Oberlandesgericht Oldenburg:
Urteil vom 24. November 2005
Aktenzeichen: 1 U 49/05
(OLG Oldenburg: Urteil v. 24.11.2005, Az.: 1 U 49/05)
1. Eine Wettbewerbshandlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG kann vorliegen, wenn ein Marktforschungsunternehmen im Auftrag eines pharmazeutischen Herstellers per Telefax Ärzte gegen Zahlung eines Entgelts von 70 € zu einer Beteiligung an einer ca. 45-minütigen Befragung zur Behandlung bestimmter Krankheiten (hier Morbus Bechterew) zu gewinnen versucht.
Der Umstand, dass die Befragung gegenüber den Ärzten als Teil einer wissenschaftlichen Untersuchung dargestellt wird, muss dem nicht entgegenstehen.
2. Eine solche ohne vorherige Einwilligung der Ärzte erfolgte Werbung per Telefax für eine entsprechende Befragung ist regelmäßig unlauter und wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG a.F. und § 7 Abs. 1 Nr. 3 UWG n.F.
Diese Werbung wird auch nicht durch die Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG gerechtfertigt, jedenfalls dann nicht, wenn es bei der Befragung - wie sich aus der Würdigung der tatsächlichen Umstände des entschiedenen Falles ergibt - dem Meinungsforschungsunternehmen um kommerzielle Interessen geht und eine wissenschaftliche Auswertung des erhobenen Datenmaterials nicht festzustellen ist.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das am 26.4.2005 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Osnabrück geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, Dienstleistungen per Telefax zu bewerben, ohne dass eine Einwilligung des Adressaten zur Verwendung des Faxgeräts vorliegt.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, angedroht.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 189,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2005 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte, die ein Marktforschungsunternehmen betreibt, auf Unterlassung angeblich wettbewerbswidriger, per Telefax übersandter Werbung für die Mitwirkung an einer Befragung in Anspruch.
Am 19.4.2004 sandte die Beklagte an den Facharzt für Orthopädie Dr. H ... in O ... ein Telefaxschreiben, in dem auf eine durchzuführende Befragung von Ärzten zum Thema der Behandlung des "Morbus Bechterew" hingewiesen und für eine entsprechende Mitwirkung des Adressaten an dieser Befragung geworben wurde. Diese Befragung von Ärzten sollte im Auftrage eines führenden pharmazeutischen Herstellers unter Wahrung der Vertraulichkeit durchgeführt werden, für den einzelnen Arzt ca. 45 Minuten dauern und mit einem Honorar in Höhe von 70,00 € entlohnt werden.
Irgendwelche geschäftlichen Beziehungen oder sonstigen Kontakte bestanden damals zwischen der Beklagten und dem Arzt Dr. H ... nicht.
Die Klägerin sieht in einer solchen Kontaktaufnahme per Telefax eine unzumutbar belästigende, unlautere Werbung nach § 1 UWG a.F., § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG n.F.
Sie hat die Beklagte auf Unterlassung solcher Telefaxwerbung bei fehlender Geschäftsbeziehung und fehlender Einwilligung des Adressaten sowie auf Ersatz ihres Bearbeitungsaufwandes in Höhe von 189,00 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat sich demgegenüber darauf berufen, dass es hier nicht um eine Werbung gegangen sei, sondern um eine wissenschaftliche Untersuchung, die die medizinische Entwicklung fördern sollte und im öffentlichen Interesse gelegen habe. Sie habe auch keine Privatperson per Telefax angeschrieben, sondern einen Arzt, von dem sie ein entsprechendes Interesse an dieser Sache habe erwarten dürfen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abwägung der von der Beklagten verfolgten Ziele einerseits, die in einer wissenschaftlichen Untersuchung lägen, mit dem durch den Gesetzgeber in § 7 UWG bezweckten Schutz des Adressaten andererseits in diesem Fall dazu führte, dass nicht von einem unlauteren Wettbewerb ausgegangen werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des vom Landgericht zu Grunde gelegten Sachverhalts und der Begründung dieser Entscheidung wird auf das Urteil der 14. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Osnabrück vom 6.4.2005 Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt sie im Wesentlichen vor:
Das Landgericht habe verkannt, dass es bei dem Faxschreiben letztlich um Werbung gegangen sei, jedenfalls stehe diese im Vordergrund und nicht eine wissenschaftliche Arbeit zur Entwicklung neuer Medikamente. Dies sei bereits aus dem Faxschreiben selbst zu entnehmen, in dem von der Durchführung einer wissenschaftlichen Untersuchung keine Rede sei, die Beklagte sich selbst vielmehr als ein unabhängiges Marktforschungsinstitut vorstelle und als Auftraggeber einen führenden pharmazeutischen Hersteller nenne. Der kommerzielle, auf Werbung gerichtete Zweck werde auch durch die Präsentation der Beklagten auf ihrer Homepage bestätigt, auf der über die Tätigkeit der Beklagten ausgeführt werde:
"Wir helfen Unternehmen, ihre Kunden und Märkte noch besser zu verstehen, und liefern wertvolle Informationen als Grundlage für strategische und operative Unternehmensentscheidungen...
Wer seine Kunden wirklich verstehen will, braucht sensible Forschungsinstrumente mit viel Gefühl für den Markt und den Verbraucher.
Im Bereich Consumer Research verquicken wir qualitative und quantitative Instrumente zu Mess-Systemen, um so bestmögliche Einblicke in die bewussten und unbewussten Motive, Emotionen und Haltung der Kunden zu gewinnen."
Letztlich sei es darum gegangen, für den Auftraggeber zu ermitteln, wie und auf welche Weise dessen Produkte besser im Markt platziert werden könnten.
Auch ein vermutetes Einverständnis des Dr. H ... zur Inanspruchnahme seines Faxgeräts und zu der damit verbundenen potentiellen Störung des Betriebsablaufs seiner Praxis könne angesichts des kommerziellen Ziels der Befragung und des Inhalts des Faxschreibens nicht angenommen werden.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. es zu unterlassen, ihre Dienstleistungen per Telefax zu bewerben, sofern zu dem Anschlussinhaber keine Geschäftsbeziehungen bestehen und/oder dieser nicht um Übersendung der Werbung per Telefax gebeten hat
2. und dabei für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Beklagte ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, anzudrohen;
3. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 189,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Landgerichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin vom 28.6.2005 und die Berufungserwiderung vom 14.10.2005 nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
Die Klägerin hat als anerkannter Wettbewerbsverband nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n. F. einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung entsprechender Telefaxwerbung, sofern eine Einwilligung des Adressaten des Faxschreibens zu dieser Form der Übermittlung nicht angenommen werden kann.
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin rechtfertigt sich auf Grund eines Wettbewerbsverstoßes, der in der am 19.4.2004 erfolgten Übersendung des Telefaxschreiben an den Orthopäden Dr. H ... zu sehen ist, mit dem dieser für eine Teilnahme an einer Befragung geworben werden sollte.
Der insoweit vorliegende Wettbewerbsverstoß beurteilt sich nach altem Recht, d. h. nach dem vor dem 8.7.2004 geltenden UWG.
Nach § 1 UWG a.F. war entsprechend der in der Rechtsprechung vorgenommenen, für die Übersendung von Telefaxschreiben relevanten Konkretisierung Faxwerbung wettbewerbswidrig, wenn sie im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs vorgenommen wurde und ein ausdrückliches oder konkludentes Einverständnis des Adressaten mit dieser Form der Übermittlung nicht vorlag und auch ausnahmsweise nicht im Hinblick auf ein sachliches Interesse des Adressaten von einem vermuteten Einverständnis auszugehen war (vgl. BGH GRUR 1996, 208, 209; OLG Oldenburg NJW 1998, 3208; Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 7 UWG, Rdnr.77, m.w.N. zur Rspr. zum alten Recht; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1, Rdnr.161 f.).
Diese Bewertung der von einer Einwilligung des Adressaten nicht gedeckten Übersendung von Faxschreiben rechtfertigt sich aus dem nicht unerheblichen Eingriff in die Rechte sowie die schützenswerte private bzw. geschäftliche Sphäre des Adressaten. Die Übermittlung eines Faxschreibens verursacht beim Adressaten Kosten für Papier, Toner, Strom und Wartung. Für die Dauer der Übermittlung wird das Gerät des Adressaten blockiert, das heißt es können keine anderen Telefaxmitteilungen abgesandt und empfangen werden. Die vom Anschlussinhaber bezweckte ständige Erreichbarkeit für wirklich eilige und wichtige Mitteilungen in seinem Gewerbebetrieb bzw. hier im Betrieb seiner Arztpraxis oder auch im privaten Bereich sowie die Verfügbarkeit des Faxgeräts für die Übersendung eiliger Mitteilung wird damit zeitweilig aufgehoben. Hinzu kommt die evtl. Belästigung und Störung in der betrieblichen Sphäre des Adressaten (bzw. hier des Betriebs der Arztpraxis), die daraus resultiert, dass Faxmitteilungen ständig eingehen können, eingehende Faxschreiben entgegenzunehmen und - da eingehende Faxschreiben den Eindruck der Wichtigkeit und Dringlichkeit machen - unverzüglich dem Geschäftsinhaber bzw. hier dem Inhaber der Arztpraxis vorzulegen sind: Der Geschäfts- bzw. Praxisinhaber wird so gezwungen, auch zu ungelegenen Zeiten sich mit eingehenden Faxschreiben auseinanderzusetzen, und von anderen gewerblichen bzw. hier ärztlichen Tätigkeiten abgehalten. Auch im privaten Bereich können zur Unzeit eingehende oder unerwünschte Faxschreiben störend wirken.
Aus diesen Gründen ist bereits nach altem Recht die Übermittlung von Telefaxschreiben ohne vorliegendes oder vermutetes Einverständnis des Adressaten regelmäßig als wettbewerbswidrig angesehen worden. Dies ist sowohl für den privaten Bereich als auch für Faxschreiben im geschäftlichen Verkehr angenommen worden (vgl. z.B. Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O.; Köhler/Piper, a.a.O.).
Von einem solchen wettbewerbswidrigen Verhalten der Beklagten, wie es bereits nach altem Recht verboten war, ist auch im vorliegenden Fall auszugehen.
Die Übersendung des Faxschreibens erfolgte im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Beklagten und stellte sich als Wettbewerbshandlungen dar. Die Beklagte bietet mit dem Ziel der Gewinnerzielung gegen Entgelt Dienstleistungen im Bereich der angewandten, Produkt- und Marktforschung für andere, an solchen Daten interessierte Unternehmen an. Es geht dabei darum - wie sich aus der Selbstdarstellung der Beklagten auf ihrer Homepage ergibt -, anderen Unternehmen (im Wettbewerb) zu helfen, "ihre Kunden und Märkte noch besser zu verstehen und... (ihnen, den Auftraggebern) Informationen als Grundlage für strategische und operative Unternehmensentscheidungen zu liefern.€
Im Rahmen eines entsprechenden Auftrags eines Arzneimittelherstellers (der Firma W ...) war die Beklagte hier im Rahmen ihres Gewerbebetriebs tätig.
Auch die objektiven und subjektiven Voraussetzungen für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs lagen hier vor.
In objektiver Hinsicht ist ein Verhalten erforderlich, das geeignet ist, den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen: In subjektiver Hinsicht muss der Handelnde von einer das objektive Geschehen begleitenden Absicht, d.h. von der Absicht, den eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, bestimmt gewesen sein, wobei es ausreicht, dass diese Absicht nicht völlig hinter sonstigen Beweggründen zurücktritt (st. Rspr. zum alten Recht; vgl. BGHZ 3, 270, 277; 90, 611, 613; BGH GRUR 1997, 473, 474; Köhler/Piper, Einf. UWG, Rdnr.210; vgl. nunmehr § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F.).
Das Faxschreiben der Beklagten war hier erkennbar darauf gerichtet, die damit angesprochenen Ärzte zur Teilnahme an der Befragung gegen Zahlung eines Entgelts zu bewegen und insoweit zumindest den eigenen Bezug von Dienstleistungen im Interesse des eigenen Geschäftsbetriebs zu fördern.
Nach den Umständen ging es der Beklagten auch subjektiv genau darum, Interviewpartner unter den Ärzten für die Erfüllung des von ihr übernommenen Auftrags und damit für die Durchführung ihrer Geschäftstätigkeit zu gewinnen. Bereits im Hinblick auf diese eigenen geschäftlichen Interessen und die angestrebte Förderung des eigenen Wettbewerbs im Verhältnis zur Konkurrenz muss danach eine Wettbewerbshandlung der Beklagten angenommen werden.
Nach den Erörterungen, der Anhörung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH der Beklagten und Vorlage des für die Befragung verwendeten Fragebogens im Verhandlungstermin vor dem Senat ist festzustellen, dass es auch mittelbar um die Förderung fremden Wettbewerbs ging, nämlich den der Auftraggeberin der Befragung (des Arzneimittelherstellers W ...). Nach Darstellung des Geschäftsführers der Komplementärin der Beklagten sollten sog. Tiefeninterviews durchgeführt werden, für die ca. 30 Ärzte geworben werden sollten, um vorhandene Hypothesen zu überprüfen hinsichtlich der Diagnoseentscheidungen, des Therapieverhaltens und des entsprechenden Kenntnisstandes von Orthopäden zu €Morbus Bechterew€. Dabei sollte sich die Befragung insbesondere auch auf die auf dem Arzneimittelmarkt vorhandenen, bei €Morbus Bechterew€ eingesetzten €Biologicals€ und das hier von der Auftraggeberin angebotene Produkt €E ...€ beziehen. Das hierzu durch die Interviews gewonnene Datenmaterial ist sodann - so die Angaben des Geschäftsführers - von der Beklagten an die Auftraggeberin weitergegeben worden, ohne dass die Beklagte Einfluss auf die weitere Verwendung der Daten hatte. Letztlich ging es - wie der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten eingeräumt hat - auch darum, durch die Umfrage bei den Ärzten der Auftraggeberin Datenmaterial zu verschaffen, das für gezielte Informationsmaßnahmen gegenüber Ärzten, den Vertrieb und letztlich die Förderung des Absatzes des Produkts der Auftraggeberin hilfreich war. Der im Verhandlungstermin von der Beklagten zur Einsicht vorgelegte Fragebogen hat letzteres bestätigt. Nach eingangs gestellten Fragen zur Diagnose und Therapie bei "Morbus Bechterew", zu den den befragten Ärzten bekannten Therapieverfahren und Medikamenten folgten im letzten Drittel des aus 61 Fragen bestehenden Fragenkatalogs gezielte Fragen zu bei €Morbus Bechterew€ eingesetztenBiologicalsund insbesondere auch zu dem von der Auftraggeberin vertriebenen Medikament €E ...€, zu Konkurrenzprodukten sowie zu relevanten Service- und Marketingmaßnahmen hinsichtlich dieses Medikaments der Auftraggeberin. Der letzte Teil des Fragebogens ließ damit eindeutig erkennen, dass es - aus wertender Sicht des Senats wohl sogar vornehmlich - um die Gewinnung von Tatsachenmaterial für die Auftraggeberin ging zur gezielten Information und Werbung gegenüber mit der Behandlung von "Morbus Bechterew" befassten Ärzten und damit letztlich um die Optimierung des Vertriebs und Förderung des Absatzes des von der Auftraggeberin angebotenen Produkts "E ...". Danach war die mit dem hier relevanten Faxschreiben angekündigte und beworbene Befragung zumindest auch auf die mittelbare Förderung fremden Wettbewerbs gerichtet.
An einer Wettbewerbshandlung der Beklagten kann nach alledem kein Zweifel bestehen.
Das Wettbewerbshandeln der Beklagten, das primär auf eine Werbung von Ärzten zur Auskunftserteilung gegen Entgelt und mittelbar auf eine Förderung des Absatzes des von der Auftraggeberin vertriebenen Arzneimittels "E ..." gerichtet war, war nach den oben dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen unlauter, weil mit dem für diese Maßnahmen eingesetzten Faxschreiben in Rechte der angeschriebenen Ärzte und in nicht völlig unerheblicher Weise auch in deren Praxisbetrieb eingegriffen wurde, ohne dass die von der Rechtsprechung verlangte Einwilligung in die Verwendung des Faxgeräts vorlag und von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgegangen werden konnte.
Im Fall des per Fax angeschriebenen Orthopäden Dr. H ... lag eine solche Einwilligung unstreitig nicht vor.
Auch von einer mutmaßlichen Einwilligung in die Verwendung des Faxgeräts kann hier nicht ausgegangen werden.
Es handelte sich erkennbar weder um eine wichtige noch um eine dringende Informationen für die angegangenen Ärzte, die ihnen ohne eine Zeitverzögerung übermittelt werden musste und bei der die unmittelbare Übermittlung des Schreibens mit Hilfe eines Faxgeräts auch im Interesse der Ärzte lag. Die vorhandenen Umstände, insbesondere dass eigene Werbeinteressen der Beklagten im Vordergrund standen, mittelbar Absatzinteressen eines Pharmaherstellers verfolgt wurden und die Bitte um eine Mitwirkung an der erst einige Tage später vorgesehenen Befragung genauso gut mit gewöhnlichem Brief geäußert werden konnte, sprechen hier gegen eine mutmaßliche Einwilligung. Ein gewöhnlicher Brief wäre zwar für die Beklagte teurer gewesen und hätte möglicherweise eine geringere Aufmerksamkeitswirkung gehabt. Dadurch wäre aber der Eingriff in das Eigentum und die potentielle Störung des Praxisbetriebs der angeschriebenen Ärzte vermieden worden. Das Interesse der betroffenen Ärzte sprach danach offensichtlich gegen die Verwendung des Faxgeräts. Für eine mutmaßliche Einwilligung der Adressaten zur Verwendung des Faxgeräts spricht danach nichts, und hiervon kann mithin keine Rede sein.
Die Unlauterkeit des Vorgehens der Beklagten wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der mit der Faxbenutzung verbundene Eingriff in die Rechtssphäre der Adressaten durch gleich- oder gar höherrangige Interessen der Beklagten gefordert und gerechtfertigt wurde. Entsprechende Interessen der Beklagten, denen bei wertender Beurteilung ein solches Gewicht beizumessen wäre, dass die Unlauterkeit des Vorgehens entfällt, sind nicht ersichtlich.
Die Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG erfordert, soweit diese nach dem hier festzustellenden Sachverhalt überhaupt in relevanter Weise betroffen ist, einen solchen Eingriff in Rechte Dritter nicht. Die Beklagte selbst verfolgte jedenfalls bei der Werbung für die durchzuführende Befragung im Rahmen ihres Gewerbebetriebs allein kommerzielle Interessen und keine demoskopisch-sozialwissenschaftlichen Forschungsziele: Es ging ihr um die Erfüllung des gegen Entgelt übernommenen Umfrageauftrags. Eine Auswertung der Umfrageergebnisse nach wissenschaftlichen Methoden zur Gewinnung neuer Erkenntnisse hat die Beklagte selbst, wie die persönliche Anhörung des Geschäftsführers ihrer Komplementärin ergeben hat, nicht vorgenommen. Nach seinen Angaben waren die auf schmaler Basis (bei nur 30 Ärzten) erhobenen Daten auch für das gesamte Marktpotential kaum repräsentativ, sondern ließen nur gewisse Tendenzen erkennen, die bei der Auftraggeberin vorhandene Hypothesen bestätigen konnten. Die Beklagte hat das Datenmaterial auch ohne eine besondere eigene Auswertung unmittelbar an ihre Auftraggeber weitergereicht. Der Geschäftsführer ihrer Komplementärin konnte im Verhandlungstermin nicht angeben, was die Auftraggeberin mit dem übermittelten Datenmaterial gemacht hat.
Bei der Auftraggeberin mögen zwar in begrenztem Umfang Erkenntnisse über die von den befragten Ärzten angewandte Diagnoseverfahren, das Therapieverhalten der Ärzte sowie über deren Kenntnisse gewonnen worden sein. Dass das Pharmaunternehmen die erhobenen Daten nach wissenschaftlichen Methoden systematisch ausgewertet und daraus neue, (sozial)wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen hat, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Der im Termin vorgelegte Fragenkatalog spricht dafür, dass die erhobenen Daten - wie bereits ausgeführt - der besseren Erfassung des Kenntnisstandes und des Verhaltens der Zielgruppe der behandelnden und Medikamente verschreibenden Ärzte und damit letztlich der Verbesserung des Vertriebs und des Absatzes des Produkts €E ...€ diente. Insoweit zielten letztlich die von der Beklagten der Auftraggeberin erbrachten Leistungen auf das ab, was die Beklagte auf ihrer Homepage werbend wie folgt umschrieben hat: " bestmögliche Einblicke in die bewussten und unbewussten Motive, Emotionen und Haltungen der Kunden (d.h. hier der verschreibenden, über die Arzneimittelanwendung maßgebend entscheidenden Ärzte) zu gewinnen." Danach ging es letztlich um das Abfragen von Therapie- und Verschreibungsgewohnheiten von Ärzten im kommerziellen Individualinteresse eines pharmazeutischen Unternehmens.
Selbst wenn in Randbereichen mit den von der Beklagten übermittelten Daten ein wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn für die Auftraggeberin verbunden gewesen wäre, was nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht feststeht, kann dies nicht den Eingriff in ebenfalls unter Grundrechtsschutz stehende Rechte der Adressaten des Faxschreibens aus Art. 14, 12 und 2 GG rechtfertigen.
Es geht hier nämlich nicht darum, der Auftraggeberin der Beklagten die Gewinnung entsprechender Erkenntnisse unmöglich zu machen oder unzumutbar zu erschweren, sondern nur darum, wie die Bitte um eine Mitwirkung an der Datenerhebung, die nicht erzwungen werden kann, an die Adressaten herangetragen wird. Es ist nicht ersichtlich, dass es eine erhebliche oder gar unzumutbare Belastung für die Beklagte oder ihre Auftraggeberin bedeutet hätte, bei der Werbung für die Befragung auf andere zulässige und auch wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Übermittlungs- und Werbemethoden auszuweichen. Bei seiner Anhörung hat der Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten nicht darzustellen vermocht, warum die zu befragenden Ärzte per Telefax und nicht - wie angeblich sonst bei der Beklagten üblich - durch normalen Brief angeschrieben und um ihre Mitwirkung gebeten worden sind. Nach Angaben ihres Geschäftsführers sind bei der Beklagten angeblich auch keine Erkenntnisse darüber vorhanden, dass die Faxwerbung für die Teilnahme an einer Befragung erkennbar effektiver ist als der Einsatz eines gewöhnlichen Briefes.
Überwiegende Belange der Beklagten und ihrer Auftraggeberin erforderten danach nicht den Einsatz eines Faxschreibens und den damit verbundenen Eingriff in die Rechtssphäre des Adressaten.
Es ist nach alledem von einem wettbewerbswidrigen Handeln der Beklagten auszugehen, das eine entsprechende Wiederholungsgefahr begründet. Ein darauf bezogener Unterlassungsanspruch der Klägerin ist danach gerechtfertigt.
Da die Unterlassung für die Zukunft, mithin für die Zeit nach Inkrafttreten des UWG n.F. begehrt wird, setzt ein solcher Anspruch allerdings weiterhin voraus, dass das zu unterlassende Wettbewerbshandeln auch nach der Neufassung des UWG wettbewerbswidrig und zu verbieten ist. Dies ist hier der Fall.
Auch nach der Neufassung des UWG ist hier von einer Wettbewerbshandlung auszugehen, die nunmehr in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. definiert ist. Unter eine Wettbewerbshandlung fällt danach jede Handlung einer Person mit dem Ziel, zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen zu fördern. Diese Definition erfasst auch die oben dargestellte Förderung des eigenen Bezugs von Dienstleistungen der Beklagten (nämlich die in der Bearbeitung des Fragenkatalogs liegende Dienstleistung der angeschriebenen Ärzte) und die mittelbare Absatzförderung des Medizinprodukts der Auftraggeberin.
§§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 3 UWG verbieten als unlautere Wettbewerbshandlung Werbung unter Verwendung von Faxgeräten ohne Einwilligung des Adressaten. Die Neuregelung verschärft die zum alten Recht entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze insoweit, als es auf eine mutmaßliche Einwilligung des Adressaten nicht mehr ankommt.
Allerdings setzt die Neuregelung das Vorhandensein von Werbung voraus. Den Begriff der "Werbung" definiert das UWG nicht selbst. Insoweit ist die Definition in Art. 2 Nr. 1 der Irreführungsrichtlinie 84/450/EG heranzuziehen und zu Grunde zu legen, wonach als Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes oder freien Berufs zu werten ist, mit der das Ziel verfolgt wird, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 5 UWG, Rdnr. 2.11 ff.; RL in Anhang 3). Nach zutreffender Auffassung wird damit bei einer sachgerechten, gebotenen weiten Auslegung der genannten Definition auch die Förderung des Bezugs von Waren und Dienstleistungen erfasst. (vgl. Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, a.a.O., Rdnr. 2..16; Gloy/Loschelder, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 3. Aufl., § 9, Rdnr. 3; § 15, Rdnr. 1).
Es liegt danach im vorliegenden Fall Werbung vor, weil hier die Faxschreiben - wie bereits aus den vorausgegangenen Ausführungen folgt - auf eine unmittelbare Förderung des Bezugs von Dienstleistungen (gegen Entgelt) gerichtet gewesen sind, und es mittelbar auch um die Förderung des Absatzes von Produkten der Auftraggeberin der Beklagten gegangen ist.
Dass der letztgenannte Zweck dem Adressaten des Faxschreibens verborgen blieb, weil dies jedenfalls in den verwendeten Faxschreiben nicht angesprochen wurde und in den Schreiben weder das Produkt noch die Auftraggeberin genannt wurden, ist rechtlich unerheblich. Eine offene, für jedermann bestehende Erkennbarkeit der Werbung und die Unmittelbarkeit der Werbung werden in der wiedergegebenen Definition nicht vorausgesetzt. Dass die hier vom Senat angenommene mittelbare Werbung zu Gunsten der Auftraggeberin der Beklagten für die Adressaten des Faxschreibens nicht erkennbar gemacht wurde, ist vielmehr als zusätzlicher Umstand zu werten, der das Vorgehen der Beklagten als unlauter erscheinen lässt (vgl. § 4 Nr. 3 UWG n. F.).
Danach ist auch nach neuem Recht von einem Wettbewerbsverstoß der Beklagten auszugehen. Nach dem Umfang des wettbewerbswidrigen Verhaltens und der Intensität des Rechtseingriffs ist auch eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne des § 3 UWG anzunehmen.
Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist nach alledem nach §§ 8 Abs. 3 Nr. 2, 3, 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG n. F. begründet.
Bei Formulierung der Unterlassungsanordnung im Tenor des vorliegenden Urteils ist zunächst zu berücksichtigen, dass die maßgebende Wettbewerbshandlung, in der die hier relevante Wettbewerbsverletzung liegt und die dann auch Grundlage der Unterlassungsanordnung sein muss, vornehmlich in der Werbung des Bezugs von (fremden) Dienstleistungen lag. Dies muss die Unterlassungsanordnung erfassen.
Die gewählte Fassung des Klageantrags, der nach seinem Wortlaut alternativ ("und/oder ") ein Verbot der Telefaxwerbung auch in den Fällen einer fehlenden Geschäftsbeziehung zum Anschlussinhaber zulässt, würde bei wortlautgetreuem Verständnis über die Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG n. F. hinausgehen. Nach dieser Vorschrift sind die Faxschreiben nur bei fehlender Einwilligung des Adressaten verboten. Allein dieser Verbotsumfang ist dann auch bei Fassung des Urteilstenors zu berücksichtigen.
Der Zahlungsantrag der Klägerin ist unter dem Gesichtspunkt der Erstattung von Abmahnkosten für die in der Sache hier berechtigte, aber erfolglos gebliebene Abmahnung seitens der Klägerin gerechtfertigt (vgl. nunmehr § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG n. F.).
Die Höhe der zugesprochenen Kostenerstattung entspricht der in der Rechtsprechung anerkannten, im Rahmen der Schätzung anzusetzenden Pauschale, die Wettbewerbsverbänden und insbesondere auch der Klägerin bei Abmahnungen zugestanden wird (vgl. dazu Baumbach/Hefermehl/Bornkamm, § 12 UWG, Rdnr. 1.97, m.w.N.).
Auf diesen der Klägerin danach zustehenden Zahlungsanspruch sind nur die zugesprochenen Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit nach §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.
Wegen des von der Klägerin geltend gemachten höheren Zinssatzes nach § 288 Abs. 2 BGB ist die Klage abzuweisen. Dieser Zinssatz ist nicht gerechtfertigt, weil es sich hier bei der Hauptforderung nicht - wie in § 288 Abs. 2 BGB vorausgesetzt - um eine "Entgeltforderung" handelt, d.h. eine Forderung, die auf Zahlung eines Entgelts für die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen gerichtet ist.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, Abs. 2, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der Senat hat keine Notwendigkeit gesehen, das Rechtsmittel der Revision zuzulassen, weil die dafür nach § 543 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.
Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 11.11.2005 und vom 17.11.2005 haben dem Senat vorgelegen; sie haben keine Veranlassung gegeben, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
OLG Oldenburg:
Urteil v. 24.11.2005
Az: 1 U 49/05
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