Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Oktober 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 316/03

(BPatG: Beschluss v. 20.10.2004, Az.: 26 W (pat) 316/03)

Tenor

Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2003 wird aufgehoben, soweit er dem Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 541 474 stattgibt.

Der Widerspruch wird auch insoweit zurückgewiesen.

Die Anschlußbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistungen

"Bier, Ale und Porter, Mineralwässer, alkoholfreie Getränke, Fruchtsaftgetränke und Fruchtsäfte; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Verpflegung von Gästen"

eingetragene Marke 302 04 912 Angelliist Widerspruch erhoben worden aus der Gemeinschaftsmarke 000 541 474 die für die Waren

"Weine, nämlich Weine mit der kontrollierten Herkunftsbezeichnung Saint-Emilion vom Weingut Ch‰teau Angelus"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die teilweise Löschung der jüngeren Marke für "alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)" mit der Begründung angeordnet, daß die sich gegenüberstehenden Marken in diesem Umfang verwechselbar seien. Die Waren, für die die Widerspruchsmarke Schutz genieße, seien in der Warenklasse 33 der angegriffenen Marke oberbegrifflich enthalten, weshalb die beiden Marken als Kennzeichnungen für identische oder hochgradig ähnliche Produkte im Geschäftsverkehr in Erscheinung treten könnten. Damit seien strenge Anforderungen an den Abstand der Marken zu stellen, den die jüngere Marke jedoch teilweise nicht einhalte. Da der Zeichenbestandteil "CHATEAU" einen französischen Weinbaubetrieb bezeichne und auch die weiteren Angaben in der Widerspruchsmarke glatt warenbeschreibend seien, würden sich wesentliche Verkehrskreise ausschließlich an dem Wort "ANGELUS" orientieren, so daß dieser Markenbestandteil allein der angegriffenen Marke "Angelli" gegenüberzustellen sei. Da "Angelli" dem prägenden Wort "ANGELUS" im Lautbestand "Angel(l)-(-)" entspreche, kämen sich die Vergleichswörter im klanglichen Gesamteindruck so nah, daß sie in erheblichem Umfang klanglich miteinander verwechselt würden, zumal Endsilben bei zwangloser Sprechweise meist außerhalb des betonten Wortbereichs lägen. Hinsichtlich der weiteren Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke sei der Warenabstand so groß, daß insoweit die Unterschiede der Kennzeichnungen ausreichten.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Ihrer Ansicht nach stellen die beiden Worte "CHATEAU" und "ANGELUS" der Widerspruchsmarke einen einheitlichen Gesamtbegriff dar. Der Begriff "Ch‰teau" sei dem Durchschnittsverbraucher als französisches Wort für "Schloß" bekannt. Namen von Schlössern würden immer in ihrer Gesamtheit genannt. Für den Verkehr bestehe deshalb kein Anlaß, die Widerspruchsmarke auf "ANGELUS" zu verkürzen. Der von der Markenstelle angeführte weitere Sinngehalt "Weingut" für "Ch‰teau" sei dem Verkehr weitgehend unbekannt. Selbst bei einer Verkürzung der Widerspruchsmarke auf "ANGELUS" wären Verwechslungen mit der jüngeren Marke "Angelli" nicht zu befürchten, zumal das Wort "Angelus" aufgrund des sogenannten Angelusläutens allgemein bekannt sei.

Demgemäß beantragt die Inhaberin der angegriffenen Marke die vollständige Zurückweisung des Widerspruchs.

Die Widersprechende beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und - im Wege der Anschlußbeschwerde -, die angegriffene Marke auch für die Waren und Dienstleistungen "Mineralwässer, Fruchtsaftgetränke und Fruchtsäfte; Verpflegung von Gästen" zu löschen.

Sie vertritt die Auffassung, daß dem Wort "CHATEAU" bei französischen Weinen keine prägende Bedeutung zukomme, denn es handele sich hierbei um die gattungsmäßige Bezeichnung für einen französischen Weinbaubetrieb. Mangels betriebskennzeichnender Funktion dieser Bezeichnung würden wesentliche Verkehrskreise sich bei der Widerspruchsmarke ausschließlich an dem zweifach verwendeten Wort "ANGELUS" orientieren. Da die Worte "ANGELUS" und "Angelli" bis auf die praktisch klanglich geringfügig abweichenden Endlaute übereinstimmten, müsse im Verkehr in beachtlichem Umfang mit klanglichen Verwechslungen gerechnet werden. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der hochgradigen Nähe der beiderseitigen Waren. Der von der Markeninhaberin angeführte Sinngehalt des Wortes "ANGELUS" sei den hier angesprochenen Fachkreisen unbekannt.

Die Markeninhaberin beantragt, die Anschlußbeschwerde zurückzuweisen.

Bereits die hiermit angegriffenen Waren und Dienstleistungen seien den Waren der Widerspruchsmarke nur so entfernt ähnlich, daß Verwechslungen auch aus diesem Grunde insoweit nicht zu befürchten seien.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet, denn nach Auffassung des Senats besteht zwischen den sich gegenüberstehenden Marken keine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG, so daß der Widerspruch keinen Erfolg haben konnte und die Anschlußbeschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke (vgl EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922 - Canon).

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall von möglicher Warenidentität auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind ua für "alkoholische Getränke" bzw "Weine" bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzunehmen. Selbst wenn danach an den Abstand der sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen erhebliche Anforderungen zu stellen sind, ist dieser gewahrt.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der Vergleichszeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000 506 - ATTACHÉ/TISSERAND mwNachw). Da der Verkehr ein aus Wort- und Bildbestandteilen kombiniertes Zeichen in der Regel mit dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform benennt, stehen sich in klanglicher Hinsicht die Marken "Angelli" und "CHATEAU ANGELUS" gegenüber. Es bedarf keiner weiteren Begründung, daß zwischen diesen beiden Kennzeichnungen nicht die Gefahr von klanglichen oder sonstigen Verwechslungen besteht.

Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung kann kaum davon ausgegangen werden, daß der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke allein von dem Bestandteil "ANGELUS" geprägt wird. Zwar kann eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr auch dann bestehen, wenn einzelne Bestandteile der Marken Ähnlichkeiten aufweisen und diese ähnlichen Bestandteile den Gesamteindruck der Marke(n) prägen. So kann eine das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft einem einzelnen Markenbestandteil dann ausnahmsweise zugemessen werden, wenn ihm in der Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt, während die weiteren Elemente der Marke nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Die Feststellung der Prüfung des Gesamteindrucks eines mehrteiligen Zeichens durch einen Bestandteil setzt aber voraus, daß die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, daß sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl BGH GRUR 2000, 233 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Hiervon ausgehend kann nicht von einer Prägung der Widerspruchsmarke durch den Bestandteil "ANGELUS" gesprochen werden. Gegen eine selbständig kennzeichnende Stellung dieses Bestandteils spricht bereits, daß die nach Art eines Weinetiketts gestaltete Widerspruchsmarke auf einem Glockenstuhl in einheitlicher Schriftart zentral angeordnet die beiden Worte "CHATEAU ANGELUS" aufweist. Auch aufgrund dieser einheitlichen graphischen Gestaltung hat der angesprochene Verkehr keine Veranlassung, die Widerspruchsmarke allein nach dem Bestandteil "ANGELUS" zu benennen. Diese Annahme gilt jedenfalls für den Teil des inländischen Verkehrs, dem im Zusammenhang mit französischen Weinen der Sinngehalt des französischen Wortes "CHATEAU" (= Weingut) unbekannt ist (vgl dazu Der große Johnson, Die Enzyklopädie der Weine ..., 14. Aufl 2001, S 41). Soweit den Erwerbern teurer französischer "GRAND CRU-Weine" der genannte Sinngehalt von "CHATEAU" bekannt ist, dürfte sich auch für diesen Teil des Verkehrs dieser Bestandteil mit dem weiteren Wort "ANGELUS" zu einem zusammengehörigen Herkunftshinweis verbinden, weil das "CHATEAU" Grundlage der Klassifizierung der Weine ist und damit einen erheblichen Bestandteil des Herkunftshinweises darstellt (vgl dazu Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl § 9 Rdn 409). Aber auch der Teil des Verkehrs, der sich nur an dem Bestandteil "ANGELUS" orientieren sollte, wird die sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen nicht klanglich verwechseln. Bei einer deutschen Aussprache von "Ange(l)-li" und "Angelus" unterscheiden sich beide Wörter hinreichend deutlich durch die abweichenden Endungen "-us" gegenüber "li" und meist auch durch abweichende Betonung. Der durch die Abbildung der Glocke verdeutlichte Sinngehalt von "Angelus" (= Engel, Glockenläuten) wirkt einem Verhören entgegen. Einen derartigen Sinngehalt weist die jüngere Marke "Angelli" nicht auf. Es kann auch nicht etwa davon ausgegangen werden, daß der Verkehr die italienisch wirkende jüngere Marke "Angelli" etwa als Plural des Worts "ANGELUS" wertet; derartige (iü unzutreffende) sprachliche Überlegungen des durchschnittlich informierten Verbrauchers der betreffenden Waren sind nicht zu erwarten. Auch bei einer italienischen Aussprache der angegriffenen Marke etwa wie "andscheli" oder einer französischen Aussprache von "ANGELUS" wie "Anschelüs" sind keine klanglichen Verwechslungen zu befürchten. Schließlich deutet das Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke darauf hin, daß ihre Kennzeichnung für spezielle, hochpreisige Weine bestimmt ist. Dieser Umstand spricht dafür, daß die betreffenden Produkte ohnehin mit besonderer Aufmerksamkeit erworben werden.

Da mithin eine Verwechslungsgefahr der beiderseitigen Kennzeichnungen zu verneinen ist, war der angefochtene Beschluß insoweit aufzuheben und die Anschlußbeschwerde zurückzuweisen.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) bestand kein Anlaß.

Albert Eder Kraftbr/Bb






BPatG:
Beschluss v. 20.10.2004
Az: 26 W (pat) 316/03


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