Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juli 2006
Aktenzeichen: 27 W (pat) 183/05
(BPatG: Beschluss v. 04.07.2006, Az.: 27 W (pat) 183/05)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. August 2005 wird aufgehoben.
Die Marke 304 02 905 ist aufgrund des Widerspruchs aus der international registrierten Marke R 459 937 zu löschen.
Gründe
I.
Gegen die am 22. April 2004 farbig (blau, rot, weiß) eingetragene Wort-/Bildmarke 304 02 950 Grafikfür die Waren:
"Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Webstoffe, Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"
ist Widerspruch erhoben worden aus der international registrierten Wort-/Bildmarke R 459 937 Grafik
, die seit 1981 registriert ist und in der Bundesrepublik Deutschland Schutz genießt für die Waren 03 Savons; parfumerie, huiles essentielles, cosmetiques, lotions pour les cheveux.
07 Machines à onduler et à secher les cheveux.
08 Outils et instruments à main pour coiffeurs; fers à friser.
09 Appareils et instruments electriques pour coiffeurs; lunettes, notamment lunettes de soleil; etuis à lunettes.
11 Sèchecheveux, lampes à infrarouge, casques chauffants et sechoirs.
21 Peignes et brosses; brosses chauffantes.
25 Vêtements, y compris les bottes, les souliers et les pantoufles.
26 Épingles, rouleaux et autres dispositifs pour onduler les cheveux; epingles, barrettes, boucles à cheveux; filets et bandeaux pour les cheveux; articles decoratifs pour la chevelure; tresses de cheveux, postiches, perruques, travaux en cheveux.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch Beschluss einer Mitarbeiterin des höheren Dienstes vom 8. August 2005 zurückgewiesen, da die Vergleichsmarken nicht verwechselbar im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG seien. Im Klang und im visuellen Gesamteindruck unterschieden sie sich hinreichend deutlich, um dem Verkehr auch bei identischen bzw. sehr ähnlichen Waren eine sichere Unterscheidung zu ermöglichen. Die angegriffene Marke bestehe aus dem Schriftzug "LUCA DAVID" und den Initialen "LD" in spiegelverkehrter Form, die Widerspruchsmarke nur aus den Buchstaben "JD". Dadurch, dass der Verkehr den Schriftzug in der jüngeren Marke nicht außer Acht lasse, werde ihm eine Betrachtung der Initialen dort immer als "LD" und nicht als "JD" erscheinen, selbst wenn er die Marke nur nach den Initialen benenne.
Gegen diesen ihr am 24. Februar 2005 zugestellten Beschluss hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist sie auf die Identität bzw. große Ähnlichkeit zwischen den jeweils beanspruchten Waren. Sie sieht insbesondere eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr, denn zwischen der Widerspruchsmarke und dem Bildbestandteil der jüngeren Marke bestehe "Quasi-Identität". Beide Zeichen wiesen denselben Gesamteindruck auf. Dieser präge den Gesamteindruck der jüngeren Marke, denn er sei so fantasievoll, dass der vernachlässigbar kleine Schriftzug demgegenüber untergehe. Im Bildbestandteil der jüngeren Marke erkenne der Verkehr die Widerspruchsmarke wieder. Der Schriftzug erkläre allenfalls, wofür der Bildbestandteil, den der Verkehr als zwei Buchstaben erkenne, stehe. Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 8. August 2005 aufzuheben und die Marke 304 02 950 zu löschen.
Die Markeninhaberin, die wie angekündigt, an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen hat, hat sich auf den angefochtenen Beschluss bezogen und wendet sich gegen das Löschungsbegehren der Widersprechenden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten und die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. In Anbetracht der markenrechtlichen Identität bzw. engen Ähnlichkeit der von der jüngeren Marke beanspruchten Waren mit den Waren der Widerspruchsmarke kann eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht verneint werden.
Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls anhand des Grades der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren bzw. Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd). Aufgrund der Wechselbeziehung zwischen diesen gegeneinander abzuwägenden Faktoren kann bei einem hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken und gesteigerter Kennzeichnungskraft der älteren Marke schon ein geringfügiger Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen und umgekehrt (vgl. BGH GRUR 2004, 235, 237 - Davidoff II; GRUR 2004, 239 - DONLINE, jew. m. zahlr. w. N.). Dabei ist auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (st. Rspr., vgl. z. B. EuGH a. a. O. - Lloyd), dessen Aufmerksamkeit je nach der Art der betreffenden Waren unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND).
Im vorliegenden Fall ist mindestens von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der gerichtsbekannt im Markt gut eingeführten Widerspruchsmarke auszugehen. Die mit der jüngeren Marke beanspruchten Waren "Parfümeriewaren, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" sind identisch mit den Waren "parfumerie, cosmetiques", ebenso "Bekleidungsstücke, Schuhwaren" mit "Vêtements, y compris les bottes, les souliers et les pantoufles", zu denen "Kopfbedeckungen" im engsten und "Webstoffe, Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten" in einem durchaus noch relevanten Ähnlichkeitsbereich liegen. Dies erfordert nach den genannten Grundsätzen einen Abstand zwischen den Marken, der insbesondere im Hinblick auf die identischen und sehr ähnlichen Waren ganz erheblich sein müsste. Dieser Abstand ist hier nicht gewahrt. Es besteht folglich die Gefahr, dass das Publikum die Marken verwechselt.
Der Senat vermag der Auffassung der Markenstelle nicht zu folgen, die jüngere Marke werde vom Verkehr entweder als "LD - LUCA DAVID" oder auch nur als - spiegelbildlich dargestelltes - "LD" angesehen, was eine Verwechslung ausschließe. Dem unvoreingenommenen Betrachter, der üblicherweise eine Marke so wahrnimmt, wie sie ihm begegnet, ohne interpretatorische Analysen anzustellen, wird das in der jüngeren Marke groß dargestellte und durch einen roten Kreis besonders hervorgehobene Emblem ausschließlich als ein - in der Art der Widerspruchsmarke grafisch zu einer gerundeten Einheit mit prägnanter senkrechter Doppel-Mittelachse verbundenes - "JD" erscheinen. Für eine diese gestalterischen Besonderheiten in der Wahrnehmung im Gesamteindruck überlagernde Interpretation des Emblems als "LD" bestehen keine naheliegenden Anhaltspunkte. Die Annahme einer Spiegelung nur des Buchstabens "L" bei Beibehaltung des "D" in Position und Darstellungsrichtung erscheint auch dann ungewöhnlich weit hergeholt, wenn der Schriftzug "LUCA DAVID¨" zur Kenntnis genommen wird. Es ist keineswegs zwingend anzunehmen, dass als Buchstaben zu erkennende emblematische Zusätze zu einem Namen in einer Marke eine bloße Abkürzung dieses Namens darstellen müssen. Jedenfalls ist nicht von einem Erfahrungssatz auszugehen, dass prägnante Buchstabenembleme vom Verkehr daraufhin untersucht würden, ob sich aus weiteren Markenbestandteilen eine "Auflösung" einer möglichen Abkürzung ergeben könnte, wenn auf den ersten Blick eine Übereinstimmung des Emblems mit den als "Lesehilfe" in Frage kommenden Bestandteilen nicht ersichtlich ist. Damit erscheinen der Bildbestandteil der jüngeren Marke und die Widerspruchsmarke als in wesentlichen Elementen, nämlich den Buchstaben und des Prinzips ihrer grafischen Gestaltung, übereinstimmend, was zu der Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung führen muss. Selbst jene Teile des Verkehrs, die den hinzugefügten Schriftzug "LUCA DAVID¨" wahrnehmen und ihm eine eigenständige kennzeichnende Bedeutung beimessen, werden angesichts der mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Merkmale im prägnanten Emblembestandteil der jüngeren Marke nicht zu der Auffassung gelangen, es handele sich um eine andere Herstellerkennzeichnung; allenfalls werden sie diesen Zusatz als Hinweis der Inhaberin der Widerspruchsmarke auf eine besondere Produktlinie ansehen.
Ein Grund, einem der Beteiligten die Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 Sätze 1 und 2 MarkenG), ist nicht gegeben.
BPatG:
Beschluss v. 04.07.2006
Az: 27 W (pat) 183/05
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