Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. August 2007
Aktenzeichen: 9 W (pat) 411/04
(BPatG: Beschluss v. 13.08.2007, Az.: 9 W (pat) 411/04)
Tenor
Das Patent wird aufrechterhalten.
Gründe
I.
Gegen das am 16. Juli 1999 angemeldete und am 8. Juli 2004 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung
"Druckmaschine mit nicht am Druck-/Lackierprozess beteiligten Druck-/Lackwerken"
ist von der K... AG Einspruch erhoben worden.
Die Einsprechende hält die streitpatentgemäße Druckmaschine für aus dem Stand der Technik naheliegend auffindbar und verweist dazu in der mündlichen Verhandlung auf folgende Dokumente:
- DE 43 18 777 A1
- DE 197 16 424 A1
- DE 41 05 952 A1.
Schriftsätzlich hat sie noch in Betracht gezogen:
- DE 93 03 835 U1
- DE 38 12 678 A1.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent aufrechtzuerhalten.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"Druckmaschine mit nicht am Druck-/Lackierprozess beteiligten Druck-/Lackwerken, bei der Bedruckstoffe im Bereich von Gummituch-/Formzylinder und eines zugeordneten, antreibbaren Bogenführungszylinders geführt werden, wobei ein im Greiferschluss fixierter Bedruckstoff mit der bedruckten und/oder lackierten Seite dem Gummituch-/Formzylinder (12, 2) zugeordnet mittels Bogenführungszylinder (1) durch einen Druck-/Lackspalt (10) förderbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass auf dem Gummituch-/Formzylinder (12, 2) eine Platte oder Folie (11) mit einer farb-/lackabstoßenden Oberfläche angeordnet ist, dass der Gummituch-/Formzylinder (12, 2) zum Bogenführungszylinder (1) mit Maschinengeschwindigkeit antreibbar ist, wobei der Gummituch-/Formzylinder (12, 2) in Druckab-Stellung oder in einer sanften Druckbeistellung zum Bedruckstoff ist."
Dem Patentanspruch 1 schließen sich rückbezogene Patentansprüche 2 bis 16 an.
Die Patentinhaberin ist der Meinung, die Druckmaschine nach dem streitpatentgemäßen Patentanspruch 1 sei gegenüber dem aufgedeckten Stand der Technik patentfähig.
Im Prüfungsverfahren sind noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
- DE 43 18 777 C2 (inhaltsgleich mit der DE 43 18 777 A1)
- DE 39 31 479 A1
- DE 195 15 393 A1
- DE 197 52 492 A1
- DE 197 19 624 C1
- EP 0 306 682 A2
- GB 2 267 059 A.
II.
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch § 147 Abs. 3 Satz 1 PatG a. F. begründet.
1. Der Einspruch ist zulässig. Er hat aber keinen Erfolg.
2. Das Patent betrifft eine Druckmaschine mit nicht am Druck-/Lackierprozess beteiligten Druck-/Lackwerken.
In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ist sinngemäß ausgeführt, dass bei einer aus der EP 0 306 682 A2 bekannten Druckmaschine der Gummituchzylinder des nicht am Druckprozess beteiligten Druckwerkes abgestellt und der auf dem Gegendruckzylinder im Greiferschluss geförderte Bogen aus jeweils einer vor und nach dem Druckspalt angeordneten Blasleiste mittels Blasluft gegen den Gegendruckzylinder beaufschlagt werde. Gemäß der DE 197 19 624 C1 seien mechanisch und/oder pneumatisch wirkende Bogenleitelemente in den Zylinderkanälen des Gummituch-/Formzylinders angeordnet. Bei nicht beteiligtem Druck-/Lackwerk werde der Gummituch-/Formzylinder abgestellt, mit einem Zylinderkanal der Mantelfläche des Bogenführungszylinders zugeordnet und in dieser Drehlage fixiert. Nachteilig bei den pneumatisch beaufschlagbaren Bogenführungseinrichtungen sei, dass bei höherem Flächengewicht oder bestimmten Elastizitäten der Bedruckstoffe, wie zum Beispiel Karton oder Blech, die Bogenführung in ihrem Wirkungsgrad reduziert werde. Durch die Relativbewegung bei feststehendem Gummituch-Formzylinder und gefördertem Bedruckstoff erhöhe sich die Abschmiergefahr, wodurch die Druckqualität beeinträchtigt werden könne.
Das dem Patent zugrundeliegende und mit Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin,
"eine Druckmaschine zu schaffen, die eine gleichmäßige Führung eines Bedruckstoffes auf einem Bogenführungszylinder, vorzugsweise einem Druckzylinder, bei einem nicht am Druck-/Lackprozess beteiligten Druck-/Lackwerk gestattet und ein abschmierfreies Durchlaufen des bogenförmigen Bedruckstoffes durch einen von Gummituch-/Formzylinder und Bogenführungszylinder gebildeten Druck-/Lackspalt gewährleistet."
Dieses Problem soll durch die Druckmaschine mit den im erteilten Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst werden.
3. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 16 sind zulässig.
Der erteilte Patentanspruch 1 ergibt sich aus einer Zusammenfassung der ursprünglichen Patentansprüche 1, 6 und 7 mit Angaben aus der Beschreibung (Seite 10, Zeilen 18-22; Seite 10, Zeile 33, bis Seite 11, Zeile 4).
Die Patentansprüche 2 bis 16 stimmen unter Anpassung der Rückbeziehungen mit den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 5 und 8 bis 18 überein.
4. Die ohne Zweifel gewerblich anwendbare Druckmaschine nach dem Patentanspruch 1 ist gegenüber dem Stand der Technik patentfähig.
4.1 Die Druckmaschine nach dem Patentanspruch 1 ist neu.
Aus keinem der in Betracht gezogenen Dokumente ist eine Druckmaschine mit allen in Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt. Insbesondere ist es nicht bekannt, den bei einem nicht am Druck-/Lackierprozess beteiligten Druck-/Lackwerk Farbe/Lack nicht auftragenden Gummituch-/Formzylinder mit einem farb-/lackabstoßenden Aufzug zu versehen und in eine sanfte Druckbeistellung oder sogar Druckab-Stellung zu stellen und mit Maschinengeschwindigkeit anzutreiben.
Gegenteiliges hat die Einsprechende auch nicht geltend gemacht.
4.2 Die Druckmaschine nach dem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Druckmaschinenhersteller mit der Weiterbildung von Einrichtungen bzw. Maßnahmen zur Bogenführung in Bogendruckmaschinen befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.
Zur Erleichterung von Bezugnahmen ist Patentanspruch 1 nachstehend in Form einer Merkmalsgliederung wiedergegeben:
1. Druckmaschine, 2. die Druckmaschine wird mit nicht am Druck-/Lackierprozess beteiligten Druck-/Lackwerken betrieben, 3. die Bedruckstoffe werden im Bereich von Gummituch-/Formzylinder und einem zugeordneten Bogenführungszylinder geführt, 4. der Bogenführungszylinder ist antreibbar, 5. ein im Greiferschluss fixierter Bedruckstoff ist mittels Bogenführungszylinder durch einen Druck-/Lackspalt förderbar, 6. dabei ist der Bedruckstoff mit der bedruckten und/oder lackierten Seite dem Gummituch-/Formzylinder zugeordnet,
- Oberbegriff -
7. auf dem Gummituch-/Formzylinder ist eine Platte oder Folie angeordnet, 8. die Platte oder Folie weist eine farb-/lackabstoßende Oberfläche auf, 9. der Gummituch-/Formzylinder ist zum Bogenführungszylinder mit Maschinengeschwindigkeit antreibbar, 9.1 dabei ist der Gummituch-/Formzylinder in Druckab-Stellung, 9.2 oder in einer sanften Druckbeistellung.
- Kennzeichen -
Aus der DE 43 18 777 A1 ist es bekannt, dass in der Praxis bei einer Mehrfarben-Bogendruckmaschine nicht grundsätzlich alle Druckwerke für die Verarbeitung des Bedruckstoffes (Aufbringen von Druckfarbe/Lack) benötigt werden (Spalte 1, Zeilen 9-13). Diese Druckwerke sind dann im Betrieb der Druckmaschine am Druck nicht beteiligt (Spalte 1, Zeilen 14-18; o. g. Merkmale 1, 2). Dabei werden die Bedruckstoffe im Bereich von Gummituch-/Lackzylinder und einem Gegendruckzylinder (Bogenführungszylinder) geführt, wobei eine feinfühlige, sanfte Druckpressung eingestellt wird (Merkmale 3, 9.2). Zwangsläufig muss dabei - zur Vermeidung von Abschmieren infolge Schlupf - der Gummituch-/Formzylinder zum Bogenführungszylinder mit Maschinengeschwindigkeit angetrieben sein (Merkmal 9). Der Bedruckstoff ist auch mit der bedruckten/lackierten Seite dem Gummituch-/Lackzylinder zugeordnet (Spalte 1, Zeilen 17, 18; Merkmal 6). Dass der Bogenführungszylinder angetrieben ist und der Bedruckstoff von diesem im Greiferschluss fixiert durch den Druck-/Lackspalt förderbar ist (Merkmale 4, 5), ist in der DE 43 18 777 A1 in diesem Zusammenhang nicht expressis verbis ausgeführt. Allerdings sind diese Maßnahmen - wie die Einsprechende zutreffend darlegt - typisch für Bogendruckmaschinen, so dass der Fachmann sie ohne Weiteres mit hineinlesen kann und demnach aus den den Stand der Technik betreffenden Beschreibungspassagen der DE 43 18 777 A1 eine Druckmaschine mit allen im Oberbegriff des streitpatentgemäßen Patentanspruchs 1 Merkmalen (Merkmale 1-6) sowie den kennzeichnenden Merkmalen 9, 9.2 entnehmen kann.
Darüber hinaus ist in der DE 43 18 777 A1 auch angegeben, dass zur Vermeidung von Farbaufbau auf dem Gummituchzylinder dieser mit einem textilen Aufzug versehen werden kann (Spalte 1, Zeilen 23-27). Dem Fachmann mag demnach zwar prinzipiell bewusst sein, Farbablegen auf den Gummituchzylinder im Zusammenhang mit den vorstehend genannten Maßnahmen durch einen gesonderten Aufzug auf dem Gummituchzylinder zu vermeiden. Dazu wird ihm aber die Vorstellung vermittelt, Farbspaltung und Abschmieren würden durch Verhinderung einer Relativbewegung zwischen Bogen und dem diesen in sanfter Druckpressung kontaktierenden Gummituchzylinder (gemeint ist der textile Aufzug auf dem Gummituchzylinder) vermieden (Spalte 1, Zeilen 23-27). Einen Hinweis, den Aufzug als solchen farbabstoßend auszulegen, erhält der Fachmann gerade nicht.
Auch für den Betrieb der Druckmaschine mit rotierendem, mit farbabstoßendem Aufzug versehenen Gummituch-/Formzylinder in Druckab-Stellung gibt die DE 43 18 777 A1 keine Anregung. Besagter Druckschrift ist zur Vermeidung von Abschmieren/Farbablagerungen zwar die Maßnahme der Druckab-Stellung des Gummituchzylinders als solche zu entnehmen (Spalte 2, Zeilen 7, 8). Bei dieser Variante hat jedoch der abgestellte Gummituch-/Formzylinder nach der DE 43 18 777 A1 keinen gesonderten, sondern vielmehr den für den Druck-/Lackierbetrieb verwendeten Aufzug. Dies ergibt sich daraus, dass die Druckab-Stellung mit druckbetriebsmäßigen Aufzügen als Ersatz für den als nachteilig bezeichneten Betrieb mit gesondertem Aufzug (zusätzlicher Wechselvorgang) angesehen wird (Spalte 1, Zeilen 28, 29). Eine Berührung zwischen Bogen und Gummituch wird dabei durch auf den Bogen gerichtete Blasluft vermieden (Spalte 2, Zeilen 47-52).
Im Ergebnis erhält der Fachmann aus der DE 43 18 777 A1 nicht nur keine Anregung, im Betrieb mit sanfter Druckbeistellung einen gesonderten Aufzug zum Schutz des Gummituchzylinders (des Gummituches) vor Farbaufbau farbabstoßend auszulegen, er erhält auch keine Anregung, die Druckab-Stellung des Gummituchzylinders mit einem gesonderten Aufzug zu kombinieren, schon gar nicht mit einem farbabstoßenden Aufzug.
Auch der von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung noch in Betracht gezogene Stand der Technik führt nicht naheliegend zum Gegenstand des Streitpatents:
- Die DE 197 16 424 A1 zeigt eine Bogendruckmaschine für den wahlweisen Schön- und Widerdruck. Dabei kommen die Bogen zum Bedrucken der Rückseite mit ihrer bedruckten Vorderseite auf den Gegendruckzylinder zu liegen. Zur Vermeidung von Farbaufbau auf dem Gegendruckzylinder 11 ist dieser mit einer Trennschicht 15 versehen, die aus Silikon-Gummi besteht und farbabweisende Wirkung hat (Spalte 1, Zeilen 44-54). Der hier in Rede stehende Gegendruckzylinder 11 ist dabei allerdings Teil eines aktiv druckenden Druckwerks (Spalte 1, Zeilen 5-9 und 39- 41; Spalte 2, Zeilen 49-59), d. h. im Druckspalt liegt volle Andruckkraft an (Druckan-Stellung).
Der Fachmann mag unter Übertragung des hieraus entnehmbaren Prinzips der Verwendung von farbabweisenden Aufzügen auf sein Problem des bei einem deaktivierten Druckwerk/Lackwerk mit der bedruckten Seite zum Gummituch-/Lackformzylinder hin gewandten Bogens auf den Gedanken kommen, den Gummituch-/Lackzylinder mit einem derartigen Aufzug zu bespannen. Er entnimmt der DE 197 16 424 A1 besagtes Prinzip aber nur in Verbindung mit einem unter voller Andruckkraft stehenden Druckspalt. Davon abzugehen, gibt weder die DE 197 16 424 A1 eine Anregung noch besteht für den Fachmann dazu ein anderweitiger Anlass. Denn zum Einen ist eine Verstellung von der Druckan-Stellung in eine Druckbeistellung mit spezieller Andruckkraft schon wegen der erforderlichen Stellvorgänge mit zusätzlichem Aufwand verbunden, den zu vermeiden der Fachmann stets gehalten ist. Zum Anderen ist der Bogen bei voller Andruckkraft sicherer auf dem Bogenführungszylinder fixiert als bei sanfter Druckbeistellung. Verknüpft der Fachmann diesen aus der DE 197 16 424 A1 entnehmbaren Sachverhalt mit dem nach der DE 43 18 777 A1, so würde er somit allenfalls zu einer Druckmaschine gelangen, die die aus der DE 43 18 777 A1 bekannten Betriebsweisen sowohl mit sanfter Druckbeistellung und textilem Aufzug als auch mit Druckab-Stellung und "normalem" Gummituch durch die Betriebsweise in Druckan-Stellung und farbabstoßendem Aufzug ersetzt. Die streitpatentgemäße Druckmaschine ergibt sich dabei gerade nicht.
- Bei der Vorrichtung zur Nachbehandlung inlinelackierter Druckbogen gemäß der DE 41 05 952 A1 wird ein Lackierwerk 2 zum Kalandrieren genutzt. Dazu wird die Lackauftragwalze 11 vom Lackformzylinder 10 abgestellt und dieser als Kalandrierzylinder 15 eingesetzt (Spalte 2, Zeilen 18-25). Der Kalandrierzylinder kann nach einem weiteren Ausführungsbeispiel gemäß dieser Druckschrift zudem eine Glättplatte 16 mit sehr glatter Oberfläche und zusätzlich lackabweisender Schicht tragen (Spalte 1, Zeile 67, bis Spalte 2, Zeile 4).
Wie bei der Druckmaschine nach der DE 197 16 424 A1 findet allerdings auch hier im Druckspalt ein Bearbeitungsvorgang an dem Bogen statt (hier Glätten des Lackauftrags), wobei selbstverständlich entsprechend hohe Andruckkräfte eingestellt sein müssen. Die Verwendung eines farb-/lackabweisenden Aufzugs in Verbindung mit sanfter Druckbeistellung oder gar Druckab-Stellung erschließt sich dem Fachmann somit auch hier nicht. Der Fachmann würde somit zu keinem anderen Ergebnis gelangen wie mit der DE 197 16 424 A1.
Die übrigen, von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffenen Druckschriften kommen zumindest nicht näher und stehen dem Gegenstand des Streitpatents daher ebenfalls nicht patenthindernd entgegen.
Von dem Patentanspruch 1 getragen werden die Unteransprüche 2 bis 16, die vorteilhafte Weiterbildungen der Druckmaschine nach dem Patentanspruch 1 betreffen und zumindest keine platten Selbstverständlichkeiten darstellen.
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BPatG:
Beschluss v. 13.08.2007
Az: 9 W (pat) 411/04
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