Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. November 2005
Aktenzeichen: 7 W (pat) 328/03

(BPatG: Beschluss v. 16.11.2005, Az.: 7 W (pat) 328/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen die am 31. Oktober 2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 197 19 252 mit der Bezeichnung "Zweiflutiger und in Luftrichtung einreihiger hartverlöteter Flachrohrverdampfer für eine Kraftfahrzeugklimaanlage" ist am 30. Januar 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei und dass er über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus gehe. Zum Stand der Technik hat die Einsprechende ua auf die Druckschriften DE 195 15 526 C1 (E1) und die EP 0 414 433 A2 (E4) hingewiesen.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung Patentansprüche gemäß drei Hilfsanträgen vorgelegt, die frühere Hilfsanträge ersetzen sollen.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise mit den jeweils am 16. November 2005 überreichten Patentansprüchen 1 bis 17 gemäß den Hilfsanträgen I und II bzw Patentansprüchen 1 bis 15 gemäß Hilfsantrag III.

Außerdem erklärt die Patentinhaberin die Teilung des Patents.

Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, dass die von der Einsprechenden geltend gemachten Widerrufsgründe nicht vorlägen und dass der Gegenstand des Patents zumindest in einer der hilfsweise verteidigten Fassung eine patentfähige Erfindung darstelle.

Der Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents lautet:

"Zweiflutiger und in Luftrichtung einreihiger hartverlöteter Flachrohrverdampfer aus Aluminium oder einer Aluminiumlegierung für eine Kraftfahrzeugklimaanlage, bei dem zulaufseitig ein Verteiler des Kältemittels auf die Eingänge einzelner Flachrohre oder insbesondere Gruppen derselben vorgesehen ist und die Flachrohre stranggepresste mehrkammerige Rohre sind, zwischen denen Zickzacklamellen sandwichartig eingeschachtelt sind, gekennzeichnet durch die Kombination folgender Merkmale: -die Bautiefe des Verdampfers beträgt mindestens 25 mmund höchstens 50 mm;

-der von einer Zickzacklamelle eingenommene Zwischenraum zwischen zwei benachbarten Flachrohren beträgt mindestens 5 mm und höchstens 9 mm."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch das folgende am Ende angefügte Merkmal:

"-die zwischen ihren Flachseiten gemessene Dicke der Flachrohre beträgt mindestens 1 mm und höchstens 2 mm."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch das folgende am Ende angefügte Merkmal:

"-die Teilung der Zickzacklamellen beträgt mindestens 2 mm und höchstens 4 mm."

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die folgenden am Ende angefügten Merkmale:

"-die zwischen ihren Flachseiten gemessene Dicke der Flachrohre beträgt mindestens 1 mm und höchstens 2 mm; -die Teilung der Zickzacklamellen beträgt mindestens 2 mm und höchstens 4 mm."

Laut Beschreibung (Sp 2 Z 3 bis 6 der PS) soll die Aufgabe gelöst werden, den Wirkungsgrad eines gattungsgemäßen zweiflutigen Flachrohrverdampfers in einer konstruktiv besonders einfachen Weise zu erhöhen.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1.

Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig.

3.

Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt weder in der erteilten Fassung, noch in einer der nach den Hilfsanträgen I bis III verteidigten Fassungen eine patentfähige Erfindung im Sinne des Patentgesetzes § 1 bis § 5 dar. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus geht, wovon der Senat übrigens nicht ausgeht.

Als Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur des Maschinenbaus mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet der Thermodynamik und Wärmeübertragung und mit Erfahrungen in der Auslegung und Konstruktion von Apparaten für Klimaanlagen, insbesondere für Kraftfahrzeuge, anzusehen.

3.1 Zum Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des angefochtenen Patents ist nicht schutzfähig, denn er beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der DE 195 15 526 C1 (insbes Fig 4 und zugehöriger Text sowie Anspruch 1) ist ein zweiflutiger, einreihiger Flachrohrverdampfer aus Aluminium oder einer Aluminiumlegierung für Kraftfahrzeuge bekannt, bei dem das Kältemittel zulaufseitig durch einen Verteiler auf die Eingänge einzelner Flachrohre verteilt wird. Bei den Flachrohren handelt es sich um mehrkammerige Rohre (Fig 6), die typischerweise durch Strangpressen hergestellt werden. Zwischen den Rohren sind hinund herlaufende Lamellen angeordnet. Die Teile des Verdampfers sind miteinander verlötet. Somit ist aus der DE 195 15 526 C1 ein Flachrohrverdampfer mit den im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des angefochtenen Patents angegebenen Merkmalen bekannt (vgl Sp 1 Z 3 bis 10 der PS des angefochtenen Patents).

In der vorgenannten Druckschrift sind keine Maße für die verschiedenen Teile des Verdampfers angegeben. Diese Maße in geeigneter Weise festzulegen, um die geforderte Leistung des Verdampfers zu erreichen, gehört zu den Standardaufgaben bei der Auslegung und Konstruktion eines solchen Apparats. Der Fachmann bedient sich dabei bekannter Berechnungsverfahren und führt, falls erforderlich, auch Versuche durch. Bekanntlich hängt der Wärmeübergang sowohl auf der Luftseite als auch auf der Kältemittelseite in starkem Maße von den Parametern der Luftströmung und der Kältemittelströmung ab. Diese wiederum werden ua durch die Geometrie der Strömungskanäle bestimmt. Der Fachmann weiß, dass die verschiedenen Parameter voneinander abhängen und in Wechselwirkung treten. Es ist daher bei der Auslegung von Wärmetauschern, dh auch von Flachrohrverdampfern, typisch, nicht einzelne Abmessungen für sich, sondern stets die Gesamtkombination zu betrachten.

Im Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents (Hauptantrag) sind nur zwei dieser Parameter, nämlich die Bautiefe des Verdampfers und der Zwischenraum bzw Abstand zwischen zwei benachbarten Flachrohren spezifiziert. Hierbei handelt es sich um zwei der wesentlichen Konstruktionsparameter eines wärmeaustauschenden Apparates. Dies wird auch durch die EP 0 414 433 A2 (insbes Fig 7 und 8) belegt. Diese Druckschrift betrifft einen Duplexwärmetauscher, der für den Einsatz als Kondensator oder Verdampfer in Kraftfahrzeugen geeignet ist (Sp 1 Abs 1). Die beiden Einheiten der Duplexanordnung umfassen jeweils eine Reihe von Flachrohren, zwischen denen Zickzacklamellen eingeschachtelt sind. Als für die Leistung der Apparate wichtige Parameter sind ua ausdrücklich genannt die Bautiefe des Apparats (Rohrbreite Wt) und der Zwischenraum zwischen zwei benachbarten Flachrohren (Lamellenhöhe Hf, Sp 6 Z 34 bis 41 iVm Fig 7 und 8).

Zwar bezieht sich diese Stelle trotz des einleitenden Hinweises auf einen Verdampfer (Sp 3 Z 55) offensichtlich auf einen Kondensator, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt und worauf die Patentinhaberin zutreffend hingewiesen hat. Diese Parameter haben aber für einen Verdampfer offensichtlich eine ebenso große Bedeutung. Die in der Entgegenhaltung angegebenen Zahlenwerte für die genannten Parameter zeigen trotz der dem Fachmann selbstverständlich bekannten Unterschiede zwischen einem Kältemittelkondensator und einem Kältemittelverdampfer immerhin größenordnungsmäßig, in welchen Bereichen Bautiefe und Rohrabstand liegen können. Wenn bei der Auslegung eines Verdampfers eine besonders geringe Bautiefe erreicht werden soll, wird der Fachmann Rechnungen und ggf Versuche in Richtung einer immer kleineren Bautiefe vornehmen und dabei die anderen Parameter des Verdampfers so anpassen, dass die geforderte Leistung erreicht wird. Ein Vorurteil gegen Bautiefen unter 60 mm (vgl Sp 1 Z 44 bis 55 der PS des angefochtenen Patents) kann der Senat nicht erkennen. Dass in den aufgezeigten Druckschriften kein Flachrohrverdampfer mit einer Bautiefe von weniger als 60 cm beschrieben ist, kann ein derartiges Vorurteil nicht belegen.

Der Fachmann kommt also ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Patentanspruchs 1.

3.2 Zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag I ist nicht patentfähig, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Das im Vergleich zum Patentanspruch 1 nach Hauptantrag zusätzliche Merkmal spezifiziert die Dicke der Flachrohre. Die Dicke der Flachrohre wirkt sich - bei gegebener Rohrteilung -auf die Breite der Luftkanäle zwischen den Rohren und -bei gegebener Wandstärke -auf den Strömungsquerschnitt in den Rohren aus. Die Rohrdicke gehört somit zu den wesentlichen Auslegungsparametern eines Wärmetauschers, die der Fachmann bei der Auslegung eines solchen Apparats unter Berücksichtigung der Wechselwirkung mit den anderen Auslegungsparametern festlegen muss. Dass solche Rohrmessungen grundsätzlich bekannt sind, ergibt sich aus der EP 0 414 433 A2, wo für einen Kondensator eine Rohrdicke von mindestens 1,5 mm vorgeschlagen wird (Sp 6 Z 35).

3.3 Zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag II ist nicht patentfähig, denn er beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. In diesen Patentanspruch ist zusätzlich zum Patentanspruch 1 nach Hauptantrag die Teilung der Zickzacklamellen spezifiziert. Auch dieser Parameter gehört zu den vom Fachmann bei der Auslegung eines Fachrohrwärmetauschers routinemäßig festzulegenden Auslegungsparametern (vgl EP 0 414 433 A2 Fig 7 und Sp 6 Z 40). Seine Festlegung auf einen geeigneten konkreten Wert unter Beachtung vorgegebener Randbedingungen und der geforderten Leistung des Wärmetauschers ist daher für den Fachmann naheliegend.

3.4 Zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag III Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag III ist nicht patentfähig, denn er beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Patentanspruch enthält die Merkmale aus den Patentansprüchen 1 nach Hilfsantrag I und Hilfsantrag II. Mit Ausnahme der Rohrzahl, der Rohrlänge und der Lamellendicke werden in diesem Anspruch nunmehr die Hauptparameter der Geometrie des Flachrohrverdampfers spezifiziert. Wie bereits vorstehend ausgeführt wurde, lässt sich ein Flachrohrwärmetauscher, dh auch ein Flachrohrverdampfer, nur dann fachgerecht auslegen, wenn unter Berücksichtigung der von außen vorgegebenen Randbedingungen, zB der Breite, Höhe und Tiefe sowie der Wärmeleistung des Apparates die Gesamtheit der Geometrieparameter unter Berücksichtigung ihrer Wechselwirkung festgelegt werden. Dabei auch in Bereiche vorzudringen, die für sich gesehen für den betreffenden Parameter nicht unbedingt optimal sind, bedarf keiner erfinderischen Tätigkeit und keiner Überwindung eines Vorurteils, sondern ergibt sich fast zwangsläufig aus dem Bestreben, vorgegebenen Randbedingungen, zB eine maximale Bautiefe, zugenügen. Auch die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag III ergibt sich somit ausgehend vom Stand der Technik als Ergebnis routinemäßigen fachmännischen Vorgehens des Fachmanns.

Tödte Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 16.11.2005
Az: 7 W (pat) 328/03


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