Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Juni 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 10/02

(BPatG: Beschluss v. 29.06.2004, Az.: 33 W (pat) 10/02)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 19 des Patentamts vom 21. Februar 2000 und 15. November 2001 aufgehoben soweit der Widerspruch aufgrund der Marke 388 072 zurückgewiesen worden ist.

2. Die Löschung der Marke 398 54 033 wird wegen des Widerspruchs aus der Marke 388 072 angeordnet.

Gründe

I.

Die am 1. März 1999 eingetragene Marke 398 54 033 DINREC ist für die Waren Baumaterialen nicht aus Metall (Klasse 19)

geschützt.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin des rangälteren Verbandszeichensdas für die Waren (der Klassen 1 - 34)

Ackerbau-, Forstwirtschafts-, Gärtnerei- und Tierzuchterzeugnisse, Ausbeute von Fischfang und Jagd; Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, Pflaster, Verbandstoffe, Tier- und Pflanzenvertilgungsmittel, Desinfektionsmittel, Konservierungsmittel für Lebensmittel; Kopfbedeckungen, Friseurarbeiten, Putz, künstliche Blumen; Schuhwaren; Strumpfwaren, Trikotagen; Bekleidungsstücke, Leib-, Tisch- und Bettwäsche, Korsetts, Krawatten, Hosenträger, Handschuhe; Beleuchtungs-, Heizungs-, Koch-, Kühl-, Trokken- und Ventilationsapparate und -geräte, Wasserleitungs-, Bade- und Klosettanlagen; Borsten, Bürstenwaren, Pinsel, Kämme, Schwämme, Toilettengeräte, Putzmaterial, Stahlspäne; chemische Produkte für industrielle, wissenschaftliche und photographische Zwecke, Feuerlöschmittel, Härte- und Lötmittel, Abdruckmasse für zahnärztliche Zwecke, Zahnfüllmittel, mineralische Rohprodukte; Dichtungs- und Packungsmaterialien, Wärmeschutz- und Isoliermittel, Asbestfabrikate; Düngemittel; rohe und teilweise bearbeitete unedle Metalle; Messerschmiedewaren, Werkzeuge, Sensen, Sicheln, Hieb- und Stichwaffen; Nadeln, Fischangeln; Hufeisen, Hufnägel; emaillierte und verzinnte Waren; Eisenbahn-Oberbaumaterial, Klein-Eisenwaren, Schlosser- und Schmiedearbeiten, Schlösser, Beschläge, Drahtwaren, Blechwaren, Anker, Ketten, Stahlkugeln, Reit- und Fahrgeschirrbeschläge, Rüstungen, Glocken, Schlittschuhe, Haken und Ösen, Geldschränke und Kassetten, mechanisch bearbeitete Fassonmetallteile, gewalzte und gegossene Bauteile, Maschinenguss; Land-, Luft- und Wasserfahrzeuge, Automobile, Fahrräder, Automobil- und Fahrradzubehör, Fahrzeugteile; Farbstoffe, Farben, Blattmetalle; Felle, Häute, Därme, Leder, Pelzwaren; Firnisse, Lacke, Beizen, Harze, Klebstoffe, Wichse, Lederputz- und Lederkonservierungsmittel, Appretur- und Gerbmittel, Bohnermasse; Garne, Seilerwaren, Netze, Drahtseile; Gespinstfasern, Polstermaterial, Packmaterial; Bier; Weine, Spirituosen; Mineralwässer, alkoholfreie Getränke, Brunnen- und Badesalze; Edelmetalle, Gold-, Silber-, Nickel- und Aluminiumwaren, Waren aus Neusilber, Britannia und ähnlichen Metallegierungen, echte und unechte Schmucksachen, leonische Waren, Christbaumschmuck; Gummi, Gummiersatzstoffe und Waren daraus für technische Zwecke; Schirme, Stöcke, Reisegeräte; Brennmaterialien, Wachs, Leuchtstoffe, technische Öle und Fette, Schmiermittel, Benzin; Kerzen, Nachtlichte, Dochte; Waren aus Holz, Knochen, Kork, Horn, Schildpatt, Fischbein, Elfenbein, Perlmutter, Bernstein, Meerschaum, Zelluloid und ähnlichen Stoffen, Drechsler-, Schnitz- und Flechtwaren, Bilderrahmen, Figuren für Konfektions- und Friseurzwecke; ärztliche, gesundheitliche, Rettungs- und Feuerlösch-Apparate, -Instrumente und -Geräte, Bandagen, künstliche Gliedmassen, Augen, Zähne; physikalische, chemische, optische, geodätische, nautische, elektrotechnische, Wäge-, Signal-, Kontroll- und photographische Apparate, -Instrumente und -Geräte, Messinstrumente; Maschinen, Maschinenteile, Treibriemen, Schläuche, Automaten, Haus- und Küchengeräte, Stall-, Garten- und landwirtschaftliche Geräte; Möbel, Spiegel, Polsterwaren, Tapezierdekorationsmaterialien, Betten, Särge; Musikinstrumente, deren Teile und Saiten; Fleisch- und Fischwaren, Fleischextrakte, Konserven, Gemüse, Obst, Fruchtsäfte, Gelees; Eier, Milch, Butter, Käse, Margarine, Speiseöle und -fette; Kaffee, Kaffeesurrogate, Tee, Zucker, Sirup, Honig, Mehl und Vorkost, Teigwaren, Gewürze, Saucen, Essig, Senf, Kochsalz; Kakao, Schokolade, Zuckerwaren, Back- und Konditorwaren, Hefe, Back- Pulver; diätetische Nährmittel, Malz, Futtermittel, Eis; Papier, Pappe, Karton, Papier- und Pappwaren, Roh- und Halbstoffe zur Papierfabrikation, Tapeten; photographische und Druckereierzeugnisse, Spielkarten, Schilder, Buchstaben, Druckstöcke, Kunstgegenstände; Porzellan, Ton, Glas, Glimmer und Waren daraus; Posamentierwaren, Bänder, Besatzartikel, Knöpfe, Spitzen, Stickereien; Sattler-, Riemer-, Täschner- und Lederwaren: Schreib-, Zeichen-, Mal- und Modellierwaren, Billard- und Signierkreide, Büro- und Kontorgeräte (ausgenommen Möbel), Lehrmittel; Schusswaffen; Parfümerien, kosmetische Mittel, ätherische Öle, Seifen, Wasch- und Bleichmittel, Stärke und Stärkepräparate, Farbzusätze zur Wäsche, Fleckenentfernungsmittel, Rostschutzmittel, Putz- und Poliermittel (ausgenommen für Leder), Schleifmittel; Spielwaren, Turn- und Sportgeräte; Sprengstoffe, Zündwaren, Zündhölzer, Feuerwerkskörper, Geschosse, Munition; [Steine, Kunststeine, Zement, Kalk, Kies, Gips, Pech, Asphalt, Teer,] Holzkonservierungsmittel, Rohrgewebe, Dachpappen, transportable Häuser, Schornsteine, [Baumaterialien;] Rohtabak, Tabakfabrikate, Zigarettenpapier; Teppiche, Matten, Linoleum, Wachstuch, Decken, Vorhänge, Fahnen, Zelte, Segel, Säcke; Uhren und Uhrteile; Web- und Wirkstoffe, Filzseit dem 16. Juni 1928 eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 19 hat den Widerspruch durch Erstprüfungsbeschluss vom 21. Februar 2000 zurückgewiesen und diese Entscheidung im Erinnerungsbeschluss vom 15. November 2001 bestätigt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Widerspruchsmarke auf dem vorliegenden Warengebiet allenfalls ein normaler Schutzumfang zukomme. Das von der Widersprechenden vorgelegte demoskopische Gutachten enthalte keine Differenzierung nach Produktbereichen speziell für "Baumaterialien nicht aus Metall". In der Klasse 19 lägen keine Anhaltspunkte für einen gesteigerten Schutzumfang vor. Die angegriffene Marke stimme nur in ihrer ersten Silbe mit der Widerspruchsmarke überein. Bei einem einheitlichen, in Normalschrift geschriebenen Wort sei nicht zu prüfen, ob der Zeichenbestandteil "DIN" die jüngere Marke präge. Auch die Gefahr eines gedanklichen In-Verbindung-Bringens sei nicht gegeben. Es sei bereits zweifelhaft, ob das Zeichenelement "DIN" sich aus der jüngeren Marke in einer Weise herauslöse, dass es tauglicher Stammbestandteil einer solchen mittelbaren Verwechslungsgefahr sein könnte. Jedenfalls scheitere die mittelbare Verwechslungsgefahr hier daran, dass die Widersprechende keine Zeichenserie habe, in die sich die jüngere Marke so einfüge, dass nennenswerte Verkehrskreise annehmen könnten, die Waren der jüngeren Marke stammten aus demselben Betrieb.

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, dass der Widerspruchsmarke ein gesteigerter Bekanntheitsgrad zukomme. Es handle sich um eine seit Jahrzehnten benutzte Kollektivmarke, die im Verkehr einen überdurchschnittlich hohen bis zur überragenden Verkehrsgeltung reichenden Bekanntheitsgrad aufweise und zwar unabhängig von den mit der Marke gekennzeichneten Produkten und Dienstleistungen.

Angesichts der vorliegenden Warenidentität sei zu berücksichtigen, dass die Wortendung "REC" der jüngeren Marke ohne Weiteres als Hinweis auf den beschreibenden Begriff "Recycling" verstanden werde. Der identisch übereinstimmende Zeichenteil DIN verbleibe als selbstständig kennzeichnender und auf die betriebliche Herkunft hinweisender Bestandteil. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr sei zu bejahen. Die Widersprechende besitze weitere Marken mit dem Bestandteil "DIN", wie beispielsweise die deutsche Marke "DIN EN" sowie die Marke "DIN-GEPRÜFT". Für weite Teile des Verkehrs liege es somit nahe, die angegriffene Marke als eine Fortbildung bestehender Normreihen im Sinne einer speziellen Kennzeichnung der Widersprechenden für "nach DIN-Vorschriften recycelte Baumaterialien" zu verstehen.

Die Widersprechende beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle die Löschung der angegriffenen Marke 398 54 033 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Sache hat sie sich weder vor der Markenstelle noch vor dem Bundespatentgericht geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat hält die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen den sich gegenüber stehenden Marken für gegeben.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (EuGH GRUR 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508 - Attache/Tisserand). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Leut; BGH aaO - Attache/Tisserand; GRUR 1999, 995, - Honka). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass z.B. ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw. durch einen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr. vgl. BGH GRUR 2000, 603 - Cetof/ETOP). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Nachdem Benutzungsfragen hier nicht angesprochen worden sind, ist für die Frage der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Die "Baumaterialien nicht aus Metall" der angegriffenen Marke sind identisch mit den Waren der Widerspruchsmarke, insbesondere "Baumaterialien".

Der Senat unterstellt zu Gunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke eine nur normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Selbst wenn die Behauptung der Widersprechenden zutrifft, dass die Bezeichnung "DIN" über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügt, sagt dies nicht unbedingt etwas darüber aus, ob sich die hohe Bekanntheit auf "DIN" als Verbandsmarke oder als Bestandteil von Normbezeichnungen bezieht.

Den insoweit erforderlichen erheblichen Abstand halten die sich gegenüber stehenden Marken nicht ein. Zwar liegt nach Auffassung des Senats eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nicht vor, da es grundsätzlich nicht zulässig ist, ohne Vorliegen besonderer Umstände aus einer angegriffenen jüngeren Ein-Wort-Marke ein Element heraus zu greifen und dessen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen (BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze).

Jedoch ist eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn zu bejahen. Diese setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und somit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen, gleichwohl einen in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten, diesem Bestandteil also für sich schon die maßgebliche Herkunftsfunktion beimessen und daher die übrigen (abweichenden) Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke ansehen (stRspr vgl. BGH GRUR 1996, 267 - Aqua; BGH GRUR 1999, 240 - STEPHANSKRONE I).

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die angegriffene Marke stimmt mit der Widerspruchsmarke im Bestandteil "DIN" überein.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, dass sie Inhaberin weiterer Marken mit dem Bestandteil "DIN" ist, wie beispielsweise der deutschen Marken 2063359 "DIN EN" und 398 31 387 "DIN-GEPRÜFT". Ein markenrechtlich noch ins Gewicht fallender Teil von Abnehmern der hier in Betracht kommenden Waren der angegriffenen Marke wird mit der Bezeichnung "DIN" nicht nur und ausschließlich die Angabe einer Norm verbinden, sondern dieses Zeichens, gerade weil das Wort "DIN" die Einhaltung gewisser Normen garantieren soll und insofern eine Gütefunktion erfüllt auch kennzeichnungsmäßig im Sinne eines Verbandzeichens verstehen und in ihm daher nicht einen freien Namen sehen, sondern es mit der Verbandsmarke der Widersprechenden in Beziehung bringen. Dieser nicht unerhebliche Teil des Verbraucherpublikums wird beim Auftreten der angegriffenen Marke leicht zu der Annahme verleitet werden, es handle sich um die Weiterbildung der ihm bekannten Verbandsmarke (so auch BPatGE 10, 273 ff. - DINACOR).

Hinzukommt, daß der weitere Bestandteil "REC", wie sich aus den von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen ergibt, auf dem hier einschlägigen Warengebiet der "Baumaterialien nicht aus Metall" als Abkürzung für "Recycling" verwendet wird. So werden beispielsweise an der Fachhochschule Mannheim unter www.fhmannheim.de und der Fachhochschule Braunschweig (public.rz.fhwolfenbüttel. de) Studiengänge "Recycling", abgekürzt "Rec", angeboten; eine Papierfirma verkauft unter www.epapernet.at, Recyclingpapier mit der entsprechenden Abkürzung, eine Baumaterialienfirma verwendet die Abkürzung ebenfalls bei der Werbung für ihren Verkauf (www.schneiderreisen.com/material). Zumindest einem entscheidungserheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise, hier im wesentlichen Fachkreise aus dem Baugewerbe, ist der beschreibende Gehalt dieses Bestandteils ohne Weiteres verständlich.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.

Vorsitzender Richter Winkler ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben Pagenberg Pagenberg Dr. Hock Ko/Cl






BPatG:
Beschluss v. 29.06.2004
Az: 33 W (pat) 10/02


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