Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 68/04
(BPatG: Beschluss v. 13.09.2006, Az.: 29 W (pat) 68/04)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. Dezember 2003 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Wort-/Bildmarke Grafiksoll in den Farben Rot, Weiß, Gelb und Schwarz für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 38 und 41 in das Register eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 15. Dezember 2003 als nicht unterscheidungskräftige Angabe teilweise zurückgewiesen. Das angesprochene Publikum erfasse die aus gängigen Begriffen zusammengesetzte Wortfolge ohne weiteres als thematischen Hinweis auf eine Sammlung einfach zu kochender Rezepte. Die Verwendung des Ausrufezeichens stelle ein werbeübliches Gestaltungsmittel dar und verstärke den beschreibenden Aussagegehalt des Wortbestandteils "EINFACH". In Verbindung mit den von der Teilzurückweisung erfassten Waren und Dienstleistungen erschöpfe sich das Zeichen daher in einem reinen Sachhinweis auf deren thematischen Inhalt.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass es sich bei der angemeldeten Wortfolge nicht nur um einen Titel, sondern auch einen Werbeslogan handele, dessen Schutzfähigkeit nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen sei. Das Zeichen sei in seiner Gesamtheit mehrdeutig und interpretationsbedürftig und weise deshalb keinen klaren Aussagegehalt auf. Im Übrigen habe die Markenstelle die von den grafischen Gestaltungselementen hervorgerufene eigenständige bildhafte Wirkung unberücksichtigt gelassen, die dem Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft verleihe.
Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Internetrecherche zur beschreibenden Verwendung der Zeichenbestandteile "pur" und "einfach kochen" wurde der Anmelderin übersandt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat sie das von der Teilzurückweisung erfasste Verzeichnis eingeschränkt auf die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:
Ton-, Bild- sowie Datenträger aller Art, insbesondere Tonbänder, Kassetten, CDs, Schallplatten, DAT-Bänder, Videobänder, Disketten, CD-ROMs, sämtliche vorstehende Waren in unbespielter Form;
Klasse 38:
elektronische Speicherung und Wiederauffindung von Daten und Dokumenten; Dienstleistungen im Bereich der elektronischen Mail; Faksimileübertragung;
Klasse 41:
Filmvermietung;
Klasse 42:
Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; Design von Netzwerkseiten (Homepages für Dritte); Einstellen von Webseiten ins Internet für Dritte (Web-Hosting).
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 und Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Nach Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses stehen der Eintragung der angemeldeten Marke für die Waren und Dienstleistungen Ton-, Bild- sowie Datenträger aller Art, insbesondere Tonbänder, Kassetten, CDs, Schallplatten, DAT-Bänder, Videobänder, Disketten, CD-ROMs, sämtliche vorstehende Waren in unbespielter Form;
elektronische Speicherung und Wiederauffindung von Daten und Dokumenten; Dienstleistungen im Bereich der elektronischen Mail; Faksimileübertragung;
Filmvermietung;
Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; Design von Netzwerkseiten (Homepages für Dritte); Einstellen von Webseiten ins Internet für Dritte (Web-Hosting).
weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft noch ein Freihaltebedürfnis entgegen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard m. w. N.). Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn. 27 ff. - BioID). Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren. Die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt einer Wortmarke nur dann, wenn das Zeichenwort eine für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehende Sachaussage darstellt oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom angesprochenen Publikum stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH GRUR 1999, 1089 - YES; GRUR 2003, 1050 - Cityservice; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard).
Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen gelten die gleichen Grundsätze. Die Annahme mangelnder Unterscheidungskraft ist daher nur bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art gerechtfertigt. Anhaltspunkte für die Unterscheidungskraft einer Wortfolge können hingegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sowie deren Mehrdeutigkeit oder Interpretationsbedürftigkeit sein. Ein selbständig kennzeichnender Bestandteil oder ein fantasievoller Überschuss sind jedenfalls nicht Voraussetzung einer unterscheidungskräftigen Wortfolge (vgl. BGH GRUR 2000, 321, 322 - Radio von hier; GRUR 2000, 323, 324 - Partner with the Best; GRUR 2001, 1047, 1046 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Diese Kriterien gelten auch entsprechend für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Zeitschriften- und Zeitungstiteln (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke für die noch verbleibenden Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.
1.1. Das angemeldete Zeichen setzt sich zusammen aus den Wortbestandteilen "REZEPTE pur" und "EINFACH! KOCHEN" in unterschiedlicher Schriftfarbe und Anordnung vor rotem Hintergrund. Der Begriff "pur" mit der Bedeutung von "rein, unverfälscht" findet kombiniert mit Sachbegriffen häufig Verwendung als schlagwortartiger Hinweis auf ein thematisch ausgerichtetes Informations- oder Warenangebot, z. B. "runningpur, das Online-Magazin von Läufern für Läufer; Segelflug Pur 2001 - Der neue Kalender der Edition Scheible; Fußballpur.de - Spielberichte, Statistiken, News und vieles mehr zum Thema Fußball; Astronomie pur, Daten, Fakten und Links, Infos zu den Planeten; KulturPur.de - Bei KULTUR-pur.de finden Sie die Anschriften, das Programm und weitere Informationen zu Bühnen, Museen und Galerien in ganz Deutschland; Afrika-Pur - Reise Portal - Südliches Afrika und Ostafrika mit Schwerpunkt Tanzania; Tischtennis pur. Das Fachgeschäft bietet alles rund um Tischtennis". Die Wortfolge "einfach kochen" ist sowohl als Buchtitel als auch in sonstigen Verwendungen als Hinweis auf unkompliziertes Kochen gebräuchlich, z. B. "Ralf Zacherl, einfach kochen!, ders., einfach kochen! Pasta; Einfach kochen. Alles für die perfekte Küche mit hochwertigen Produkten - www.laubmann.de; Menü der Woche: Raffiniert einfach Kochen & Genießen - www.familie.de; Chefkoch.de CMA Magazin: Einfach, lecker und preiswert kochen - www.chefkoch.de; www.einfachkochen.de - Die Seite für die Abwechslung auf dem Tisch; Rezept - Einfach kochen - Kartoffeln - www.gofeminin.de.
1.2. Unabhängig davon, ob man die Wortbestandteile des Zeichens als Titel oder als Werbeslogan erfasst, sind sie in ihrer Gesamtheit ohne weiteres als beschreibender Hinweis auf einfach zu kochende Rezepte verständlich. Das sprachregelwidrig eingefügte Ausrufezeichen betont lediglich das vorangestellte Wort "EINFACH" ohne die beschreibende Gesamtaussage zu verändern.
1.3. Auch die grafische Gestaltung des Zeichens führt nicht vom beschreibenden Aussagegehalt des Zeichens weg. Sowohl die Farben Rot, Weiß und Gelb als auch die Kombination von Versalien und Kleinschreibung sowie die Unterschiede in der Schriftbreite sind werbeüblich. Die vertikale Anordnung der Wörter "REZEPTE pur" am linken Zeichenrand entspricht der bei Büchern, Zeitschriften und Datenträgern üblichen Rückenbeschriftung, die das Auffinden dieser Waren im Regal erleichtern soll und wirkt sich daher nicht auf die Wahrnehmung der Wortbestandteile aus.
1.4. Jedoch handelt es sich bei den nach Einschränkung des Verzeichnisses verbleibenden Waren und Dienstleistungen "Ton-, Bild- sowie Datenträger aller Art, insbesondere Tonbänder, Kassetten, CDs, Schallplatten, DAT-Bänder, Videobänder, Disketten, CD-ROMs, sämtliche vorstehende Waren in unbespielter Form; elektronische Speicherung und Wiederauffindung von Daten und Dokumenten; Dienstleistungen im Bereich der elektronischen Mail; Faksimileübertragung; Filmvermietung; Entwurf und Entwicklung von Computersoftware; Design von Netzwerkseiten (Homepages für Dritte); Einstellen von Webseiten ins Internet für Dritte (Web-Hosting)" um solche, die üblicherweise nicht ihrem Inhalt nach beschrieben werden und demzufolge auch nicht auf einen thematischen Bereich beschränkt sind.
Hinsichtlich der unbespielten Ton-, Bild- und Datenträger ist dies offensichtlich, weil die Zuordnung von Inhalten das Bespielen mit Daten voraussetzt. Im Bereich der Datenspeicherung, der E-Mail-Datendienste, der Faksimilieübertragung und des Webhostings lässt sich nicht feststellen, dass diese üblicherweise nach den Inhalten der gespeicherten Daten oder übermittelten Nachrichten beschrieben werden (vgl. BPatG 29 W (pat) 146/01 - family matters). Der enge sachliche Zusammenhang zu konkreten Inhalten fehlt außerdem in Bezug auf die Dienstleistung der Filmvermietung (vgl. BGH GRUR 2001, 1042, 1043 - REICH UND SCHOEN; GRUR 2001, 1043, 1045 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Auch in der Branche von Softwareprogrammierung sind Spezialisierungen auf bestimmte thematische Bereiche unüblich (vgl. BGH GRUR 2005, 578, 581 - LOKMAUS). Die Annahme, das angesprochene Publikum werde die angemeldeten Marke in Verbindung mit den genannten Waren und Dienstleistungen als eine verständliche Beschreibung deren Inhalts erfassen, ist daher fernliegend.
2. Ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht ebenso wenig. Nach der genannten Vorschrift sind die Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dieses Schutzhindernis besteht auch dann, wenn eine Benutzung als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber in Zukunft jederzeit erfolgen kann. Insoweit bedarf es allerdings der Feststellung, dass eine derartige beschreibende Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Rn. 97 - POSTKANTOOR; GRUR 2004, 680, Rn. 38 - BIOMILD; BGH GRUR 2003, 343, 344 - Buchstabe Z; GRUR 2005, 578, 581 - LOKMAUS). Zur Beschreibung der nach der Einschränkung des Verzeichnisses verbleibenden Waren und Dienstleistungen ist die angemeldete Marke aber aufgrund ihrer rein inhaltsbezogenen Bedeutung nicht geeignet. Da es sich, wie oben ausgeführt, um Produkte und Leistungen handelt, die ihrer Art nach nicht auf bestimmte thematische Inhalte beschränkt sind, ist auch nicht erkennbar, welche Merkmale oder Eigenschaftenmit der angemeldeten Marke zukünftig beschrieben werden könnten. Ein Bedürfnis, diese Bezeichnung in der konkreten grafischen Gestaltung für den Geschäftsverkehr als Sachangabe freizuhalten, ist damit nicht ersichtlich.
BPatG:
Beschluss v. 13.09.2006
Az: 29 W (pat) 68/04
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