Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. November 2005
Aktenzeichen: 34 W (pat) 309/03

(BPatG: Beschluss v. 17.11.2005, Az.: 34 W (pat) 309/03)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung Spalten 1 bis 3 mit Einschub, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung, 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Gegen das am 4. März 1993 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität vom 21. März 1992 angemeldete und am 29. August 2002 veröffentlichte deutsche Patent 43 06 686 mit der Bezeichnung "Schloss für Drahtseilenden von Hebezeugen" hat die Einsprechende am 29. November 2002 Einspruch eingelegt.

Der Einspruch wird darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

In das Verfahren sind folgende Druckschriften eingeführt:

(D1) DE 40 22 275 C3

(D2) US 4 699 410

(D3) US 2 594 950

(D4) US 2 353 479

(D5) DE-OS 22 31 267

(D6) Auszug aus Katalog der Hanes Supply, Inc., Buffalo: Section 5

(D7) Auszug aus Katalog der Miller Products Inc., Charlton: Seite 16

(D9) DE 39 37 631 A1 Darüber hinaus sind offenkundige Vorbenutzungen geltend gemacht worden, hierzu diverse Unterlagen vorgelegt und Zeugenbeweis angeboten worden.

In der Patentschrift ist noch die der von der Einsprechenden genannten, nachveröffentlichten DE 40 22 275 C3 zugehörige vorveröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift DE 40 22 275 A1 gewürdigt.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 5, Beschreibung Spalten 1 bis 3 mit Einschub, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung, Zeichnung gemäß Patentschrift.

Die geltenden Patentansprüche lauten:

1. Schloss für Drahtseilenden von Hebezeugen, wobei das Schloss als Tasche (4) gestaltet ist, in die das Drahtseilende (15) mit einer aufgepressten Hülse (16) einhängbar ist und mit Befestigungsmitteln (5, 8) zur Festlegung des Schlosses, dadurch gekennzeichnet, dass das Schloss (3) aus zwei gegeneinander verdrehbaren Teilen (1, 2) besteht, der erste Schlossteil (1) die Tasche (4) und das zweite Schlossteil (2) im Wesentlichen die Befestigungsmittel (5, 8) aufweist, wobei zwischen beiden Schlossteilen (1, 2) ein Drehlager (9) angeordnet ist, dessen Drehachse (10) der Seilmittelachse (11) entspricht, und im ersten Schlossteil (1) ein federbelasteter Sicherungsflügel (14) angeordnet ist, der ein unbeabsichtigtes Ausrasten des Seilendes (15) mit der Hülse (16) aus der Tasche (4) ausschließt, und der Sicherungsflügel (14) auf einer Welle (17) angeordnet ist, die auf der Schlossaußenseite einen Betätigungshebel (18) trägt.

2. Schloss nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass in dem einen Schlossteil (1, 2) ein Tragzapfen (12) eingesetzt ist, der einen Kopf (13) aufweist, an dem sich das auf dem Tragzapfen (12) angeordnete Drehlager (9) abstützt.

3. Schloss nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Tragzapfen (12) in dem zweiten Schlossteil (2) gehalten ist, der die Befestigungsmittel (5, 8) aufweist.

4. Schloss nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Befestigungsmittel (5 bis 8) aus einem Laschenpaar (5, 6) mit einer Querbohrung (7) für einen Verbindungsbolzen (8) bestehen.

5. Schloss nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass im ersten Schlossteil (1) zwischen dem Kopf (13) des Tragzapfens (12) und der Tasche (4) der Sicherungsflügel (14) angeordnet ist.

Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 1 PatG. Danach entscheidet über den Einspruch nach § 59 PatG der Beschwerdesenat des Patentgerichts, wenn - wie hier - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 beginnt und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist.

2. Der fristgerecht erhobene Einspruch, mit dem der Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) geltend gemacht wird, ist unbestritten zulässig.

3. Der Senat hat keine Zweifel an der Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche 1 bis 5. Der Anspruch 1 ist zulässig beschränkt und gebildet aus dem erteilten Patentanspruch 1 und Teilen der erteilten Ansprüche 5 und 6, ergänzt um das Wort "federbelasteter" vor der erstmaligen Nennung des Begriffs "Sicherungsflügel". Diese Ergänzung ist aus der Patentschrift ohne Weiteres herleitbar (siehe Spalte 1, Zeilen 64 und 65). Dort ist offenbart, dass der Sicherungsflügel beispielsweise durch eine Feder in der Verschlussstellung gehalten wird. Die Ausbildung der Feder ist folglich nicht wie von der Einsprechenden vorgetragen auf eine Schraubenfeder beschränkt, wie sie dann im Ausführungsbeispiel beschrieben ist (siehe Spalte 2, Zeile 59).

Die kennzeichnenden Merkmale der geltenden Ansprüche 2 bis 4 entsprechen nahezu wortgleich den kennzeichnenden Merkmalen der erteilten Ansprüche 2 bis 4. Das Kennzeichen des geltenden Anspruchs 5 stammt aus dem erteilten Anspruch 5.

Die ursprüngliche Offenbarung ergibt sich aus den Patentansprüchen 1 bis 6 sowie Seite 3, Abs. 4 der ursprünglich eingereichten Unterlagen.

Der Gegenstand des Patents ist folglich nicht unzulässig erweitert.

4. Zur Patentfähigkeit:

4.1. Der geltende Patentanspruch 1 kann wie folgt gegliedert werden:

Schlossa) für Drahtseilenden von Hebezeugen, b) wobei das Schloss als Tasche gestaltet ist, in die das Drahtseilende mit einer aufgepressten Hülse einhängbar ist, undc) mit Befestigungsmitteln zur Festlegung des Schlosses, d) das Schloss (3) besteht aus zwei gegeneinander verdrehbaren Teilen (1, 2), e) das erste Schlossteil (1) weist die Tasche (4) auf, f) das zweite Schlossteil (2) weist im Wesentlichen die Befestigungsmittel (5, 8) auf, g) zwischen beiden Schlossteilen (1, 2) ist ein Drehlager (9) angeordnet, dessen Drehachse (10) der Seilmittelachse (11) entspricht, h) im ersten Schlossteil ist ein federbelasteter Sicherungsflügel angeordnet, der ein unbeabsichtigtes Ausrasten des Seilendes mit der Hülse aus der Tasche ausschließt, i) der Sicherungsflügel ist auf einer Welle angeordnet, die auf der Schlossaußenseite einen Betätigungshebel trägt.

4.2. Zum Verständnis des Patentanspruchs 1:

Der beanspruchte Gegenstand betrifft ein Schloss für Drahtseilenden von Hebezeugen. Ein solches Schloss dient der lösbaren Befestigung des Drahtseilendes an einem weiteren Bauteil des Hebezeuges bzw. der lösbaren Verbindung des Drahtseilendes mit einem weiteren Teil des Hebezeuges. Dem Fachmann seit langem geläufig sind bspw. Keilschlösser (siehe Spalte 1, Zeilen 26 bis 36 in DE 40 22 275 A1) sowie Taschenschlösser (siehe Fig. 3 bis 5 in DE 40 22 275 A1 oder auch Fig. 8, 8a in D5). Das beanspruchte Schloss ist als Taschenschloss ausgebildet, wobei die Tasche des Schlosses so gestaltet sein soll, dass das Drahtseilende mit einer aufgepressten Hülse in die Tasche des Schlosses einhängbar ist. "Einhängbar" bedeutet im Sinne der angegriffenen Patentschrift wie auch der gattungsbildenden DE 40 22 275 A1, dass das Ende des Drahtseiles mit seiner Verdickung, hier in Form der aufgepressten Hülse, in die Tasche eingebracht werden kann, ohne dass das Seil über seine gesamte Länge eingefädelt werden oder das Taschenschloss zerlegt werden muss. Das Taschenschloss ist folglich entsprechend der DE 40 22 275 A1 "geschlitzt" auszubilden, so dass das Seil durch den Schlitz eingeführt werden kann.

4.3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu. Dies wurde von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich zugestanden.

4.4. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Das Patent geht aus von der DE 40 22 275 A1. Diese Druckschrift zeigt ein Schloss für Drahtseilenden von Hebezeugen, wobei das Schloss als Tasche gestaltet ist, in die das Drahtseilende mit einer aufgepressten Hülse einhängbar ist, und mit Befestigungsmitteln zur Festlegung des Schlosses. Die Merkmale a) bis c) sind bei dem bekannten, gattungsbildenden Schloss verwirklicht.

Das Patent befasst sich mit dem Problem der Torsionsspannungen in einem Drahtseil, die dann auftreten, wenn das Seil über Rollen geführt oder auf einer Trommel aufgewickelt wird. Diese Torsionsspannungen können zu Schlingenbildungen bzw. Seilknicken führen. Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung vorzuschlagen, die die Seildrehungen kompensiert und zuverlässig einsetzbar ist. Diese Aufgabe wird mit einem Gegenstand mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 gelöst.

Dem Fachmann - hier ein Dipl.-Ing. FH, Fachrichtung Maschinenbau mit Kenntnissen im Bereich Fördertechnik und Erfahrung im Betrieb von Hebezeugen - sind so genannte Wirbel hinlänglich bekannt. Hierunter versteht man in der Seiltechnik eine auf Zug beanspruchte Verbindung aus zwei Teilen, von denen sich das eine Teil gegenüber dem anderen um die Zugachse drehen kann. Auch die Befestigung des einen Teils des Wirbels an der Krankonstruktion und des anderen Teils am Ende des Kranseiles war dem Fachmann vor dem Prioritätstag des angegriffenen Patents bekannt. Diese drehbare Befestigung des Kranseiles ermöglicht es, das Kranseil von Torsionskräften zu entlasten (siehe bspw. Spalte 1, Zeilen 7 bis 17 in DE 39 37 631 A1). Es war daher zwar nahe liegend für den Fachmann, zur Kompensation der auftretenden Seildrehungen das Taschenschloss, mit dem das Seilende an der Krankonstruktion festlegbar ist, entsprechend einem Wirbel aus zwei gegeneinander verdrehbaren Teilen auszubilden, von denen das eine Teil die Tasche zur Seilbefestigung und das andere Teil die Befestigungsmittel zur Festlegung des Schlosses aufweist, und zwischen den beiden Schlossteilen ein Drehlager anzuordnen, dessen Drehachse der Seilmittelachse entspricht. Insoweit ist der Einsprechenden zuzugeben, dass die Merkmale d) bis g) des geltenden Patentanspruchs 1 die erfinderische Tätigkeit seines Gegenstandes nicht begründen können. Durch diese Gestaltung des Schlosses mit den Eigenschaften eines Wirbels entfällt jedoch die in der DE 40 22 275 A1 vorgesehene und als besonders günstig angesehene Sicherungseinrichtung gegen ein unbeabsichtigtes Aushängen des Seiles, die dort von dem Einhängeauge gebildet wird (siehe Spalte 2, Zeilen 20 bis 24 i. V. m Fig. 3). Da nun zwischen dem Einhängeauge und dem in die Tasche eingehängten Seilende ein Drehlager angeordnet ist, kann das Einhängeauge ein unbeabsichtigtes Aushängen des Seiles nicht mehr verhindern. Der Fachmann sucht daher entsprechend der vorgenommenen Ergänzung der Aufgabe - zuverlässig einsetzbar - nach einer anderen geeigneten Sicherungseinrichtung. Durch die DE 40 22 275 A1 erhält der Fachmann diesbezüglich lediglich noch die Anregung, eine bewegbare Sicherungseinrichtung als ein in das Schlossgehäuse vor das Seilende einschiebbares oder einsteckbares Element zu gestalten (siehe Spalte 2, Zeilen 16 bis 19 sowie Patentansprüche 1 und 2). Eine Anregung dahin, die Sicherungseinrichtung als einen federbelasteten Sicherungsflügel auszubilden, der auf einer Welle angeordnet ist, die auf der Schlossaußenseite einen Betätigungshebel trägt, entsprechend den Merkmalen h) und i), ist der DE 40 22 275 A1 hingegen nicht entnehmbar. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 hat daher am Prioritätstag des angegriffenen Patents durch die Zusammenschau der DE 40 22 275 A1 mit der DE 39 37 631 A1 nicht nahe gelegen.

Der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik, einschließlich der behaupteten offenkundigen Vorbenutzungen, liegt weiter ab und wurde von der Einsprechenden bezüglich des geltenden Patentanspruchs 1 in der mündlichen Verhandlung zu Recht nicht mehr aufgegriffen.

Nach alledem ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 patentfähig.

5. Die geltenden Unteransprüche 2 bis 5 werden vom Patentanspruch 1 mitgetragen. Da auch keine Zweifel an der gewerblichen Anwendbarkeit des beanspruchten Gegenstandes bestehen, war das Patent mit den im Tenor genannten Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Dr. Ipfelkofer Hövelmann Ihsen Pontzen WA






BPatG:
Beschluss v. 17.11.2005
Az: 34 W (pat) 309/03


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