Landgericht Köln:
Urteil vom 25. September 2009
Aktenzeichen: 81 O 102/09
(LG Köln: Urteil v. 25.09.2009, Az.: 81 O 102/09)
Tenor
Die einstweilige Verfügung vom 22. April 2009 wird bestätigt mit der Maßgabe, dass lediglich Ordnungsgeld angedroht wird.
Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und dabei insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des laueren Wettbewerbs eingehalten werden; seine Prozessführungsbefugnis ist vom Bundesgerichtshof vielfach bestätigt worden und wird von der Antragsgegnerin auch nicht geleugnet.
Die Antragsgegnerin stellt Arzneimittel her, u.a. "F® 750 mg Filmtabletten", welches zugelassen ist "zur Linderung von Symptomen leichter bis mittelschwerer Arthrose des Kniegelenks". Sie warb hierfür in einer Publikumszeitschrift mit einem Rundstempel mit u.a. der Angabe "sehr gut verträglich" wie dies nachfolgend in der vom Antragsteller am 22.4.2009 erwirkten einstweiligen Verfügung wiedergegeben ist:
31 O 237/09
Landgericht Köln
BESCHLUSS
(einstweilige Verfügung)
In Sachen
hat der Antragsteller die Voraussetzungen für die nachstehende einstweilige Verfügung glaubhaft gemacht durch Vorlage einer Werbeanzeige, einer Fachinformation sowie weiterer Unterlagen.
Die vorgerichtliche Korrespondenz hat vorgelegen.
Auf Antrag des Antragstellers wird gemäß §§ 2, 3 UKlaG, 3 HWG, 3, 4 Nr. 11, 5, 8, 12, 14 UWG, 91, 890, 936 ff. ZPO im Wege der einstweiligen Verfügung, und zwar wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, folgendes angeordnet:
1.
Die Antragsgegnerin hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr für das Mittel "F® 750 mg Filmtabletten" zu werben:
"sehr gut verträglich",
wie nachstehend wiedergegeben:
(Es folgt eine Bilddarstellung)
2.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 50 %, die Antragsgegnerin
zu 50 %.
Köln, 22.04.2009
Landgericht, 31. Zivilkammer
Der Antragsteller hält die Auslobung für zu weitreichend, weil das Präparat ausweislich der Fachinformation als Nebenwirkungen "häufig" Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Bauchschmerzen, Verdauungsstörungen Durchfall und Verstopfung hat; derartige Folgen erwarte der Verbraucher nicht von einem nicht nur als "verträglich" und auch nicht nur als "gut verträglich", sondern uneingeschränkt als "sehr gut verträglich" bezeichneten Arzneimittel.
Nach Widerspruch
beantragt er,
wie erkannt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag abzulehnen.
Sie meint, der Antragsteller könne sich nicht einfach auf die Fachinformation berufen, denn darin aufgenommen werde jede mögliche Missempfindung eines Probanden; sie legt eine Reihe von Studien vor, aus denen sich ergebe, dass F® ganz außergewöhnlich wenige Nebenwirkungen habe, teilweise sogar weniger als ein parallel gegebenes Placebo. Der angesprochene Verbraucher, insbesondere der schon erfahrene Arthrose-Patient, verstehe die Auslobung keinesfalls dahingehend, dass F® keinerlei Nebenwirkungen habe, sondern dahingehend, dass es signifikant weniger Nebenwirkungen habe als die sonst üblichen allgemeinen Schmerzmittel wie z.B. H, die zum Teil ganz erhebliche Magenprobleme zur Folge haben. Wie geringfügig die Nebenwirkungen von F® sind, ergebe sich auch und gerade aus der Fachinformation, wenn es dort heißt: "Die berichteten Nebenwirkungen sind normalerweise leicht und vorübergehend." Im Übrigen werde in der angegriffenen Werbung nicht das Fehlen von Nebenwirkungen ausgelobt, sondern die - vom Verbraucher auf den Magen bezogene - Verträglichkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
Der Antrag ist begründet.
Die einstweilige Verfügung ist auch unter Berücksichtigung des Vortrages in der Widerspruchsverhandlung aufrecht zu erhalten, denn die streitgegenständliche Werbung ist irreführend, §§ 3, 5 UWG.
Ausgangspunkt der Erwägungen ist zum einen der Umstand, dass die Auslobung eine doppelte Steigerung enthält, worauf der Antragsteller zu Recht hinweist; zum Anderen ist festzuhalten, dass das beworbene Produkt ein Arzneimittel welches - das stellt auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede - natürlich Nebenwirkungen hat.
In der Sicht des aufgeklärten Verbrauchers, zu denen auch die Mitglieder der erkennenden Kammer gehören, ist es sicherlich so, dass niemand annehmen wird, dass ein Arzneimittel keinerlei Nebenwirkungen hat, zumal dies - darauf weist die Antragsgegnerin zu Recht hin - auch gar nicht ausgelobt wird. Umgekehrt aber erfolgt die angegriffene Auslobung nicht in Relation zu den allgemeinen Schmerzmitteln, sondern uneingeschränkt und in doppelter Steigerung, sodass die Werbung auch und gerade dem aufmerksamen Verbraucher suggeriert, mit wirklich unangenehmen Begleiterscheinungen müsse er nicht rechnen. Mag die "Müdigkeit" tatsächlich noch zu den "leichten" Nachteilen zu rechnen sein, gilt dies für Übelkeit und Kopfschmerzen schon nicht mehr, auch wenn sie "normalerweise leicht und vorübergehend" sind: auch heftigere Reaktionen sind damit möglich, wenn wohl auch nicht "normalerweise".
Die Studien, auf die die Antragsgegnerin verweist, helfen ihr da nicht weiter, denn auch sie widerlegen die Angaben in der Fachinformation nicht und zum nunmehr dritten Mal sei auf die von der Antragsgegnerin eingesetzte doppelte Steigerung von "verträglich" hingewiesen: ein Mittel, das - wenn auch nur "gelegentlich" - Ekzeme, Juckreiz und Hautrötung verursacht, enttäuscht die Verbrauchererwartung, die durch "besonders gut verträglich" geweckt wird. Es ist gerade Sinn der Fachinformation, den Kranken zur Vorsicht bei der Einnahme von Medikamenten anzuhalten. Diesem Ziel wirkt die angegriffene Werbung diametral entgegen, indem sie in Form eines Rundstempels - gleichsam "amtlich" - eine hochgradige Unbedenklichkeit vermittelt, wobei gerade die "amtliche" Sicht nicht so positiv ist wie werblich dargestellt; solange die Fachinformation so lautet wie derzeit, ist die Werbung unzulässig.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO und diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung folgt aus dem Wesen der einstweiligen Verfügung.
Streitwert: € 15.000,-.
LG Köln:
Urteil v. 25.09.2009
Az: 81 O 102/09
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