Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Juni 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 245/00

(BPatG: Beschluss v. 19.06.2002, Az.: 29 W (pat) 245/00)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. April 2000 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren "Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate" zurückgewiesen worden ist.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung

"ATM Corporate"

soll für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:

elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;

Klasse 16:

Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel);

Klasse 38:

Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;

Klasse 42:

Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken, sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikationals Wortmarke in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 5. April 2000 zurückgewiesen, da dem angemeldeten Zeichen in seiner Gesamtheit in Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Die Bezeichnung sei lexikalisch nicht nachweisbar, aber eine sprachüblich gebildete, neue Wortkombination, die sich in einer Sachangabe erschöpfe. "ATM" sei nämlich die übliche und geläufige Abkürzung für "asynchronous transfer mode". Damit werde eine sehr schnelle (asynchrone) Technik zur Übertragung und Übermittlung von Daten über das Telefonnetz und in lokalen Netzwerken bezeichnet, die die Grundlage für das Breitband-ISDN bilde. Das Adjektiv "corporate", zu Deutsch "körperschaftlich, gesellschaftlich, gemeinsam" werde zunehmend auch als Substantiv gebraucht und von einem großen Teil des Verkehrs zudem mit "corporation" gleichgesetzt, was "Korporation, Gesellschaft, Firma, Körperschaft" bedeute. Somit sei die Bezeichnung für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise eine ohne weiteres verständliche Bezeichnung für eine Gesellschaft/Firma, deren Tätigkeit auf dem Gebiet der ATM-Technologie liege. Damit sei sie ein Hinweis auf die potentiellen Abnehmerkreise, die Art des Erbringers von Dienstleistungen oder des Herstellers von Waren oder deren spezieller Eignung.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die die angemeldete Bezeichnung für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig hält. Sie trägt vor, "ATM Corporate" sei eine sprachliche Neuschöpfung. Ihr Sinngehalt, wobei die Abkürzung selbst eine Wortkombination repräsentiere, sei nicht ohne weiteres erfassbar. Außerdem sei "corporate" nicht in die deutsche Sprache integriert. Die ATM-Technologie sei gerade keine Körperschaft oder Korporation, sondern eine schnelle Übertragungstechnik, weshalb es für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an einer sachbeschreibenden Aussage fehle. Es bestehe auch weder ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis noch sei ein künftiges Bedürfnis zum Gebrauch des Kennzeichens durch Mitbewerber erkennbar.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde hat überwiegend keinen Erfolg. Der Eintragbarkeit des Begriffs "ATM Corporate" stehen mit Ausnahme der im Tenor genannten Dienstleistungen die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1, § 37 Abs. 1 MarkenG entgegen.

1. Nach § 8 Abs.2 Nr.2 MarkenG sind solche Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dies ist bei den hier beanspruchten Telekommunikationsdienstleistungen der Klasse 38 sowie den Dienstleistungen der Klasse 42 "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken, sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation" der Fall.

"ATM" ist die Abkürzung für "asynchronous transfer mode". Es handelt sich hierbei um eine "standardisierte Übertragungs- und Vermittlungstechnologie, um den Breitbandbereich von 2 Mbit/s bis 155 Mbit/s abzudecken". "Ziel ist eine diensteintegrierende Kommunikation mit Bandbreitenzuweisung über ein breites Spektrum an Geschwindigkeiten, Diensten und Medien...". Auch im Microsoft Computerlexikon Ausgabe 2001 ist "ATM" ausgewiesen als eine "Netzwerktechnologie, mit der Daten, Sprache, Video und Frame-Relay-Daten in Echtzeit übertragen lassen ..... ATM wird derzeit in lokalen Netzwerken verwendet, die sich aus Workstations und Personal Computern zusammensetzen...". Der weitere Zeichenbestandteil "Corporate" ist durch den in die deutsche Sprache integrierten Begriff "Corporate Identity" im Sinne von "Selbstdarstellung eines Unternehmens" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch 7. Auflage 2000) den betroffenen inländischen Verkehrskreisen bekannt. Darüber hinaus belegt die Internet-Recherche die Bezeichnung im Zusammenhang mit der Beschreibung eines Einsatzgebietes der ATM-Technologie, nämlich in betrieblichen Netzwerken in Form von Wortfolgen wie "ATM-Corporate-Network", "ATM-basiertes Corporate Network" oder als "corporate ATM network" (vgl die Web-Sites der Universitäten Köln, - www.zaik unikoeln.de -, Mannheim - www.unimannheim.de -, und Ulm - www.uniulm.de -). Die beanspruchten Waren und Dienstleistungen richten sich überwiegend an den Fachverkehr oder an interessierte und informierte Laien und nicht an das breite Publikum. Vorliegend sollen mit der Bezeichnung "ATM Corporate" nämlich überwiegend Waren und Dienstleistungen aus den Bereichen Elektronik und Datenverarbeitung oder mit einem Bezug hierzu gekennzeichnet werden. Soweit hier teilweise auch Nicht-Fachleute angesprochen sind, setzen diese nicht zum alltäglichen Gebrauch bestimmten Waren und Dienstleistungen wegen der Spezialität der Materie stets ein bestimmtes fachliches Verständnis voraus, das bei den entsprechenden Abnehmerkreisen regelmäßig auch vorhanden ist. Das Zeichen in seiner Gesamtheit ist für das angesprochene Zielgruppenpublikum sprachüblich gebildet. Über die bereits angeführten Wortfolgen sind weitere Zusammensetzungen aus vorangestellten Abkürzungen und vollständigen Begriffen üblich. Dies gilt sowohl auf dem unmittelbar hier angesprochenen Gebiet wie z.B. ATM Forum, ATM Adaptation Layer, als auch bei ASCII-Datei, ASCII-Übertragung, ASCII-Zeichensatz; CD- oder DVD-Player oder -Spieler, ISDN-Anschluss, USB-Anschluss etc. Im übrigen sind auch im normalen Sprachgebrauch derartige Abkürzungen gängig, wie z.B. ZDF-Intendant, DM-Wechselkurs, Kfz-Zulassungsstelle, -schein, TÜV-Abnahme usw.

Daher ist "ATM Corporate" lediglich eine mit Hilfe englischer Worte im Deutschen sprachüblich verkürzte unmittelbare Bezeichnung für die Zweckbestimmung der Waren und Dienstleistungen, nämlich "ATM für Unternehmen" oder "ATM-gestützte Unternehmens- oder Betriebsnetzwerke". Es sollen innerhalb derartiger Netzwerke mit Hilfe der ATM-Technologie Daten, Sprache, Video und Frame-Relay-Daten in Echtzeit übertragen werden.

Entsprechend beschreibt die angemeldete Bezeichnung auch die Beschaffenheit bzw. Ausrichtung der in Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern und die Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation.

2. Abgesehen von den im Tenor genannten Waren fehlt dem Zeichen "ATM Corporate" im übrigen für die Dienstleistungen, deren Eigenschaften die angemeldete Marke nicht unmittelbar beschreibt, jedenfalls die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs.2 Nr.1 MarkenG. Dieses Eintragungshindernis liegt dann vor, wenn einer Wortfolge ein für die in Fragen stehenden Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann oder es sich um einen verständlichen Ausdruck der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, der vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (BGH MarkenR 2001, 480 f - LOOK mwN). Dies ist wie bereits ausgeführt, hier der Fall. Der angemeldete Begriff ist für den Verkehr eine konkrete Sachangabe im Zusammenhang mit einem in EDV und Telekommunikation verwendeten Übertragungsstandard, mit Ausnahme der "Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate". Im Hinblick auf alle anderen Waren und Dienstleistungen weist das Zeichen lediglich darauf hin, dass sie für betriebliche Netzwerke geeignet und mit ATM-Technologie ausgestattet sind bzw. die entsprechenden Programme enthalten. Innerhalb der Klasse 16 gibt "ATM Corporate" den Inhalt der Druckschriften bzw. die Materie wieder, mit denen sich die Lehr- und Unterrichtsmittel befassen, nämlich mit ATM-gestützten Betriebsnetzwerken.

Büroartikel können entsprechend beschriftete Ordner oder Mappen sein. Bei den Dienstleistungen "Betrieb und Vermietung der für die Telekommunikation erforderlichen Einrichtungen", ist es möglich die entsprechenden Anschlüsse zu vermieten, was sich u.a. aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anmelderin für ATM Broadcast Services, bei denen Netzwerke mit rundfunkspezifischer Ausrichtung betroffen sind, ergibt. Insoweit handelt es sich bei den Sendeanstalten als Kunden um betriebliche Netzwerke (vgl. Fachartikel "Ein offenes Netzkonzept für die ARD" der ExpertTeamAG, S. 5: "Damit lässt sich ein breitbandiges ATM-Corporate-Network für die ARD aufbauen").

Ein ebenfalls enger Zusammenhang zwischen der Bezeichnung "ATM Corporate" besteht zu den "Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken, sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen", die innerhalb betrieblicher Netzwerke von internen "Lieferanten" an "Abnehmer" oder "Kunden" gegen Entgelt in Form betrieblicher Verrechnungseinheiten zur Verfügung gestellt werden können.

3. Bezüglich der"Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate" besitzt "ATM Corporate" weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Sachgehalt noch kann das angemeldete Zeichen zur Bezeichnung wesentlicher Eigenschaften dienen. Dafür, dass derartige Waren im Zusammenhang mit ATM-gestützten betrieblichen Netzwerken eingesetzt werden oder die ATM-Technologie ansonsten eine Rolle spielen könnte, haben sich keine Anhaltspunkte ergeben.

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BPatG:
Beschluss v. 19.06.2002
Az: 29 W (pat) 245/00


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