Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 13. Januar 2009
Aktenzeichen: 5 U 13/08
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 13.01.2009, Az.: 5 U 13/08)
Bei einer Aktiengesellschaft, deren Satzung noch nicht an das UMAG angepasst ist, kann die Teilnahmeberechtigung des Aktionärs zur Hauptversammlung sowohl in der satzungsmäßigen Form als auch durch Depotauszug im Sinne des § 123 Abs. 3 S. 2 AktG n. F. nachgewiesen werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 14. Januar 2008 verkündete Urteil der 5 Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses der Beklagten, deren Aktien für den Handel im geregelten Markt der € Wertpapierbörse zugelassen sind. Der Kläger und sein Streithelfer waren und sind Aktionäre.
Mit Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 10.5.2007 (Bezugnahme auf Anlage B 1, Bl. 33 ff. d.A.) lud der Vorstand der Beklagten zur ordentlichen Hauptversammlung für den 5.7.2007 ein. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass die Aktionäre teilnahmeberechtigt seien, die entweder einen auf den Beginn des 14.6.2007 bezogenen Depotnachweis und bis zum 28.6.2007 vorlegen oder bis zum Beginn des 14.6.2007 ihre Aktien bei näher bezeichneten Stellen hinterlegt und die Bescheinigung der Gesellschaft bis zu 28.6.2007 übermittelt haben würden. Die an das UMAG noch nicht angepasste Satzung der Beklagten (Anl. B 2, hier Bl. 46 d.A.) regelte in § 14, dass teilnehmen dürfe, wer am siebten Tag vor der Hauptversammlung seine Aktien hinterlegt und bis zur Hauptversammlung dort belassen habe, wobei allerdings in § 4 Abs.5 ein Anspruch auf Auslieferung von Aktienurkunden ausgeschlossen worden war.
Die in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und zur Abschlussprüferbestellung hat der Kläger für nichtig angesehen, weil die Teilnahmebedingungen nicht zutreffend bekannt gemacht worden seien.
Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass folgende in der Hauptversammlung der Beklagten vom 5.7.2007 unter Punkt 2.), 3.) und 4.) der Tagesordnung gefassten Beschlüsse nichtig sind: a) unter Punkt 2.) der Tagesordnung, die Erteilung der Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2006, b) unter Punkt 3.) der Tagesordnung, die Erteilung der Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2006, c) unter Punkt 4.) der Tagesordnung, die Wahl der A AG, €gesellschaft, O1, zum Abschlussprüfer der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 2007.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil ein Nichtigkeitsgrund nicht bestehe. Die Bekanntmachung sei in Ordnung, weil die Neuregelung des § 123 Abs.3 AktG neben der gemäß § 16 EGAktG modifiziert fortgeltenden Satzungsregelung anzuwenden sei. Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem Urteil und auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlichen Standpunkt weiter und macht zusätzlich geltend, die Satzung sei zu den Teilnahmebedingungen ihrerseits nichtig, weil sie die Möglichkeit nicht vorsehe, eine Bescheinigung einer Hinterlegungsstelle über die Gesperrthaltung des Aktien bei einem Kreditinstitut vorzulegen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass folgende in der Hauptversammlung der Beklagten vom 5.7.2007 unter Punkt 2.), 3.) und 4.) der Tagesordnung gefassten Beschlüsse nichtig sind: a) unter Punkt 2.) der Tagesordnung, die Erteilung der Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2006, b) unter Punkt 3.) der Tagesordnung, die Erteilung der Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2006, c) unter Punkt 4.) der Tagesordnung, die Wahl der A AG, €gesellschaft, O1, zum Abschlussprüfer der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 2007.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil.
II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, weil das Urteil des Landgerichts weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch nach § 529 Abs.1 ZPO abweichend von der ersten Instanz festzustellende Tatsachen eine andere Entscheidung veranlassen (§ 513 Abs.1 ZPO).
1. Die Klage ist als Nichtigkeitsklage unbegründet, weil ein Nichtigkeitsgrund gemäß § 241 Ziff.1 AktG nicht vorliegt. Die Beschlüsse sind nicht in einer Hauptversammlung gefasst worden, die unter Verstoß gegen § 121 Abs.3 Satz 2 AktG einberufen war. Nach dieser Bestimmung sind in der Einberufung u.a. die €Bedingungen€ anzugeben, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung abhängen. Zu solchen €Bedingungen€, also Voraussetzungen im Rechtssinn, gehört der Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme.
§ 16 Satz 2 EGAktG bestimmt zur Anwendung des ab 1.11.2005 geltenden Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (€UMAG€) bei Gesellschaften, die ihre Satzung nicht an die gesetzliche Neuregelung angepasst haben, die Fortgeltung der bisherigen Satzungsregelung mit einer Anpassung für den Hinterlegungsstichtag. Die Beklagte ist, wie in § 16 Satz 2 EGAktG vorausgesetzt, ein börsennotiertes Unternehmen, weil ihre Aktien im geregelten Markt gehandelt werden, d.h. ein Zulassungsverfahren durchlaufen haben (§ 3 Abs.2 AktG). Ob und inwieweit neben den Nachweismöglichkeiten, wie sie in der (Alt-) Satzung geregelt sind, die Nachweismöglichkeiten des novellierten Gesetzesrechts für börsennotierte Unternehmen gelten sollen, bedarf der Auslegung der Übergangsbestimmung. Dazu sind nach der herkömmlichen Methode Wortlaut, System, Entstehungsgeschichte und Zweckrichtung, gegebenenfalls ergänzt um weitere Kriterien, wie etwa Rechtssicherheit und Praktibilität, in den Blick zu nehmen.
Der Wortlaut des Satzes 2 in § 16 EGAktG deutet in die vom Kläger vertretene Richtung, denn er erklärt ohne Einschränkung und Bezugnahme auf § 123 Abs.3 AktG die bisherige Satzungsregelung mit einer Terminsmodifikation für fortgeltend.
§ 123 Abs.3 Satz 1 AktG bezieht sich aber nur auf eine Regelung durch Satzung, während dessen Satz 2, in dem die Möglichkeiten bei börsennotierten Gesellschaften genannt sind, von der Satzung unabhängig Gültigkeit beansprucht. Das legt es € systematisch betrachtet - nahe, dass auch die Anordnung zur Fortgeltung der alten Satzungsbestimmung in § 16 Satz 2 EGAktG nur den Anwendungsbereich des Satzes 1 in § 123 AktG n.F betrifft.
Die Materialien zum UMAG bestärken diese sich aus der Systembetrachtung ergebenden Bewertung. Die Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf (BT-Drucksache 15/5092) weist nämlich zu § 16 EGAktG (dort Seite 31) auf ein Nebeneinander der Regelungen hin (€Die Übergangsregelung bedeutet ferner, dass Satzungsbestimmungen, die die Hinterlegung von Aktien als Voraussetzung für die Teilnahme oder die Ausübung des Stimmrechts bestimmen, für Hauptversammlungen vorbehaltlich einer zwischenzeitlich erfolgten und sicherlich auch anzuratenden Satzungsänderung weiterhin wirksam sind, dass jedenfalls aber der Nachweis des depotführenden Finanzinstituts ausreichend ist€). Dass der Entwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 15/5092) diesen Nachweis noch für jedwede Aktiengesellschaft zulassen wollte, während der Nachweis auf Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucksache 15/5693, S.5, Begründung S.17) später auf börsennotierte Aktiengesellschaften beschränkt wurde, berührt nur den Regelungsumfang, nicht aber, wie es der Kläger vor dem Senat gesehen hat, das Nebeneinander der Nachweismöglichkeiten. Für den BT-Ausschuss war maßgeblich, dass nichtbörsennotierte Aktien in der Regel ohnehin nicht in ein Bankdepot eingebucht sind (BT-Drucksache 145/5693 S.17).
Die Regelung hinsichtlich der Nachweismöglichkeiten bezweckt nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 15/5092, S.1 €Problem und Ziel€) eine Anpassung an den Umstand, dass das Recht der Hinterlegung und Anmeldung noch von der €völlig veralteten Vorstellung effektiver Aktienstücke ausgeht€. Dem wird mit der Erleichterung des Nachweises bei börsennotierten Gesellschaften entsprochen. Das Verständnis des Klägers würde aber dazu führen, dass es die Gesellschaft in der Hand hätte, ab wann sie den erleichterten Nachweis erlaubt. Das gelegentlich herangezogene Argument, es gehe mit der Übergangsregelung um die Ausschließung von Doppelnachweisen, ist freilich in diesem Zusammenhang ohne argumentative Kraft. Denn auch nach dem Verständnis des Klägers wären Doppelnachweise ausgeschlossen.
Die Zweigleisigkeit zwischen Hinterlegungsnachweis gemäß Satzung und Depotbankbestätigung ist praktikabel und sinnvoll, denn sie erweitert die Nachweismöglichkeiten des Aktionärs, ohne dass sie Rechte einschränken oder Zweifeln aussetzen würde.
Schließlich entspricht die vom Senat vertretene Auslegung Geboten der Rechtssicherheit. Sie wird € soweit ersichtlich - einschränkungslos in der Rechtsprechung gutgeheißen (OLG Stuttgart vom 12.10.2007, 20 U 13/07 - ZIP 2007, 182; OLG Stuttgart vom 15.10.2008, 20 U 19/07 € zitiert nach juris, dort Rz. 76; OLG München vom 17.1.2008, 7 U 2358/07 € AG 2008, 508; LG Krefeld vom 20.12.2006, 11 O 70/06 € ZIP 2007, 730, Senat 5 U 65/07 vom 14.10.2008 € nicht veröffentlicht), wie von der ganz überwiegenden Fachliteratur (vgl. etwa Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 123 Rz.17; Schmitt/Lutter, AktG, 2008, § 123 Rz.37). Darauf durfte sich die Rechtsanwendungspraxis einstellen, sodass nicht ohne zwingenden Grund hiervon abgewichen werden soll.
2. Die Bekanntmachung ist auch nicht deshalb zu den Teilnahmebedingungen unrichtig, weil die satzungsmäßige Hinterlegung nun mit einer Anmeldung bei der Gesellschaft verbunden worden ist, zu der die Satzung aber schweigt. Nach der Satzung genügte es freilich, wenn der Aktionär seinen Hinterlegungsnachweis erst bei der Einlasskontrolle vorlegte. Demgegenüber verlangte die Bekanntmachung, dass der Hinterlegungsnachweis bis zum 28.6.2007 bei der Gesellschaft vorliegen muss, was einem Anmeldungserfordernis entspricht. Dass die Bekanntmachung aber die Vorlage des satzungsmäßigen Hinterlegungsnachweises in einer Frist verlangt, beruht auf § 123 Abs.3 Satz 3 AktG, der mit den Einschränkungen der Überleitungsvorschrift seit dem Inkrafttreten des UMAG anwendbar ist, wie in § 16 S.1 EGAktG nochmals klargestellt ist. Dieser Satz 3 bezieht sich nämlich nicht nur auf Satz 2, sondern auch auf Satz 1 des Absatzes, in dem die besondere Ausgestaltung des Nachweises durch eine Satzung geregelt ist. Das folgt zweifelfrei aus seinem letzten Halbsatz, der darauf verweist, dass die Satzung auch eine kürzere Frist für die Vorlage des Nachweises vorsehen kann. Damit gilt Satz 3 grundsätzlich auch für nicht angepasste Altsatzungen.
3. Ein Einladungsmangel liegt auch nicht etwa deshalb vor, weil § 14 der Satzung, wie aber der Kläger meint, unvollständig wäre. Der Kläger sieht einen Satzungsmangel, weil nicht bestimmt ist, dass als hinterlegt auch die Aktie gilt, die mit Zustimmung einer Hinterlegungsstelle bei einem Kreditinstitut gesperrt gehalten wird. Ein zur Nichtigkeit führender Satzungsmangel liegt darin indessen nicht, weil ein Verstoß gegen § 23 Abs.5 AktG, also gegen Bestimmungen des Aktiengesetzes, nicht vorliegt. Ob § 14 der Satzung vor Einführung des UMAG wenig praktikabel war und dem Kleinaktionär die Teilnahme erschwert haben könnte, weil im Fall einer Sammelverwahrung die Auslieferung der Stücke hätte verlangen müssen (§ 7 DepotG), ist unerheblich. Mit dem Inkrafttreten des UMAG war dem Aktionär im Übrigen die gesetzliche Möglichkeit eröffnet, mittels Depotauszug die Inhaberschaft nachzuweisen.
4. Anfechtungsgründe hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs.1, 708 Nr.10 und 711 ZPO. Über außergerichtliche Kosten des im Berufungsverfahren zwar zugezogenen, aber nicht aufgetretenen Streithelfers war auch unter Berücksichtigung seiner sich aus § 69 Abs.1 ZPO ergebenden streitgenössischen Stellung eine Entscheidung nicht zu treffen. Die einem untätigen notwendigen Streitgenossen zukommende Parteistellung im Berufungsverfahren gemäß § 62 Abs.2 ZPO führt bei Zurückweisung des Rechtsmittels des tätigen Streitgenossen nur zu einer Kostenentscheidung zu seinen Lasten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 62 Rz. 32 am Ende), die aber die Kosten seines Streitgenossen nicht einschließt. Eventuelle eigene außergerichtliche Kosten hat dieser selbst zu tragen. Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung (§ 543 Abs.2 ZPO), nachdem die vom Kläger aufgeworfene Problematik in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig anders gesehen wird.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 13.01.2009
Az: 5 U 13/08
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