Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Dezember 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 258/03
(BPatG: Beschluss v. 20.12.2006, Az.: 29 W (pat) 258/03)
Tenor
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag, der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 1. März 2001 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 300 71 153 JAMBA für die Waren und Dienstleistungen Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Toilettenseifen; Computerhard- und -software; elektrische und/oder elektronische Apparate und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und/oder Bild und/oder elektronischen Daten; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; wissenschaftliche Apparate; Rechenmaschinen; CD`s und CD-ROM`s; bespielte Videobänder; Telekommunikationsapparate und -instrumente, insbesondere Funktelefone und Mobiltelefone; kodierte Karten; Datenkommunikationsapparate und -instrumente; Mittel zum Speichern von Informationen, Daten, Bildern und Ton, soweit in Klasse 9 enthalten; maschinenlesbare Medien; auf elektronischen Speichermedien enthaltene Veröffentlichungen; Videospiele; Mausunterlagen; Tastaturen; Brillen einschließlich Lesebrillen, Bildschirmarbeitsplatzbrillen, Brillengestelle; Kaleidoskope; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Schmuckwaren, Juwelierwaren; Gepäckanhänger; Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Papierwaren, einschließlich Papier, Pappe und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse einschließlich Bücher und Magazine; Faltblätter, Prospekte, Eintrittskarten, Einladungskarten; Aufkleber, Abziehbilder; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Schreibmaschinen und Büroartikel, ausgenommen Möbel; Lehr- und Unterrichtsmittel, ausgenommen Apparate; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Künstlerbedarfsartikel; Spielkarten; Lederwaren, einschließlich Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme; Spazierstöcke; Rucksäcke, Gepäckbehältnisse, Geldbörsen und Brieftaschen; Haushaltswaren und Glas, einschließlich Haushalts- und Küchengegenstände und -behältnisse (nicht aus Edelmetall oder plattiert); Kämme und Schwämme, Bürsten, ausgenommen Pinsel; Putzzeug; Stahlspäne; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas, mit Ausnahme von Bauglas; Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit in Klasse 21 enthalten; Isoliergefäße; Getränkespender; Wasserflaschen; Eiskübel; Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren; Spiele, einschließlich elektrische und elektronische, soweit in Klasse 28 enthalten; Spielzeug, einschließlich Stoff- und Gummitiere, Maskottchen, Turn-, Fitness- und Sportgeräte; Christbaumschmuck; Werbung; Marketing; Verkaufsförderung von Waren und Leistungen Dritter durch die Platzierung von Reklame und Werbedisplays in einer elektronischen Site, auf die über Computernetze zugegriffen werden kann; Beratung in Fragen der Geschäftsführung, einschließlich Hilfe und Beratung bei der Einrichtung von Online-Einzelhandelsdienstleistungen; Geschäftsführung, einschließlich Beratung in demographischen Fragen; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Dienstleistungen in Bezug auf Computer, einschließlich Indexierung; Recherche und Abfrage von Informationen, Sites und anderen Quellen; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Dienstleistungen einer elektronischen Börse, eines Finanzmaklers, eines Börsenmaklers, insbesondere Ausgeben von Vermittlung und Verwaltung von börsennotierten und nicht börsennotierten Werten; Börsenkursnotierungen; Ausgabe von Kreditkarten; Informationsdienstleistungen in Bezug auf das Finanz- und Versicherungswesen, die online über eine Computerdatenbank oder das Internet zur Verfügung gestellt werden; Bankdienstleistungen über Computer oder das Internet; Telekommunikation; Vermietung von Telefon-, Funk-, Funktelefon- und Funkfaxapparaten; Datenkommunikation mittels Funk, Telekommunikation und Satellit; automatischer telefonischer Auskunftsdienst; Verteilung persönlicher Telefonnummern; Ermöglichung des Zugangs zu einem globalen Computernetz zum Herunterladen von Computersoftware, Computerprogrammen und Informationen; E-Mail-Dienste; Bereitstellung von Mailbox-Diensten; Reisedienstleistungen; Leistungen einer Reiseagentur; Reservierungen und Buchungen in Bezug auf Reisen und Unterkunft, alle online bereitgestellt über eine Computerdatenbank oder das Internet; Transportwesen; Auslieferung von Waren über den Postversand, Postzustellung; Verpackung und Lagerung von Waren; Vermietung von Kraftfahrzeugen; Unterhaltung, einschließlich Fernsehunterhaltung, Erziehung und Ausbildung, auch online bereitgestellt über Computer, das Internet oder ein anderes elektronisches Netzwerk; Online-Bereitstellen von elektronischen Publikationen; Bereitstellung von Chat-Line-Diensten; Durchführung von Online-Wettbewerben und Wetten; Schulung und Information in Bezug auf Informationstechnologie, Computer und Kommunikation; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Theater-, Musik-, Aktions-, Spiel- und Tanzveranstaltungen; Film-, Ton-, Video- und Fernsehproduktion; Veranstaltung von Konferenzen; Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien für den Bereich Finanzwesen im Internet; Vermietung von Filmen und Tonaufnahmen; Betrieb eines Fitnessstudios; Verarbeitung von Daten für Dritte; technische und Anwendungsberatung in Bezug auf Computer- und Datenverarbeitungsprogramme; Internet-Dienste, nämlich Bereitstellen, Aufbereiten und Anbieten von Informationen über das Medium Internet, Betreiben und Anbieten von Interaktivitätsmodulen im Internet; Dienstleistungen eines Internet-Service-Providers, nämlich Erstellen von Programmen zur Lösung branchenspezifischer Probleme im Internet, Gestaltung und Design von Websites; Recherche und Abfrage von Informationen für Dritte aus Computernetzen; Gestaltung, Erstellung, Übernahme von Hostfunktionen für Dritte, Aktualisierung von Websites für Dritte; technische Beratung und technische Unterstützung auf den Gebieten Gestaltung, Erstellung, Übernahme von Hostfunktion, Pflege, Betrieb, Verwaltung, Werbung und Marketing von kommerziellen Online-Web-Sites; Bereitstellung von Internet-Plattformen für Echtzeit-Interaktion mit anderen Computerbenutzern in Bezug auf Themen von allgemeinem Interesse und zum Durchführen von Spielen; Erstellen von Verzeichnissen für Dritte als Hilfe bei der Ermittlung von Personen, Orten, Organisationen, Telefonnummern, Homepages und E-Mail-Adressen; Erstellen von Computerprogrammenwurde am 1. Juni 2001 Widerspruch erhoben aus der älteren Gemeinschaftsmarke 844 621 Grafikeingetragen für die Waren und Dienstleistungen Nährgetränke und Nahrungsmittelergänzungsstoffe; Obst- und Gemüsesäfte, Getränke und Mixgetränke, alles Getränke;
Verpflegung von Gästen in Restaurants.
Nach Erhebung des Widerspruchs hat die Widersprechende insgesamt sieben Anträge auf Gewährung einer Frist zur Einreichung der Widerspruchsbegründung eingereicht, den letzten am 27. Februar 2003 mit der Bitte um Fristgewährung bis zum 1. Juni 2003. Alle Fristgesuche wurden damit begründet, dass die außeramtlichen Vergleichsverhandlungen noch nicht abgeschlossen seien.
Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2002 stellte die Markeninhaberin den Antrag, den Widerspruch zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die angegriffene Marke sei weder für Lebensmittel eingetragen noch für Dienstleistungen, die einen Sachzusammenhang mit der Verpflegung von Gästen aufwiesen. Für eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen fehlten daher jegliche Anhaltspunkte, insbesondere habe auch die Widersprechende dazu nichts vorgetragen. Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2003 wurde der Widerspruch zurückgenommen. Die Markeninhaberin hat den Kostenantrag aufrechterhalten.
Mit Beschluss vom 23. September 2003 hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts den Kostenantrag zurückgewiesen. Zwar könne die Kostenauferlegung gerechtfertigt sein, wenn ein Widerspruch eingelegt werde, obwohl ersichtlich keine Marken- oder Warenähnlichkeit bestehe. Die angegriffene Marke sei aber identisch in der Widerspruchsmarke enthalten, so dass der Widerspruch nicht als von vornherein aussichtslos angesehen werden könne.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Widerspruch wegen der offensichtlich fehlenden Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit von Anfang an aussichtslos und deshalb rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Die Markenstelle habe in ihrem Beschluss grob fehlerhaft verkannt, dass mangels Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr unter keinem Gesichtspunkt in Betracht komme.
Die Beschwerdeführerin beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben, der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat sich in der Sache nicht geäußert.
II.
Die nach § 165 Abs. 4 a. F. MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Billigkeitsgründe, die eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG rechtfertigen könnten, sind weder für das Verfahren vor dem Amt noch für das Beschwerdeverfahren ersichtlich.
1. Im Verfahren vor dem Amt und im patentgerichtlichen Beschwerdeverfahren gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Eine Auferlegung der Kosten kommt nur aus Gründen der Billigkeit in Betracht (§§ 63 Abs. 1 Satz 1, 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Solche Billigkeitsgründe sind insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Verfahrensbeteiligter die Kosten schuldhaft verursacht. Dies setzt regelmäßig voraus, dass das Verfahren betrieben wird, obwohl ersichtlich keine oder nur sehr geringe Erfolgsaussichten bestehen (vgl. BPatGE 1, 94, 96; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl. 2003, § 63 Rn. 4, § 71 Rn. 16 ff.; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 63 Rn. 7 i. V. m. § 71 Rn. 11).
1.1. Von einer kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation kann im vorliegenden Verfahren nicht ausgegangen werden. Bei der Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesgerichtshofs alle für das Verhältnis dieser Waren oder Dienstleistungen maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist die Frage, ob die Waren und Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie in den Vertriebsmodalitäten Berührungspunkte aufweisen (vgl. EuGH GRUR 2006, 582, - VITAFRUIT; BGH GRUR 2006, 941, Tz 13 - TOSCA BLU; GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN). Nach diesen Kriterien könnte z. B. Warenähnlichkeit bestehen zwischen der im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Ware "Getränkespender" und den von der Widerspruchsmarke erfassten Waren "Obst- und Gemüsesäfte, Getränke und Mixgetränke", so dass der Widerspruch nicht als von vornherein aussichtslos angesehen werden kann.
1.2. Auch die fehlende Begründung des Widerspruchs rechtfertigt die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Widersprechenden nicht.
1.2.1. Die Vorschriften zum markenrechtlichen Widerspruchsverfahren nach § 42 MarkenG i. V. m. §§ 29 ff. MarkenV verpflichten den Widersprechenden nicht zur Einreichung einer Widerspruchsbegründung. Besteht eine solche Pflicht nicht, kann in der fehlenden Begründung auch kein Rechtsmissbrauch liegen. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof zur Frage der Deliktshaftung für Prozessschäden festgestellt, dass bei Einleitung eines staatlichen, gesetzlich eingerichteten und geregelten Verfahrens ein Rechtsmissbrauch nur dann angenommen werden kann, wenn die Partei das Verfahren zur Schädigung der Gegenpartei oder Dritter missbraucht (vgl. BGHZ 154, 269, 271 ff.). Für solche sachfremde Erwägungen der Widersprechenden bietet das vorliegende Verfahren keine Anhaltspunkte, zumal es allgemeiner Übung entspricht, nach Erhebung des Widerspruchs zunächst eine außeramtliche Einigung anzustreben und den Widerspruch erst dann zu begründen, wenn eine solche Einigung nicht erzielt werden kann.
1.2.2. Ebenso wenig lassen die mehrfachen Fristverlängerungsgesuche eine Pflichtverletzung der Widersprechenden erkennen. Zwar haben die wiederholten Anträge auf Verlängerung der Frist zum Nachreichen einer Widerspruchsbegründung das Verfahren verzögert. Denn solange eine Begründung angekündigt und die zur Begründung gewährte Frist nicht abgelaufen ist, kann die Markenstelle nicht nach Lage der Akten entscheiden (§ 19 Abs. 2 DPMAV). In Verfahren mit mehreren Beteiligten ist die Markenstelle aber nach § 18 Abs. 3 S. 2 DPMAV gehalten, Fristverlängerungen nur dann zu gewähren, wenn das Einverständnis der übrigen Beteiligten glaubhaft gemacht wird. Da im vorliegenden Verfahren eine solche Glaubhaftmachung nicht verlangt wurde, beruht die Verzögerung auf einer fehlerhaften Verfahrensführung der Markenstelle. Im Übrigen hat auch die Markeninhaberin nach ihrem Schriftsatz vom 26. Juni 2002 keine weiteren Eingaben gemacht, aus denen die Markenstelle hätte entnehmen können, dass die von der Widersprechenden zur Begründung der Fristgesuche angeführten außeramtlichen Verhandlungen abgebrochen worden waren.
2. Für die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs. 3 MarkenG besteht keine Veranlassung. Rückzahlungsgründe sind vor allem eine fehlerhafte Sachbehandlung des Verfahrens, Verfahrensfehler oder Verstöße gegen die Verfahrensökonomie (vgl. Ingerl/Rohnke, a. a. O., § 71 Rn. 38 ff.; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71 Rn. 32). Das Verfahren vor der Markenstelle ist zwar insoweit fehlerhaft, als - wie oben ausgeführt - in Verfahren mit mehreren Beteiligten Fristverlängerungen nur gewährt werden dürfen, wenn das Einverständnis der übrigen Beteiligten glaubhaft gemacht wird (§ 18 Abs. 3 S. 2 DPMAV). Davon abweichend hat die Markenstelle die von der Widersprechenden beantragte Frist zum Nachreichen der Widerspruchsbegründung mehrfach verlängert, ohne eine entsprechende Glaubhaftmachung zu verlangen. Dieser Verfahrensverstoß ist aber nicht ursächlich für die angefochtene Entscheidung. Die Gewährung der Fristverlängerung steht in keinem sachlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Kostenentscheidung, so dass die Markeninhaberin die Beschwerde auch bei ordnungsgemäßer Verfahrensführung hätte einlegen müssen.
BPatG:
Beschluss v. 20.12.2006
Az: 29 W (pat) 258/03
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