Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. April 2005
Aktenzeichen: 20 W (pat) 25/03
(BPatG: Beschluss v. 20.04.2005, Az.: 20 W (pat) 25/03)
Tenor
Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
Gründe
I Das Patent 197 36 824 wurde wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit widerrufen.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit den Patentansprüchen 1 bis 3 und 5 gemäß Schriftsatz vom 23. Mai 2001 und Patentanspruch 4 gemäß Schriftsatz vom 21. Dezember 2001 aufrechtzuerhalten, hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung.
Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin hat sich in der Sache nicht geäußert. Sie ist, wie schriftsätzlich angekündigt, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"1. Sensoreinheit, insbesondere Luftgütesensor, mit einem ersten Trägerelement, auf dem ein erstes Sensorelement und eine diesem zugeordnete erste als Widerstandsleitung ausgebildete Wärmequelle angeordnet sind, und mit einem zweiten Trägerelement, auf dem ein zweites Sensorelement und eine diesem zugeordnete zweite als Widerstandsleitung ausgebildete Wärmequelle angeordnet sind, wobei die beiden Trägerelemente als gemeinsame Trägereinheit ausgebildet sind und zwischen sich zur thermischen Entkoppelung eine Wärmesperre aufweisen, die beiden Trägerelemente (6, 7) eine einstückige als Substrat ausgebildete Trägereinheit (8) bilden, die Wärmesperre mindestens eine zwischen den beiden Trägerelementen (6, 7) liegende Ausnehmung (20) ist, die beiden Sensorelemente (3, 4) von auf dem Substrat angeordneten Sensorleiterbahnen (5) gebildet sind, das Substrat plattenförmig ausgebildet ist und sich die Widerstandsleiterbahnen (14) auf der einen Seite und sich die Sensorleiterbahnen (5) auf der anderen Seite des Substrats befinden, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine Widerstandsleiterbahn (14) mit mindestens einer Sensorleiterbahn (5) mittels einer Durchkontaktierung (12) durch das Substrat elektrisch leitfähig verbunden ist."
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag lautet wie folgt:
"1. Sensoreinheit, insbesondere Luftgütesensor, mit einem ersten Trägerelement, auf dem ein erstes Sensorelement und eine diesem zugeordnete erste als Widerstandsleitung ausgebildete Wärmequelle angeordnet sind, und mit einem zweiten Trägerelement, auf dem ein zweites Sensorelement und eine diesem zugeordnete zweite als Widerstandsleitung ausgebildete Wärmequelle angeordnet sind, wobei die beiden Trägerelemente als gemeinsame Trägereinheit ausgebildet sind und zwischen sich zur thermischen Entkopplung eine Wärmesperre aufweisen, die beiden Trägerelemente (6, 7) eine einstückige als Substrat ausgebildete Trägereinheit (8) bilden, die Wärmesperre mindestens eine zwischen den beiden Trägerelementen (6, 7) liegende Ausnehmung (20) ist, die beiden Sensorelemente (3, 4) von auf dem Substrat angeordneten Sensorleiterbahnen (5) gebildet sind, das Substrat plattenförmig ausgebildet ist und sich die Widerstandsleiterbahnen (14) auf der einen Seite und sich die Sensorleiterbahnen (5) auf der anderen Seite des Substrats befinden, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine Widerstandsleiterbahn (14) mit mindestens einer Sensorleiterbahn (5) mittels einer Durchkontaktierung (12) durch das Substrat elektrisch leitfähig verbunden ist, um eine gemeinsame Masse von der Sensorseite (1) der Sensoreinheit (2) zur Heizseite (13) der Sensoreinheit (2) zu führen."
Erörtert wurden die folgenden Entgegenhaltungen:
1) EP 0 527 258 A1 und 2) DE 41 05 025 C1.
Die Patentinhaberin führt aus, der Patentgegenstand, insbesondere gemäß Hilfsantrag, sei gegenüber dem Stand der Technik patentfähig. Nach ihrer Auffassung konnte der Fachmann zum Anmeldetag des Streitpatents aus dem Stand der Technik keinerlei Anregung dazu erhalten, zwei funktionsmäßig unterschiedliche Elemente einer Sensoreinheit, nämlich eine Widerstandsleiterbahn und eine Sensorleiterbahn, mittels Durchkontaktierung durch das Substrat hindurch elektrisch leitfähig zu verbinden. Umso mehr beruhe eine solche Verbindung auf einer erfinderischen Tätigkeit, wenn damit eine gemeinsame Masse von der Sensorseite der Sensoreinheit zur Heizseite der Sensoreinheit geführt und so die Zahl der Anschlußkontakte der Sensoreinheit mit größerer Störsicherheit reduziert werde.
II Die Beschwerde der Patentinhaberin hat keinen Erfolg. Das Patent ist nicht rechtsbeständig, sein Gegenstand nach den §§ 1 und 4 PatG nicht patentfähig. Die Gegenstände der Patentansprüche 1 gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfsantrag beruhen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Zum Hauptantrag Der Patentanspruch 1 des Hauptantrags ist weiter gefaßt als der Patentanspruch 1 nach dem Hilfsantrag und enthält insbesondere den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag. Nachdem letzterer - wie die nachfolgenden Ausführungen zum Hilfsantrag zeigen - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, ist der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag nicht rechtsbeständig.
Zum Hilfsantraga) Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag ist dem Fachmann durch die Druckschrift 1) in Verbindung mit seinem Fachwissen und Fachkönnen nahegelegt. Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur mit einem Hochschulabschluß in Elektrotechnik, der mit meßtechnischen Aufgabenstellungen, insbesondere für Luftgütemessungen, vertraut ist und der den Aufbau von Sensoreinheiten und dazugehörige Standardverfahren der Leiterplattentechnik kennt.
b) Aus der Druckschrift 1), vergleiche die Figuren 1 und 5 bis 8 in Verbindung mit Spalte 3 Zeile 14 bis Spalte 4 Zeile 54 und Spalte 5 Zeilen 3 bis 28, ist eine Sensoreinheit mit allen Merkmalen im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag als bekannt entnehmbar, vergleiche insbesondere die einstückige, als plattenförmiges Substrat ausgebildete Trägereinheit 1, mit einem ersten und zweiten Sensorelement 2, die von auf der einen Seite des Substrats auf jeweils dazugehörigen Trägerelementen angeordneten Sensorleiterbahnen gebildet sind (Fig 1a und 1b, Sp 3 Z 14 bis Sp 4 Z 8, Sp 4 Z 50-54), und dementsprechend die Sensorelemente 1 bis 3 gemäß den Figuren 5 und 6. Den Sensorelementen sind als Widerstandsleitungen ausgebildete Wärmequellen auf der anderen Seite des Substrats zugeordnet (Heizung 1 und 2, resp Heizungsstrukturen, Fig 5 bis 8, Sp 4 Z 9 - 46). Die den Sensorelementen zugeordneten Trägerelemente weisen zwischen sich eine Wärmesperre auf, die eine zwischen den Trägerelementen liegende Ausnehmung sein kann (Wärmebarriere Fig 5, 7 und 8, Sp 4 Z 35 - 49).
Die aus der Druckschrift 1) als bekannt entnehmbaren Sensorelemente weisen zwar auch Anschlußelektroden auf, mittels denen Sensorsignale via Befestigungssockel (Anschlußkontakte) einer Verarbeitungseinheit zugeführt werden (Sp 3 Z 20 - 33), auch soll das bekannte Sensorelement einen kostengünstigen Aufbau bei hoher Zuverlässigkeit und geringer Querempfindlichkeit aufweisen (Sp 2 Z 4 - 12), jedoch ist in 1) eine elektrisch leitfähige Verbindung mindestens einer Widerstandsleiterbahn mit mindestens einer Sensorleiterbahn mittels Durchkontaktierung durch das Substrat, um eine gemeinsame Masse von der Sensorseite der Sensoreinheit zur Heizseite der Sensoreinheit zu führen, wie im Kennzeichenteil des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag gefordert, nicht beschrieben.
c) Gleichwohl sieht sich der Fachmann durch die Anforderung nach einem kostengünstigen Aufbau bei hoher Zuverlässigkeit - Störfestigkeit - veranlaßt, Verbesserungen des Aufbaus des bekannten Sensorelements in Betracht zu ziehen, indem er sein Fachwissen nutzt bzgl der bei Leiterplatten und hinsichtlich der Führung von Leiterbahnen üblichen Verfahren. Eine Zusammenführung von auf demselben elektrischen Potential - üblicherweise Masse - liegenden Leiterbahnen bietet sich dem Fachmann an, um einerseits die Zahl der Anschlußkontakte zu reduzieren, andrerseits auch die Führung der Leiterbahnen allgemein und damit den Aufbau der gesamten Leiterplatte, einschließlich deren Anschlußbereich, zu vereinfachen. Als ein Standardverfahren hierzu ist dem Fachmann die Durchkontaktierung durch das Substrat geläufig, solches Fachwissen wird zB durch die Druckschrift 2) belegt (Sp 2 Z 28 - 44, Sp 4 Z 14 - 18). Demgemäß bietet es sich dem Fachmann bei der erfindungsgemäßen Sensoreinheit an, eine Durchkontaktierung durch das Substrat hindurch vorzunehmen, indem mindestens eine Widerstandsleiterbahn - auf der einen Seite des Substrats - mit mindestens einer Sensorleiterbahn - auf der anderen Seite des Substrats - elektrisch leitfähig verbunden ist. Der vorliegenden Anschlußsituation entsprechend, führt der Fachmann eine gemeinsame Masse von der Sensorseite der Sensoreinheit zur Heizseite der Sensoreinheit.
d) Damit ist der Fachmann aber ohne erfinderische Überlegungen bereits zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag gelangt.
Zwar mag, wie die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin argumentiert, die Gesamtheit der vorstehend erörterten vom Stand der Technik zum Anspruchsgegenstand führenden Maßnahmen formal in mehrere gesonderte Maßnahmen (Schritte) auflösbar sein, auch mögen damit jeweils unterschiedliche Vorteile verbunden sein, indem zB die beiden - sich in ihren Funktionen unterscheidenden - Seiten des Substrats ohne Funktionsminderung und mit verbesserter Störfestigkeit elektrisch leitfähig verbunden sind, jedoch handelt es sich bei diesen Maßnahmen - wie vorstehend aufgezeigt - lediglich um eine routinemäßige Anwendung des dem Fachmann zur Verfügung stehenden Wissens und Könnens hinsichtlich eines dem Systemumfeld angepaßten Leiterplatten-Aufbaus, einschließlich dazugehöriger Leiterbahnführung, unter der Randbedingung, Ressourcen wirtschaftlich einzusetzen, insbesondere unnötigen Aufwand zu vermeiden. Dabei wird der Rahmen fachmännischen Handelns nicht verlassen. Auch sind überraschende kombinatorische Wirkungen, die diese Schlußfolgerung in Frage stellen könnten, nicht ersichtlich.
e) In Anbetracht der Sachlage kann die Frage, ob die Fassungen der Patentansprüche zulässig sind, dahingestellt bleiben.
Dr. Hartung Martens Dr. Zehendner Groß
Be
BPatG:
Beschluss v. 20.04.2005
Az: 20 W (pat) 25/03
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