Landesarbeitsgericht München:
Beschluss vom 15. Juli 2009
Aktenzeichen: 10 Ta 386/08

(LAG München: Beschluss v. 15.07.2009, Az.: 10 Ta 386/08)

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.08.2008 (Az.: 25 Ca 10866/06) wird

zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der Gebühren des dem Kläger im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse.

Der dem Kläger mit Beschluss vom 04.10.2006 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Prozessbevollmächtigte hat für diesen mit einem am 02.08.2006 bei dem Arbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Forderungsklage mit folgenden Anträgen erhoben:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 8.867,50 brutto nebst jährlich 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 31. Juli 2006 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die streitgegenständliche Lohnforderung der Gemeinnützigen Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes zu melden und dem Kläger eine gestempelte und unterzeichnete Kopie des Meldescheins (Lohnnachweiskarte gem. § 6, Abs. 4 des Tarifvertrages über das Sozialkasenverfahren im Baugewerbe - VTV -) auszuhändigen

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III zukommen zu lassen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger schriftlich den Inhalt der Anmeldung und der Abmeldung nach § 28 a SGB IV mitzuteilen (§ 28 a Abs. 5 SGB IV).

5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Urlaubsbescheinigung nach § 6 Abs. 2 BUrlG zu erteilen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Lohnsteuerkarte und eine nach amtlichem vorgeschriebenem Muster gefertigten Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung mit Angabe des lohnsteuerlichen Ordnungsmerkmals nach § 41 b Abs. 1 Satz 3 EStG auszuhändigen.

Zur Begründung hat er vorgetragen, dass der Kläger durch einen Herrn G. als Maurer zu einem Stundenlohn von € 12,50 eingestellt worden sei und die Beklagte dem Kläger daraus vom 01.05.2006 bis 28.07.2006 den Lohn, ab 27.07.2006 aus Annahmeverzug. schulde.

Durch am gleichen Tag eingegangene Schriftsätze hat der gleiche Prozessbevollmächtigte für einen Herrn B. und einen Herrn B. gegen die gleiche Beklagte Forderungsklagen (Az.: 25 Ca 10865/06 und 25 Ca 10864/06) über € 8.800,00 brutto abzüglich € 150,00 netto und € 8.800,00 brutto abzüglich € 200,00 netto bei ansonsten identischen Anträgen wie im vorliegenden Verfahren erhoben, für die den Klägern das Arbeitsgericht am 04.10. bzw. 27.10.2006 Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung bewilligt hat. Die Begründungen stimmen mit der im vorliegenden Verfahren bis auf den Unterschied überein, dass die Zeiten der Geltendmachung aus Annahmeverzug nicht identisch sind.

Durch zwei weitere am 03.06.2006 eingegangene Schriftsätze hat der gleiche Prozessbevollmächtigte für einen Herrn K. und einen Herrn K. (Az.: 31 Ca 10966/06 und 31 Ca 10967/06) gegen die gleiche Beklagte Forderungsklagen über € 7.390,50 brutto und € 8.450,00 abzüglich € 200,00 netto bei ansonsten identischen Anträgen wie im vorliegenden Verfahren erhoben, für die den Klägern das Arbeitsgericht am 02.10.2006 Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung bewilligt hat. Die Begründung stimmt mit der im vorliegenden Verfahren bis auf den Unterschied überein, dass im Verfahren 31 Ca 10966/06 Lohnforderungen für die Zeit von Februar 2006 bis April 2006 mit einem Stundenlohn von € 13,00 geltend gemacht werden.

Durch jeweils am 04.08.2006 eingegangene Schriftsätze hat der gleiche Prozessbevollmächtigte für die Herren K., K., M. und M. gegen die gleiche Beklagte Forderungsklagen (Az.: 36 Ca 11061/06 bis 36 Ca 11064/06) über € 8.787,50 brutto abzüglich € 200,00 netto, € 8.400,00 brutto abzüglich € 200,00 netto, € 7.992,00 brutto und € 8.635,00 brutto abzüglich € 200,00 netto bei ansonsten identischen Anträgen wie im vorliegenden Verfahren erhoben, für die den Klägern das Arbeitsgericht am 18.01.2007 bzw. 15.02.2007 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des gleichen Prozessbevollmächtigten bewilligt hat. Auch hier gleichen sich die Begründungen bis auf den Umstand, dass für Herrn K. ein Stundenlohn von € 12,50, für die Herren K. und M. von € 12,00 und für Herrn M. von € 11,00 geltend gemacht werden.

Mit einem am 07.08.2006 eingegangenen Schriftsatz hat der gleiche Prozessbevollmächtigte für einen Herrn Th. gegen die gleiche Beklagte eine Forderungsklage (Az.: 11 Ca 11170/06) über € 5.304,00 brutto bei ansonsten identischen Anträgen wie im vorliegenden Verfahren erhoben. Geltend gemacht wurde eine Forderung zu einem Stundenlohn von € 13,00 für die Zeit vom 01.06. bis 31.07. davon ab 24.07. aus Annahmeverzug. Dafür wurde dem Kläger dessen Prozessbevollmächtigter durch Beschluss vom 04.08.2008 gem. § 11 a ArbGG beigeordnet.

Mit weiteren am gleichen Tag eingegangenen Schriftsätzen hat der gleiche Prozessbevollmächtigte für einen Herrn T. und einen Herrn X. gegen die gleiche Beklagte Forderungsklagen (Az.: 12a Ca 11172/06 und 12a Ca 11173/06) über € 8.412,50 brutto abzüglich € 200,00 netto und € 8.850,00 brutto abzüglich € 200,00 netto aus einem Stundenlohn von je € 12,50 für die Zeit vom 01.05. bis 28.07., im Verfahren 12a Ca 11172/06 ab 10.07.2006, im Verfahren 12a Ca 1173/06 ab 27.07.2006 aus Annahmeverzug erhoben. In den Verfahren ist am 22.12.2006 und 24.05.2007 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des gleichen Prozessbevollmächtigten bewilligt worden.

Mit zwei am 11.08.2006 eingegangenen Klagen hat der gleiche Prozessbevollmächtigte gegen die gleiche Beklagte für die Herren A. K. (Az.: 34 Ca 11502/06) und S. K. (Az.: 34 Ca 11503/06) Forderungsklagen über € 2.125,00 brutto und € 8.556,00 brutto abzüglich € 200,00 netto erhoben, für die am 13.09.2006 Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung bewilligt worden ist. Die Begründung gleicht den übrigen Verfahren bis auf den Umstand, dass im Verfahren 34 Ca 11502/06 die sonst gestellten Anträge Ziffer 3) bis Ziffer 6) fehlen und eine Forderung aus einem Stundenlohn von € 10,60 für die Zeit vom 22.05. bis 30.06.2006 verfolgt wird.

Sämtliche Verfahren haben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten durch Behandlung nach der Aktenordnung ihr Ende gefunden.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat daraufhin in allen Verfahren die Festsetzung der ihm aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen wie folgt beantragt:

AktenzeichenVergütung beantragt25 Ca 10864/06€ 743,7525 Ca 10865/06€ 743,7525 Ca 10866/06€ 743,7531 Ca 10966/06€ 719,9531 Ca 10967/06€ 719,9536 Ca 11061/06€ 731,8536 Ca 11062/06€ 731,8536 Ca 11063/06€ 731,8536 Ca 11064/06€ 731,8511 Ca 11158/06€ 725,0011 Ca 11159/06€ 731,8511 Ca 11160/06€ 708,0511 Ca 11161/06€ 731,8511 Ca 11162/06€ 419,4711 Ca 11163/06€ 731,8511 Ca 11164/06€ 736,6011 Ca 11168/06€ 693,1711 Ca 11169/06€ 731,8511 Ca 11171/06€ 731,8512a Ca 11172/06€ 743,7512a Ca 11173/06€ 743,7534 Ca 11502/06€ 490,1034 Ca 11503/06 € 731,85Summe€ 16.249,64In dem Verfahren 11 Ca 11158/06 ist daraufhin die Vergütung auf € 725,00 und im Verfahren 11 Ca 11164/06 auf € 736,60 festgesetzt worden.

Im vorliegenden Verfahren hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 13.03.2007 die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse bei einem Streitwert von € 9.437,00 auf € 743,75 beantragt.

Durch Beschluss vom 26.03.2007 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle diesem Antrag zunächst entsprochen. Dagegen hat die Bezirksrevisorin bei dem Landesarbeitsgericht München durch einen am 14.08.2007 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat diese ausgeführt, dass bei sparsamer Prozessführung die Verfahren nicht in gesonderten Prozessen hätten erhoben werden dürfen, bei gemeinsamer Prozessführung der Streitwert insgesamt € 183.588,00 betragen hätte und dafür eine Vergütung von insgesamt € 1.187,03 angefallen wäre. Nachdem im Verfahren 11 Ca 11158/06 bereits € 725,00 und im Verfahren 11 Ca 11164/06 bereits € 736,60 erstattet worden seien, seien € 274,57 zuviel ausbezahlt worden.

Durch Beschluss vom 14.07.2008 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung abgeholfen, den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2007 aufgehoben und die bereits ausbezahlte Vergütung zurückverlangt.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.07.2008 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am 18.07.2008 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Ein prozessualer Zusammenhang der Verfahren bestehe nicht, er sei zur Verschwiegenheit über bestehende Mandate verpflichtet, eine Verbindung der Verfahren sei durch das Gericht nicht erfolgt und auch nicht sachdienlich gewesen und - nachdem Prozesskostenhilfe für jedes Verfahren bewilligt wurde - Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren dahingehend überhaupt nicht mehr erhoben werden könnten. Im Übrigen sei die Erinnerung der Bezirksrevisorin bereits verspätet erfolgt.

Durch Verfügung vom 07.08.2008 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung nicht abgeholfen und sie der Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 11.08.2008 die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückgewiesen.

Durch einen am 18.08.2008 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den ihm am 15.08.2008 zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und sie am 04.09.2008 dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

1.Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.08.2008 ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG auch sonst zulässig.

2.Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist unbegründet.

29a)Im Ausgangspunkt zutreffend geht der Prozessbevollmächtigte des Klägers davon aus, dass die Beschwerde begründet wäre, wenn die Erinnerung der Bezirksrevisorin unzulässig wäre. Denn dann hätte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ihren eigenen Kostenfestsetzungsbeschluss nicht abändern können. Dies ist aber nicht der Fall. Denn die Erinnerung der Bezirksrevisorin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist zulässig. Zwar ist der Kostenfestsetzungsbeschluss am 26.03.2007 ergangen und die Erinnerung der Bezirksrevisorin erst am 14.08.2007 bei dem Arbeitsgericht München eingegangen. Die Erinnerung ist damit aber weder verfristet noch verwirkt. Die Einlegung der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gem. § 56 Abs. 2 RVG ist an keine Frist gebunden. Dies folgt schon daraus, dass § 56 Abs. 2 RVG für das Erinnerungsverfahren im Gegensatz zum Beschwerdeverfahren nicht auf § 33 Abs. 3 RVG sondern lediglich auf § 33 Abs. 7 RVG verweist. Eine Erinnerung ist daher weder an eine Frist gebunden noch kann eine Verwirkung eintreten, nachdem § 20 GKG nicht entsprechend anwendbar ist (vgl. Hartmann KostG 39. Aufl. § 56 RVG Rz. 6). Vielmehr ist die Erinnerung selbst dann noch zulässig, wenn wie hier die festgesetzte Vergütung bereits ausgezahlt ist (vgl. OLG Thüringen JurBüro 2006, 366).

b)Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers für die Verfahren 25 Ca 10864/06, 25 Ca 10865/06, 25 Ca 10866/06, 31 Ca10966/06, 31 Ca 10967/06, 36 Ca 11061/06, 36 Ca 11062/06, 36 Ca 11063/06, 36 Ca 11064/06, 11 Ca 11158/06, 11 Ca 11164/06, 11 Ca 11170/06, 12a Ca 11172/06, 12a Ca 11173/06, 34 Ca 11502/06 und 34 Ca 11503/06 gegen die gleiche Beklagte nur jeweils eine 1,3- Verfahrens- und 1,2- Terminsgebühr aus den zusammen gerechneten Streitwerten aller Verfahren zusteht und daher zu dessen Gunsten jedenfalls kein höherer Betrag als der von der Bezirksrevisorin insgesamt mit € 1.187,03 errechnete Betrag beansprucht werden kann. Denn der Gebührenanspruch des Prozessbevollmächtigten des Klägers besteht nur in der Höhe, als wenn alle Klagen in einem einheitlichen Verfahren geltend gemacht worden wären. Zutreffend hat daher das Arbeitsgericht die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückgewiesen.

31aa) Es entspricht ständiger Rechtsprechung der für Kostensachen zuständigen Kammer des Landesarbeitsgerichts München, dass die Staatskasse nicht verpflichtet ist, auf Kosten des Steuerzahlers Kosten zu tragen, die bei Beachtung der Grundsätze einer wirtschaftlichen Prozessführung nicht entstanden wären (vgl. Beschlüsse vom 16.04.2009 - 10 Ta 93/09; 15.04.2009 - 10 Ta 336/07; 23.03.2009 - 10 Ta 244/07; 10.07.2008 - 10 Ta 297/06; 14.02.2007 - 10 Ta 124/05; 09.02.2007 - 10 Ta 194/05; 02.02.2007 - 10 Ta 117/05; 20.07.2006 - 10 Ta 170/05; 05.01.2006 - 10 Ta 293/04). Gebühren, die erst dadurch entstehen, dass Streitgegenstände in gesonderten Klagen statt durch Klagehäufung geltend gemacht werden, sind daher nicht zu erstatten, wenn dies nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entsprach (vgl. KG OLGR 2007, 79). Zweckentsprechender Rechtsverfolgung entspricht ein derartiges Vorgehen dabei nur, wenn dies notwendig ist.

(1)Dies folgt daraus, dass mit Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Gericht nicht darüber entschieden ist, in welcher Höhe dem beigeordneten Rechtsanwalt Ansprüche gegen die Staatskasse zustehen. Im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe wird über die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung sowie darüber entschieden, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig ist. Erst in dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1 RVG wird darüber entschieden, welche Ansprüche in welcher Höhe die Staatskasse treffen. Die Rechtslage ist keine andere, als bei der Kostenfestsetzung aufgrund eines Kostenerkenntnisses im Endurteil. Im Urteil werden der unterlegenen Partei die Kosten ohne Einschränkung auferlegt. Gleichwohl ist im Rahmen der Kostenfestsetzung - und erst in diesem Stadium des Verfahrens - zu prüfen, welche Kosten überhaupt erstattungsfähig sind.

(a)Die Kostengrundentscheidung ist nur die Grundlage für die Kostenentscheidung und besagt nichts darüber, ob nach § 91 Abs. 1 ZPO Kosten als notwendig zu erstatten sind. Auch hier ist im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob die Geltendmachung von mehreren Ansprüchen gegen eine Person oder von mehreren Klägern gegen die gleiche Beklagte in getrennten Verfahren ungerechtfertigt erhöhte Kosten verursacht hat (vgl. BGH MDR 2007, 1160; BGH MDR 2004, 715; OLG Hamburg MDR 2003, 1381; KG JurBüro 2002, 35; OLG München AnwBl. 2002, 435; dass. AnwBl. 1994, 527; OLG Zweibrücken RPfl. 1993, 41; OLG Koblenz JurBüro 1990, 58; Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 91 Rn. 68 a). Die Korrektur rechtsmissbräuchlicher Kostenkumulierung erscheint gerade im Kostenfestsetzungsverfahren unverzichtbar (vgl. OLG Stuttgart MDR 2002, 117).

(b) Für die Prozesskostenhilfebewilligung gilt nichts anderes. Die Folgen der Prozesskostenhilfebewilligung ergeben sich aus § 122 ZPO i.V.m. §§ 45 ff. RVG. Diese Vorschriften gelten nicht isoliert, sondern sind eingebettet in die Grundsätze des Kostenrechts im Zivilprozess. Zu diesen Prinzipien gehört auch der tragende Grundsatz der Verfahrensverbilligung, wie er in den §§ 91 ff., 788 ZPO, 46 RVG zum Ausdruck kommt. Diesen Grundsatz kann auch zum einen die unterlegene Partei der obsiegenden Partei gegenüber im Kostenfestsetzungsverfahren einwenden. Diesen Grundsatz kann in gleicher Weise nach § 11 Abs. 5 RVG der Mandant seinem Anwalt entgegenhalten. Die durch unsachgemäße Behandlung des Auftrags entstandenen überflüssigen Anwaltsgebühren sind eine Schlechterfüllung des erteilten Auftrags zum Nachteil des Mandanten und brauchen von diesem nicht erstattet zu werden (vgl. BGH VersR 1959, 890; OLG Düsseldorf FamRZ 1989, 204; OLG Düsseldorf JurBüro 1992, 110).

35(c) Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens ist es, die arme Partei von der Verpflichtung zum Tragen von Anwaltskosten zu befreien, nicht hingegen, dem Anwalt Honoraransprüche zu sichern, die er gegen die Partei nicht erwerben oder nicht durchsetzen könnte (vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 558). Der Grundsatz, dass die Staatskasse über § 54 RVG hinaus dem Anwalt gegenüber keine Einwendungen erheben darf, auch wenn sie die Partei erheben könnte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Er ist unzutreffend (vgl. LAG München vom 16.11.2000 - 1 Ta 328/00). Auch die Staatskasse kann einwenden, dass der beigeordnete Anwalt Kosten und Gebühren erst dadurch verursacht hat, dass er Handlungen vorgenommen hat, die zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Parteien nicht erforderlich waren (vgl. BVerwG RPfl 1995, 75). Insoweit ist § 46 RVG nur Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, wonach die Partei und dementsprechend auch ihr Anwalt alle Kosten möglichst niedrig zu halten, verpflichtet sind (vgl. OLG Hamburg RPfl. 1977, 421; OLG München AnwBl. 1981, 507). Dies gilt in gleicher Weise für den beigeordneten Anwalt, der staatliche Ressourcen in Anspruch nimmt. Hieran ändert auch nichts die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für ursprünglich getrennte Verfahren. Ob die Partei - oder der Anwalt - dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt hat, beurteilen die Gerichte nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. BVerfG NJW 1990, 3072; OLG Hamburg MDR 2004, 778). Welche Kosten zu erstatten sind, wird nicht im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, sondern erst im Kostenfestsetzungsverfahren entschieden (vgl. LAG Rheinland-Pfalz MDR 2008, 532; LAG Berlin MDR 2006, 1438; OLG Stuttgart MDR 2002, 117). Dies verkennen das OLG Schleswig (AGS 2009, 34) und E. Schneider (AGS 2009, 39).

36(d) Vielmehr ist es gerade zutreffend, dass das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht daran hindert, im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob die von der Partei bzw. ihrem Rechtsanwalt verursachten Kosten überhaupt notwendig waren (vgl. OLG Hamm JurBüro 2009, 98 = MDR 2009, 294). Offenkundig überflüssig gesetzte Gebührentatbestände führen nicht zu einem Anspruch des Anwalts gegenüber der Staatskasse (vgl. LAG Baden-Württemberg JurBüro 1992, 401; dass. BB 1989, 296; LAG Düsseldorf JurBüro 1990, 380; OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 361; dass. JurBüro 1994, 482; OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 558; LAG München vom 23.03.2009 - 10 Ta 244/07; 10.07.2008 - 10 Ta 297/06 und vom 30.04.2004 - 10 Ta 223/02).

(2)Demgemäß war auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers gehalten, bei Erhebung der getrennten Klagen die Grundsätze der Prozesswirtschaftlichkeit zu beachten und den Prozess möglichst zweckmäßig und billig zu gestalten. Der beigeordnete Rechtsanwalt ist auch gegenüber der Staatskasse zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet. Er hätte daher die Verfahrensgestaltung wählen müssen, bei der die geringsten Kosten angefallen wären, es sei denn, es hätten vernünftige Gründe vorgelegen, die eine andere Verfahrensgestaltung gerechtfertigt hätten (vgl. LAG Rheinland-Pfalz MDR 2008, 532; OLG Hamburg MDR 2003, 1381; OLG Düsseldorf JurBüro 1994, 482). Diese Gründe sind sorgfältig abzuwägen (vgl. BGH MDR 2004, 715).

bb)Derartige Gründe liegen hier nicht vor. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen die Pflicht zur kostensparenden Prozessführung verstoßen, als er für den Kläger und wenigstens 14 weitere Kläger getrennte Klagen erhoben hat anstatt deren Forderungen gegen die Beklagten im Wege der subjektiven Klagehäufung geltend zu machen.

(1)Die Frage der notwendigen Kostenentstehung erstreckt sich nicht nur auf die Frage, ob eine Person mehrere Ansprüche in einem einheitlichen Verfahren geltend machen muss, sondern auch auf den Fall, ob von mehreren Personen gegen ein und dieselbe Person bzw. Personen zustehende Ansprüche in einem Verfahren verfolgt werden müssen (vgl. OLG Hamburg MDR 2004, 778; dass. MDR 2003, 1381; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 18. Aufl. VV 3100 Rn. 188). Getrennte Verfahren verbieten sich danach dann, wenn die Klagen oder Anträge in engen zeitlichem Zusammenhang gestellt wurden, die Zielrichtung die gleiche ist, insbesondere der Sachvortrag weitgehend übereinstimmt, zu erwarten ist, dass sich der oder die Gegner in etwa in gleicher Weise verteidigen werden, so dass Unübersichtlichkeit nicht zu erwarten ist und ob Interessenkonflikte nicht zu erwarten sind (vgl. KG JurBüro 2002, 35; OLG Hamburg MDR 2003, 1381; OLG München AnwBl. 2002, 435; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O.).

40(2)All diese Voraussetzungen liegen hier vor. Forderungen wie Klagen stehen in einem engen zeitlichen Zusammenhang. Die verfolgten Anträge stimmen bis auf den Forderungsbetrag überein. Die Sachverhaltsschilderung unterscheidet sich kaum. Alle Kläger haben offenbar gemeinsam auf einer Baustelle gearbeitet. Bei allen Arbeitnehmern liegt daher hinsichtlich Lohnforderungen im Wesentlichen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde. Demgegenüber können die wenigen individuellen Besonderheiten gerade im Hinblick auf die einzelne Forderungshöhe kein getrenntes Vorgehen rechtfertigen (vgl. LAG Nürnberg JurBüro 2002, 363; OLG Koblenz MDR 2001, 720; LAG Berlin NZA-RR 2006, 432; LAG München vom 23.03.2009 - 10 Ta 244/07; 09.02.2007 - 10 Ta 194/05). Auch der Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf die Beweissituation führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Führen die Kläger den Prozess gem. § 60 ZPO gemeinschaftlich, ist der Streitgenosse dennoch nur in seinem Rechtsstreit Partei. Er kann daher jedenfalls dann Zeuge sein, wenn das Thema das Verfahren des anderen Streitgenossen betrifft (vgl. Musielak/Weth ZPO 3. Aufl. § 61 Rz. 5 m.w.N.). Die Frage, ob die Beklagte zu 2) überhaupt für Lohnansprüche des Klägers einzustehen hatte, ist eine Rechtsfrage und wäre einer Beweisaufnahme kaum zugänglich. Auch der Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers auf die Verschwiegenheitspflicht führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich nicht auf alle Umstände eines Mandats. Vielmehr regelt § 43 a Abs. 2 Satz 2 BRAO, dass sich die Verschwiegenheitspflicht nicht auf Tatsachen bezieht, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Der Hinweis auf das Bestehen anderweitiger Mandate ist kein untersagtes Offenbaren nach § 43 a Abs. 2 Satz 1 BRAO (vgl. Kleine-Cosack BRAO 5. Aufl. § 43 a Rn. 20). Hat daher der Prozessbevollmächtigte des Klägers Mehrkosten durch die getrennte Erhebung der Klagen verursacht, hat diese nicht die Staatskasse zu tragen.

3.Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG) und unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

Moeller






LAG München:
Beschluss v. 15.07.2009
Az: 10 Ta 386/08


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