Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. März 2000
Aktenzeichen: 21 W (pat) 27/97
(BPatG: Beschluss v. 16.03.2000, Az.: 21 W (pat) 27/97)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B 60 R des Deutschen Patentamts vom 7. Januar 1997 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung aufgrund der am 10. Oktober 1995 eingereichten Patentansprüche für die Trennanmeldung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Im Verfahren der Patentanmeldung P 42 23 637.1 - 22 hat die Anmelderin erstmals am 8. Juni 1995 erklärt, daß sie vor Patenterteilung eine Teilung der Anmeldung beabsichtige. Nach Vorlage der erteilungsfähigen Unterlagen zu dieser Anmeldung am 9. Oktober 1995 hat die Anmelderin am 10. Oktober 1995 mit dem amtlichen Antragsvordruck die Teilung erklärt und nebst Zahlung der angefallenen Gebühr die Anmeldungsunterlagen der Patentanmeldung P 42 23 637.1 - 22 sowie Ansprüche der Trennanmeldung eingereicht. Mit Beschluß vom 29. November 1996 zur Stammanmeldung ist das Patent unter der Nr 42 23 637 erteilt worden. Die Erteilungsgebühr sowie die fällige Jahresgebühr sind nicht gezahlt worden. Die Anmeldung gilt daher als zurückgenommen.
Die Trennanmeldung erhielt das Aktenzeichen P 42 44 897.2 - 22. Mit Beschluß vom 7. Januar 1997 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 R des Deutschen Patentamts die Patentanmeldung zurückgewiesen. In den Gründen hat sie unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung (BGH GRUR 1996, 747 ff "Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem") ausgeführt, daß in der Teilungserklärung selbst der abzutrennende Teil eindeutig bestimmt sein müsse. Dies sei hier erkennbar nicht der Fall. Schließlich sei in der Stammanmeldung bereits die Patenterteilung erfolgt, weshalb dieser Mangel auch nachträglich nicht mehr behebbar sei.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.
Die Ansprüche 1 bis 3 der Trennanmeldung, eingegangen am 10. Oktober 1995, lauten:
"1. Sitzgurtrückzieheinrichtung (10), die folgendes aufweist:
eine drehbare Spindel (22), von der ein Sitzgurt (34) während des Ausziehens des Sitzgurtes (34) abgewickelt wird und um die herum der Sitzgurt (34) während des Zurückziehens des Sitzgurtes (34) aufgewickelt wird;
ein Sperrklinkenrad (72), welches mit der Spindel (22) zur Drehung damit verbunden ist;
eine Verriegelungssperrklinke (98), die aus einer Nichteingriffsposition in eine Eingriffsposition bewegbar ist, in der sie mit dem Sperrklinkenrad (72) in Eingriff steht, um die Drehung der Spindel (22) in Abwickelrichtung zu blockieren;
ein drehbares Nockenglied (106);
Zahnradmittel (104) zum Drehen des Nockenglieds (106) mit einer Geschwindigkeit, die geringer ist als die Drehgeschwindigkeit der Spindel (22) während einer Drehung der Spindel (22);
ein Betätigungsglied (110), das durch das Nockenglied (106) aus einer nicht betätigten Position in eine Betätigungsposition bewegbar ist, und zwar infolge einer vorbestimmten Drehgröße der Spindel (22) in Abwickelrichtung, wobei das Betätigungsglied (110) durch das Nockenglied (106) ferner bewegbar ist aus seiner Betätigungsposition in seine nicht betätigte Position infolge der Drehung der Spindel (22) in der Aufwickelrichtung; und Federmittel (112) zur Bewegung der Verriegelungssperrklinke (98) in Eingriff mit dem Sperrklinkenrad (72), und zwar bei Bewegung des Betätigungsglieds (110) in die Betätigungsposition, wobei die Federmittel (110) eine Feder (112) aufweisen, die zwischen dem Betätigungsglied (110) und der Verriegelungssperrklinke (98) angeordnet ist und mit dem Betätigungsglied (110) und der Verriegelungssperrklinke (98) in Eingriff steht, um die Verriegelungssperrklinke (98) bei Bewegung des Betätigungsglieds (110) zu bewegen.
2. Sitzgurtrückziehvorrichtung (10) nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Feder (112) eine sich in Längsrichtung erstreckende Blattfeder ist, die bei Bewegung des Betätigungsglieds (110) aus seiner nicht betätigten Position in seine Betätigungsposition entlang ihrer Längsachse elastisch auslenkbar ist.
3. Sitzgurtrückziehvorrichtung (10) nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Blattfeder (112) sich in Längsrichtung von dem Betätigungsglied (110) zu der Verriegelungssperrklinke (98) erstreckt, und zwar in einer Richtung im Ganzen parallel zur Achse der um eine Spindelachse (154) drehbaren Spindel (22)."
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist auch begründet. Die am 10. Oktober 1995 durch die Anmelderin erklärte Teilung der Patentanmeldung P 42 23 637.1 - 22 ist entgegen der Auffassung der Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts wirksam.
Nach stRspr hat die Teilungserklärung schriftlich zu erfolgen. Die Erklärung, daß die Patentanmeldung bzw das Patent geteilt werde, ist allerdings allein nicht ausreichend. Der Anmelder bzw Patentinhaber muß auch angeben, in welcher Weise er das Patent teilen will, denn der Teilungserklärung als solcher kommt bereits Gestaltungswirkung zu, da schon mit ihrem Zugang das Patent oder die Anmeldung in eine Stamm- und eine Teilanmeldung aufgespalten wird (BGH GRUR 1996, 747, 750 re Sp, "Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem" mwN). Zur Auslegung einer Teilungserklärung, die nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, sind demzufolge nur solche Kriterien heranzuziehen, die für den Erklärungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar waren. Für die Wirksamkeit der Teilung einer Patentanmeldung oder eines Patents ist neben der Erklärung auch Voraussetzung, daß der Gegenstand in mindestens zwei Teile zerlegt wird (BGH Mitt 1998, 15 ff "Textdatenwiedergabe II")
Diesen von der Rechtsprechung erarbeiteten Anforderungen genügt die Teilungserklärung der Anmelderin. Zwar beinhaltet die von der Anmelderin mehrfach mitgeteilte Absicht, die Anmeldung teilen zu wollen, ersichtlich keine Teilungserklärung. Jedoch enthält das am 10. Oktober 1995 eingegangene Formular die Erklärung der Teilung, denn diese Rubrik ist angekreuzt, und der Antrag enthält eine Unterschrift. Zwar ist mit dieser Erklärung nicht angegeben, in welcher Weise die Anmeldung geteilt werden soll. Indessen sind zur Auslegung dieser Erklärung die zugleich eingereichten Unterlagen, ursprüngliche Unterlagen der Stammanmeldung sowie die Patentansprüche der Trennanmeldung heranzuziehen (vgl BGH "Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem", aaO). Diesen Unterlagen in Verbindung mit der Teilungserklärung ist zu entnehmen, daß der Anmelder den Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 3 der Trennanmeldung abtrennen wollte. Die Meinung der Prüfungsstelle, die Erklärung selbst müsse den Hinweis enthalten, in welcher Weise geteilt werde, kann nicht überzeugen. Wie bereits dargelegt, ist die Teilungserklärung auslegungsfähig, sofern es sich um Kriterien handelt, die für den Erklärungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar waren. Das ist hier, wie dargelegt, der Fall.
Durch die Teilungserklärung wird der Gegenstand der Anmeldung auch in zwei Teile zerlegt, die sachlich teilbar in den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung enthalten sind.
Anspruch 1 der Trennanmeldung entspricht inhaltlich dem nebengeordneten, im Zeitpunkt der Abgabe der Teilungserklärung geltenden ursprünglichen Anspruch 13. Die zugehörigen Ansprüche 2 und 3 basieren auf dem ursprünglichen Anspruch 15, der unmittelbar auf den ursprünglichen Anspruch 13 rückbezogen ist.
Der Gegenstand des ursprünglichen Anspruchs 13, und damit des Anspruchs 1 der Trennanmeldung, unterscheidet sich vom Gegenstand nach dem seinerzeit geltenden Hauptanspruch der Stammanmeldung im wesentlichen dadurch, daß er als zusätzliche Merkmale aufweist (zitiert nach der Formulierung im Anspruch 1 der Trennanmeldung) :
"Federmittel (112) zur Bewegung der Verriegelungssperrklinke (98) in Eingriff mit dem Sperrklinkenrad 872), und zwar bei Bewegung des Betätigungsglieds (110) in die Betätigungsposition, wobei die Federmittel (110, richtig 112) eine Feder (112) aufweisen , die zwischen dem Betätigungsglied (110) und der Verriegelungssperrklinke (98) angeordnet ist und mit dem Betätigungsglied (110) und der Verriegelungssperrklinke (98) in Eingriff steht, um die Verriegelungssperrklinke (98) bei Bewegung des Betätigungsglieds (110) zu bewegen", während er die im Anspruch 1 der Stammanmeldung aufgeführten Merkmale:
"Rastmittel (164), die einen ersten Teil zum Eingriff mit dem Betätigungsglied und zum Halten in der nichtbetätigten Position und einen zweiten Teil zum Eingriff mit dem Betätigungsglied und zum Halten des Betätigungsglieds in der betätigten Position aufweisen. "
nicht enthält. Die Rastmittel (164) kommen auch in keinem der Unteransprüche 2 und 3 der Trennanmeldung vor.
Der am 9. Oktober 1995 in der Stammanmeldung eingegangene Anspruchsatz enthält demgegenüber im Anspruch 1 zwar die Rastmittel, hier als "ein als Feder (164) ausgebildetes Rastmittel", nicht jedoch eine Feder (112) bzw Federmittel (112).
Somit unterscheiden sich die beiden in Frage stehenden Gegenstände formal und auch sachlich zumindest um ein Merkmal (BpatG, 11 W (pat) 29/90 in Bl PMZ, 1993, 156).
Die ursprünglichen Ansprüche 3 und 10 und die zuletzt geltenden Unteransprüche 2 bis 4 der Stammanmeldung beziehen sich zwar auch auf die Feder (112), aber wegen der Rückbeziehung auf Anspruch 1 bzw den ebenfalls nebengeordneten Anspruch 8 nur in Verbindung mit einer Sitzgurtrückziehvorrichtung, die auch zwingenderweise ein als Feder (164) ausgebildetes Rastmittel bzw einen Nockenfolgerabschnitt (136) aufweist. Da ein derartiges Rastmittel bzw ein Nockenfolgerabschnitt im gesamten Anspruchssatz der Teilanmeldung nicht vorkommen, besteht darin, ein weiterer Unterschied zwischen den jeweils beanspruchten Gegenständen.
Der durch die Ansprüche 1 bis 3 definierte Gegenstand der Trennanmeldung ist auch teilbar in den ursprünglichen Unterlagen der Stammanmeldung enthalten.
Zwar wirken sowohl die Federmittel (112) nach der Teilanmeldung als auch das als Feder (164) ausgebildete Rastmittel nach dem Stammpatent mit demselben Betätigungsglied (110) zusammen, wie dies aus Fig. 3 bis 5 mit zugehöriger Beschreibung der DE 42 23 637 A1 zu entnehmen ist, sie betreffen aber verschiedene und voneinander unabhängige Funktionen in Bezug auf das Betätigungsglied. So dienen die Federmittel (112) der Übertragung der Bewegung vom Betätigungsglied (110) zur Verriegelungssperrklinke (98), während die Feder (164) im Zusammenwirken mit dem Rastarm (166) des Betätigungsglieds (110) dieses in verschiedenen Stellungen verrastet und somit als Rastmittel dient. Die angesprochenen verschiedenen Funktionen der Federmittel (112) und der Feder (164) sind ohne Einfluß aufeinander und könnten zudem auch mit anderen konstruktiven Mitteln bewirkt werden, wie dem Fachmann klar ist. Demgemäß läßt sich der Gegenstand nach dem Anspruchsatz der Trennanmeldung auch von der Sache her ohne weiteres aus der Stammanmeldung trennen.
Der Hinweis der Prüfungsstelle, eine Teilanmeldung könne schon deshalb nicht existent geworden sein, weil in der Stammanmeldung ein Patent erteilt worden sei, kann nicht überzeugen. Die rechtsgestaltenden Wirkungen der Teilungserklärung treten unmittelbar mit ihrem Zugang ein. In diesem Zeitpunkt (10. Oktober 1995) war in der Stammanmeldung noch kein Patent erteilt. Zwar wurde am 29. November 1996 die Erteilung eines Patents beschlossen, doch infolge Nichtzahlens der Gebühren wurde die Erteilung nicht veröffentlicht. Die Anmeldung gilt nach Mitteilung des Patent- und Markenamts als zurückgenommen. Im übrigen hätte das Patent- und Markenamt zunächst die eingegangene Teilungserklärung prüfen müssen, und erst nach Klärung der Wirksamkeit der Teilungserklärung im Stammverfahren weiterarbeiten dürfen.
Nach alledem war somit die Teilungserklärung wirksam. Da die damit entstandene Trennanmeldung noch nicht geprüft worden ist, ist sie zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (PatG § 79 Abs 3 Nr 1).
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist anzuordnen (PatG § 80 Abs 3).
Nach der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr stets anzuordnen, wenn ihre Einbehaltung nicht der Billigkeit entsprechen würde. Auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens kommt es dabei nicht an. Vielmehr entspricht es dem Sinn der Regelung, die Rückzahlung unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens anzuordnen, wenn der Beschwerdeführer durch eine gesetzwidrige oder unangemessene Sachbehandlung oder durch einen offensichtlichen Fehler des Deutschen Patent- und Markenamts genötigt worden ist, Beschwerde einzulegen und die Beschwerdegebühr zu entrichten, also in den Fällen, in denen nicht auszuschließen ist, daß die Beschwerde bei einwandfreier (angemessener) Behandlung der Sache hätte vermieden werden können (vgl BPatGE 22,29,32). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Die Prüfungsstelle hat ohne zuvor Mängel beanstandet zu haben, die Trennanmeldung unter Bezugnahme auf die BGH-Rechtsprechung GRUR 96, 747 ff "Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem" zurückgewiesen mit der Behauptung, in der Teilungserklärung selbst müsse der abzutrennende Teil eindeutig bestimmt sein, was vorliegend erkennbar nicht der Fall sei. Die gleichzeitige Einreichung entsprechender Ansprüche reiche nicht. Eine solch allgemeingültige Regel ist der zitierten Entscheidung nicht zu entnehmen. Vielmehr ist eine Auslegung der Teilungserklärung, wie oben dargelegt, durch die Umstände, die für den Erklärungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung erkennbar waren, möglich, worauf in der Entscheidung ausdrücklich hingewiesen wird (BGH aaO, S 750 re Sp, zu 1)).
Da die Prüfungsstelle keinen Beanstandungsbescheid erlassen hat, hatte die Anmelderin auch nicht die Möglichkeit, ihre Auffassung von der Wirksamkeit der Teilungserklärung zu erörtern. Abgesehen davon hätte die Prüfungsstelle auch nicht in der Stammanmeldung ein Patent erteilen dürfen, solange die Frage der Wirksamkeit der Teilungserklärung noch nicht geklärt war.
Die Anmelderin hatte damit keine Möglichkeit die Sache vor der Prüfungsstelle zu erörtern, sondern mußte hierzu Beschwerde einlegen, die bei ordnungsgemäßer Führung des Verfahrens vor dem Amt möglicherweise entbehrlich geworden wäre.
Dr. Hechtfischer Dr. Franz Dr. Kraus Skribanowitzprö
BPatG:
Beschluss v. 16.03.2000
Az: 21 W (pat) 27/97
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