Bundesgerichtshof:
Urteil vom 3. Dezember 2002
Aktenzeichen: X ZR 148/99
(BGH: Urteil v. 03.12.2002, Az.: X ZR 148/99)
Tenor
Die Berufung gegen das am 18. März 1999 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 41 37 924 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 18. November 1991 beruht. Die Patentansprüche 1 und 3 lauten in der Fassung, die sie aufgrund eines Einspruchsverfahrens erhalten haben, wie folgt:
"1. Verfahren zum numerisch gesteuerten Schleifen von Nocken
(41)
einer Nockenwelle (40), bei dem in Abhängigkeit von einer vorgegebenen Nockenkontur die Nockenwelle (40) um ihre Längsachse (42) gedreht und zugleich eine Schleifscheibe (26; 35) in einer Richtung senkrecht zur Längsachse (42) zugestellt wird, wobei die Nockenkontur im Anlaufbereich (13 a) und im Ablaufbereich (13 b) des Nockens (41) jeweils eine konkave Krümmung aufweist, dadurch gekennzeichnet, daßderNocken(41)in einer einzigen Aufspannung zunächst mit einer ersten, von einem ersten Spindelstock (27) angetriebenen Schleifscheibe
(26)
vorgeschliffen wird, deren Radius (RS1) sehr viel größer als die minimalen Krümmungsradien (rk min) der konkaven Krümmungen ist, wobei sich gegenüber der Endkontur (52) eine modifizierte Zwischenkontur (51, 51') ergibt, deren minimaler Krümmungsradius im Bereich der konkaven Krümmungen größer als oder gleich groß wie der Radius (SS1) der ersten Schleifscheibe (26) ist, und daß der Nocken (41) dann mit einer zweiten, von einem zweiten Spindelstock (36) angetriebenen Schleifscheibe (35) fertig geschliffen wird, deren Radius (RS2) kleiner als der minimale Krümmungsradius (rk min) der konkaven Krümmung ist.
3. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 oder 2, mit einem ersten Schleifschlitten (22), der in einer Richtung senkrecht zur Längsachse (42) der Nockenwelle (40) beweglich ist und eine erste Schleifscheibe (26) trägt, dadurch gekennzeichne t, daß auf dem ersten Schleifschlitten (22) ein zweiter Schleifschlitten (30) mit einer zweiten Schleifscheibe (35) angeordnet ist, der relativ zum ersten Schleifschlitten (22) ebenfalls in einer Richtung senkrecht zur Längsachse (42) beweglich ist."
Wegen der Patentansprüche 2 und 4 wird auf die Patentschrift 41 37 924 C 2 Bezug genommen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe.
Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter, das deutsche Patent 41 37 924 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte tritt diesem Begehren entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit einem Anspruchssatz mit geändertem Patentanspruch 1.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des ordentlichen Professors Dr.-Ing. T. sowie durch Anhörung dieses Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Streitpatent betrifft das numerisch gesteuerte Schleifen von Nokkenwellen, deren Nocken im Anlaufbereich und im Ablaufbereich eine konkave Endkontur (sog. hohle Flanken) haben. Die Herstellung von Nocken dieser Kontur aus einem Nockenwellenrohling ist nach den Angaben der Streitpatentschrift auf zweierlei Weise möglich. Zur Erzeugung von Nocken mit abschnittsweise konkaven Profilabschnitten können zum einen Maschinen verwendet werden, bei denen der Abtrag (Teil des ursprünglichen Aufmaßes) an dem jeweiligen Nocken durch ein längsschleifendes Band erfolgt. Erwähnt sind insoweit die in der deutschen Patentanmeldung 40 03 409 vorgeschlagene Maschine und die Bandschleifmaschine aus der US-amerikanischen Patentschrift 4 833 834, bei der das Schleifband über einen konvexen Schuh geführt ist, dessen Krümmungsradius kleiner als der Krümmungsradius des konkaven Nockenabschnitts ist. Die andere Möglichkeit besteht in dem Einsatz von rotierenden Schleifscheiben. Diese können entweder senkrecht oder schräg zur Längsachse des aufgespannten Nockenwellenrohlings zugestellt werden, um die sich dieser in Abhängigkeit von der vorgegebenen Nockenkontur dreht. In der Streitpatentschrift werden die mit geneigter Schleifscheibe arbeitenden Systeme als nachteilig abgelehnt, weil sie zu Formfehlern führten. Ausgegangen wird von der Möglichkeit, Scheiben in einer Richtung senkrecht zur Drehachse des Rohlings schleifen zu lassen (Längsschleifen).
Die dem Fachmann zum Anmeldezeitpunkt bekannte und übliche Arbeitsweise insoweit bestand darin, in zwei Arbeitsschritten die Endkontur zu schaffen, indem der Rohling zunächst geschruppt, also (grob) vorgeschliffen, und erst dann im Wege des Schlichtens fertiggeschliffen wurde. Fachmann ist hier -wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat -ein Werkzeugmaschinenkonstrukteur mit mehrjähriger (vier-bis fünfjähriger) Berufspraxis, der nach einem Maschinenbaustudium an einer Fachhochschule oder Technischen Hochschule und nach Aneignung vertiefter Kenntnisse der Fertigungstechnik sich insbesondere auf das Nockenschleifen spezialisiert und hierzu auch ausreichende Kenntnisse von anspruchsvoller Steuerungs-, Regelungs-und Antriebstechnik erworben hat. Diesem Fachmann war -wie dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ebenfalls entnommen werden kann -außerdem bekannt, die Arbeitsschritte entweder auf getrennten Maschinen oder nacheinander auf derselben Maschine durchzuführen. Das Streitpatent geht von der zweiten Möglichkeit aus, weil hierbei der Rohling in einer Aufspannung bearbeitet werden kann, was die bei einem Umspannen möglichen Rundlaufabweichungen vermeidet.
Was die Bearbeitung in einer Aufspannung anbelangt, schildert die Streitpatentschrift zwei Möglichkeiten als bekannt. Bei der aus dem JP-Abstract 54-83 195 ersichtlichen Nockenschleifmaschine benutzt man zwei auf der Welle der Schleifspindel axial nebeneinander angeordnete Schleifscheiben gleichen Durchmessers, die eine zum Vorschleifen, die andere zum Fertigschleifen. Das hat -wie der Fachmann auch ohne ausdrückliche Erwähnung in der Streitpatentschrift zum Anmeldezeitpunkt wußte -den Vorteil, als erste Schleifscheibe eine Scheibe zu verwenden, die dem Zwecke des Schruppens entsprechend von der Rohkontur möglichst große Volumina je Zeiteinheit abtrennen kann, während die zweite Schleifscheibe auf die Herstellung einer maßgenauen Kontur und einer günstigen Oberflächenbeschaffenheit des Nockens ausgerichtet sein kann. Ausführlicher behandelt die Streitpatentschrift ferner die Verwendung einer einzigen Schleifscheibe, die an der jeweiligen Nocke beide Arbeitsschritte nacheinander erledigt. Dies hat den gleichsam selbstverständlichen und deshalb ebenfalls einer ausdrücklichen Erwähnung in der Streitpatentschrift nicht bedürftigen Nachteil, daß die Scheibe vor dem Schruppen auf diese Aufgabe hin und nach dem Schruppen auf das nachfolgende Schlichten hin jeweils besonders konditioniert werden muß. Beiden Alternativen ist hingegen gemeinsam, daß der Durchmesser der verwendeten Schleifscheibe(n) nach dem Krümmungsradius der Kontur im Bereich der hohlen Flanken ausgerichtet ist. Wenn hohle Flanken mit relativ kleinem Krümmungsradius gewünscht sind, wurden im Stand der Technik (eine oder zwei) entsprechend kleine Schleifscheiben zum Vor-und Fertigschleifen verwendet.
Die Streitpatentschrift schildert den Zwang zu Schleifscheiben mit kleinem Durchmesser in mehrerer Hinsicht als nachteilig. Der Einsatz von solchen Scheiben stößt sehr bald an praktische Grenzen, wenn die gesamte Nockenbearbeitung, d.h. sowohl das Schruppen wie auch das Schlichten, mit derselben kleinen Schleifscheibe durchgeführt werden soll: So ergeben sich thermische Probleme an der Schleifscheibenoberfläche. Auch macht es die Spindellagerung problematisch, die erforderlichen Drehzahlen und Antriebsleistungen aufzubringen (vgl. Sp. 1 Z. 47-59 der Streitpatentschrift). In jedem Fall haben kleine Schleifscheiben außerdem eine geringere Lebensdauer, weil große Schleifscheiben weit eher in der Lage sind, bezogen auf dieselbe Standzeit große Volumina an Material zu zerspanen (Sp. 3 Z. 31-35 der Streitpatentschrift).
Die Erfindung soll daher -wie es in Sp. 2 Z. 46 ff. der Streitpatentschrift heißt -ein Verfahren und eine Vorrichtung zum numerisch gesteuerten Schleifen von Nocken einer Nockenwelle, bei dem in Abhängigkeit von einer vorgegebenen Nockenkontur die Nockenwelle um ihre Längsachse gedreht und zugleich eine Schleifscheibe in einer Richtung senkrecht zur Längsachse zugestellt wird, so weiterbilden, daß Nocken mit hohler Flanke schnell, d.h. mit hoher Antriebsleistung, und mit präziser Nockenkontur geschliffen werden können.
2. Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung schlägt hierzu folgendes vor:
1.
Verfahren zum Schleifen von Nocken einer Nockenwelle mit einer Nockenkontur, die im Anlauf-und Ablaufbereich der Nocken jeweils eine konkave Krümmung aufweist.
2.
Das Schleifen wird numerisch gesteuert.
Dabei wird 3.
die Nockenwelle in Abhängigkeit von einer vorgegebenen Nokkenkontur (Endkontur) um ihre Längsachse gedreht, 4.
eine Schleifscheibe zugleich in einer Richtung senkrecht zur Längsachse der Nockenwelle zugestellt, 5.
der Nocken in einer einzigen Aufspannung vor-und fertiggeschliffen, indema) zunächst mit einer ersten Schleifscheibe vorgeschliffen wird,
(1) deren Radius sehr viel größer als die minimalen Krümmungsradien der konkaven Krümmungen ist, b) sich gegenüber der Endkontur eine modifizierte Zwischenkontur ergibt,
(1) deren minimaler Krümmungsradius im Bereich der konkaven Krümmungen größer als oder gleichgroß wie der Radius der ersten Schleifscheibe ist, c) sodann mit einer zweiten Schleifscheibe fertiggeschliffen wird,
(1) deren Radius kleiner als der minimale Krümmungsradius der konkaven Krümmung ist, 6. jede Schleifscheibe von je einem Spindelstock angetrieben.
Hiernach wird - wie es in Sp. 3 Z. 10-31 der Streitpatentschrift auch erläutert ist - die Bearbeitung des Nockens in zwei Abschnitte unterteilt. Eine große Schleifscheibe entfernt in einem ersten Bearbeitungsschritt den wesentlichen Anteil des Übermaßes des Rohlings. Dabei wird bewußt in Kauf genommen, daß im Bereich der vorgesehenen konkaven Krümmungen (vergleichsweise mehr) Material stehenbleibt, das für die große Schleifscheibe infolge deren großen Radius nicht erreichbar ist. Es entsteht dadurch aber keine Kontur, die im Verlauf von derjenigen des Rohlings abhängig ist oder der Endkontur gleicht; vielmehr wird auf eine besondere Kontur hingearbeitet, die im Bereich der vorgesehenen konkaven Krümmungen deutlich von letzterer abweicht. Diese Kontur bezeichnet Patentanspruch 1 als modifizierte Zwischenkontur. Ihr gegenüber der Endkontur vorhandenes Übermaß wird sodann in einem zweiten Schritt weggeschliffen, und zwar indem das in den beiden Bereichen späterer konkaver Krümmung stehengebliebene Material mittels der kleinen Schleifscheibe entfernt wird, die zugleich auch die übrige Endbearbeitung der gewünschten Nockenkontur übernimmt. Die unter Merkmal 5 zusammengefaßten Anweisungen kennzeichnen danach nicht eine bloße Aneinanderreihung von Bearbeitungsschritten, sondern ein gezieltes, aufeinander abgestimmtes Zusammenwirken, das über ein bestimmtes Zwischenprodukt (die sog. modifizierte Zwischenkontur), dessen Gestalt nach Maßgabe des zu bearbeitenden Rohlings, der gewünschten Endkontur und dem, was jede der beiden Schleifscheiben insoweit zu leisten vermag, festzulegen und der Steuerung zu Grunde zu legen ist, zu einem bestimmten Ergebnis führt. Daran, daß dies auch die Sicht des Fachmanns ist, der den Sinngehalt des Patentanspruchs 1 zu ergründen sucht, hat der Senat nach der gerade auch insoweit durchgeführten Befragung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung keine durchgreifenden Zweifel. Prof. Dr.-Ing. T. hat dabei auch bestätigt, Merkmal 5b) werde vom Fachmann in einem kausalen Sinne, der die Lehre kennzeichne, dahin verstanden, daß mit der ersten Schleifscheibe geschliffen werde, bis sich die vom Fachmann zur Optimierung des gesamten Schleifvorgangs gewählte Zwischenkontur eingestellt habe. Auf diese Weise ist es - wie es in Sp. 3 Z. 10-31 der Streitpatentschrift weiter heißt - möglich, der großen Schleifscheibe einen üblichen Antrieb großer Leistung zuzuordnen, während die kleine Schleifscheibe, bei der im Antriebs-bzw. Lagerbereich enge konstruktive Vorgaben zu beachten sind, nur mit einem kleinen Antrieb geringer Leistung versehen werden muß, weil die kleine Schleifscheibe nur in dem Bereich der vorgesehenen konkaven Krümmungen eine größere Materialmenge entfernen muß, im übrigen aber nur einen geringen Anteil des Aufmaßes zu schleifen braucht, wie dies üblicherweise in einem Schlichtschleifvorgang geschieht. Die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen hat ferner ergeben, daß die Anweisungen des Patentanspruchs 1 dem Fachmann als sinnvolle Lösung nur dann erscheinen, wenn maschinenseitig die beiden für das Verfahren notwendigen, jeweils einen eigenen Spindelstockantrieb aufweisenden körperlichen Mittel nicht als an sich lose und nur fallweise beigestellte Vorrichtungen zur Verfügung stehen, sondern integrierter Bestandteil einer für das Verfahren hergerichteten Bearbeitungsmaschine sind. Das geben das Merkmal 2 und die auf die Bearbeitung in einer einzigen Aufspannung gerichtete Anweisung (Merkmal 3) vor, weil sich nur so die Vorteile eines numerischen Steuerns des Schleifens einer Nockenwelle in ihrer durch die Aufspannung definierten Lage ohne weiteres erreichen lassen. Dementsprechend entnimmt der Fachmann diesen beiden Merkmalen, daß das Verfahren nach Patentanspruch 1 vermittels einer Bearbeitungsmaschine dieser Beschaffenheit durchgeführt werden soll.
3. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents ist neu. Keine Entgegenhaltung offenbart ein Verfahren, das alle Merkmale des Patentanspruchs in Kombination aufweist. Das gilt, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt hat, auch für das Schleifen von Nocken einer Nokkenwelle, wie es dem Prospekt der Beklagten über deren CNC-HochleistungsNockenformschleifmaschine ... zum Anmeldezeitpunkt entnommen werdenkonnte. Auf ihr erstinstanzliches Vorbringen, daß der Gegenstand von Patentanspruch 1 durch diese Schrift vorweggenommen sei, ist die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr zurückgekommen.
4. Der Senat hat nicht die für den Erfolg der Nichtigkeitsklage insoweit erforderliche Überzeugung gewinnen können, daß sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 zum Anmeldezeitpunkt für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab.
Da die in Anspruch 1 vorgeschlagene Lösung auf die Verwendung von zwei Schleifscheiben setzt, kann als ihr am nächsten kommend die Verfahrensweise angesehen werden, bei der man im Stand der Technik mit zwei Schleifscheiben desselben Durchmessers arbeitete, wie es in der Streitpatentschrift für die Nockenschleifmaschine nach dem JP-Abstract 54-83 195 angegeben ist. Insoweit war aus dem aus dem Jahre 1977 stammenden Aufsatz von Prof. Dr.-Ing. E. Salje und Dipl.-Ing. W. Redeker auch bekannt, jede Schleifscheibe von je einem Spindelstock antreiben zu lassen (vgl. dort Bild 3, Fig. 21). Diese Schrift behandelt zwar nicht ausdrücklich das Schleifen von Nocken. Dem Hinweis, die Anwendung des Prinzips, mit unterschiedlichen Schleifscheiben zu schruppen und zu schlichten, könne auch auf andere Schleifverfahren wie z.B. Plan-, Zahnflanken-, Gewinde-und Sonderformenschleifverfahren übertragen werden, konnte der Fachmann aber entnehmen, daß die aufgezeigten Möglichkeiten auch beim Schleifen von Nockenscheiben genutzt werden können, weil der Fachmann unter Sonderformenschleifverfahren auch die Bearbeitung von Nocken versteht, wie der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt hat. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, daß dem Fachmann zum Anmeldezeitpunkt ein Verfahren der Merkmale 1, 2, 3, 4, 5, 5 a, 5 c und 6 jedenfalls als naheliegende Möglichkeit zur Verfügung stand. Bestätigung findet diese Annahme in den Ausführungen des schriftlichen Sachverständigengutachtens. Denn darin hat Prof. Dr.-Ing.
T. dargelegt, daß (auch) dann, wenn der Fachmann ausgehend von der bereits erwähnten, die Nockenformschleifmaschine ... behandelnden Schrift, die nach Angaben des Sachverständigen einen zum Anmeldezeitpunkt gängigen Stand der Technik wiedergibt, nach brauchbaren Verbesserungen suchte, es zum Auffinden eines derartigen Verfahrens keiner Gedankenschritte bedurfte, die ohne erfinderisches Bemühen nicht zu leisten gewesen wären.
Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß ein solches Bemühen notwendig war, dieses Verfahren nach Maßgabe der unter 5 zusammengefaßten Merkmale in dem erörterten, durch zielgerichtetes Zusammenwirken von großer und kleiner Schleifscheibe optimierten Sinne zu gestalten. Die Forderung, eine Nokkenkontur mit im Anlauf-und Ablaufbereich konkaven Krümmungen zu schleifen, machte es notwendig, die Kontur mittels einer im Radius mindestens gleich kleinen, vorzugsweise kleineren Scheibe herzustellen. Dem Vorbild aus dem JP-Abstract 54-83 195 entsprechend ergab sich hieraus zwanglos die Folgerung, auch der anderen Scheibe einen derartigen Durchmesser zu geben. Wie der gerichtliche Sachverständige bei seiner Analyse des von ihm behandelten Stands der Technik herausgearbeitet hat, war für das Außenschleifen, zu dem das Schleifen von Nocken gehört, auch dem im Verfahren dem Streitpatent entgegengehaltenen Stand der Technik nichts anderes zu entnehmen. Hinweise auf die Verwendung zweier Schleifscheiben, die nacheinander aus dem in einer Aufspannung sich drehenden Rohling Nocken herausarbeiten, enthalten ohnehin nur die bereits erwähnte Schrift von Salje und Redeker sowie der aus dem Jahre 1989 stammende Aufsatz von H. K. Tönshoff und W. Heuer, die deutsche Patentschrift 678 981 und die Abhandlung im Research Disclosure vom Dezember 1986. In der Schrift von Salje und Redeker ist die Verwendung von zwei Schleifscheiben jedoch nur deshalb als vorteilhaft dargestellt, weil auf diese Weise den sich beim Schruppen einerseits und beim Schlichten andererseits jeweils bestehenden unterschiedlichen Notwendigkeiten durch jeweils hiernach ausgelegte Gestaltung der Schleifeigenschaften der Schleifscheiben Rechnung getragen werden kann; daß durch in anderer Weise, nämlich hinsichtlich ihres Durchmessers, unterschiedliche Schleifscheiben sich auch andere Nachteile beseitigen lassen könnten, ist in diesem Aufsatz jedoch auch nicht einmal andeutungsweise angesprochen. Etwas anderes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß der Aufsatz neben dem Außenschleifen mit vergleichsweise großen Scheiben auch das Innenschleifen in der Endkontur topfartiger Körper behandelt, das die Verwendung vergleichsweise kleiner Scheiben voraussetzt. Nirgends in der Schrift ist nämlich etwas angegeben oder dargestellt, das für eine Verbindung der jeweils behandelten Schleifmethoden sprechen könnte. Entsprechendes trifft auf den Aufsatz von Tönshoff und Heuer zu. Gerade dessen Bilder 8, auf welche die Klägerin besonders abhebt, sind der Vorstellung verhaftet, daß beim Außenschleifen vergleichsweise große Schleifscheiben verwendet werden sollten. Der Fachmann erhielt aus dieser Schrift deshalb nur den Rat, zum Außenschleifen kleinere Scheiben als bisher zu verwenden, wenn eine Spanungsdicke unterhalb eines bestimmten Grenzwerts eingehalten werden kann und kompaktere Maschinen zur Verfügung stehen. Gegenstand der Abhandlung im Research Disclosure ist hingegen ohnehin nur die gleichzeitige Bearbeitung zweier unterschiedlicher Nocken durch zwei Schleifscheiben, die überdies von einem großen Durchmesser sind, so daß mit ihnen hohle Flanken nicht geschliffen werden können. Das deutsche Patent 678 981 schließlich lehrt, in einem ersten Schritt mittels einer parallel zur Drehachse des Rohlings gestellten, also quergestellten Scheibe mit entsprechend geformter Oberfläche im Bereich der späteren konkaven Kontur das Material der Nocke bis auf diese Kontur zu entfernen und die Nocke nur im übrigen mit der zweiten Scheibe zu schleifen. Das ist eine gänzlich andere Vorgehensweise, als sie patentgemäß vorausgesetzt wird, so daß auch sie in diesem Zusammenhang etwas anderes als die Verwendung zweier kleiner Schleifscheiben gleichen Durchmessers nicht nahezulegen vermochte.
Zusammengefaßt bedeutet dies, daß der Fachmann des Anmeldezeitpunkts sich von der Vorstellung lösen mußte, durch die erstrebte bereichsweise konkave Form des in zwei Bearbeitungsgängen zu schleifenden Nockens bei Verwendung von jeweils einer Schleifscheibe für jeden Bearbeitungsvorgang auf entsprechend kleine Schleifscheiben beschränkt zu sein. Daß das im Fachkönnen eines Fachmanns des Anmeldezeitpunkts gelegen hat, unterliegt bereits Zweifeln; vor allem aber ergeben sich hinsichtlich der durch den Patentanspruch 1 vorgeschlagenen optimierten Nutzung zweier unterschiedlich dimensionierter Schleifscheiben deshalb durchgreifende Zweifel, weil das Schruppen eines Rohlings üblicherweise zur Herstellung einer Kontur eingesetzt wurde, die abgesehen von der Bemaßung der Endkontur dieser in ihrem Verlauf im wesentlichen entspricht, und weil im Stand der Technik, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, nichts dafür ersichtlich ist, daß der erste Bearbeitungsschritt auch gezielt dazu eingesetzt werden kann, im Bereich der späteren konkaven Abschnitte eine davon abweichende, - wie die Figuren 5, 6a und 7 des Streitpatents zeigen - vorzugsweise weniger gekrümmte Kontur zu schaffen, die es gleichwohl erlaubt, erst sodann mit einer Schleifscheibe zu arbeiten, deren Durchmesser auf die konkave Krümmung hin ausgelegt ist.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf den aus dem Jahre 1988 stammenden Aufsatz von Partha Protin Bose, soweit dieser sich unter der Zwischenüberschrift "CNC camshaft grinders produce negative curves" mit damals bei einem Dieselmotor-und Lastkraftwagenhersteller neu installierten Nockenwellenschleifmaschinen befaßt. Nach dieser Darstellung arbeiten diese damals neuen Maschinen mit einer Schleifscheibe und zwei Schleifdurchgängen, wie es auch in Sp. 1 des Streitpatents als bekannt angegeben ist. Anläßlich der Erörterung dieser Schrift in der mündlichen Verhandlung hat der gerichtliche Sachverständige dies noch einmal bestätigt. Eine Besonderheit will die Klägerin allerdings daraus ableiten, daß dieser Bearbeitung nicht unbehandelte Rohlinge, sondern anderweit bereits vorgeschliffene Schmiedestücke unterworfen werden. Hierdurch war dem Fachmann jedoch weder Merkmal 5 b noch überhaupt etwas offenbart, das ihn zur Herstellung und Nutzung einer modifizierten Zwischenkontur hätte veranlassen können, wie sie das Streitpatent lehrt. Angegeben ist nur das Maß des anderweit bereits erfolgten Materialabtrags ohne Mitteilung, ob das Material mit einem Bandschleifgerät oder mittels einer Maschine mit einer Scheibe entfernt wurde und welchen Durchmesser diese Schleifscheibe gegebenenfalls hatte. Auf eine Scheibe, die traditioneller Weise einen Durchmesser von 60,96 cm habe, ist nur zur Verdeutlichung hingewiesen, daß es sich bei der Scheibe der erst sodann eingesetzten damals neuen Maschinen um eine mit deutlich kleinerem Durchmesser handele. Was den auf einer anderen Maschine erledigten ersten Schleifvorgang betrifft, ist die im Gesamtzusammenhang des Aufsatzes eher beiläufig erscheinende Darstellung außerdem so, daß - wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat - der fachkundige Leser der Schrift von Bose davon ausgehen muß, Werkstück für die nachfolgende Bearbeitung auf den damals neuen Maschinen sei ein über seine gesamte, die spätere Nockenbahn bildende Oberfläche gleichmäßig abgerichtetes Schmiedestück. Bei zwangloser, nicht bereits durch Erkenntnisse aus dem Streitpatent beeinflußter Sicht bot damit auch die Schrift von Bose dem Fachmann des Anmeldezeitpunkts lediglich ein Beispiel, wie ein Werkstück mit einer erst noch zu einer Nockenwelle umzuschaffenden Gestalt mittels einer kleinen Schleifscheibe, die zwischenzeitlich neu konditioniert werden muß, durch Vorschleifen und Fertigschleifen in die gewünschte Endkontur überführt werden kann. Unter diesen Umständen ergab sich für den Fachmann ein zum zielgerichteten Einsatz des Merkmals 5 b führender Hinweis auch nicht aus der den Materialabtrag im Flankenbereich betreffenden Darstellung im Aufsatz von Bose. Diese Textstelle hebt lediglich die Notwendigkeit hervor, dort mehr Material zu entfernen, die unabhängig von einer anderweitigen Vorbereitung der Nockenwelle ist, weil eine solche Notwendigkeit immer dann bestehen kann, wenn der geschmiedete oder gegossene Rohling eine Kontur hat, die in ihrem Verlauf nicht der Endkontur entspricht. In Übereinstimmung hiermit hat der auch hierzu befragte gerichtliche Sachverständige angegeben, daß der Fachmann dieser Textstelle lediglich einen allgemeinen Hinweis auf die Technologie des Schleifens von Nocken mit hohlen Flanken entnimmt.
Ohne Belang ist auch, daß isoliert betrachtet das Herausarbeiten einer konkaven Kontur dem Innenschleifen gleicht und daß Maschinen aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik bei entsprechender Herrichtung möglicherweise geeignet wären, mit einer für das Außenschleifen vorgesehenen großen Scheibe den Nocken vorzuschleifen und mit einer an sich für das Innenschleifen eines topfartigen Körpers konfektionierten kleinen Scheibe die konkaven Bereiche herauszuarbeiten. Daraus kann nämlich entgegen der Meinung der Klägerin nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß es - wie es die Klägerin bezeichnet hat - keine gedankliche Trennung zwischen Innen-und Außenschleifen gab. Schon die bereits gemachten Ausführungen zum Stand der Technik lassen es vielmehr möglich erscheinen, daß der Fachmann des Anmeldezeitpunkts, auf dessen Sicht es allein ankommt, Außen-und Innenschleifen nicht als einheitlich zu lösende Vorgänge ansah. So zeigt Bild 8 der Schrift von Tönshoff und Heuer zwar, in einer einzigen Aufspannung die Vorgänge des Außen-und Innenschleifens vorzunehmen. Das jeweilige Schleifen soll aber getrennt vom anderen erfolgen; die Innenschleifscheibe soll nicht auch Außenbereiche und die Außenschleifscheibe soll nicht auch die -von der Klägerin so bezeichneten -Innenkonturbereiche, die Bestandteile der Außenkontur sind, bearbeiten, wie es dem Streitpatent zugrunde liegt. Daß der Offenbarungsgehalt der Firmenschrift "F. " nicht weiter reicht, hat die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen zur Überzeugung des Senats ergeben. Danach ist eine Spindel, die zur inneren Bearbeitung eines Hohlkörpers mittels einer Schleifscheibe konstruiert ist, ohnehin von ihrer Auslegung her normalerweise nicht für das Außenschleifen verwendbar. Ebensowenig ist Bild 5 der Schrift von Salje und Redeker in dem von der Klägerin gewünschten Sinne aussagekräftig. Es zeigt nur ein Konzept einer Innenrundschleifmaschine mit zwei durchmessergleichen Scheiben auf zwei Spindelstökken. Auch wenn man berücksichtigt, daß dem Fachmann angesichts seiner Ausbildung und Erfahrung Abstraktionsvermögen zugetraut werden kann, verbleiben deshalb durchgreifende Zweifel, daß aus einer der abgehandelten Schriften oder dem entgegengehaltenen Stand der Technik als Gesamtheit die Anregung folgte, das Außen-und Innenschleifen in einer einzigen Aufspannung und mit zwei einzeln angetriebenen Schleifscheiben unter gezielter Herstellung einer patentgemäßen Zwischenkontur vorzunehmen. In Übereinstimmung mit der Bewertung des Streitpatents und des entgegengehaltenen Stands der Technik durch den gerichtlichen Sachverständigen kann nicht angenommen werden, daß das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents nur auf fachüblichem Handeln beruht.
5.
Patentanspruch 2 hat in Anbetracht seiner Rückbeziehung auf Patentanspruch 1 mit diesem Bestand.
6.
Mit Patentanspruch 3 ist eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 und 2 beansprucht, wobei die weiteren Angaben des Anspruchs 3 lediglich den bzw. die Schleifschlitten betreffen, der/die die Schleifscheibe(n) trägt/tragen. Diese Form der Beanspruchung bedeutet dem Fachmann im vorliegenden Fall, daß Schutz für eine Vorrichtung gewährt ist, die im übrigen die vorrichtungsmäßige Gestaltung hat, die aus Patentanspruch 1 (und/oder Patentanspruch 2) als notwendig für das dort beanspruchte Verfahren entnehmbar ist. Diese Auslegung wird durch den Inhalt der Beschreibung und der Zeichnungen des Streitpatents bestätigt; hiervon ist auch die Klägerin im Berufungsverfahren ausgegangen, so daß sich insoweit weitere Ausführungen erübrigen.
Danach muß die Vorrichtung insbesondere eine numerische Steuerung sowie eine erste zum Vorschleifen geeignete Schleifscheibe des in Merkmal 5 a (1) genannten Radius und eine zweite zum Fertigschleifen geeignete Schleifscheibe des in Merkmal 5 c (1) genannten Radius umfassen. Die Besonderheit in körperlicher Hinsicht, die Patentanspruch 3 abgesehen von den ausdrücklich genannten zusätzlichen Merkmalen vorschreibt, besteht aber in der Herrichtung beider Schleifscheiben zum gezielten Zusammenwirken, die Ausdruck gerade durch die Eignung findet, die Endkontur über einen im Hinblick auf ein optimiertes sich ergänzendes Schleifen gewählte (modifizierte) Zwischenkontur des in Merkmal 5 b genannten Krümmungsradius zu erhalten.
Die zusätzlichen Merkmale des Patentanspruchs 1 lassen sich wie folgt gliedern:
Die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 und 2 weist auf 7. einen ersten Schleifschlitten, a) der in einer Richtung senkrecht zur Längsachse der Nokkenwelle beweglich ist, b) der eine erste Schleifscheibe trägt, c) auf dem ein zweiter Schleifschlitten angeordnet ist, der
(1)
eine zweite Schleifscheibe trägt,
(2)
relativ zum ersten Schleifschlitten ebenfalls senkrecht zur Längsachse beweglich ist.
Durch die mittelbare Bezugnahme auf die zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 nötige körperliche Gestaltung ist ein Gegenstand gelehrt, der ebenso wie derjenige des Patentanspruchs 1 neu ist und von dem nicht festgestellt werden kann, daß er für den Fachmann zum Anmeldezeitpunkt nahegelegen hat. Die Ausführungen zur Auffindbarkeit des Verfahrens nach Patentanspruch 1 gelten gleichermaßen auch für die Auffindbarkeit der entsprechenden vorrichtungsmäßigen Gestaltung, die nach Patentanspruch 3 unter Schutz gestellt ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob auch die in den zusätzlichen Merkmalen zum Ausdruck kommende Lösung es verbieten würde, das Streitpatent im Umfange des Patentanspruchs 3 für nichtig zu erklären.
7.
Patentanspruch 4 hat in Anbetracht seiner Rückbeziehung auf Patentanspruch 3 mit diesem Bestand.
8.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG.
BGH:
Urteil v. 03.12.2002
Az: X ZR 148/99
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