Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 28. November 2013
Aktenzeichen: 1 K 6230/11
(VG Köln: Urteil v. 28.11.2013, Az.: 1 K 6230/11)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist die Weitergabe von Rufnummern durch Netzbetreiber zu Abrechnungszwecken, nachdem (0)137er Rufnummern angerufen worden sind. (0)137er Rufnummern werden als Rufnummern für Massenverkehr zu bestimmten Zielen bezeichnet (MABEZ-Rufnummern). MABEZ-Dienste werden meist von Veranstaltern von Fernseh- oder Radiosendungen genutzt, in denen Zuschauer oder Hörer aufgefordert werden, an Gewinnspielen oder telefonischen Abstimmungen teilzunehmen. Dieser Dienst ist durch ein hohes Verkehrsaufkommen in kurzen Zeitintervallen mit grundsätzlich kurzer Belegungsdauer zu einem Ziel gekennzeichnet. Bei der Abstimmung wird durch den Anruf für oder gegen eine Auswahlmöglichkeit gestimmt und der Anruf dann beendet, ohne dass es dazu eines Gesprächs bedarf. Bei Gewinnspielen in Hörfunk und Fernsehen, bei denen meist nur ein Teilnehmer für ein Gespräch durchgestellt wird, werden MABEZ-Dienste ebenfalls eingesetzt.
Unter anderem der Klägerin wurde durch die Beklagte ein (0)137er Rufnummernblock originär zugeteilt. Der hier fragliche MABEZ-Anbieter hat die (0)137er Rufnummern von der Klägerin abgeleitet zugeteilt erhalten. Der MABEZ-Anbieter wird in dieser Konstellation als der sogenannte B-Teilnehmer bezeichnet, weil er der angewählte Teilnehmer ist. Der anrufende Teilnehmer ist der A-Teilnehmer, weil er die Verbindung durch seine Wahl eingeleitet hat. Der Verbindungsaufbau erfolgt über dessen Teilnehmernetzbetreiber, gegebenenfalls über weitere Netze und schließlich über das Netz der Klägerin an den B-Teilnehmer. Die Leistung der Klägerin besteht in der technischen Übertragung des Signals über ihr Netz. Der B-Teilnehmer einer (0)137er Rufnummer bietet regelmäßig keine eigene technische Übertragungsleistung, sondern eine andere Leistung an. Dies sind meist die Teilnahme an einem Gewinnspiel oder an einer Abstimmung. Während des Anrufs oder durch den Anruf wird die fragliche Leistung erbracht; die Leistungserbringung endet mit dem Telefonat. Die Bezahlung des Vorgangs erfolgt durch den A-Teilnehmer über die Telefonrechnung, wobei die Telekommunikationsleistung und die Leistung des B-Teilnehmers gegenüber dem A-Teilnehmer einheitlich abgerechnet werden. Zwischen der Klägerin und dem B-Teilnehmer wird der vom Netzbetreiber des Anrufers vereinnahmte Betrag abgerechnet. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin die Rufnummer der A-Teilnehmer weitgehend vollständig oder generell nur in teilanonymisierter Form an den B-Teilnehmer weitergeben darf.
Unter dem 17.02.2011 versandte die Beklagte Anschreiben an alle Unternehmen, denen (0)137er Rufnummernblöcke zugeteilt waren und bat um Auskunft, welche Daten weitergegeben werden, wenn es zu Anrufen an die abgeleiteten Zuteilungsnehmer (B-Teilnehmer) kommt.
Die W. AG teilte für die von dieser Anfrage betroffene W. T. GmbH dazu mit, dass der mit ihr vertraglich verbundene MABEZ-Anbieter die Datensätze von einer zu Reportingszwecken eingerichteten Plattform exportieren könne. Die Rufnummern der A-Teilnehmer würden im Fall der Rufnummernunterdrückung anonymisiert, indem die letzten drei Ziffern der Nummer durch ein X ersetzt würden.
Die Beklagte wies die W. AG in der Folgezeit darauf hin, dass die Rufnummern aller Anschlüsse nur in gekürzter Form weitergegeben werden dürften, nicht nur im Fall der Rufnummernunterdrückung. Die Gestaltung der Einzelverbindungsnachweise bei eingehenden Anrufen richte sich nach § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG. Abgeleitete Zuteilungsnehmer, die durch eingehende Anrufe Einnahmen verbuchen könnten (Mehrwertdienste) müssten in der Lage sein, eingehende Anrufe und Einnahmen abgleichen zu können. Die Rufnummern dürften allerdings nur in gekürzter Form dargestellt werden. Die Beklagte bat um Bestätigung, dass die W. T. GmbH die Rechtslage ebenso einschätze und die Rufnummernweitergabe anpasse.
Die W. AG hielt an ihrer Rechtsansicht fest und nahm zur näheren Begründung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bezug. Sie meinte, der BGH halte den Anbieter des Mehrwertdienstes für den Vertragspartner des Anrufers. Daher sei nicht nachvollziehbar, warum der Anbieter keine Kenntnis von der vollen Rufnummer seines Vertragspartners haben dürfe. Der Anbieter sei als Diensteanbieter anzusehen, weil er im Sinne des § 3 Nr. 25 TKG einen telekommunikationsgestützten Dienst anbiete. Damit sei er nicht nur ein Teilnehmer im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG.
Mit Datum vom 01.08.2011 erließ die Beklagte einen an die W. AG adressierten Bescheid mit dem Tenor,
"1. Die Firma W. T. GmbH vertreten durch die W. AG wird verpflichtet, die Verfahren der Übermittlung der Call Data Records an die abgeleiteten Zuteilungsnehmer von (0)137er Rufnummern insoweit umzustellen, dass die Rufnummern der A-Teilnehmer um drei Stellen gekürzt werden.
2. Die Umstellung der Verfahren wird bis zum 22.08.2011 durchgeführt.
3. Für den Fall, dass Sie meiner Anordnung nicht fristgemäß nachkommen sollten, drohe ich Ihnen gemäß § 115 Absatz 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 I. V. m. § 102 Absatz 1 Satz 1 TKG, § 13 Absatz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro an."
Wegen der Begründung wird auf die Seiten 19 (oberer Absatz) und 20 (ab 2. Absatz) des Verwaltungsvorgangs Bezug genommen. Unter dem 09.08.2011 berichtigte die Beklagte den Bescheid wegen eines fehlerhaften Normenzitats, sodass es nunmehr unter Ziffer 3. des Bescheides hieß:
"Für den Fall, dass Sie meiner Anordnung nicht fristgemäß nachkommen sollten, drohe ich Ihnen gemäß §§ 11, 13 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro an."
Noch im August 2011 legte die W. AG, vertreten durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin Widerspruch mit dem Antrag ein, den Bescheid vom 01.08.2011/09.08.2013 aufzuheben. Zur Begründung hieß es unter anderem, die getroffenen Anordnungen sowie die damit verbundene Androhung der Zwangsmittel seien rechtswidrig und verletzten die W. in ihren Rechten zur Verarbeitung der Daten nach § 97 Abs. 1 Satz 2 TKG sowie § 97 Abs. 4 TKG. Sowohl die W. als auch der Anbieter der (0)137-Dienste seien Diensteanbieter nach § 3 Nr. 6 TKG. Die Eigenschaft des (0)137-Anbieters als Diensteanbieter ergebe sich nach ständiger BGH-Rechtsprechung daraus, dass er gegenüber dem Anrufer der Anbieter sowohl der Verbindungs- als auch der Inhaltsleistung sei. Wer auf diese Weise geschäftsmäßig Verbindungsleistungen und damit Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG anbiete, sei unzweifelhaft Diensteanbieter nach § 3 Nr. 6 TKG.
Mit Bescheid vom 13.10.2011 wies die Beklagte den "Widerspruch der W. AG" zurück. Dazu hieß es im Wesentlichen, die Beklagte habe die W. T. GmbH mit Schreiben vom 17.02.2011 aufgefordert, Auskunft über etwaige Verfahren der Datenübermittlung an abgeleitete Zuteilungsnehmer von (0)137er-Rufnummern zu erteilen. Die W. AG (vertretungsberechtigte Muttergesellschaft) habe dann für die W. T. GmbH Stellung genommen und die Ansicht vertreten, diese sei berechtigt, die fraglichen Rufnummern ungekürzt und nicht anonymisiert weitergeben zu dürfen. Diese Ansicht sei unzutreffend.
Gemäß § 96 TKG dürfe der Diensteanbieter Verkehrsdaten nur für bestimmte Zwecke verwenden. § 96 Abs. 2 TKG weise ausdrücklich auf die Unzulässigkeit einer darüber hinausgehenden Verwendung hin. Bei Verkehrsdaten handele es sich um hochsensible Daten, die unter das Fernmeldegeheimnis fielen und grundrechtlich geschützt seien. Demnach bedürfe es eines ausdrücklichen Erlaubnistatbestandes für eine Verwendung dieser Daten. Die A-Rufnummer eines eingehenden Anrufes sei ein Verkehrsdatum nach § 3 Nr. 30 TKG. Ein nach § 96 Abs. 1 TKG bestimmter Zweck sei in § 97 Abs. 1 Satz 2 TKG geregelt. Hiernach dürfe der Betreiber eines öffentlichen Telefonnetzes dem Diensteanbieter, der seine Dienste über dieses Netz erbringe, die für die Erbringung von dessen Diensten erhobenen Verkehrsdaten übermitteln. Die Widerspruchsführerin sei Betreiberin eines öffentlichen Telefonnetzes. Ein Diensteanbieter sei nach § 3 Nr. 6 TKG jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringe. Ein Telekommunikationsdienst sei gem. § 3 Nr. 24 TKG ein Dienst, der ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehe.
Bei den abgeleiteten Zuteilungsnehmern von (0)137er Rufnummern handele es sich um Anbieter sogenannter MABEZ-Dienste, deren wirtschaftlicher Schwerpunkt in der Inhaltsleistung liege. Mehrwertdienste fielen unter die gesetzliche Definition der telekommunikationsgestützten Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG. Hierbei handele es sich um Dienste, die keinen räumlich und zeitlich trennbaren Leistungsfluss auslösen, sondern bei denen die Inhaltsleistung noch während der Telekommunikationsverbindung erfüllt werde. Allerdings sei der Anbieter eines telekommunikationsgestützten Dienstes nach § 3 Nr. 25 TKG gleichzeitig kein Diensteanbieter nach § 3 Nr. 6 TKG.
Ein weiterer nach § 96 Abs. 1 TKG zulässiger Zweck für die Übermittlung der Verkehrsdaten sei nach der Widerspruchsführerin in § 97 Abs. 4 TKG zu sehen. Hiernach dürfe der Diensteanbieter Verkehrsdaten verwenden, soweit es für die Abrechnung des Diensteanbieters mit anderen Diensteanbietern oder mit deren Teilnehmern sowie anderer Diensteanbieter mit ihren Teilnehmern erforderlich sei. Einen weiteren zulässigen Zweck für eine Verwendung von Verkehrsdaten regele § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG. Die Regelung finde grundsätzlich in solchen Fällen Anwendung, in denen der Teilnehmer die Kosten für die eingehenden Anrufe ganz oder teilweise übernehme (Free-Call-Nummern, Shared-Cost-Nummern). Hier müsse dem abgeleiteten Zuteilungsnehmer ein Abgleich seiner Kosten mit den stattgefundenen Verbindungen möglich sein. Es sei jedoch auch anerkannt, dass abgeleitete Zuteilungsnehmer, die durch die eingehenden Anrufe Einnahmen verbuchten (Mehrwertdienste), in gleicher Weise einen Abgleich der Einnahmen mit den eingehenden Anrufen vornehmen können sollten. Deshalb werde die Übermittlung eines "umgekehrten Einzelverbindungsnachweises" auch in diesem Fall als zulässig angesehen. Die Rufnummern der Anschlüsse, von denen die Anrufe ausgehen, dürften jedoch ausschließlich in gekürzter Form dargestellt werden. Eine Unterscheidung hinsichtlich unterdrückter und nicht unterdrückter Rufnummern sei nicht vorgesehen.
Am 15.11.2011 haben die W. AG und die W. T. GmbH Klage erhoben.
Sie haben zunächst das Begehren verfolgt, den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 13.10.2011 aufzuheben und hilfsweise festzustellen, dass der Widerspruchsbescheid wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit nichtig sei. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.02.2012 erklärt hatte, dass sich der angefochtene Bescheid lediglich an die W. T. GmbH richte, hat die W. AG ihre Klage mit Schriftsatz vom 27.09.2012 zurückgenommen. Das Gericht hat das insoweit abgetrennte Verfahren mit Beschluss vom 02.10.2012 eingestellt (1 K 5685/12).
Die W. T. GmbH ist mit Gesellschafterbeschluss vom 18.11.2011 zur W. E2. GmbH umfirmiert worden, was am 24.11.2011 ins Handelsregister eingetragen worden ist (HRB 00000, AG Stuttgart). Zugleich wurde der Firmensitz nach Düsseldorf verlegt.
Zur Begründung der Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus:
Die bisher von ihr praktizierte Datenweitergabe sei rechtmäßig, weil es sich bei den (0)137-Anbietern um "Diensteanbieter" im Sinne des § 97 TKG handele. Dies ergebe sich unter anderem aus der ständigen BGH-Rechtsprechung. Der BGH habe bestätigt, dass die (0)137-Anbieter sowohl Diensteanbieter im Sinne des § 97 TKG als auch originäre Forderungsinhaber seien. Zuletzt mit Urteil vom 14.06.2012 habe der BGH ausdrücklich bekräftigt, dass die Anbieter der telekommunikationsgestützten Dienste als "Diensteanbieter" im Sinne von § 97 TKG gelten und zudem originärer Forderungsinhaber seien. In dem Urteil heiße es zur Stellung der Anbieter telekommunikationsgestützer Dienste als "Diensteanbieter" (zitiert nach juris, Rz. 13) ausdrücklich:
"Die in § 97 TKG mit näheren Maßgaben ausgestaltete Befugnis zur Verwendung von Verkehrsdaten erstreckt sich allerdings auch auf die Anbieter telekommunikationsgestützter Dienste (§ 3 Nr. 25 TKG) und dabei insbesondere auch auf die Anbieter von Premium-Diensten (nach bisheriger Terminologie Mehrwertdienste) gemäß § 3 Nr. 17a TKG. § 97 TKG gebraucht zur Bezeichnung des zur Verwendung der Verkehrsdaten berechtigten Normadressaten zwar nur den Begriff des Diensteanbieters."
Der BGH erkenne zwar, dass die Anbieter der telekommunikationsgestützten Dienste nicht direkt nach dem Wortlaut unter den Begriff des Diensteanbieters nach § 3 Nr. 6 TKG fielen. Der BGH stelle aber ausdrücklich fest, dass die Anbieter der telekommunikationsgestützten Dienste bei "einer Auslegung" des § 97 TKG als Diensteanbieter gelten würden und jedenfalls die datenschutzrechtliche Regelungen des § 97 TKG für sie gelte. Ferner bekräftige er seine bisherige Rechtsprechung, dass die Anbieter der telekommunikationsgestützten Dienste originärer Vertragspartner des Anrufers seien, und zwar hinsichtlich des einheitlichen Anspruchs aus Telekommunikationsleistung und Inhaltsleistung. Es stehe damit außer Zweifel, dass die Klägerin die Datenübermittlung an die (0)137-Anbieter auf § 97 Abs. 1, S.2 und Abs. 4 sowie Abs. 5 TKG stützen könne.
Die Beklagte könne in diesem Zusammenhang nicht erfolgreich geltend machen, dass der Teilnehmernetzbetreiber abrechne und es daher keiner weiteren Abrechnung bedürfe. Es sei unstrittig, dass der Teilnehmernetzbetreiber den maßgeblichen Teil des (0)137-Entgeltes nicht behalte, sondern nach dem Interconnectionvertrag mit der Klägerin abrechne, die ihrerseits wieder mit dem (0)137-Anbieter abrechne.
Die Beklagte könne sich auch nicht damit verteidigen, der BGH habe primär über zivilrechtliche Fragen und nicht über datenschutzrechtlichen Fragen entschieden. Der BGH habe in seinem Urteil vom 14.06.2012 ausdrücklich gerade zur Frage des Datenschutzes Stellung genommen. Zum anderen entscheide der Datenschutz nicht darüber, wer Vertragspartner und Forderungsinhaber werde. Insofern habe das Datenschutzrecht die zivilrechtliche Sach- und Rechtslage zu Grunde zu legen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2011 betreffend die Übermittlung von (0)137er Rufnummern einschließlich der Berichtigung vom 09.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 13.10.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt dazu im Wesentlichen aus: Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG habe die Beklagte die Aufgabe, die Einhaltung der Vorschriften des 7. Teils des TKG durch Anordnungen oder andere geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Die von der Klägerin praktizierte Bereitstellung ungekürzter Rufnummern von A-Teilnehmern an abgeleitete Zuteilungsnehmer von (0)137er Rufnummern verstoße gegen den 7. Teil des TKG. Der Klägerin sei es nach § 88 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 1 TKG zunächst grundsätzlich untersagt, Rufnummern der A-Teilnehmer an Dritte weiterzugeben. Die Weitergabe sei nur zulässig, wenn eine gesetzliche Vorschrift dies erlaube. Als gesetzlicher Erlaubnistatbestand komme in der vorliegenden Konstellation allein § 96 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG in entsprechender Anwendung in Betracht. Nach diesen Vorschriften sei die Weitergabe der Rufnummer des A-Teilnehmers an den abgeleiteten Zuteilungsnehmer von (0)137er Rufnummern nur erlaubt, wenn die Rufnummer um die drei letzten Ziffern gekürzt sei. Die nicht gekürzte Weitergabe der Rufnummern sei entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht auf Grundlage anderer Rechtsvorschriften, etwa des § 97 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 TKG zulässig. Die Klägerin nehme die nach § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG erforderliche Anonymisierung der Rufnummern durch Kürzung der letzten drei Stellen nur bei unterdrückten Rufnummern, nicht aber bei allen Rufnummern vor. Die Klägerin sei daher dazu zu verpflichten gewesen, ihr Verfahren entsprechend der gesetzlichen Vorschriften umzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die nach Klagerücknahme der W. AG noch anhängig gebliebene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der am 09.08.2011 berichtigte Bescheid der Beklagten vom 01.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 13.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG hat die Beklagte die Aufgabe, die Einhaltung des 7. Teils des TKG und der auf Grund dieses Teils ergangenen Rechtsverordnungen sowie der jeweils anzuwendenden Technischen Richtlinien sicherzustellen. Das von der Klägerin bislang praktizierte Verfahren der grundsätzlich ungekürzten Weitergabe von A-Rufnummern an B-Teilnehmer verstößt gegen § 88 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 TKG und § 96, § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG.
Der Klägerin ist es im Regelfall untersagt, Verkehrsdaten der A-Teilnehmer an Dritte weiterzugeben. Nach § 88 Abs. 1 Satz 1 TKG unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihrer näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war, dem Fernmeldegeheimnis. Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift ist zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses jeder Diensteanbieter verpflichtet. Diensteanbieter ist gemäß § 3 Nr. 6 TKG jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt ( a)) oder hieran mitwirkt ( b)). Ein Telekommunikationsdienst ist nach § 3 Nr. 24 TKG ein in der Regel gegen Entgelt erbrachter Dienst, der ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze besteht, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen. Die nach § 6 TKG als Telekommunikationsdiensteanbieter gemeldete Klägerin bietet neben sonstigen Diensten Telekommunikationsdienste in diesem Sinne an. Nach ihrer Selbstdarstellung im Internet zeichne es sie aus, dass sie über ein hochmodernes und leistungsfähiges Glasfasernetz mit einer Gesamtlänge von über 52.000 Kilometern in ganz Deutschland verfüge. Dies mache sie zum einzigen Telekommunikationsanbieter neben der Deutschen Telekom, der über eine so umfassende und engmaschige eigene Infrastruktur verfüge,
http://www.W. .de/ .
Damit ist sie nach § 88 Abs. 2 Satz 1 TKG zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet.
Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen nach § 88 Abs. 1 Satz 1 TKG der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände. Dazu gehört nicht nur der im Rahmen einer Kommunikation übermittelte Gesprächsinhalt. Telekommunikation ist der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen (§ 3 Nr. 22 TKG). Dabei fallen Dateninformationen an, die Verkehrsdaten. Es handelt sich um die Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden können (§ 3 Nr. 30 TKG). Dazu gehören ersichtlich auch die Nummer oder Kennung der beteiligten Anschlüsse (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TKG), der Beginn und das Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum und Uhrzeit (Nr. 2) und sonstige zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation sowie zur Entgeltabrechnung notwendige Daten (Nr. 5). Diese Daten werden als Call Detail Record bzw. als Call Data Record oder als Kommunikationsdatensatz (CDR) bezeichnet und enthalten die Informationen, welche für ein Abrechnungssystem benötigt werden. Die Kommunikationsdatensätze, die die Rufnummer des anrufenden A-Teilnehmers, den Zeitpunkt und die Dauer der Verbindung enthalten, sind damit unzweifelhaft Verkehrsdaten, die dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses des Art. 10 Abs. 1 GG unterfallen.
§ 88 Abs. 3 TKG konkretisiert die sich daraus ergebende Verpflichtung, das Fernmeldegeheimnis zu wahren. Nach dieser Vorschrift ist es dem Diensteanbieter untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Sie dürfen Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur für den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. Eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht (Satz 3).
Das grundsätzliche Verbot umfasst nach § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG ausdrücklich die Weitergabe an Dritte. Der abgeleitete Zuteilungsnehmer von (0)137er Rufnummern (B-Teilnehmer) ist Dritter. Mit dem grundsätzlichen Verbot der Verwendung und Weitergabe dieser Daten entspricht der Gesetzgeber seinen durch das Fernmeldegeheimnis begründeten Schutzpflichten. Die Verwendung von Verkehrsdaten ist nach § 88 Abs. 3. Satz 3 TKG daher nur zulässig, wenn dies ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand zulässt. Damit ist es der Klägerin als TK-Diensteanbieterin nach § 88 Abs. 3 Satz 3 TKG vorbehaltlich eines gesetzlichen Erlaubnistatbestands untersagt, die Rufnummern der A-Teilnehmer an den B-Teilnehmer weiterzugeben.
Eine Befugnis zur Weitergabe der A-Rufnummern kann nach § 96 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG bestehen. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 TKG darf der Diensteanbieter die in den Nummern 1 bis 5 genannten Verkehrsdaten erheben, wozu nach den obigen Ausführungen auch die hier relevanten Daten gehören. § 96 Abs. 1 Satz 2 TKG bestimmt, dass diese Verkehrsdaten nur verwendet werden dürfen, soweit dies für die in Satz 1 genannten oder durch andere gesetzliche Vorschriften begründeten Zwecke oder zum Aufbau weiterer Verbindungen erforderlich ist. Im Übrigen sind Verkehrsdaten vom Diensteanbieter nach Beendigung der Verbindung unverzüglich zu löschen, und eine über Absatz 1 hinausgehende Erhebung oder Verwendung der Verkehrsdaten ist unzulässig (Absatz 2).
§ 99 Abs. 1 Satz 7 TKG bestimmt, dass einem Teilnehmer, der zur vollständigen oder teilweisen Übernahme der Entgelte für Verbindungen verpflichtet ist, die bei seinem Anschluss ankommen, die Nummern der Anschlüsse, von denen die Anrufe ausgehen, mitzuteilen sind. In dem für ihn bestimmten Einzelverbindungsnachweis hat eine Kürzung um die letzten drei Ziffern zu erfolgen. Zweifelhaft ist bereits, ob derjenige, der "zur vollständigen oder teilweisen Übernahme der Entgelte für Verbindungen verpflichtet ist", der A-Teilnehmer oder der B-Teilnehmer sein kann. In der vorliegenden Konstellation muss der B-Teilnehmer nicht das Entgelt für die bei ihm eingehenden Anrufe zahlen; vielmehr profitiert er von ihnen. Wollte man annehmen, dem angerufenen B-Teilnehmer dürften gleichwohl nach dieser Vorschrift die Nummern der A-Teilnehmer in einem Einzelverbindungsnachweis mitgeteilt werden, wären die A-Rufnummern nach dem Gesetz um die letzten drei Ziffern zu kürzen, wie es die Beklagte verfügt hat.
Die Klägerin begründet die ungekürzte Übermittlung von nicht unterdrückten A-Rufnummern an den B-Teilnehmer mit den Erlaubnistatbeständen des § 97 Abs. 1 Satz 2 TKG und des § 97 Abs. 4 TKG. Dies greift ebenfalls nicht durch. Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 TKG dürfen Diensteanbieter die in § 96 Abs. 1 TKG aufgeführten Verkehrsdaten verwenden, soweit die Daten zur Ermittlung des Entgelts und zur Abrechnung mit ihren Teilnehmern benötigt werden. Damit ist die Verwendung der fraglichen Daten für eigene Zwecke des Diensteanbieters zulässig; die Weitergabe an Dritte ist davon nicht umfasst. Dazu bedarf es eines gesonderten Erlaubnistatbestandes, weil die Weitergabe von grundrechtsgeschützten Daten an Dritte ein vertiefender und weitergehender Eingriff in die Grundrechtsposition ist.
Insoweit sieht § 97 Abs. 1 Satz 2 TKG vor, dass der Betreiber des öffentlichen Telefonnetzes dem Diensteanbieter die für die Erbringung von dessen Diensten erhobenen Verkehrsdaten übermitteln darf, wenn der Diensteanbieter seine Dienste über ein öffentliches Telefonnetz eines fremden Betreibers erbringt. Die Vorschrift erlaubt dem Betreiber eines öffentlichen Telefonnetzes, Verkehrsdaten an einen Diensteanbieter weiterzugeben. Die Klägerin als Betreiberin eines öffentlichen Telefonnetzes ist damit zur (ungekürzten) Weitergabe der A-Rufnummern befugt, wenn der B-Teilnehmer Diensteanbieter im Sinne des Gesetzes wäre.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der B-Teilnehmer überhaupt einen Dienst erbringt. Das TKG definiert zwar unterschiedliche "Dienste". Ausdrücklich definiert sind im TKG etwa der Auskunftsdienst (§ 3 Nr. 2a TKG), der Dienst mit Zusatznutzen (§ 3 Nr. 5 TKG), der entgeltfreie Telefondienst (§ 3 Nr. 8a TKG), der Service-Dienst (§ 3 Nr. 8b TKG), das geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten (§ 3 Nr. 10 TKG), die verschiedenen Kurzwahl-Dienste (§ 3 Nr. 11a. - 11c TKG), der Massenverkehrs-Dienst (§ 3 Nr. 11d TKG), die neuartigen Dienste (§ 3 Nr. 12a. TKG), der Premium-Dienst (§ 3 Nr. 17a TKG), die Telekommunikationsdienste (§ 3 Nr. 24 TKG) und der telekommunikationsgestützte Dienst (§ 3 Nr. 25 TKG). Damit wird für die jeweiligen Regelungszusammenhänge innerhalb des TKG eine konkretisierende Definition zur Verfügung gestellt, ohne dass damit ein umfassender Begriff des Dienstes geschaffen wird. Die Anbieter der verschiedenen "Dienste" im Sinne des Gesetzes sind nicht zwingend zugleich Diensteanbieter im Sinne des § 3 Nr. 6 TKG, können es allenfalls im Einzelfall sein.
Diensteanbieter in dem hier maßgebenden Sinne ist daher jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt (§ 3 Nr. 6 TKG). Nach § Nr. 24 TKG sind Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen. Dies sind die B-Teilnehmer nicht, weil sie die Anrufe aus den zuführenden Telekommunikationsnetzen entgegennehmen und dann während des laufenden Anrufs die gefragten Dienste erbringen, also etwa die Entgegennahme von Äußerungen oder eine Abstimmung oder Auslosung der Anrufer. Damit handelt es sich um "telekommunikationsgestützte Dienste" im Sinne des § 3 Nr. 25 TKG. Dies sind Dienste, die keinen räumlich und zeitlich trennbaren Leistungsfluss auslösen, sondern bei denen die Inhaltsleistung noch während der Telekommunikationsverbindung erfüllt wird. Durch diese Dienstleistung wird der B-Teilnehmer nicht zum Diensteanbieter im Sinne des Gesetzes. Dies ist durch die Anknüpfung an die Begrifflichkeit des § 3 Nr. 24 TKG nur, wer Telekommunikationsdienste erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt (§ 3 Nr. 6 TKG). Diese Definition bezieht sich auf die selbst erbrachten Telekommunikationsdienste oder die Mitwirkung an der Erbringung von Telekommunikationsdiensten. Der MABEZ-Dienst hat an den eigentlichen Telekommunikationsdiensten nur insoweit teil, als er der B-Teilnehmer und damit das Ziel der Wählverbindung ist. Er nimmt den Anruf entgegen und ermöglicht über die Fälle der Abstimmung hinaus verschiedentlich auch, ein Gespräch zu führen (Interviews u.ä.). Der Schwerpunkt des angebotenen Dienstes im Sinne des § 3 Nr. 6, Nr. 24 TKG muss allerdings auf der technischen Übertragungsleistung, dem technischen Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen liegen (vgl. § 3 Nr. 22 TKG) und nicht auf der während bzw. mittels der Telekommunikation erbrachten Inhaltsleistung. Der Dienst des B-Teilnehmers besteht damit nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen. Im Mittelpunkt des "Dienstes" eines abgeleiteten Zuteilungsnehmers stehen Inhalte, nämlich die Teilnahme an einem Gewinnspiel oder die Teilnahme am sogenannten Televoting.
Der B-Teilnehmer - hier der abgeleitete Zuteilungsnehmer von (0)137er Rufnummern - erbringt neben der Inhaltsleistung auch geschäftsmäßig Verbindungsleistungen, Schwerpunkt ist aber die Inhaltsleistung und deren Erbringung während des Telekommunikationsvorgangs (telekommunikationsgestützter Dienst, § 3 Nr. 25 TKG).
Nach der zutreffenden Ansicht der Beklagten ist der B-Teilnehmer auch nicht Inhaber einer Forderung über eine solche Leistung gegenüber dem A-Teilnehmer. Bei der Inanspruchnahme einer Inhaltsleistung über eine (0)137er Rufnummern tritt im Fall einer störungsfreien Vertragsabwicklung allein der Teilnehmernetzbetreiber des anrufenden A-Teilnehmers als dessen Vertragspartner und Leistungserbringer auf, soweit die Telekommunikationsleistung betroffen ist. Die für die Einordnung als Diensteanbieter relevante Telekommunikationsleistung wird nicht vom B-Teilnehmer erbracht oder von diesem abgerechnet. Der Teilnehmernetzbetreiber des anrufenden A-Teilnehmers rechnet im OnlineBilling-Verfahren über die Telefonrechnung die Inhaltsleistung des abgeleiteten Zuteilungsnehmers von (0)137er Rufnummern nur einheitlich ab und reicht die vereinnahmten Beträge an seine Interconnectionpartner weiter.
Anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs,
vgl.: BGH, Urteil vom 28.07.2005 — III ZR 3/05, Urteil vom 20.10.2005 — III ZR 37/05, Urteil vom 16.11.2006 — III ZR 58/06 Urteil vom 14.06.2012, III ZR 227/11, jeweils zitiert nach juris.
Für die hier streitgegenständliche datenschutzrechtliche Fragestellung, wer Diensteanbieter i.S.d. § 3 Nr. 6 TKG ist, kann den zitierten Entscheidungen aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen und Problemstellungen des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts ohnehin eine nur begrenzte Aussagekraft zukommen. Sie sind vorliegend nicht einschlägig, weil sich die zu Grunde liegenden Fallgestaltungen grundlegend unterscheiden. In den zitierten Entscheidungen wird die Datenweitergabe in dem so genannten Offline-Billing-Verfahren behandelt. Anders als bei dem für MABEZDienste einschlägigen Online-Billing-Verfahren tritt im Offline-Billing-Verfahren nach Abtretungserklärung der Mehrwertdienstanbieter oder ein Dritter gegenüber dem anrufenden A-Teilnehmer als Forderungsinhaber auf, woraus sich grundlegend andere Rechtsprobleme als beim Online-Billing ergeben. In diesem Verfahren kommt es auf den Wunsch des B-Teilnehmers, die Rufnummer mitgeteilt zu bekommen, nicht an. Wenn die Leistung bezahlt wird, bleibt der A-Teilnehmer nach dem Willen des Gesetzgebers für ihn anonym. Er darf die grundrechtlich geschützten Verkehrsdaten nur erhalten, soweit es das Gesetz erlaubt. Wird nicht gezahlt, werden ihm die Daten zur Verfügung gestellt, § 97 Abs. 5 TKG. Ob der B-Teilnehmer diese Daten dann an Dritte weitergeben dürfte, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Zudem ist aus Sicht der Kammer kein Grund erkennbar, warum die Klägerin in diesem Zusammenhang bestehende zivilrechtliche und wirtschaftliche Interessen des B-Teilnehmers geltend machen können will.
Schließlich gebietet auch der Abrechnungszweck des § 97 Abs. 4 TKG nicht die ungekürzte Weitergabe der A-Rufnummern. Der Netzbetreiber zieht auch die fremde Forderung des B-Teilnehmers wie eine eigene Forderung beim A-Teilnehmer ein und rechnet ab. Dafür ist es - wie es auch die Praxis der Klägerin zeigt - nicht erforderlich, dem B-Teilnehmer in diesem Zusammenhang die Identität des anrufenden A-Teilnehmers mitzuteilen. Ist der Einzug der Forderung durch den Teilnehmernetzbetreiber des A-Teilnehmers nicht erfolgreich, gilt § 97 Abs. 5 TKG. Dann darf der Diensteanbieter dem B-Teilnehmer Bestands- und Verkehrsdaten übermitteln, soweit diese im Einzelfall für die Durchsetzung der Forderungen des Dritten gegenüber seinem Teilnehmer erforderlich sind.
Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG kann die Beklagte aufgrund dieser Verstöße Anordnungen und andere Maßnahmen treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des Teils 7 des Telekommunikationsgesetzes und der auf Grund dieses Teils ergangenen Rechtsverordnungen sowie der jeweils anzuwendenden Technischen Richtlinien sicherzustellen. Im Fall der unzulässigen Rufnummernweitergabe hat die Beklagte gegen einen derartigen Verstoß grundsätzlich vorzugehen, weil dies zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses geboten ist. Auch ihr Auswahlermessen hinsichtlich der geeigneten Abhilfemaßnahmen hat die Beklagte fehlerfrei ausgeübt, nachdem die Klägerin nicht bereit war, ihre Praxis freiwillig zu ändern.
Die Beklagte durfte insbesondere auch anordnen, dass das Verfahren der Übermittlung der Datensätze an die abgeleiteten Zuteilungsnehmer insoweit umzustellen ist, dass die Rufnummern der A-Teilnehmer um drei Stellen gekürzt werden. Dies dient der Anonymisierung der Verkehrsdaten. Diese Anordnung ist auch nicht rechtswidrig, weil selbst die Übermittlung der anonymisierten Daten rechtswidrig wäre. Wie sich aus den obigen Ausführungen zu § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG ergibt, ist der B-Teilnehmer in der hier streitigen Konstellation nicht derjenige, der die Kosten des Anrufs zu tragen hat und dem die Verbindungsdaten übermittelt werden dürfen. Auch eine andere Vorschrift erlaubt nicht, dem B-Teilnehmer die Verkehrsdaten zu übermitteln. Ob § 99 Abs. 1 Satz 7 TKG vorliegend entsprechend angewandt werden kann, wie es die Beklagte annimmt, kann gleichwohl offen bleiben. Denn der Klägerin ist nicht aufgegeben worden, Verkehrsdaten an Dritte weiterzugeben. Die Klägerin wird durch die Annahme der Beklagten, die Weitergabe der teilanonymisierten Rufnummern sei zulässig, aus den genannten Gründen auch nicht in ihren Rechten verletzt.
Eine die Klägerin weniger belastende und dem Schutzzweck in gleicher Weise dienende Maßnahme ist nicht ersichtlich.
Gegen die Frist zur Umsetzung der Anordnung nach Ziffer 1. (Ziffer 2. des Bescheides) ist rechtlich nichts zu erinnern. Da Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen der Bundesnetzagentur keine aufschiebende Wirkung haben, musste die Klägerin der Anordnung nachkommen, § 137 Abs. 1 TKG. Dass und warum die Frist zu knapp bemessen gewesen sein sollte, ist nicht näher vorgetragen worden und nicht erkennbar.
Rechtliche Bedenken gegen die Androhung der Zwangsmittel bestehen nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
VG Köln:
Urteil v. 28.11.2013
Az: 1 K 6230/11
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