergänzend ist insoweit auszuführen:
1. Die von dem früheren Vorstandsmitglied der ... mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Übertragungsverträge sind nicht wegen Verstoßes gegen § 112 AktG nichtig. Es kann dahinstehen, ob - was hier allein in Betracht zu ziehen ist - § 112 AktG auf den vorliegenden Fall, dass der Vorstand einer AG Kaufverträge mit einer anderen Kapitalgesellschaft abschließt, wobei er zu diesem Zeitpunkt dieser AG (Verfügungsbeklagten) unstreitig nicht als Vorstand oder Aufsichtsratsmitglied angehörte, sondern lediglich deren (alleiniger) Aktionär war, entsprechende Anwendung finden kann. Selbst wenn dies unter dem Gesichtspunkt "wirtschaftlicher Identität" zu bejahen wäre, waren nämlich die mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Übertragungsverträge nicht nichtig, sondern nach den §§ 177 ff. BGB nur schwebend unwirksam. Sie wurden deshalb durch die unstreitig seitens des Aufsichtsrats am 12. November 1999 erteilte Genehmigung nach § 181 Abs. 1 BGB wirksam, wobei etwaige Formmängel nach § 313 S. 2 BGB geheilt sind.
a) Zwar wird vor allem im aktienrechtlichen Spezialschrifttum die Auffassung vertreten, dass § 112 AktG als gesetzliches Verbot i.S. des § 112 AktG anzusehen sei, sodass ein Verstoß die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts und nicht nur schwebende Unwirksamkeit zur Folge habe (so Mertens, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 112 Rdnr. 5; m.w.N. auch aus dem aktienrechtlichen Schrifttum; ferner neben der bereits im angefochtenen Urteil genannten Entscheidung OLG Stuttgart BB 92, 1669 auch OLG Hamburg WM 1986, 972).
Dagegen lehnen das OLG Karlsruhe (WM 1996, 161 mit Anmerkung Fonk in WiB 1996, 431) und mit ihm das wohl überwiegende zur Kommentierung des BGB vorhandene Schrifttum eine Anwendung des § 134 BGB ab (vgl. z.B. Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 134 Rdnr. 2; Staudinger/Sack, 13. Aufl., § 134 Rdnr. 33 jeweils m.w.N.).
Einige Stimmen in der Literatur schlagen eine differenzierende Betrachtungsweise danach vor, ob im konkreten Einzelfall das Gesetz den Geschäftserfolg wegen Befangenheit des Vorstands dessen Zuständigkeit entzieht (Beispiel: Bezügeregelung für den Vorstand) oder ob nur praktisch ein "Normalfall" allein fehlender Vollmacht vorliegt (so z.B. Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 112 Rdnr. 7; ferner Fonk a.a.O.).
Der Bundesgerichtshof hat für den Fall gerichtlicher Vertretung eine Genehmigung zugelassen (BGH WM 1999, 2026), für Fälle außergerichtlicher Vertretung die Frage in der Entscheidung BGH WM 1993, 1630 jedoch ausdrücklich offen gelassen.
b) Der Senat schließt sich mit dem Landgericht der Auffassung an, wonach die §§ 177 ff. BGB anwendbar sind und § 112 AktG insbesondere kein gesetzliches Verbot i.S. von § 134 BGB beinhaltet.
Gegen die Wertung des § 112 AktG als gesetzliches Verbot i.S. von § 134 BGB spricht bereits, dass § 112 AktG eine Regelung der Vertretungsmacht darstellt und Rechtsgeschäfte, die der Vorstand gleichwohl an Stelle des als Vertretungsorgan berufenen Aufsichtsrats vornimmt, nicht als solche (hier also die Kaufverträge) verboten sind. Liegt aber nur eine Regelung bzw. Begrenzung der Rechtsmacht vor, ist im Zweifel kein Verbotsgesetz anzunehmen (vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 134 Rdnr. 5).
Entscheidend aber ist, dass sich die Aktiengesellschaft auch im Falle der Annahme bloß schwebender Unwirksamkeit ausreichend dadurch schützen kann, dass der Aufsichtsrat die erforderliche Genehmigung versagt. Deshalb wird - worauf das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - auch bei Anwendung der §§ 177 ff. BGB der Normzweck des § 112 AktG nicht in Frage gestellt. Warum - wie das Landgericht Stuttgart meint - gleichwohl der Schutzzweck des § 112 AktG und die in § 78 AktG geregelte Organstellung des Aufsichtsrats die Annahme einer Nichtigkeit erfordern und die §§ 177 ff. BGB gleichsam "überlagern" sollen, ist deshalb nicht erkennbar. Das gilt um so mehr, als die §§ 177 ff. BGB als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sogar bei der Vertretung Minderjähriger oder Betreuter (vgl. §§ 1629 Abs. 2, 1795 und § 1903 BGB) die schwebende Unwirksamkeit als ausreichenden Schutz ansehen. Warum die Aktiengesellschaft gleichwohl in den Fällen des §§ 112 AktG größeren Schutzes bedürfen soll als Minderjährige bei rechtsgeschäftlicher Betätigung erschließt sich nicht. Soweit in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, dass die Annahme schwebender Unwirksamkeit erhöhten Anreiz zu Manipulationen durch nicht bevollmächtigte Vorstandsmitglieder geben könnte, ist dieses Argument deshalb kaum tragfähig, weil sich bewusste Manipulationen nie völlig ausschließen lassen.
Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass im Fall außergerichtlicher Tätigkeit die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 112 AktG anders zu beurteilen sein sollten als bei Beantwortung der prozessrechtlichen Parallelfrage, die der Bundesgerichtshof - wie bereits erwähnt - ebenfalls im Sinne einer Anwendbarkeit der §§ 177 ff. BGB beantwortet hat.
2. Die Übertragungsverträge aus dem Jahr 1998 sind schließlich nicht wegen Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 AktG unwirksam. In diesem Zusammenhang hat die Kammer zutreffend darauf hingewiesen, dass die genannten Grundstücksgeschäfte ausweislich des § 2 der Satzung der Verfügungsbeklagten gerade zum Inhalt ihrer Tätigkeit gehören, so dass § 52 Abs. 1 AktG nach Absatz 9 dieser Vorschrift nicht anwendbar ist. Darauf, wo in den Bilanzen der Verfügungsbeklagten diese Rechtsgeschäfte aufgeführt worden sind, kommt es nicht an.
Dem Senat ist bewusst, dass das Prozesskostenhilfeverfahren nicht dem Zweck dient, zweifelhafte Rechtsfragen vor letztinstanzlicher Klärung vorweg zu entscheiden und es u. U. angebracht sein kann, in solchen Fällen Prozesskostenhilfe auch gegen die Beurteilung der Erfolgsaussichten durch das erkennende Gericht zu bewilligen, damit im Rechtsmittelverfahren die höhere Instanz angerufen werden kann. Dieser Gesichtspunkt führt aber nicht weiter, sodass offen bleiben kann, ob die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Denn im Hinblick auf § 545 Abs. 2 ZPO a.F. (= § 542 Abs. 2 ZPO n.F.) entscheidet der Senat im Verfahren über die einstweilige Verfügung ohnehin in letzter Instanz. Die letzte Instanz sollte aber im Prozesskostenhilfeverfahren auch Grundsatzfragen entscheiden (KG MDR 1970, 242; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rdnr. 21).
3. Nach alledem musste das Prozesskostenhilfegesuch des Verfügungsklägers mit der Kostenfolge aus § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO zurückgewiesen werden.
OLG Celle:
Beschluss v. 25.02.2002
Az: 4 U 176/01
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