Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. März 2005
Aktenzeichen: 26 W (pat) 254/02

(BPatG: Beschluss v. 23.03.2005, Az.: 26 W (pat) 254/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 301 46 385 Weiß-Blaufür die Waren

"Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wasser und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer"

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Waren

"Hefe-Weißbier und alkoholreduziertes, alkoholarmes und alkoholfreies Hefe-Weißbier aus Stein a. d. Traun"

eingetragenen Marke 1 136 539 Die Markenstelle hat den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Widerspruch könne, sofern er sich gegen die mit der angegriffenen Marke beanspruchten Waren der Klassen 30 und 34 richte, schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese den Waren, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, nicht ähnlich seien. Soweit er sich gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für Waren der Klasse 32 wende, liege zwar die erforderliche Ähnlichkeit der Waren vor. Dennoch bestehe zwischen den beiderseitigen Marken keine Verwechslungsgefahr, weil diese nicht ähnlich seien. Auch wenn bei der Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit die grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke außer Betracht bleibe, stünden sich mit den Wortfolgen "Weiß-Blau" und "Steiner Weiß-Blaue" Bezeichnungen gegenüber, die hinreichend unterschiedlich seien. Mit einer Wiedergabe der Widerspruchsmarke nur mit deren Bestandteil "Weiß-Blaue" sei nicht zu rechnen. Dieser Bestandteil präge die Widerspruchsmarke nicht, weil die Bezeichnungen "Steiner" und "Weiß-Blaue" gleichwertig untereinander stünden. Aus diesem Grunde bestehe auch nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht würden. Für die vom Markeninhaber beantragte Kostenauferlegung bestehe keine Veranlassung, weil keine besonderen, von der Norm abweichenden Umstände vorlägen, die dies rechtfertigen könnten.

Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, wegen der hochgradigen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren der Klasse 32 bestehe jedenfalls insoweit Verwechslungsgefahr. In klanglicher Hinsicht komme es bei kombinierten Wort-Bild-Marken maßgeblich auf die Wortbestandteile an, weil diese die einfachste Benennungsmöglichkeit darstellten. Insoweit stünden sich die Bezeichnungen "Weiß-Blau" und "Steiner Weiß-Blaue" gegenüber. Der BGH habe in der Sache "BIT/BUD" (GRUR 2002, 167 ff) festgestellt, dass es keinen Regelsatz gebe, wonach einer Herstellerangabe eine mitprägende Bedeutung für den Gesamteindruck einer Marke zukomme. Maßgeblich sei der Einzelfall, wobei es auch und insbesondere auf die besonderen Gegebenheiten und Bezeichnungsgewohnheiten auf dem in Frage stehenden Warengebiet ankomme. Ebenso wie in dem Fall der Marke "AMERICAN BUD" handele es sich bei dem in der Widerspruchsmarke enthaltenen Begriff "Steiner" um einen geografischen Begriff, der nur auf die Herkunft des Bieres hindeute, weil die Widersprechende ihren Sitz in dem Ort Stein a. d. Traun habe. Als geografische Herkunftsangabe sei "Steiner" nicht kennzeichnungskräftig und könne folglich auch für den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke weder als prägend noch als mitprägend angesehen werden. Die danach verbleibenden Wortfolgen "Weiß-Blau" und "Weiß-Blaue" seien klanglich und schriftbildlich hochgradig ähnlich. Die Widersprechende beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs zu löschen.

Der Markeninhaber hat keinen Antrag gestellt. Er verweist auf seine Ausführungen im Verfahren vor der Markenstelle.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, nicht die Gefahr von Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt. Eine gänzlich fehlende Ähnlichkeit der Waren kann allerdings nicht durch die anderen Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr kompensiert werden (EuGH aaO - Canon; BGH GRUR 2002, 340 - Faberge).

Soweit sich der Widerspruch gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für andere Waren als Getränke richtet, kann er demnach, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Waren unter Berücksichtigung der maßgeblichen markenrechtlichen Kriterien (EuGH aaO - Canon, Rdn 22 - 29) keine Ähnlichkeit mit Hefe-Weißbier aufweisen, was auch die Widersprechende in ihrer Beschwerdebegründung nicht in Abrede gestellt hat. Dagegen besteht zwischen Hefe-Weißbier und den Waren der Klasse 32, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, in Bezug auf "Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken" eine geringe sowie in Bezug auf alle "alkoholfreien Getränke" eine wenigstens mittlere Ähnlichkeit.

Die Widerspruchsmarke weist von Haus aus eine normale Kennzeichnungskraft auf. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine nachträgliche Erhöhung der Kennzeichnungskraft sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke einen eher deutlichen Abstand einzuhalten, um die Gefahr von Verwechslungen ausschließen zu können. Den insoweit erforderlichen Abstand hält sie auch im Bereich überdurchschnittlich ähnlicher Waren in jeder Richtung ein.

Die beiderseitigen Marken weisen in ihrer Gesamtheit aufgrund der Bildbestandteile der Widerspruchsmarke und des in ihr enthaltenen Wortes "Steiner", das in der angegriffenen Marke keine Entsprechung hat, keine Ähnlichkeit auf, die die Gefahr von Verwechslungen begründen könnte. Allerdings kann auch bei Marken, die aus mehreren Bestandteilen bestehen und einander insgesamt nicht ähnlich sind, gleichwohl eine Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, wenn deren maßgeblicher Gesamteindruck durch einen einzelnen Bestandteil, der der gegnerischen Marke ähnlich ist, derart geprägt wird, dass ihm eine eigenständige kennzeichnende Funktion zukommt (BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze; GRUR 2000, 233, 234 - RAUSCH / ELFI RAUCH; GRUR 2002, 167, 169 - Bit / Bud). Dies setzt jedoch regelmäßig voraus, dass die übrigen, nicht ähnlichen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise innerhalb der Gesamtmarke in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (BGH aaO - RAUSCH / ELFI RAUCH; GRUR 2000, 883, 885 - PAPPAGALLO). Davon kann in der Widerspruchsmarke, jedenfalls was das Wort "Steiner" betrifft, entgegen der Ansicht der Widersprechenden nicht ausgegangen werden.

In klanglicher Hinsicht, also bei der mündlichen Bestellung, ist zwar erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass sich der Verkehr hierfür allein der Wortbestandteile einer Marke bedient, weil diese die einfachste und kürzeste Bezeichnungsform darstellen (BGH aaO - PAPPAGALLO). Insoweit ist zugunsten der Widersprechenden anzunehmen, dass von der Vielzahl der in der Widerspruchsmarke enthaltenen Wortelemente für deren Benennung ernsthaft nur die Wörter "Steiner" und "Weiß-Blaue" in Betracht kommen, weil die übrigen Wörter der Marke rein warenbeschreibender Natur sind und auch größenmäßig deutlich in den Hintergrund treten. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden werden die maßgeblichen Verkehrskreise - hier die Käufer und Trinker von Weißbier - die Widerspruchsmarke jedoch nicht in rechtserheblichem Umfang unter völliger Außerachtlassung des Wortes "Steiner" weiter allein auf die Bezeichnung "Weiß-Blaue" verkürzen.

Für die Beantwortung der Frage, ob ein einzelner Markenteil die Gesamtmarke prägt, ist zunächst von Bedeutung, ob für den Verkehr überhaupt Veranlassung besteht, sich nur an einem einzelnen Markenteil zu orientieren, was insbesondere dann zu verneinen ist, wenn sich die Markenteile als einheitlicher Gesamtbegriff darstellen (BGH GRUR 1999, 586, 587 - White Lion). Die Vorstellung eines Gesamtbegriffs kann vor allem durch die sprachliche Ausgestaltung gefördert werden, zB durch die Genitivform eines Bestandteils, der eine begriffliche Verbindung mit dem dem folgenden Zeichenteil herstellt (BGH Mitt 1981, 60 - Toni's Hüttenglühwein). Kennzeichnungsschwachen Bestandteilen fehlt die Eignung, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen. Andererseits dürfen schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Elemente einer Marke bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben.

Hiervon ausgehend ist eine Prägung der Widerspruchsmarke allein durch die Bezeichnung "Weiß-Blaue" unter Vernachlässigung des weiteren Wortes "Steiner" nicht anzunehmen. Das Wort "Steiner" ist ein in Deutschland nicht seltener und dem Verkehr geläufiger Familienname. Aufgrund dieses Umstands sowie wegen der eher nur regionalen Bekanntheit des kleinen bayerischen Ortes Stein a. d. Traun ist zu erwarten, dass der bei weitem überwiegende Teil der angesprochenen deutschen Verkehrskreise den Markenteil "Steiner" der Widerspruchsmarke als Familiennamen auffassen und darin die Bezeichnung des Namens der Brauerei sehen wird. Bei einem solchen Verständnis besteht für den Verkehr, der erfahrungsgemäß Wert darauf legt, das Bier einer bestimmten Brauerei zu erhalten, keine Veranlassung, diesen Markenteil völlig zu vernachlässigen. Dies gilt um so mehr, als die Bezeichnung "Weiß-Blaue" von Haus aus eher kennzeichnungsschwach ist, weil sie - indem sie die bayerischen Landesfarben bezeichnet, wie sie in der bayerischen Flagge enthalten sind - nur einen auch über die Grenzen Bayerns hinaus verständlichen Hinweis auf die Herkunft des so gekennzeichneten Hefeweißbieres aus Bayern, der Ursprungsregion dieser Biersorte, darstellt. Für den Teil des Verkehrs, der die Bezeichnung "Weiß-Blaue" nur als Hinweis auf die regionale Herkunft des Bieres versteht, stellt der Name "Steiner" sogar die alleinige betriebliche Herkunftskennzeichnung dar.

Aber auch dann, wenn zugunsten der Widersprechenden unterstellt wird, dass ein noch rechtserheblicher Teil des deutschen Verkehrs in dem Wort "Steiner" einen Hinweis auf die örtliche Herkunft des so gekennzeichneten Bieres aus dem Ort Stein a. d. Traun sieht, kann nicht von einer Prägung der Widerspruchsmarke allein durch die Bezeichnung "Weiß-Blaue" ausgegangen werden. Insoweit spricht gegen eine Vernachlässigung einerseits der durch die adjektivische Form "Steiner" entstehende Gesamtbegriff sowie auch wiederum der Umstand, dass es einer Mitbenennung des Wortes "Steiner" bedarf, um eine bestimmte "weißblaue" Weiße, m.a.W. ein bestimmtes hefetrübes Weizenbier aus Bayern, zu erhalten. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Sache maßgeblich von dem durch den BGH entschiedenen Fall "American Bud", in dem die letztlich als prägend angesehene Bezeichnung "Bud" von Haus aus kennzeichnungskräftiger war als im vorliegenden Fall die Bezeichnung "Weiß-Blaue".

Letztlich besteht auch und gerade bei Bieren die Gewohnheit, diese nur mit einer geografischen Herkunftsangabe markenmäßig zu kennzeichnen ("Warsteiner", "Krombacher", "Herforder", "Kulmbacher" etc). Auch der Verkehr neigt erfahrungsgemäß bei der Bestellung eines Bieres in rechtserheblichem Umfang dazu, dieses nur mit dem Ortsnamen oder zumindest unter Mitbenennung des Ortsnamens zu bestellen, was ebenfalls gegen die Annahme der Widersprechenden spricht, der Verkehr werde den Markenbestandteil "Steiner" der Widerspruchsmarke vernachlässigen. Die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen der Marken besteht somit nicht.

Für eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten. Die Widersprechende hat insbesondere keine Tatsachen vorgetragen, aus denen ersichtlich wäre, dass sie die maßgeblichen Verkehrskreise durch die Benutzung mehrerer Marken daran gewöhnt haben könnte, in der Bezeichnung "Weiß-Blaue" den Stammbestandteil einer ihr gehörenden Markenserie zu sehen. Im übrigen spricht auch die bereits dargestellte Kennzeichnungsschwäche des beiden Marken gemeinsamen Bestandteils "Weiß-Blau(e)" gegen dessen Wertung als betriebskennzeichnender Stammbestandteil. Bei dieser Sach- und Rechtslage musste der Beschwerde und damit auch dem Widerspruch der Erfolg versagt bleiben.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.

Albert Kraft Reker Bb






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Az: 26 W (pat) 254/02


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