Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 4. Mai 1994
Aktenzeichen: 6 U 289/93
(OLG Köln: Urteil v. 04.05.1994, Az.: 6 U 289/93)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 7. September 1993 verkündete Urteil der 12. Kammer des Landgerichts Aachen - 12 O 80/93 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Unterlassungstenor des landgerichtlichen Urteils wie folgt neu gefaßt wird: Die Beklagte wird verurteilt, es im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwek- ken zu unterlassen, auf Werbeträgern zu erklären: "Mehr Leistung auch im Service: - Beratung und Aufmessen (auf Wunsch bei Ihnen) - Verlegen von Bodenbelägen - Ausgleichen unebener Untergründe - Anbringen von Fußleisten und Türprofilen - Abhobeln von Türen - Verrücken der Möbel" wie nachstehend wiedergegeben pp. Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beschwer der Beklagten: 25.000,00 DM
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache
keinen Erfolg.
Das Unterlassungsbegehren der Klägerin mit dem aus dem Tenor
dieses Urteils ersichtlichen Inhalt und Umfang ist gem. § 3 UWG
wegen Irreführung über die "Unentgeltlichkeit" der von der
Beklagten beworbe- nen Serviceleistungen begründet.
Dies können die Mitglieder des Senats als Teil der von der
streitbefangenen Werbung angesprochenen Verkehrskreise aus eigener
Sachkunde und Erfahrung ohne Einholung der von den Parteien
beantragten Sachverständigengutachten feststellen.
Ein nicht unbeachtlicher Teil der von der Beklag- ten umworbenen
Verbraucher wird aufgrund der gra- phischen und textlichen
Gestaltung des beanstan- deten Werbeprospekts annehmen, daß die von
der Beklagten angebotenen "Serviceleistungen" nicht gesondert in
Rechnung gestellt werden, sondern in dem Kaufpreis für die
Bodenbeläge enthalten sind. Schon auf Seite 1 des Werbeprospekts
wird dem flüchtigen und noch mehr dem aufmerksamen Verbrau- cher
mit dem Hinweis "wohnen & sparen" sowie mit den blickfangmäßig
herausgestellten Ankündigungen "Riesen-Chance für Sie!!!" und "An
alle! ...die jetzt bündelweise bares Geld sparen wollen" na-
hegebracht, daß er bei der Beklagten besonders günstig einkaufen
und Geld sparen könne. Dies wird auf den folgenden Seiten 2, 3 und
4 des Prospekts mit den Seitenüberschriften "Für jede Mark mehr
Leistung!" fortgesetzt und verstärkt. Auf der Seite 4, der letzten
Seite des Prospekts, auf der die im Urteilstenor angeführten
Serviceleistungen der Beklagten genannt sind, erklärt die Beklagte
darüber hinaus "Nur wenige Anbieter in Deutschland können bei
dieser Riesen-Auswahl und bei diesen Super-Preisen noch
mithalten!", wobei auch diese Verlautbarung durch ihre Farbe und
Größe vor dem noch größeren Hinweis "Riesig" ebenfalls selbst von
demjenigen bemerkt wird, der den Werbeprospekt der Beklagten nur
flüchtig durchblättert. Gleiches gilt für den unübersehbaren
Hinweis "wohnen & sparen" am Fußende der Seite 4 des Prospekts.
Wenn somit der Leser - derart eingestimmt - dann zu dem ebenfalls
graphisch hervorgehobenen Werbeblock mit den Serviceleistungen der
Beklagten auf der Sei- te 4 des Prospekts gelangt, der von den
vorstehend angeführten Hinweisen gleichsam eingerahmt und flankiert
wird, wird er folglich annehmen, auch bei diesen Serviceleistungen
könne er bei der Be- klagten im Gegensatz zu anderen Anbietern von
Bo- denbelägen Geld sparen.
Zu dieser Vorstellung wird er um so mehr gelan- gen, weil der
Begriff "Service" keine eindeutige festumrissene Bedeutung
hinsichtlich der Frage der Entgeltlichkeit der Serviceleistung hat
und zudem die Óberschrift über dem Werbeblock mit den ein- zelnen
Serviceleistungen der Beklagten "Mehr Lei- stung auch im Service"
inhaltlich unverkennbar an die jeweiligen Seitenüberschriften des
Prospekts "Für jede Mark mehr Leistung!" anknüpft. Der Verbraucher
wird daher erwarten, daß er bei der Beklagten "Für jede Mark" auch
"Mehr Leistung im Service" erhält.
Die danach auf der Hand liegende Schlußfolgerung des
Verbrauchers, die beworbenen Serviceleistungen seien bei der
Beklagten in den Preisen für die Bo- denbeläge enthalten, wird
schließlich noch dadurch bestätigt und verstärkt, daß bei den
Servicelei- stungen auch Leistungen genannt werden, die - wie
insbesondere "Beratung und Ausmessen (auf Wunsch bei Ihnen)" und
"Verrücken der Möbel" keineswegs regelmäßig kostenintensiv sind und
auf diese Weise die Erwartung des Verbrauchers fördern, die
Beklagte werde die von ihr beworbenen Servicelei- stungen nicht
gesondert berechnen. Schließlich gibt es, wie von der Klägerin
durch Vorlage von Werbeanzeigen belegt, Anbieter von Bodenbelägen,
die z.B. wie die Firma "T.-Magazin" mit der Lei- stung "Ausmessen
und Lieferung frei Haus" werben, was ebenfalls die Vorstellung des
Verbrauchers bei der Werbung der Beklagten fördern mag, die streit-
befangenen Serviceleistungen würden von der Be- klagten nicht
gesondert in Rechnung gestellt.
Angesichts der aufgezeigten Umstände wird daher zumindest ein
nicht unbeachtlicher Teil der ange- sprochenen Verbraucher - wenn
nicht sogar mehr - erwarten, die fraglichen Serviceleistungen seien
bei einem Kauf bei der Beklagten bereits in dem Kaufpreis für die
Bodenbeläge enthalten, in diesem Sinne somit "unentgeltlich". In
dieser Erwartung werden jedoch die Verbraucher getäuscht und damit
gem. § 3 UWG irregeführt, denn unstreitig werden sämtliche
Leistungen von der Beklagten besonders berechnet.
Diese Irreführung der Verbraucher ist auch re- levant im Sinne
von § 3 UWG. Es bedarf keiner Begründung, daß die angebliche
Unentgeltlichkeit der Serviceleistungen einen beachtlichen Anreiz
darstellt, Bodenbeläge bei der Beklagten und nicht bei Konkurrenten
zu erwerben, die einen derartigen "Service" nicht bieten.
Die im Rahmen von § 3 UWG gebotene Abwägung der Interessen der
Beklagten an der streitbefangenen Werbung gegenüber dem Interesse
der Allgemein- heit, vor derartigen Irreführungen geschützt zu
werden (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbs- recht 17. Aufl.,
§ 3 UWG Rn. 97 m.w.N.) steht dem Unterlassungsbegehren der Klägerin
nicht entgegen. Die vorliegende Verurteilung hindert die Beklagte
nicht, werblich herauszustellen, welche Service- leistungen sie
anbietet, solange dies nicht wie in dem streitbefangenen Prospekt
unter Irreführung des Verkehrs geschieht, sondern den Verbraucher
darübe informiert, daß die Leistungen von der Be- klagten gesondert
in Rechnung gestellt werden.
Ist danach das Klagebegehren schon gem. § 3 UWG wegen
Irreführung über die angebliche Unentgelt- lichkeit der von der
Beklagten angebotenen Servi- celeistungen begründet, bedarf es
keiner Entschei- dung, ob die Klägerin von der Beklagten ebenfalls
Unterlassung gem. § 3 UWG unter dem Gesichtspunkt der irreführenden
Werbung mit Selbstverständlich- keiten verlangen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Neufassung des Unterlassungstenors der ange- fochtenen
Entscheidung ist lediglich Folge des schon in der ersten Instanz
von der Klägerin gestellten Klageantrags in der konkreten Form der
beanstandeten Wettbewerbshandlung der Beklagten. Eine Klageänderung
oder teilweise Klagerücknahme ist somit mit der Umformulierung des
Unterlas- sungstenors nicht verbunden, so daß sich dies auf die
Kosten des Rechtsstreits nicht auswikrt.
Es kam aber auch keine Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO zu Lasten
der Klägerin in Betracht. Zwar hat die Klägerin den
streitbefangenen Wer- beprospekt der Beklagten in Bezug auf die
dort angeführten Serviceleistungen erstmals in der Be-
rufungsinstanz wegen Irreführung des Verkehrs über die
Unentgeltlichkeit dieser Serviceleistungen be- anstandet, während
der Prospekt in der ersten Instanz insoweit allein unter dem
Gesichtspunkt "Werbung mit Selbstverständlichkeiten" als gem. § 3
UWG unzulässig gerügt worden war. Die Beklagte hat jedoch vor dem
Landgericht den Vortrag der Klägerin, wonach die in dem Prospekt
der Beklagten angebotenen Serviceleistungen für Teppichgeschäfte
Selbstverständlichkeiten seien, nicht substanti- iert bestritten.
Das Landgericht hat daher diesen Vortrag der Klägerin zu Recht als
unstreitig be- handelt - wie auch im Tatbestand des angefochtenen
Urteils ausgewiesen - und die Beklagte dementspre- chend gem. § 3
UWG wegen irreführender Werbung mit Selbstverständlichkeiten
verurteilt. Es bestand folglich für die Klägerin keine
Veranlassung, den Werbeprospekt der Beklagten bereits vor dem Land-
gericht ebenfalls unter dem Aspekt der Irreführung des Verkehrs
über die Unentgeltlichkeit der Ser- viceleistungen zu beanstanden.
Für eine Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO und dementsprechend auch für
eine Korrektur der Kostenentscheidung des ange- fochtenen Urteils
fehlt daher jede Grundlage.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck- barkeit beruht
auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die nach § 546 Abs. 2 ZPO
festzusetzende Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert ihres
Unterlie- gens im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 04.05.1994
Az: 6 U 289/93
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/951b5d8b7e18/OLG-Koeln_Urteil_vom_4-Mai-1994_Az_6-U-289-93